Genesis III - Alfred Broi - E-Book

Genesis III E-Book

Alfred Broi

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Beschreibung

Der furchtbare Krieg dauert an. Unzählige Opfer, unvorstellbares Leid. Der Feind zieht unaufhaltsam eine globale Spur aus Tod und Vernichtung. Das Schicksal Santaras scheint besiegelt. Doch einige Wenige können und wollen sich nicht damit abfinden und in den dunkelsten Stunden formiert sich erster, schwacher Widerstand. Dabei jedoch haben Jorik und seine Freunde vordringlich damit zu kämpfen, dass sie in den Wirren des Krieges über den ganzen Planeten versprengt wurden und jeder für sich muss zunächst allein zurechtkommen und seinen eigenen Platz in diesen schlimmen Zeiten finden. Während die einen dabei sehr schnell konstruktiv werden und aktive Rettungsmissionen durchführen, müssen andere durch unbekanntes Land ziehen und finden auf wundersame Weise einen Ort der Sicherheit. Wieder andere kehren an Schauplätze zurück, die sie bereits zerstört wähnten, die jedoch mehr Leben in sich bergen, als es den Anschein hat. Und es gibt diejenigen, die auf ihrer Suche nach Hoffnung Verbündete finden sollen, mit denen sie nicht gerechnet hätten. Doch der Feind schläft nicht und mit gigantischen Maschinen offenbart er schließlich seine wahren Absichten. Schnell wird klar, dass es noch so schrecklich viel Leben auf Santara gibt, dass ihnen allen aber auch die Zeit davonläuft. Denn unerwartet zeigt sich eine neue Bedrohung und sie scheint mächtiger, als alles zuvor... Genesis III - Jenseits aller Hoffnung ist das dritte Kapitel der großen Saga um das Schicksal eines ganzen Planeten - spannend, schonungslos und emotional

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Prolog – Nur ein Traum

I – Versprengte Herzen

I

II

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

XX

XXI

XXII

XXIII

XXIV

XXV

XXVI

XXVII

XXVIII

XXIX

XXX

XXXI

XXXII

XXXIII

XXXIV

XXXV

XXXVI

XXXVII

XXXVIII

XXXIX

XL

XLI

XLII

XLIII

XLIV

XLV

XLVI

XLVII

II – Ein Flackern am Horizont

XLIX

L

LI

LII

LIII

III – Die Hölle des Krieges

LV

LVI

IV – Dunkle Zeiten

Joriks erster Brief an seine Tochter Daria

Joriks neunter Brief an seine Tochter Daria

Joriks siebzehnter Brief an seine Tochter Daria

Joriks achtzehnter Brief an seine Tochter Daria

Joriks zweiundsiebzigster Brief an seine Tochter Daria

LVII

V – Der Schrei nach Leben

Prolog

Nur ein Traum

Oh, es war ein wahrhaft wundervoller Tag, der sich ihm offenbarte!

Jorik wusste zwar nicht mehr, welcher Gedanke ihn dazu veranlasst hatte, auf die Hochebene südlich von Ara Bandiks zu fahren, doch es musste eine himmlische Eingebung gewesen sein, denn mit dem freien Blick über das vor ihm liegende Land konnte er die ganze grandiose Pracht seiner Heimat in vollen Zügen genießen.

Saftige, sattgrüne Wiesen, soweit das Auge im Osten reichte, in denen unzählige Blumen in allen nur erdenklichen Formen und Farben funkelten wie Edelsteine.

Mächtige Bäume, deren Kronen sich majestätisch in den Himmel streckten und einem dichten Blätterdach, unter dem sich wohltuende Schatten ausbreiteten.

Im Westen schoben sich erste Sanddünen durch das Grün, bis sie schließlich dominierten und den schönsten und feinsten Badestrand Poremiens, vielleicht sogar auf ganz Santara bildeten. Dahinter schimmerten die schier unendlichen tiefblauen, beinahe violetten Wassermassen des galpagischen Meeres.

Weit im Norden konnte Jorik sogar die ersten Ausläufer des dortigen Hochlands erkennen, die sich, stahlgrau und weiß, wuchtig in den Himmel schoben. Beinahe glaubte er, er könne heute selbst die höchsten Gipfel in über dreiundzwanzigtausend Metern Höhe erkennen.

Davor, und eingerahmt vom Ozean, dem Grünland und der Hochebene, auf der er stand, lag Ara Bandiks, Hauptstadt von Poremien und die wohl atemberaubendste Metropole auf dem ganzen Planeten.

Weit über zwanzig Millionen Menschen lebten und arbeiteten dort und erlebten jeden Tag aufs Neue die Wunder einer faszinierenden Metropole, deren Herzschlag niemals verebbte und der weithin zu hören war.

Mit unverhohlenem Stolz ließ Jorik seinen Blick über die unterschiedlichen Viertel der Stadt schweifen.

Im Westen schmiegte sich der größte Hochseehafen des Planeten sanft an die Meeresküste und war pulsierender Umschlagplatz für alle nur erdenklichen Waren. Im Osten lag das weitläufige Gelände des hochmodernen Mariamuk-Flughafens, auf dem täglich mehrere hundert Maschinen landeten und ebenso viele Flugzeuge in alle Himmelsrichtungen starteten und Zehntausende von Personen bequem, pünktlich und sicher an ihr gewünschtes Ziel brachten.

Im Norden der Stadt erhoben sich gigantische Fabrikhallen und mächtige Versorgungsanlagen, die genug Energie und Rohstoffe lieferten, um die vielfältigen Bedürfnisse und Wünsche der Einwohner zu decken.

Im Süden erstreckten sich über viele Kilometer Wohngebiete in unterschiedlichen, abwechslungsreichen Baustilen, die den Bewohnern Schutz und Heim in ansprechender Optik und überwiegend tadelloser Qualität boten.

Daneben schloss sich das beeindruckende Gelände der Kaliamu-Universität an.

Bei ihrem Anblick musste Jorik fröhlich lächeln, denn genau dort wusste er einen seiner besten Freunde und sah ihn bildlich vor sich, wie er mit zerzaustem Haar und zerknautschten Kleidern in seinem Labor saß und weitere bahnbrechende und wundersame Erfindungen hervorbrachte.

Ja, Shamos war ganz sicher ein grandioser Wissenschaftler, der schon so vielen Menschen mit seinem brillanten Verstand das Leben erleichtert hatte. Für Jorik aber war er noch weit mehr als das: Nicht nur einer seiner besten Freunde, wenn nicht sogar der engste Vertraute, den er hatte, war Shamos für ihn der klügste Kopf, den dieser Planet je hervorgebracht hatte und Jorik hatte allerhöchsten Respekt vor diesem Mann und empfand großen Stolz, ihn als seinen Freund bezeichnen zu dürfen.

Für einen Moment verfiel Jorik in tiefe, aber wohltuende Gedanken, dann glitt sein Blick weiter auf das faszinierende und grandiose Zentrum der Metropole, einem Schmelztiegel für Konsum, Kultur und Entertainment. Hier waren neben unzähligen Kaufhäusern und Modeimperien, Entertainment-Tempeln, Stadien und Veranstaltungshallen, die mächtigsten Industrieunternehmen ansässig und lieferten sich zusammen mit den größten Banken des Planeten, einen schier grenzenlosen Kampf um das höchste und atemberaubendste Bauwerk auf Santara.

Noch immer jedoch war dies der unscheinbare, ja fast dürr anmutende Paliavith-Tower, der von allen Bewohnern nur liebevoll-verächtlich The Stripe genannt wurde.

Selbst hier, in einer Entfernung von rund zwanzig Meilen, konnte Jorik die schillernde Welt der Leuchtreklame sehen und den tiefen, lebhaften Rhythmus der Metropole spüren, in den er selbst so gern eintauchte.

Über allem thronte ein strahlend blauer, beinahe wolkenloser Himmel, von dem Lexis, der urgewaltige, scheinbar nie versiegende Sonnenstern sein funkelndes, wärmendes und lebensspendendes Licht auf den Planeten warf, über den ein sanfter, wohliger Wind strich und ein leise flüsterndes, fröhliches Lied sang.

Ja, Jorik konnte es nicht leugnen. An Tagen wie diesen – und davon gab es auf diesem wunderbaren Planeten nicht wenige – spürte er einen tiefen Stolz in sich und er empfand eine wundervoll belebende Freude, ein Teil dieser Welt zu sein, die er seine Heimat nennen durfte.

All dies aber wäre für ihn so sehr bedeutungslos gewesen, wenn er nicht genau die Person neben sich gewusst hätte, für den er mehr als für jeden anderen Menschen dieses Gefühl empfand, das allgemein hin als Liebe bekannt war, das jedoch so unendlich viel mehr als nur eine einzige Empfindung ausdrückte.

Alisha war sein Traum vom Leben, der auf so wundervolle und unfassbar himmlische Weise tatsächlich wahr geworden war.

Für Jorik war sie nicht nur die schönste, intelligenteste und warmherzigste Frau auf dem ganzen Planeten, sondern sie verkörperte für ihn auch eine unwiderstehliche Erotik, eine so herrlich wohltuende geistige Tiefe und eine allüberstrahlende aufrechte Lebensweise, dass er nie wirklich verstanden hatte, warum Alisha sich ausgerechnet ihn zum Lebenspartner auserkoren hatte.

Und doch war es so und als Jorik seinen Blick nach rechts wandte, wurden seine tiefen Gefühlen zu seiner Frau mit einem Blick in ihre strahlenden, tiefgrünen, wie Edelsteine funkelnden Augen, auf wunderbar wärmende und beruhigend sichere Weise bestätigt.

Auch Alisha genoss die Aussicht, die sich ihnen bot und die Eindrücke dieses herrlichen Sonnentages in vollen Zügen und ihr strahlendes Lächeln, das sie ihm zuwarf, ließ eine kribbelnde Gänsehaut über seinen Körper huschen.

Jorik fühlte sich wunderbar leicht und frei und noch während er die Vögel hoch oben in den Lüften für ihre Fähigkeit, fliegen zu können, beneidete, spürte er, wie sich in seinem Inneren alles auf wundersame, aber auch wundervolle Weise veränderte.

Wie selbstverständlich wurde sein Körper mit einem dichten Kleid aus braunen und weißen Federn überzogen, während seine Beine zu dünnen Stelzen mit kräftigen, scharfen Krallen mutierten.

Auch seine Arme veränderten sich und bogen sich zu weiten, muskulösen Schwingen.

Doch anstatt darüber in Sorge zu geraten, blickte er wieder zu Alisha und konnte sehen, dass auch sie diese Veränderung durchgemacht hatte und nun nicht mehr in Gestalt einer Menschenfrau neben ihm stand, sondern als prachtvolles strahlend-weißes Adlerweibchen.

Und da wusste Jorik tief in seinem Herzen, dass alles, was gerade geschah, richtig war und dass es nichts gab, worüber er sich Sorgen machen musste.

Und schon im nächsten Moment spürte er, wie Alisha ihre Flügel ausbreitete und sich kräftig in die Höhe drückte. Jorik zögerte keine Sekunde und folgte ihr dichtauf.

Fast hätte er vor Freude lauthals gejauchzt, als er spüren konnte, wie sich der Wind in seinen Federn fing und ihn sehr schnell in den Himmel trug, immer höher hinauf, der Sonne entgegen.

Wieder blickte er zur Seite, doch Alisha war noch immer dicht bei ihm. Sie hatte ihren Kopf gesenkt und ihre großen, schwarzen Augen schauten auf das wundervolle Land, das unter ihnen dahinzog.

Deutlich konnte er das Rauschen der Wellen hören, die teils sanft an den Sandstränden ausrollten, teils aber auch mit schier unbändiger Wucht an die Steilküste westlich der Hochebene brandeten.

Jorik konnte Herden von Bomaris sehen, die friedlich grasend auf den saftigen Weiden umher trotteten, aber auch Gruppen von wildlebenden Schellaks, die ungezügelt über die sanfte Hügellandschaft im Westen preschten.

Eine aufbrausende Windböe erfasste Jorik und trug ihn ruckartig noch höher hinauf. Alisha neben ihm entfuhr ein heiserer Schrei. Als Jorik seinen Kopf zu ihr drehte, um ihr zu sagen, dass alles in Ordnung sei, erkannte er, dass sie starr nach vorn schaute.

Er folgte ihrem Blick und war sofort überrascht, wie groß und dicht das Wolkenpaket war, das sich urplötzlich vor ihnen auftürmte. Von der Hochebene aus hatte es lange nicht so mächtig, schon gar nicht aber so dunkel und bedrohlich gewirkt.

Schade, dachte Jorik sofort, denn so würden sie keinen ungehinderten Blick auf Ara Bandiks bekommen, wenn sie es überfliegen würden.

Es sei denn, sie würden tiefer gehen und die mittlerweile schon sehr dichte Wolkendecke unterfliegen.

Jorik wollte diesen Gedanken gerade an Alisha weitergeben, als ihm eine dunkle, ja beinahe schon schwarze Wolke die Sicht auf ihr versperrte.

Himmel, fuhr es ihm durch den Kopf, wie schnell hatte sich das Wetter nur verschlechtert? Ein kleines, schwaches Gefühl von Sorge machte sich in ihm breit, doch sagte er sich, dass sie dennoch grundlos war, solange Alisha an seiner Seite weilte.

Und das tat sie auch, nach wie vor.

Aber als die schwarze Wolke vorübergezogen war, wusste Jorik sofort, dass sich dieses unangenehme Gefühl doch nicht grundlos in ihm festgesetzt hatte und dass es nicht nur Zeit war, sich Sorgen zu machen, sondern dass hier etwas vollkommen grundlegend und auf furchtbare Weise gänzlich schieflief, denn mit panischem Entsetzen und grausamer Hilflosigkeit musste Jorik erkennen, dass sich Alisha urplötzlich wieder in ihre ursprüngliche Gestalt zurückverwandelte!

Für eine kurze Sekunde konnte er dabei in ihre geweiteten, angsterfüllten Augen in ihrem schreckensbleichen Gesicht schauen und ein ersticktes Aufstöhnen aus ihrer Kehle hören, bevor sie wie ein Stein innerhalb eines Wimpernschlages durch die schier undurchdringliche, bedrohlich dunkle Wolkendecke in die Tiefe stürzte.

Ein tiefer, schmerzerfüllter Schrei entwich ihm. Sein Gehirn war von einer Sekunde zur nächsten wie leergefegt. Nichts in ihm konnte sich auch nur im Ansatz erklären, was geschehen war, dass ihr wunderbarer Flug durch die Lüfte so abrupt und so furchtbar enden sollte.

Und doch erkannte er, dass er selbst noch immer die Gestalt eines Adlers besaß und so ließ er sich ohne zu zögern ebenfalls in die Tiefe stürzen.

Während er die Flügel an seinen Körper schmiegte, spürte er, wie er pfeilschnell durch das bedrohliche Schwarz um ihn herum hindurch jagte. Nur einen Atemzug später hatte er das dicke Wolkenpaket direkt über der Stadt durchdrungen, hielt sofort nach Alisha Ausschau und wurde doch von dem Anblick der Metropole unter ihnen abgelenkt, der ihm den nächsten erschütternden Schock durch die Glieder jagte.

Denn was sich dort unter ihm auftat, war ganz sicher nicht mehr das wundervolle und prächtige Ara Bandiks, sondern ein Schlachtfeld, wie man es sich schlimmer wohl nicht mehr vorzustellen vermochte, das Jorik sofort das furchtbare Gefühl vermittelte, er würde direkt und geradewegs in die tiefsten Abgründe der Hölle blicken.

Eine unvorstellbare Verwüstung hatte alle Teile der Metropole heimgesucht. Unzählige Gebäude lagen in Schutt und Asche, Flammen züngelten überall in den rauchgeschwängerten Himmel. Kleine, teuflisch rot glänzende Jagdmaschinen donnerten durch die Lüfte, fegten über das Gelände und luden ihre widerliche Fracht ab. Die Bomben und Raketen schlugen derart heftig ein, dass selbst hier oben die Luft davon vibrierte, und entfachten ein wahres Höllenfeuer, stetig und überall.

Und über allem thronte der gewaltige, gespenstische Schlauch der Anomalie, der sich wie der Rüssel eines gigantischen Monsters aus der Wolkendecke im Westen der Stadt geschoben hatte, der in einer Mischung aus Gelb und Blau stetig zu rotieren schien und aus dem eine schier endlose Armada weiterer, feindlicher Jagdmaschinen in den Luftraum donnerte.

Deutlich spürte Jorik, wie eine eiskalte Hand nach seinem Herzen griff und es eisenhart umschloss. Eine innere Stimme sagte ihm, dass er all dies schon einmal gesehen hatte und es kein Hirngespinst seines Geistes war.

Zutiefst entsetzt richtete er seinen Blick wieder nach vorn und konnte eine Sekunde später Alishas Körper direkt unter ihm entdecken, wie sie vollkommen hilflos immer weiter in die Tiefe stürzte, ihre Augen in panischer Angst auf ihn gerichtet, ihre Hände nach ihm ausgestreckt.

Ich komme! schrie Jorik innerlich auf und beschleunigte seinen Sturzflug nochmals.

Während er schnell näherkam und dabei noch einmal auf den unfassbar grausamen Schauplatz eines sinnlosen Krieges schauen konnte, spürte er plötzlich, dass der Luftzug um seinen Körper immer deutlicher und schärfer wurde.

Zunächst verdrängte er diese Feststellung und konzentrierte sich nur auf seine Frau und darauf, sie noch rechtzeitig vor dem Aufprall auf den Boden zu ergreifen und in Sicherheit zu bringen.

Immer näher kam er ihr, in ihren Augen konnte er jetzt außer Schrecken auch einen Funken Hoffnung sehen.

Halt aus, oh du mein geliebter Schatz! rief er innerlich. Ich werde dich retten. Ich komme zu dir. Ich bin bei dir. Ich lasse dich nicht im Stich!

Im nächsten Moment hatte er so dicht aufgeschlossen, dass er instinktiv seine Krallen nach ihr ausstreckte.

Doch zu seinem größten Entsetzen musste er erkennen, dass es keine Krallen waren, die sich helfend nach ihr reckten, sondern seine ganz normalen Hände.

Bevor Jorik noch richtig begreifen konnte, was geschehen war, war er sich plötzlich der Tatsache bewusst, dass er sich ebenfalls wieder komplett in seine menschliche Gestalt zurückverwandelt hatte.

Und so wusste er in der Sekunde, da er die flehenden Hände seiner geliebten Frau in die seinen schließen konnte und sie in Sicherheit bringen wollte, dass ihm dies nicht mehr gelingen würde und sie beide des Todes waren.

Dann blitzte um ihn herum alles in einem grellen Licht auf, das ihm beinahe das Augenlicht verbrannte und die Körper der Liebenden stürzen pfeilschnell und mit irrsinniger Wucht mitten hinein in eine gewaltige Explosion auf dem Boden, die alles in ihrer Nähe innerhalb eines Wimpernschlages verschlang.

Ein letztes Mal noch konnte Jorik in die Augen seiner Frau sehen. Neben dem Schrecken über das schier unbegreifliche Szenario um sie herum, erkannte er dort auch die klare Gewissheit des eigenen Todes und eine große Enttäuschung darüber, dass er sie nicht hatte retten können.

Dann zerplatzten ihre Körper in einem wuchtigen Aufschlag und ein schmerzhafter Schrei...

Mit einem lauten Aufschrei schreckte Jorik in die Höhe.

Sein Herz raste in einem irrsinnigen Tempo, dass er glaubte, es würde sogleich in seiner Brust zerspringen.

Sein Atem ging schneller als eine Dampflok unter vollem Kessel auf einer Berganfahrt.

Vor seinen Augen konnte er nur verschwommene Dunkelheit erkennen.

Er spürte eiskalten Schweiß auf seinem nackten Oberkörper und in seinem Gesicht, der ihm sofort eine Gänsehaut einbrachte, die ihn erzittern ließ.

Während er mit wilden, stöhnenden Atemzügen versuchte, seinen Kreislauf wieder einzufangen, donnerte der Schlag seines Herzens wie ein Vorschlaghammer unter seine Schädeldecke.

Dann endlich, nach schier endlosen Momenten der Angst, wurde das Bild vor seinen Augen deutlicher und heller. Schließlich beruhigte sich auch sein Atem und sein Herzschlag dämpfte sich.

„Jorik?“ Er hörte seinen Namen. Es war eine weibliche Stimme. Sanft, ruhig, ein wenig verschlafen, ein wenig besorgt. Sie war nicht weit entfernt, sogar sehr dicht neben ihm.

Und er kannte sie, genauso wie das Zimmer, in dem er sich befand.

Es war ihr Schlafzimmer in ihrem Haus in Orotash, dem kleinen, verträumten Vorort von Ara Bandiks, benannt nach dem mit schier unendlichen Waldgebieten überdeckten Land im Nordosten des Planeten, das sie sich vor ein paar Monaten gekauft hatten, als Jorik durch die Erfindung von Flugbooten befördert wurde und sich sein Gehalt dadurch deutlich aufgebessert hatte.

Da Alisha schwanger war, hatte er sie mit diesem Geschenk überrascht und nachdem ihre geliebte Tochter Daria geboren worden war, hatten sie sich hier ein wunderbares Heim geschaffen, in dem sich alle drei sichtlich wohlfühlten.

Jorik hob seine linke Hand ein wenig an und konnte den nackten Rücken seiner Frau an der Außenseite seiner Finger spüren. Das Gefühl der samtig weichen, warmen Haut sandte sofort ein wohliges Kribbeln über seinen Körper.

Das erste Sonnenlicht des Tages fiel sanft durch die Vorhänge des Zimmers und schaffte ein schummeriges Zwielicht aus Licht und Schatten. Eine leichte Brise wehte herein und brachte den erfrischend, klaren Duft der Marismari-Blüten mit sich.

„Was ist? Hast du schlecht geträumt?“ hörte Jorik seine Frau neben sich fragen. Noch immer lag sie auf der Seite und hatte ihm ihren Rücken zugedreht.

Ihr nackter Körper war unter einer dünnen, weißen Decke verborgen, doch ihre straffen Formen zeichneten sich verführerisch dunkel darunter ab.

Jorik drehte seinen Kopf zur Seite und konnte ihren langen, schwarzen Haarschopf erkennen, der zart schimmernd über das Kopfkissen floss.

Jorik atmete einmal tief durch, dann huschte ein freudloses Lächeln über seine Lippen. „Ja! Ich denke schon!“ erwiderte er und sein Gesicht zeigte Anspannung und Trauer.

Was zum Teufel nur hatte er da wieder für einen unfassbar schrecklichen Mist zusammengeträumt? Verdammt, das war ein wahrhaftig unbeschreiblich grausames Horrorszenario gewesen! Noch dazu in einer derart realen Intensität, dass er beinahe glaubte, er würde noch immer den Wind spüren, der an seinem Körper vorbeizischte.

„Komm leg dich wieder zu mir!“ hörte er Alisha sagen. „Es ist doch noch früh. Schenk mir ein wenig Wärme und streichle mich!“

Jetzt musste Jorik wirklich grinsen. Alishas Aufforderung an ihn war unmissverständlich und er spürte sofort, wie sich auch in ihm dieses herrliche Gefühl des Verlangens nach ihr ausbreitete.

Ja, seine Frau hatte Recht. Es war noch viel zu früh, um aufzustehen. Daria schlief ebenfalls noch und es war eine wirklich gute Idee, diese Zeit für richtig guten Sex zu nutzen.

Zum Teufel mit seinem Alptraum. Wusste der Geier allein, warum er in letzter Zeit ständig immer und immer wieder diesen ekelhaften Mist von einer Invasion von Außerirdischen und ihrem furchtbaren, alles vernichtenden Krieg über die Menschheit und der rigorosen Zerstörung von Ara Bandiks träumte.

Nichts davon war die Realität und nichts davon würde je so eintreten.

Santara war ein pachtvoller Planet, der seinen Bewohnern jeden Tag aus Neue unzählige Wunder aufzeigte. Im ganzen Universum gab es keinen besseren Platz zum Leben, als genau hier an diesem Ort, dessen war sich Jorik absolut sicher.

Dennoch war er natürlich auch realistisch genug, um seine Träume nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und er hatte bereits einen Termin bei seinem Arzt am morgigen Nachmittag vereinbart, um die Sache aufzuklären.

Vielleicht war es nur etwas zu viel Stress oder ein unentdecktes Kindheitstrauma, von dem er absolut keine Kenntnis hatte, eine Parabel möglicherweise für etwas ganz Anderes - vielleicht aber auch eine Vorahnung auf zukünftige Ereignisse!

Die Annahme, dass sie vollkommen allein im Universum sein sollten, war doch ziemlich vermessen und so war es nicht auszuschließen, dass die Dinge, die er in seinen Träumen durchlebte, Vorboten eines schlimmen Ereignisses waren.

Und Jorik hatte sich fest vorgenommen, die Ursache für seine Träume schnell und konsequent ans Licht zu bringen.

In der Zwischenzeit jedoch – und auch dabei war er sich absolut sicher – war es bestimmt eine hervorragende Idee sich mit der Frau seiner Träume bei wildem, hemmungslosem und ekstatischem Sex zu vergnügen.

Und genau deshalb atmete er noch einmal tief durch und drehte sich zur Seite, wo er sofort in Löffelchen-Position zu Alisha ging. Seinen linken Unterarm ließ er noch auf der Matratze abgestützt, damit er mit der rechten Hand ihre Haare aus ihrem Gesicht streichen konnte, um sie dann sanft auf ihre rechte Wange zu küssen.

Dabei hatte er seine Augen geschlossen, um die Berührung und ihren herrlichen Duft besser genießen zu können.

Überrascht musste er jedoch feststellen, dass seine Frau heute alles andere als gut roch. Ob sie wohl gestern Abend nicht mehr geduscht hatte? Nein, schalt er sich sofort. Alisha war eine absolut reinliche und körperpflegebewusste Frau. Sie hätte niemals vergessen zu duschen. Dennoch aber war da dieser merkwürdige Geruch an ihr, der Jorik auf eine gewisse, unangenehme Art irgendwie bekannt vorkam.

Außerdem musste er im nächsten Moment erneut stutzen, als seine Lippen ihre Wange berührten.

So oft hatte er das schon getan. Immer war ihre Haut weich und samtig gewesen, warm und straff.

Was er jetzt aber spürte, war weit entfernt davon. Sie war feucht und wabbelig, dabei kalt und rau.

Jorik öffnete seine Augen, um die Ursache hierfür zu ergründen und hatte beim Anblick seiner Frau sofort das Gefühl, er würde den Verstand verlieren!

Augenblicklich fühlte er sich wieder zurückversetzt in die für ihn so unvorstellbar reale Welt seiner Alpträume und die eiskalte Klammer um sein Herz drückte gnadenlos zu.

Denn er schaute eben nicht in das wunderschöne und atemberaubende Gesicht seiner Frau, sondern in eine furchtbar zugerichtete Masse aus verbrannter Haut und bleichen Knochen.

Dabei starrten ihn die schneeweißen Pupillen aus den weit geöffneten Augen Alishas direkt an und ließen ihn bis in sein Innerstes frösteln. Dann öffnete sie ihren Mund und Jorik konnte in einen blutigen, zerfetzten Schlund blicken.

Der Schock, den er empfand, ließ ihn sich ruckartig aufrichten und hinterrücks vom Bett springen.

„Was ist denn?“ hörte er Alisha fragen und gleichzeitig richtete sich auch der zerstörte und verbrannte Körper seiner Frau auf. Während ihn ihre schneeweißen Pupillen nicht mehr losließen, verteilten sich Blut und Hautfetzen auf dem hellen Laken.

Jorik war außer Stande, etwas zu sagen, nur ein schreckliches Gurgeln entfuhr seinem Mund. Immer weiter taumelte er hinterrücks durch den Raum.

Der furchtbar entstellte Körper seiner Frau erhob sich vom Bett und kam auf ihn zu. „Warum weichst du zurück? Gefällt dir nicht, was du siehst?“ hörte er sie fragen, während sie ihre Arme nach ihm ausstreckte.

Jorik schreckte zusammen, wich immer weiter zurück, bis er schließlich die Schlafzimmertür in seinem Rücken spüren konnte.

„Das ist es, was du aus mir gemacht hast!“ rief Alisha und ihre Stimme klang jetzt vorwurfsvoll und kalt. „Du hast mich nicht beschützt! Du hast Schuld, dass ich so geworden bin! Das ist dein Werk!“

Jorik riss seine Augen auf und glaubte beinahe, den Verstand zu verlieren. Mit einer letzten Kraftanstrengung konnte er seinen Blick von ihr lösen und sich herumwerfen. Mit zittrigen Fingern tastete er nach dem Türknopf und schaffte es, ihn ungelenk zu öffnen. Er riss die Tür ruckartig auf und wollte hinausstürmen, weg von diesem furchtbaren Ort des Grauens, als er kaum einen Schritt vor sich, Alishas schrecklich, verbrannten Körper erneut vor sich sehen konnte.

Joriks Kopf wirbelte herum, doch vor ihrem Bett, wo seine Frau noch vor einer halben Sekunde gestanden hatte, war niemand mehr zu sehen.

Er drehte sich abrupt zurück zu ihr und glaubte schon im nächsten Moment, er würde auf der Stelle tot umfallen.

Denn dieses Mal war Alisha nicht allein. In ihren Armen, ihren blutigen, verbrannten Armen lag – Daria!

Gekleidet in ihr rosé-farbenes Nachtkleidchen konnte Jorik sofort ihre furchtbar blasse Hautfarbe erkennen. Dann sah er ihren Kopf, der kraftlos in den Nacken gefallen war und die kalten, toten Augen seiner kleinen Tochter blickten ihn an.

Dieses Mal schrie Jorik entsetzt auf und doch konnte er nichts Anderes tun, als wieder zurückzuweichen.

„Schau kleine Daria, da ist der Papa!“ hörte er Alisha in einem verächtlichen Ton sagen, während sie ihm durch die Tür in das Schlafzimmer folgte. „Er hat uns nicht mehr lieb, siehst du! Er hat Angst vor uns! Dabei ist er es doch, der uns das angetan hat!“ Alishas Stimme wurde immer tiefer, hasserfüllter, bedrohlicher. „Es ist nur seine Schuld! Er hat uns getötet! Er war es! Er war es!“

Die Worte seiner Frau hämmerten glühend heiß durch seinen Verstand und rissen an ihm, wie ein Orkan an einer Sommerblume. Jorik war sicher, er würde jede Sekunde vollkommen wahnsinnig werden und doch gelang es ihm nicht, diesen Alptraum zu beenden.

Mittlerweile hatte er das Zimmer komplett durchquert und schritt jetzt hinterrücks durch die Balkontür ins Freie.

Sofort erfasste ihn dort ein heißer, böiger Wind. Zufällig blickten seine Augen um sich und er konnte einen blutrot flackernden Himmel erkennen, über den dunkle Rauchschwaden hinwegfegten. Gleichzeitig hörte er das Geräusch von jaulenden Triebwerken und unzähligen Detonationen tief unter ihm, die jedoch den Boden, auf dem er stand, deutlich erzittern ließen.

Jorik wandte sich vollkommen um. Es war noch immer sein Balkon, auf dem er stand, doch fehlte ihm das Brüstungsgeländer und unter ihm tat sich das furchtbare Schlachtfeld von Ara Bandiks auf. Joriks Körper versteifte sich, er blieb abrupt stehen und konnte sehen, wie Dutzende feindlicher Jagdmaschinen ihre tödlichen Bomben und Raketen in die Tiefe warfen und eine unvorstellbare Zerstörungswelle auslösten.

„Mörder!“ Das Wort war nur schwach zu hören, doch Jorik spürte, dass der Mund, aus dem es kam, ganz nah an seinem Ohr lag. „Mörder!“

Jorik riss sich von dem Anblick des Schlachtfeldes los und wirbelte erschrocken herum. Sofort setzte sein Herzschlag aus, denn Alishas auf so schreckliche Weise zugerichteter Körper stand direkt vor ihm. Er konnte jede grausame Einzelheit an ihr erkennen und ihren faulig-verbrannten Atem riechen, der ihm eine schwere Woge von Übelkeit in den Magen trieb.

„Mörder!“ Noch einmal rief sie dieses eine Wort, dieses Mal laut und verächtlich, wobei ihr Kopf nach vorn zuckte.

Jorik erschrak zutiefst, stieß einen erstickten Schrei aus und wollte weiter zurückweichen. Als ihm sein Verstand sagte, dass es aber keinen Ort mehr gab, an den er hätte fliehen können, kippte er auch schon nach hinten über und stürzte in die Tiefe.

Während sein Körper zu Boden rauschte, war er wieder wie gebannt von den schneeweißen Pupillen seiner Frau, die ihm nachschaute und dabei den Körper ihrer toten Tochter Daria in den Armen hielt.

Und bei diesem Anblick überkam ihn eine erschütternde Welle von tiefstem Schmerz und ein einzelner, verzweifelter Schrei entfuhr seiner Kehle. „Nnneeeiiinnn!“

Doch schon in der nächsten Sekunde wurde er umhüllt von einem höllischen Flammenmeer, das seinen Körper...

Joriks Körper rauschte abrupt in die Höhe, während sich ein schmerzvoller Schrei aus seiner Kehle löste.

Sein Herzschlag und sein Atem rasten förmlich um die Wette, sorgten dafür, dass er das Gefühl hatte, sein Körper würde gleich zerspringen und das Bild vor seinen Augen zu verschwommenen, wabernden Schemen verkommen ließen.

Dunkelheit umgab ihn, dass konnte er gerade noch erkennen, doch wusste er nicht mehr, wo er war und in den nächsten Sekunden verspürte er eine allumfassende, grausame Angst in sich, wie er sie noch nie zuvor empfunden hatte.

Dann jedoch gelang es ihm, sich zu beruhigen, die Dunkelheit klärte sich ein wenig und die Bilder vor seinen Augen wurden schärfer.

Während er kalten Schweiß auf seinem ganzen Körper spüren konnte, der ihn frösteln ließ, erkannte er, dass er auf einem Bett saß und dass der Raum, in dem er sich befand, keine Fenster hatte. Eine schmale Eisentür war halb geöffnet und führte in einen weiteren Raum, in den er jedoch nicht weiter hineinschauen konnte, eine zweite, ebensolche Tür auf der anderen Seite des kleinen Zimmers war verschlossen. Durch den kleinen Spalt unter ihr fiel ein dünner, heller Streifen Licht.

Während er sich weiter beruhigte, konnte Jorik weitere Einzelheiten erkennen. Außer seinem Bett gab es nur noch einen alten Sessel, auf dem seine Kleider lagen, neben einem einfachen Tisch und einem kleinen Spiegel an der Wand, die, wie die anderen auch, aus kaltem, dunklem Fels zu bestehen schienen.

Und da wurde ihm plötzlich bewusst, wo er sich befand.

Er war in Kos Korros, dem geheimen Militärstützpunkt an der Steilküste im südlichsten Teil Poremiens.

Shamos, Esha und Mavis waren auch hier.

Und sie alle waren es, weil sie hatten flüchten müssen. Flüchten vor...

Plötzlich ertönte neben ihm ein kurzer Piepton und sofort danach flammte ein kleiner Bildschirm auf dem kleinen Tischchen neben seinem Bett auf. Das Bild eines Offiziers der poremischen Streitkräfte in mittleren Jahren und kurzgeschorenen blonden Haaren erschien. Sein Blick war ernst, aber offen. „Sir? Alles okay bei ihnen?“

Jorik drehte seinen Kopf zu ihm und schaute einen Moment stumm auf den Bildschirm. Dann atmete er tief durch und sein Körper sackte einige Zentimeter in sich zusammen. „Nein!“ erwiderte er erschlagen und schüttelte kurz den Kopf. „Aber das ist nicht ihr Problem!“

Der Mann nahm Joriks Worte ohne jegliche Reaktion auf. „Es ist jetzt sechs Uhr! Sie wollten um diese Zeit geweckt werden!“

Jorik nickte. „Danke!“

Der Offizier nickte stumm zurück und dann erlosch der Bildschirm wieder.

Als der Raum sich erneut in Dunkelheit hüllte, fühlte sich Jorik plötzlich vollkommen hilflos und allein.

Mit zwei kurzen Stößen seiner Füße drückte er sich rücklings an die Wand an der Kopfseite des Bettes, dann zog er seine Beine an und schlang seine Arme ganz fest um sie.

Noch bevor er seinen Kopf auf die Knie stützen konnte, schossen auch schon Tränen aus seinen Augen.

Für einen kurzen Moment glaubte er, nein, hoffte er, dass er auch dieses Mal noch immer träumen würde, aber tief in seinem Inneren wusste er, dass es nicht so war.

Dieses Mal befand er sich in der Realität, sein Traum hatte geendet, er war endgültig erwacht.

Und doch wusste er nicht, ob er sich wünschen sollte, dass es nicht so wäre.

Denn obwohl seine Träume so unendlich schrecklich waren, so gaben sie ihm dennoch die Hoffnung, dass sie nicht real waren.

Doch jetzt, wo er erwacht war, gab es keine Fiktion mehr, sondern nur noch eiskalte, brutale und schonungslose Wahrheiten.

Nichts von dem, was er geträumt hatte, war so geschehen, wie er es dort erlebt hatte und doch änderte es nichts an den Tatsachen, dass Alisha und auch Daria tot waren.

Gestorben als eine der ersten Opfer in einem schrecklichen, wahnsinnigen Krieg, von dem sie nicht einmal wussten, warum er überhaupt angezettelt worden war, in dem sich ihre Gegner jedoch als unglaublich gnadenlos und konsequent herausgestellt hatten.

Innerhalb von nur zwei Tagen war der halbe Planet in Schutt und Asche gelegt und Hunderte Millionen von Menschen in einem allumfassenden Flammenmeer getötet oder durch die bestialischen Bodentruppen dahingeschlachtet worden.

„Oh bitte!“ Joriks Worte waren kaum mehr, als ein schwaches, erschütterndes Flüstern.

Die Bilder in seinen Träumen waren so furchtbar schlimm gewesen, dass er zu zittern begann und doch wusste er, dass sie nichts im Vergleich zu der Realität waren, die sie alle im Moment erlebten.

Während er in seinen Träumen die Bilder einer Kriegshölle gesehen hatte, befand er sich hier und jetzt so schrecklich hilflos mitten in ihr.

Und es war eine unfassbar brutale Hölle, die dabei war, den Planeten Santara, seine geliebte Heimat, zu zerstören und dabei jede Stadt und jedes Lebewesen auf unglaublich grauenhafte Weise unwiederbringlich und endgültig auszulöschen.

I

Versprengte Herzen

I

Vilo hatte keine wirkliche Ahnung, wie lange sie schon auf den Beinen waren.

Das letzte Mal, als er einen ungehinderten Blick in den Himmel richten konnte, war, als sie zu einer Mittagspause rasteten, um etwas zu essen und zu trinken und sich ein wenig auszuruhen.

Neben einer kurzen Pause am Vormittag war es ihre einzige Rast am heutigen Tage gewesen.

Der Sonnenstern hatte zu diesem Zeitpunkt seinen Zenit bereits überschritten und Vilo schätzte, dass all das schon einige Stunden her war.

Ihr Weg durch die schier unerschöpflichen Wälder im nördlichen Orotash führte sie beinahe ausschließlich durch Gebiete mit mächtigen Rombaskiefern, deren Kronen derart dicht waren, dass sie nur spärliches Tageslicht hindurch ließen. Die Gruppe um Vilo musste sich daher durchweg mit einem trügerischen Zwielicht zufriedengeben. Dennoch hatte er das unbestimmte Gefühl, dass es merklich dunkler um sie herum wurde und er ging davon aus, dass mittlerweile der Abend nahte.

Durch den dichten Baumwuchs gab es auf dem Erdboden kaum größere Pflanzen zu sehen. Kleine Grasflächen wechselten sich mit Moosen ab. Hier und da gab es Bereiche, in denen Farne und Büsche wuchsen, die dann nicht selten mannshoch waren.

Dennoch stellten sie kaum Hindernisse dar. Die meiste Zeit über schritt die Gruppe über mehr oder weniger ausgetretene Trampelpfade auf erdigem Waldboden. Außerdem hatte es längere Zeit nicht geregnet, sodass er sehr trocken und somit gut begehbar war.

Vilo hatte stets das Gefühl, dass sie gut und zügig vorankamen, wenn er dies anhand der für ihn doch oft genug gleichförmigen Landschaft jedoch nicht festmachen konnte.

Während all der Stunden ihres langen Weges hatten die drei Männer kaum ein Wort miteinander gewechselt. Damos, der Alte aus dem Dorf, vor dem sie notgelandet und von dem aus sie mit dem ersten Licht des Tages gestartet waren, bildete die Vorhut, Captain Cosco die Nachhut ihrer kleinen Gruppe, in der offensichtlich jeder lieber für sich allein war, anstatt mit den anderen zu reden.

Vilo war das auch ganz recht so. Äußerlich wirkte er zwar eher ernst und ruhig, innerlich aber war er ziemlich nervös und angespannt. Zu Beginn ihres Marsches sogar noch viel mehr und er hatte Damos ein ums andere Mal genervt, ob sie nicht schneller marschierten konnten und ob der Alte sich seines Weges wirklich sicher war.

Irgendwann dann aber begriff er, dass Damos sehr wohl wusste, was er tat und das ihr Marschtempo genau richtig war, um nicht schon nach zwei Stunden hechelnd zusammenzubrechen oder durch falsche Schritte Verletzungen zu riskieren.

Entsprechend hielt Vilo seine Klappe und hing seinen Gedanken nach, die seine innere Nervosität, obwohl absolut verständlich, natürlich nicht zu lindern vermochten.

Immerhin waren sie hier am südlichen Ende dieses scheinbar niemals enden wollenden Waldgebietes notgelandet, nachdem sie aus Adi Banthu flüchten mussten, als diese Insel von den Außerirdischen angegriffen und wie alles andere vorher auch systematisch und mit einer beinahe schon widerlichen Präzision in Schutt und Asche gelegt wurde.

Zusammen mit Captain Cosco und Damos hatte er sich deshalb auf den beschwerlichen Weg nach Norden gemacht, wo sich ein weiteres Dorf befinden und in dem es Treibstoff für ihren Bomber geben sollte, sodass sie letztlich wieder von hier verschwinden konnten.

Vilo war zwar kein Nuri mehr, aber dennoch konnte und wollte er sich seiner militärischen Verantwortung für die Menschen in seinem Land und letztlich auch auf dem ganzen Planeten nicht verschließen. Deshalb war es notwendig, dass sie Treibstoff besorgten, damit sie so schnell als möglich nach Süden fliegen konnten, um von dort aus Kontakt zu ihren Streitkräften, was immer davon auch noch übriggeblieben sein mochte, aufzunehmen.

Ihr Feind, der ohne jede Vorwarnung, dafür aber umso wuchtiger, konsequenter und gnadenloser über sie gekommen war, war dabei, diesen sinnlosen Krieg sowas von glasklar zu gewinnen, dass Vilo in Anbetracht ihrer eigenen Hilflosigkeit dagegen fast schon übel werden konnte.

Doch sie durften nicht aufgeben, sich nicht geschlagen geben, denn der Verlierer in diesem Krieg würde entweder schonungslos versklavt oder vollständig ausgerottet werden und alles auf Santara, das je von Menschenhand geschaffen worden war, bis ans Ende aller Tage derart vollständig zerstört werden, dass nichts mehr an die Rasse der Menschen zurückerinnern würde.

Und genau das durfte nicht geschehen – zumindest nicht kampflos. Deshalb musste Vilo nach Süden, Kontakt zu seinen Leuten aufnehmen oder, egal, zu irgendeinem militärischen Etwas, das noch überlebt hatte, um einen Plan zu entwickeln, mit dem man dem schier übermächtigen Feind Paroli bieten und die beinahe schon sichere Ausrottung einer ganzen Rasse doch noch verhindern konnte.

Natürlich aber war Vilo auch nervös wegen Kaleena, seiner wunderbaren und wundervollen Frau, die er in dem Dorf am heutigen Morgen hatte zurücklassen müssen.

Der Zufall, das Schicksal, egal, wie auch immer man es nennen wollte, hatte dafür gesorgt, dass sie in diesen furchtbaren Stunden bei ihm war. Vilo war für diesen Umstand unendlich dankbar, hatte er so doch zumindest die Chance, sie zu beschützen und musste sich nicht auch noch mit einer quälenden Ungewissheit über ihr Wohlergehen beschäftigen.

Auch deshalb war er zu Beginn ihres Marsches sehr nervös gewesen, denn er wollte so schnell als möglich zurück zu seiner Frau, um die er sich seit einiger Zeit echte Sorgen machte.

Mehr als deutlich konnte er es in ihren Augen sehen, dass etwas nicht stimmte. Obwohl die Umstände natürlich alles andere als gut waren, hatte Vilo jedoch gehofft, Kaleena würde die Situation besser verkraften, als sie es augenscheinlich tat. Eine Verletzung, die sie ihm vielleicht verschwiegen haben mochte, wie er anfangs befürchtet hatte, war es nicht. Dennoch hatte Vilo seine Frau noch nie so ernst, so eingefallen und so schwach erlebt. Sie musste innerlich schlimme Qualen aufgrund des Krieges erleiden, weit mehr, als sie je zugeben würde.

Und auch deshalb wollte Vilo schnell wieder bei ihr sein, um ihr die moralische Unterstützung zu geben, die sie jetzt dringend nötig hatte.

In seinen Gedanken versunken hatte Vilo ein wenig den Anschluss zu Damos verloren, doch als er beschloss, seinen Schritt zu beschleunigen, um wieder aufzuholen, konnte er erkennen, dass der Alte langsamer wurde und schließlich gänzlich stehen blieb.

Vor ihnen tat sich eine Art Allee auf. Neben der üblichen Reihe von mächtigen Kiefern, deren Kronen scheinbar noch dichter als sonst waren, wuchsen hier auch Tannengewächse von gut sechs Metern Höhe zwischen ihnen und bildeten einen dichten, beinahe undurchdringlichen Tunnel von gut einhundert Metern Länge. Am Ende dieses Tunnels konnte Vilo im oberen Bereich das dunkle Blau des Himmels erkennen und er war ziemlich sicher, dass sie endlich das Ende dieses gewaltigen Waldstücks erreicht hatten. Sofort machte sich Hoffnung in ihm breit, dass sie vielleicht schon am Ende ihres Weges angelangt waren, wenngleich das letzte Stück dorthin alles andere als einladend, sondern im Gegenteil düster und bedrohlich wirkte.

In dem Moment aber, da er Damos erreicht hatte, trat auch Cosco zu ihnen und atmete einmal hörbar tief durch. Vilo schaute zu ihm und erkannte sein sehr finsteres Gesicht.

„Täusche ich mich...?“ meinte der Captain leise, aber mit klarer Stimme, ohne einen der beiden anderen Männer dabei direkt anzuschauen. „...oder kann es sein, dass wir beobachtet werden?“

Damos huschte ein knappes Lächeln über die Lippen und er nickte langsam. „Wir werden beobachtet!“ bestätigte er. „Eine ganze Weile schon!“

„Und...?“ Vilo schaute sich kurz um, konnte in dem Halbdunkel jedoch absolut nichts Verdächtiges erkennen. „...von wem?“

Wieder lächelte Damos, doch sein Gesicht verformte sich gleich darauf zu einer angestrengten, gequälten Grimasse. „Schwer zu sagen!“ Er atmete einmal tief durch. „Wenn wir Glück haben, von einem Rudel Aparo-Füchsen. Die kleinen Biester sind hartnäckig, aber wohl nur auf ein paar Abfälle aus, die wir vielleicht liegen lassen könnten!“

Cosco nickte. „Und wenn nicht?“

„Dann...!“ Wieder verformte sich das narbenübersäte, ohnehin schon mächtig verwitterte Gesicht des Alten zu einer gequälten Grimasse. „...sind es Grujak-Bären!“

„Und dann?“ fragte Vilo gespannt.

Damos schaute ihn direkt und beinahe ausdruckslos an. „Sind wir ziemlich am Arsch, Junge!“

„So schlimm?“

Damos nickte. „Fünfhundert Pfund pure Muskelmasse verteilt auf vier mächtigen Pfoten mit rasiermesserscharfen Krallen. Ein Maul, so groß wie zwei Männerköpfe, mit Reißzähnen lang wie Unterarme. Und das alles bei locker über zwei Metern Schulterhöhe!“ Er schaute Vilo mit großen Augen direkt an und erkannte, dass sein Gegenüber ziemlich beeindruckt war.

„Na, bei unserem Scheiß-Glück in der letzten Zeit...!“ meinte Cosco sofort. “…gehen wir mal von denen aus. Mit wie vielen müssten wir rechnen?“

„Sie jagen immer zu zweit!“ erwiderte Damos und schien in den Wald hinein zu lauschen. „Nicht lautlos, aber eiskalt und sehr effektiv!“ Seine Augen huschten durch das Dickicht. „Wir sollten uns beeilen!“

Cosco nickte ihm zu und zusammen mit Vilo machten sie sich daran, in den Tunnel hineinzugehen. Damos erhöhte ihr Schritttempo schnell, ohne dabei jedoch anzufangen, zu laufen. Vilo und Cosco blieben ihm dichtauf.

Dabei versuchten sie, trotz ihrer schnellen Bewegungen keinen Lärm zu machen. Angestrengt lauschten sie, ob sie ein verräterisches Geräusch ausmachen konnten, doch es war beinahe totenstill um sie herum.

Auf Vilos Zunge lag die Frage, ob es eigentlich gut war, hier in diesem natürlichen Tunnel aus Bäumen und Sträuchern zu sein, wenn da draußen wirklich diese gefährlichen Bestien auf sie lauerten, doch zum Aussprechen kam er nicht mehr, denn plötzlich vernahmen alle drei gleichzeitig tatsächlich ein Geräusch. Es war ein kurzes, aber deutliches Rascheln und es kam ziemlich genau von rechts zwischen Vilo und Cosco, der noch immer ihre Nachhut bildete, aus dem undurchdringlichen Dickicht dort. Die beiden Männer blieben sofort wie angewurzelt stehen und jegliche Farbe wich aus ihren Gesichtern. Damos drehte sich zu ihnen herum und starrte mit ernster Miene auf die entsprechende Stelle, während er langsam und leise seine Streitaxt, die er an der linken Seite an seinem Gürtel befestigt hatte, aus der Halterung löste und sie mit beiden Händen umfasste.

Als Vilo sah, was der Alte tat, zögerte er keine Sekunde und zog sein Schwert lautlos aus der Lederscheide in seinem Rücken. Während er es kampfbereit vor sich platzierte, konnte er sehen, dass auch Cosco nach seinem Schwert, das er ähnlich wie Damos an der linken Seite trug, griff.

Plötzlich war ein erneutes Rascheln zu hören. Dieses Mal länger, deutlicher – näher! Und es blieb gegenwärtig, kam noch näher. Dann begannen sich die Blätter an den Sträuchern dort zu bewegen. Zunächst kaum merklich, schließlich sehr schnell immer deutlicher.

Keiner der drei Männer wagte jetzt noch zu atmen, Cosco hielt in seiner Bewegung inne. Alle starrten auf die Stelle und erwarteten das Schlimmste.

Einen Wimpernschlag später trat das Tier aus dem Dickicht. Sein hellbraunes Fell glänzte matt im fahlen Licht. Mit seiner langen, spitzen Nase suchte es schnüffelnd den Waldboden ab. Als es erkannte, dass es nicht mehr allein war, blickte es auf und sah in drei große, angespannte Augenpaare. Sofort erschrak es, stieß eine Art spitzen Schrei aus und fauchte dann wie eine Katze, während sich das buschige Fell an seinem langen Schwanz deutlich aufplusterte.

Alle drei Männer atmeten hörbar erleichtert aus, ihre Körper entspannten sich.

„Doch ein Aparo-Fuchs!“ meinte Damos zufrieden. „Na, er wird nicht der Einzige bleiben!“

Cosco war froh, dass es kein Bär war, denn er hatte seine Waffe noch immer nicht gezogen, doch als er Damos zustimmen wollte, vernahm er ein weiteres Geräusch schräg rechts über ihm. Es klang so, als würde jemand die Büsche mit einem kräftigen Zug dort auseinander drücken.

Instinktiv hob er den Kopf an und nur eine Sekunde später gefror ihm alles Blut in den Adern, als er keine dreißig Zentimeter vor sich das halb geöffnete Maul eines Untiers mit pechschwarzem Fell erkennen konnte. Rasiermesserscharfe, irrsinnig lange Reißzähne waren zu sehen, dahinter eine weiße, dickfleischige Zunge. Cosco konnte den Atem der Bestie auf seinem Gesicht spüren. Er roch nach Verwesung und Blut. Unwillkürlich hob er seinen Kopf weiter an und erstarrte sofort, als er in die brennend roten Augen des Bären blickte, die ihn mitleidlos und eiskalt anstarrten und aus denen nichts Geringeres als der Tod sprach.

„Oh Mann!“ entfuhr es ihm. Er musste hart schlucken und seine Stimme klang schwer beeindruckt, aber auch bereits total erschlagen. In den Augenwinkeln konnte der Captain sehen, dass auch Vilo und Damos das Geräusch und seine Worte vernommen hatten. Als sie die Bestie vor ihm erkannten, weiteten sich ihre Augen voller Schrecken.

Scheinbar wurde auch der Bär dem gewahr, denn er stieß ein tiefes, bösartiges Grollen aus.

In dieser Sekunde reagierte Vilo als Erster und riss sein Schwert wieder in die Höhe. Auch Damos bewegte sich. Cosco wollte es ihnen gleichtun, doch er sollte keine Chance mehr dazu bekommen.

Während die Bestie ihr Maul soweit aufriss, dass sie den Kopf des Captains spielend hätte umschließen können, brüllte sie hasserfüllt auf und sprang mit einem mächtigen Satz aus dem Dickicht. Mit den Vorderpranken voraus donnerte sie gegen Cosco, riss ihn um und verpasste ihm dabei einen üblen Prankenhieb gegen den linken Oberarm. Die Krallen wurden tief ins Fleisch getrieben und rissen es auf, Blut spritzte umher.

Cosco jedoch konnte dem nichts entgegensetzen, nur schmerzhaft aufschreien. Es wäre sicherlich um ihn geschehen gewesen, wenn nicht Vilo sofort herbeigesprungen wäre und den Bären mit erhobenem Schwert attackiert hätte. Mit einem bösartigen Fauchen sprang er zur Seite weg und entging seinem Hieb knapp. Gleichzeitig drehte er sich herum, sodass er jetzt Vilo direkt gegenüberstand und ihm damit zunächst keine Möglichkeit gab, sein Schwert zu nutzen, ohne Gefahr zu laufen, in die mörderischen Fänge der Bestie zu geraten.

Damos wollte ihm zur Hilfe kommen, doch als er sah, dass in dem engen Gang kein Platz für zwei kämpfende Männer nebeneinander war, wandte er sich dem Captain zu, der gerade dabei war, sich schmerzvoll stöhnend mit dem Rücken an einem Baum zurück auf die Beine zu drücken.

Mehr als einen weiteren Schritt in seine Richtung konnte der Alte jedoch nicht tun, denn plötzlich erklang hinter ihm ein neues, bösartiges Brüllen und nur einen Wimpernschlag später rauschte ein zweiter, nicht minder großer Bär durch das Dickicht in den Tunnel und erwischte Damos seitlich mit dem rechten Vorderlauf.

Der Alte wurde rüde zur Seite gestoßen und überschlug sich mit einem dumpfen Schrei.

Als das Untier mit seinen vier mächtigen Beinen auf den Boden krachte, erklang ein tiefes Dröhnen und Damos hatte das Gefühl, der Boden würde kurz erbeben. Dann war er mehr damit beschäftigt, seinen Sturz so abzufedern, dass er keine Verletzung davontrug.

Cosco hatte sich gerade wieder schweratmend auf die Beine gebracht, als er erneut erstarrte, weil der Bär direkt vor ihm sein furchtbares Maul aufriss und ihn anbrüllte, dass ihm dickflüssiger Speichel ins Gesicht geschleudert wurde und er das Gefühl hatte, ihm würden gleich die Trommelfelle platzen. Unfähig, sich weiter zu bewegen, spürte er nur, wie seine Beine unter ihm nachgaben, er seitlich wieder zu Boden rutschte und sich die Bestie über ihm aufbaute.

Vilo fand keine Lücke, um sein Schwert als Waffe gegen das Untier zu nutzen. Der Bär war trotz seiner imposanten Größe erstaunlich wendig und schnell. Er brüllte hasserfüllt auf und Vilo musste höllisch aufpassen, nicht selbst Opfer einer gegnerischen Attacke zu werden, die immer heftiger wurden, weil der Blutdurst des Tieres scheinbar immer mehr zunahm.

Als er ein weiteres Mal zurückweichen musste, krachte er mit dem Rücken gegen einen Kiefernstamm. Entsetzt sah er das mörderische Maul des Bären auf sich zu rauschen und konnte sich erst im letzten Moment zur Seite hechten und der Attacke entgehen. Das Tier schrie erbost auf, riss aber sofort seinen rechten Vorderlauf in die Höhe und verpasste seinem Gegner einen hammerharten Rückhandschlag, der ihn von den Füßen hob und drei Meter durch die Luft schleuderte. Vilo schlug auf und alle Luft wurde ihm aus den Lungen getrieben. Dennoch wuchtete er sich sofort zur Seite und sprang auf, bevor der Bär wieder bei ihm war. Nur Bewegung hielt ihn am Leben, Stillstand würde seinen Tod bedeuten – und einen ziemlichen widerlichen noch dazu.

Doch wieder war der Bär so rasend schnell bei ihm, dass er nur reagieren und dem hervorschnellenden Prankenhieben lediglich ausweichen konnte. Wenn ihm nicht schnell etwas einfiel, würde er nicht mehr lange gegen diese wütende Bestie bestehen.

Der Bär bäumte sich über Cosco auf und stellte sich mit einem markerschütternden Brüllen voller Siegesgewissheit auf die Hinterläufe. Ein eiskalter Schauer jagte dem Captain durch den Körper, doch konnte er sich nicht mehr bewegen. Gleich würde die Bestie wieder auf ihren Vorderpfoten landen, ihm ihre scharfen Krallen wuchtig in die Brust rammen und ihm sein verdammtes Herz herausreißen.

Deshalb schloss er mit seinem Leben ab und sah für den Bruchteil einer Sekunde seine verstorbene Frau und seinen Sohn Kendig vor sich, von dem er im Moment nicht einmal wusste, ob er noch lebte und wo er sich aufhielt. Dann schloss er seine Augen.

Doch mitten hinein in das Brüllen der Bestie glaubte der Captain plötzlich einen zweiten Schrei zu hören. Und er irrte sich nicht.

Damos war aufgesprungen und losgelaufen und hatte dem Untier seine Axt mit aller Kraft in den Rücken, direkt zwischen die Schulterblätter, getrieben. Das Monster brüllte überrascht und schmerzerfüllt auf, während Blut aus der Wunde schoss. Da die Axt noch immer tief in seinem Leib steckte und Damos sie auch nicht loslassen wollte, wurde er mitgerissen, als der Bär nach vorn auf seine Vorderbeine kippte. Instinktiv stemmte der Alte seine Beine in den Rücken und fand knappen Halt darauf, während er nochmals all seine Kraft zusammennahm, um die Axt aus dem Körper des Tieres zu ziehen.

Cosco hatte derweil großes Glück, denn durch die Ablenkung von Damos Attacke landeten die Pranken der Bestie nicht in seinem Leib, sondern donnerten dicht neben ihm auf den Boden. Das Maul des Bären verharrte nur wenige Zentimeter vor seinem Kopf. Der brüllende Schrei, der ihm um die Ohren jagte, war begleitet von ekelerregendem Gestank und weiterem zähen Schleimfluss. In den Augen des Bären jedoch sah Cosco, dass das Monster nicht ihn anbrüllte, sondern vor Schmerzen schrie.

Sofort bäumte sich der Bär wieder auf und versuchte mit seinen Vorderbeinen seinen Peiniger im Rücken zu greifen, doch Damos entzog sich geschickt den scharfen Krallen. Mit einem tiefen Stöhnen fiel das Untier wieder nach vorn und erneut krachten seine muskulösen Tatzen seitlich neben Cosco.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Damos endlich seine Axt aus dem Rücken der Bestie befreit. Als der Bär wieder aufschrie und sich nochmals aufrichten wollte, handelte er schnell, konsequent und äußerst effektiv.

Während sich der Bär erhob, ließ Damos seine Axt mit einer kraftvollen und schnellen Bewegung vor seinem Körper kreisen und zerfetzte dabei dem Tier, begleitet von einem widerlichen Knacken, die Halswirbelsäule und trennte ihm den Kopf mit diesem einen Schlag sauber vom Körper.

Das wütende Brüllen der Kreatur verstummte abrupt, der Körper senkte sich wieder auf seine Vorderläufe und der Schädel klatschte dicht neben Coscos Kopf zu Boden.

Der Captain war tief geschockt und schrie erstickt auf. Der Anblick des rohen Fleisches, der blanken Knochen und der durchtrennten Sehnen und Adern am Rumpf der Bestie raubte ihm den Atem. Im selben Moment ergoss sich ein tiefroter, klebriger und widerlich stinkender Schwall Blut aus dem Stumpf mitten hinein in sein Gesicht und der ekelhafte Geschmack von Metall fing sich in seinem Mund. Cosco konnte nicht mehr reagieren und verschluckte sich an dem Blut des Bären.

Bevor er jedoch richtig husten konnte, kippte der Körper des Tieres über seine noch immer durchgedrückten Vorderbeine weiter vornüber und der Captain musste sich blitzschnell zur Seite rollen, um nicht von der gewaltigen Masse des Monsters begraben zu werden.

Zwischen Oberkörper und linker Pranke kam er zum Erliegen, konnte seinem Würgereiz dann jedoch nicht mehr standhalten und übergab sich dort auf der Stelle.

Damos sprang mit federnden Beinen vom Rücken des Bären und betrachtete dabei sein Werk in einer Mischung aus Ekel und Stolz.

In der nächsten Sekunde aber fingen seine Augen Bewegungen in einigen Metern Entfernung auf und sein Blick fiel auf Vilo, der noch immer im Kampf mit dem zweiten Bären stand. Und da war jegliche Freude in ihm über den errungenen Sieg gegen die erste Bestie dahin.

Ohne zu zögern lief er los, doch sah er, dass Vilo derart in Bedrängnis war, dass er keine Zeit mehr verlieren durfte.

„Hey!“ rief er laut und schon schleuderte er seine Axt in die Richtung des Monsters.

Der Bär reagierte sofort darauf, richtete sich auf und drehte seinen Oberkörper mit einem verächtlichen Brüllen in Damos Richtung. Obwohl seine Waffe gut gezielt war und dem Tier sicherlich sauber in die Brust gefahren wäre, konnte der Bär diese Attacke abwehren, indem er blitzschnell seine rechte Pranke in die Höhe riss und sie gegen die heransausende Axt donnerte, sodass ihre Flugbahn abgelenkt wurde und sie mit einem kurzen Pfeifen in eine Rombaskiefer ein paar Meter weiter donnerte und dort tief in das Holz schlug.

Der Bär fauchte verächtlich, fast wirkte es, als würde er lachen.

„Hey!“ Dieses Mal kam der Ruf von Vilo und als sich die Bestie wieder auf die Vorderpfoten fallen ließ, um sich weiter mit seinem Gegner zu beschäftigen, stieß sie ein weiteres Geräusch aus. Allerdings alles andere als siegessicher, eher total überrascht.

Zu mehr war der Bär nicht mehr in der Lage, als er erkennen musste, dass er Damos Axtangriff zwar vereitelt, den Kampf jedoch dennoch verloren hatte. Denn die Ablenkung hatte Vilo die Gelegenheit gegeben, sich wieder aufzurappeln, kurz durch zu schnaufen und sich dann in Angriffsposition zu stellen.

In dem Moment, wo sich der Bär zu ihm zurückdrehte, hob Vilo das Schwert an und richtete die Klinge direkt auf seinen Gegner. Als der Bär erkannte, dass er verloren hatte, brüllte er noch einmal wütend auf und schob sein furchtbares Maul nach vorn, doch Vilo war gnadenlos.

Mit einer Art Ausfallschritt drückte er das Schwert von sich und rammte es der Bestie tief in das geöffnete Maul hinein.

Aus dem Brüllen wurde ein ersticktes Gurgeln und Blut schoss über die Klinge nach außen.

Da Vilo sich nicht sicher war, ob er dem Bären den Todesstoß versetzt hatte, er aber diesen Kampf nunmehr endgültig beenden wollte, drehte er sich mit dem Rücken zu ihm und riss seine Waffe, deren Klinge waagerecht im Maul steckte, schräg nach oben. Der höllisch scharfe Stahl wurde mit einem kräftigen Ruck durch den Kopf der Bestie getrieben, zerteilte auch den Schädelknochen und trat schließlich nach außen.

Ein letztes Mal noch bäumte sich das Tier auf seine Hinterläufe, während Blut aus der tödlichen Wunde nach außen spritzte, dann kippte es schräg hinten über und schlug wuchtig zu Boden.

Der Kopf landete dabei dicht neben Captain Cosco, der dem Schauspiel in einer Mischung aus Faszination und Ekel zugeschaut hatte, platzte schließlich auf und eine wahre Woge aus Blut und Gehirnmasse ergoss sich auf den ohnehin schon wie ein psychopatischer Serienkiller im Blutrausch wirkenden Captain, der sich daraufhin brüllend abwandte und sich erneut wüst übergeben musste.

Um sie herum war alles wieder still, nur Coscos Würgen war zu hören.

Damos blickte beeindruckt zu Vilo, der sich gerade wieder zu ihnen umdrehte. Als er den toten Bären auf dem Boden sah, blieb sein Gesichtsausdruck unbeweglich, ernst und ohne Freude. Auch die Sichtung des zweiten toten Tieres brachte keine Genugtuung oder Zufriedenheit in sein Gesicht.

Damos trat zu seiner Axt und riss sie aus dem Kieferstamm.

Plötzlich konnten sie alle einen weiteren furchterregenden Schrei aus dem Wald vernehmen. Er war jedoch deutlich dunkler als das Brüllen der Grujak-Bären und schien auch deutlich mächtiger zu sein.

Damos hielt in seiner Bewegung inne und schaute mit großen Augen den Tunnel entlang zu seinem Eingang. „Wir sollten von hier verschwinden!“

„Was...?“ Cosco rappelte sich gerade auf und wischte sich den Mund ab. „Was war das?“

„Sie sind verletzt!“ bemerkte Vilo und deutete auf seinen linken Oberarm, wo sein Jackenstoff zerrissen war und deutlich vier ziemlich tiefe Schnittwunden der scharfen Bärenkrallen vom ersten Prankenhieb zu sehen waren.

„Es geht schon!“ meinte Cosco.

„Das ist ein Bugon!“ Damos Gesicht zeigte echte Sorge.

„Was zum Teufel ist ein Bugon jetzt schon wieder?“ stieß Cosco gestresst hervor. „Nein...!“ meinte er dann jedoch sofort. „Ich will es gar nicht wissen. Sagen sie einfach nur wie viele! Ich bin gerade voll in Kampfstimmung, da kommen mir ein paar mehr Viecher gerade recht!“

Damos schaute Cosco direkt an und lächelte dünn. „Bugon sind Einzelgänger, aber wir haben absolut nichts, was wir ihm entgegensetzen könnten. Keine unserer Waffen könnte etwas gegen ihn ausrichten. Er ist mindestens drei Mal so groß wie ein Grujak-Bär!“

„Verdammter Mist!“ erwiderte Vilo. „Dann hat ihn der Kampflärm angelockt, was?“

Damos schüttelte den Kopf und wollte ihm antworten.

„Nein, sagen sie nichts!“ fuhr Cosco dazwischen. „Ich weiß, was ihn angelockt hat: Der Geruch von frischen Bärenblut! Richtig?“

Damos nickte. „Genau das!“

Wie zur Bestätigung erklang ein weiteres, dröhnendes Brüllen, bei dem sich jeder sehr gut vorstellen konnte, dass da etwas mächtig Großes auf dem Weg zu ihnen und auch schon deutlich nähergekommen war.

„Los jetzt!“ mahnte Damos zur Eile, übernahm wieder die Führung und rannte los.

Vilo und Cosco folgten ihm dichtauf.

Nach etwa einer Minute hatten sie das Ende des Tunnels erreicht.

Gerade als sie aus dem Wald hinaustraten, konnten sie hören, wie hinter ihnen einige Bäume entwurzelt wurden.

„Wohin jetzt?“ fragte Vilo etwas außer Atem.

Unter ihnen tat sich eine große Lichtung von mindestens zwei Meilen Länge auf. Ein ziemlich steiler Abhang führte die etwa zehn Meter in die Tiefe.

„Da runter!“ rief Damos und war schon dabei, so gut es ging an der Böschung hinab zu laufen.

Wenig später hatten sie die Lichtung erreicht und sie rannten noch einige Meter weiter, bevor Damos langsam abstoppte. Dabei schaute er ab und zu zurück in das Waldstück. Schließlich blieb er gänzlich stehen und verschnaufte mit einigen kräftigen Atemzügen. „Okay!“ meinte er. „Das sollte reichen!“

„Sicher?“ Vilo war nicht überzeugt.

Damos nickte. „Bugon sind absolute Waldtiere. Sie verlassen den Schutz der Bäume niemals. Er wird uns nicht folgen!“

„Wenn er so groß ist, wie sie sagen...!“ meinte Cosco. „...wer sollte ihm dann hier gefährlich werden? Wozu braucht er dann den Schutz der Bäume?“

„Keine Ahnung! Aber es ist nun mal so! Die einzig verlässliche Sache an einem Bugon! Das und die Sicherheit, dass man ein Zusammentreffen mit ihm nicht überleben würde!“

„Was ist mit dem Geruch?“ fragte Vilo.

„Was für einen Geruch?“ Cosco schaute den ehemaligen Nuri irritiert an.

„Ihrem Geruch!“ erwiderte Vilo ohne Rührung. „Mann, sie stinken schlimmer als ein Haufen Dünnschiss in der Mittagssonne!“

„Ja, danke auch!“ raunte Cosco sofort zurück. „Ich weiß selber, dass mein Deo versagt hat! Aber ich für meinen Teil bin doch eher froh, dass ich überhaupt noch lebe!“

Damos nickte. „Trotzdem!“ Er drehte sich kurz einmal um die eigene Achse und schien zufrieden. „Sie sollten ein Bad nehmen...!“ Er deutete auf einen kleinen See vielleicht hundert Meter von ihnen entfernt. „Es gibt für alles ein erstes Mal. Und wir wollen doch nicht riskieren, dass wir Zeuge werden, wie ein Bugon anfängt seine Opfer doch außerhalb des Waldes zu jagen, nicht wahr?“

Cosco nickte widerwillig. „Okay! Ab unter die Dusche!“ Er trottete zügig in Richtung See.

Zunächst wollte er sich nur das Gesicht waschen, doch dann entschloss er sich, sich komplett zu entkleiden und ein kurzes Bad zu nehmen.

Wenige Minuten später hatte er seinen Körper gereinigt, seine Haare, die ebenfalls voller Blut und weiterer, widerlich stinkender Flüssigkeiten waren, ausgewaschen und auch seine Wunde am Oberarm gesäubert, was ihm einige Schmerzen bereitete. Außerdem blutete sie noch immer und Cosco war klar, dass er sie würde versorgen müssen.

Während er sich ein letztes Mal das angenehm kühle und sehr saubere Wasser ins Gesicht warf, fiel sein Blick an das Ufer, wo er Vilo und Damos sehen konnte, die sich eine Gruppe von Findlingen gesucht und darauf Platz genommen hatten, um zu verschnaufen. Damos trank gerade aus seiner Wasserflasche, Vilo schaute kurz zu ihm herüber. Danach waren sie augenscheinlich wieder in ein Gespräch vertieft.

Cosco entspannte sich und atmete einmal tief durch. Dabei ließ er seinen Blick auf Vilo haften und stellte erneut fest, dass er erstaunt war, wie sehr sich dieser doch noch recht junge Mann im Griff hatte.

Bei all dem, was er in den letzten Tagen erlebt hatte – der Angriff der Fremden, die vollkommen überraschende Ernennung zum Nuri, die Konferenz auf Adi Banthu, die schlimme Demütigung vor der Kommission, die letztlich wieder die Aberkennung seines Nuri-Titels zur Folge hatte und die anschließende Flucht hierher – vor allem aber auch bei dem, was noch vor ihm liegen würde...bei alldem hätte sich Cosco nicht gewundert, wenn Vilo weitaus nervöser, aggressiver und unruhiger gewirkt hätte, als es jetzt den Anschein hatte und er bewunderte ihn beinahe dafür, wie besonnen er doch war und sich auf ihr Vorhaben konzentrieren konnte.

Obwohl er sich in einer Sache nicht ganz sicher war, ob Vilo sich dieses Umstandes überhaupt und wirklich bewusst war.

Für Cosco war Kaleenas Verhalten mehr als eindeutig. Seine Frau hatte sich damals ähnlich gegeben, bevor sie Kendig geboren hatte. Natürlich war jetzt alles andere als eine gute Zeit für eine Schwangerschaft, doch Cosco hatte Zweifel, dass Vilo überhaupt davon wusste. Es wäre ja auch nicht ausgeschlossen, eigentlich sogar ziemlich verständlich, wenn Kaleena ihm von seinem Glück noch gar nichts erzählt hatte.

Im Laufe der vielen Stunden, die sie nun schon unterwegs waren, hatte er einmal mit dem Gedanken gespielt, mit Vilo darüber zu reden. Die verdammte Eintönigkeit war ihm auf die Nerven gegangen und er wollte sich einfach nur ein wenig unterhalten. Da er jedoch nicht sicher war, inwieweit Vilo von Kaleenas Schwangerschaft wusste, verwarf er diesen Gedanken wieder.

Wenn Vilo es nämlich nicht wusste, dann hatte Cosco nicht das Recht, ihm davon zu erzählen, solange Kaleena es nicht getan hatte. Nein, in dieses Fettnäpfchen wollte er dann doch lieber nicht treten.

Vilo würde es erfahren, wenn Kaleena es wollte und nicht anders.

Ein stechender Schmerz zuckte durch seinen Oberarm.

Zeit, sein Bad zu beenden, dachte Cosco und machte sich daran, aus dem See zu steigen.

„Wie weit ist es noch?“ fragte Vilo. In den Augenwinkeln sah er, dass der Captain aus dem Wasser auf sie zukam. Deutlich konnte er die vier Schnittwunden an seinem Oberarm erkennen und das Blut, dass noch immer aus ihnen sickerte.

„Das kommt darauf an, was sie als Ziel definieren!“ meinte Damos und blickte ebenfalls zu Cosco. Mit seiner rechten Hand kramte er sogleich in seinem Rucksack und holte eine Verbandsbox hervor.

„Was soll das heißen?“ Vilo war sichtlich irritiert. „Ich dachte, unser Ziel sei das Dorf im Norden, wo wir Treibstoff für unseren Bomber finden würden!“

Damos nickte. „Das ist unser Endziel