Auf den Weg ins Land der Hoffnung - Melina Hilger - E-Book

Auf den Weg ins Land der Hoffnung E-Book

Melina Hilger

5,0

Beschreibung

Ein Buch über Tod, Sterben, Leben und Zwischenzustände. Vielfältige Begebenheiten zu diesen Themen stehen in diesem Buch. Viele Menschen haben Angst vor dem Tod, haben Berührungsängste, wenn es um das Thema Tod und Sterben geht. Aber so, wie wir alle lernen müssen zu leben, so können wir auch lernen, uns mit dem Tod auseinanderzusetzen, können wir unsere Angst verlieren. Von den vielen Möglichkeiten, mit dem Tod umzugehen, handeln diese Geschichten. Wenn wir uns öffnen für das Thema Tod und Sterben, das uns früher oder später ja alle betrifft, so können wir viel über das Leben lernen und sind vielleicht besser vorbereitet auf unseren Tod.

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Inhalt

Fideline

Alleingelassen

Eine seltsame Reise

Der Brief

Damoklesschwert

Die letzten Tage

Rifus und das Tränenmeer

Auf den Weg ins Land der Hoffnung

Morgenstund hat Gold im Mund

Die Schwingen des Kondors

Eine Geschichte ohne Bedeutung

Mädchen, Mädchen dreh dich nicht um

Jamila

Blinde Wut

Schmetterlinge

Wüstenfahrt

Walschau

Viele Wege führen nach Rom

Der letzte Weg ins Licht

Karl der Pechvogel

Tanz des Lebens

Vorwort

Im „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint Exupery steckt soviel unvergängliche Weisheit. Ich will hier auch das Buch mit dem Titel: „Der kleine Prinz kehrt zurück“ bemühen:

Ein Auszug davon:

„Er ist gestorben", erklärte sie nach einer Weile (am Grab stehend), als ob sie seine Unkenntnis über das Leben und das Sterben spürte. „Er ist tot, er lebt nicht mehr."

„Ja", sagte der Prinz, „das versteh ich sehr gut.

Ich sehe hier in eurer Welt so viele Menschen, in denen kein Leben ist, kein Mitgefühl, keine Freude, keine Liebe, keine Hoffnung. Es ist sehr traurig. Wenn ein guter Freund das Leben noch nicht gefunden hat."

„Oh doch", sagte sie, „Oh ja, das Leben hat er gefunden. Er war so voller Liebe, voller Freude, voller Mitgefühl, voller Hoffnung. Er war so lebendig, so sehr!"

„Hm", sagte der Ewig Kleine Prinz, „das verstehe ich nicht. Ich las in einem eurer alten Bücher der Weisheit:

Wer das Leben findet, mitten im Leben, kann nicht sterben und ob er gleich stürbe; denn er ist längst vom Tod zum Leben hindurch gedrungen." Am Ende dieses Dialoges des Kleinen Prinzen und der trauernden Frau versteht er dann und da steht:

„Jetzt verstehe ich", dachte er. „Jetzt verstehe ich es ganz: Leben wird, wer mitten im Leben das Leben findet. Er kann nicht sterben, denn er hat den Tod besiegt, mitten im Leben."

Dieser Ausschnitt hat mich sehr berührt, denn sagt er nicht aus, dass wir den Tod gar nicht wirklich sterben können, wenn wir nur richtig gelebt haben?

Das Leben vor dem Tod verlangt uns wahrhaft sehr viel ab und wenngleich der Tod immer neben uns ist, so lehrt er uns doch das Leben, wie es uns gelingt, das Beste daraus zu machen. Meiner Meinung nach geht es auch beim Thema Tod immer um das Leben und die Liebe, die Liebe zum Leben, zu Menschen, denen wir verbunden sind, über den Tod hinaus.

Ich glaube und denke, dass der Tod nichts Furchterregendes sein muss, vorausgesetzt es ist uns gelungen, ein „reiches“ und volles Leben zu leben und unseren Lebensauftrag zu erfüllen. Aber welcher ist das nun?

Die Suche nach diesem kann ein Leben lang andauern, aber ich denke es lohnt sich, auf diese Suche zu gehen.

Fideline

Fideline war noch jung, sie hatte große Sehnsucht danach, dass sich ihr Leben bald ändert. Lange schon hielt sie Ausschau nach dem Prinzen, der sie in das Reich der Liebe entführen würde und in eine vollkommenere Welt. Sie hatte viele Wünsche. Nur wenn sie in ihrer Traumwelt lebte, war sie glücklich. So wollte sie nicht enden, wie all die anderen Menschen um sie herum, die täglich ihren Pflichten nachkamen, ständig über andere schimpften und alles verurteilten, was sie taten. Sie hatte ein gutes Herz und sie empfand die Welt außerhalb ihrer Wohnung und der ihres Arbeitsplatzes, einfach zu laut und zu hart.

Ihren Job in einer Friedhofsgärtnerei liebte sie. Während sie die Gräber pflegte und Blumen pflanzte, sah sie sich genau die Inschriften auf den Grabsteinen an. Manchmal war darauf sogar ein Bild von der jeweils verstorbenen Person zu sehen. Dann tauchte sie ein, inspiriert von den eingravierten Jahreszahlen und den gesamten Daten, in dieses erloschene Menschenleben und versuchte deren Leben zu erspüren. Es ging wie von selbst, dass ihr plötzlich Fragen in den Sinn kamen, wie dieser Mensch wohl war, was sein Dasein vielleicht bewirkt hatte oder woraus sein Leben gewebt war. Sie erfühlte bei fast allen Begrabenen, viel Tragik, Dramen, Schmerz und Leid. Bei manchen auch das zähe Durchhalten um jeden Preis.

Viele Grabmale trugen Inschriften wie: „Sie fand nach langem Kampf endlich Frieden.“, „In verdientem Frieden.“, „Der Tod war die Erlösung.“, „Nach langem, mühsamen Erdenweg.“, „Gute Reise ins Licht.“... Wobei sie hier immer vermutete, dass die Flucht aus dem Dunkel gemeint war. Fideline spürte sehr fein aus den Aufschriften heraus, wie das Leben der Verstorbenen gewesen war. Sie war voll des Mitgefühls für diese Toten, die sich durch ihr Leben gequält hatten, unter Bedingungen, die sie selbst nie ertragen könnte. Nein, so etwas wollte sie auf keinen Fall. Was sollte wohl einmal auf ihrem Grabstein stehen?

Manchmal, aber sehr selten, durfte sie auch ein Grab pflegen, dessen Aufschrift etwas Anderes erzählte. Meist wurden diese Gräber nicht von der Friedhofsgärtnerei betreut, sondern von einer liebenden, noch lebenden Seele gepflegt. Sie sah auch öfter Menschen an solchen Ruhestätten, die dies mit traurigen Mienen oder unter Tränen taten. Wenn sie dann diese Inschriften forschend betrachtete, waren es meist kürzlich Verstorbene und die Erinnerung an sie offensichtlich noch frisch. Aber vereinzelt gab es auch Gräber, die oft besucht wurden obwohl der Tod schon lange her war.

An einem Freitag arbeitete Fideline an einer Grabstätte, die in unmittelbarer Nähe zu einem der Urnengräber lag und hörte, verdeckt von einem Monument, eine weibliche Stimme. Offensichtlich sprach sie laut mit der dort begrabenen Person. Sie hörte: „Mein Liebes, so lange komme ich schon hierher und mein Kummer ist noch genauso groß wie am ersten Tag. Aber bald werde ich dich endlich wiedersehen und ich freue mich schon so sehr auf dieses Treffen. Meine Krankheit ist nun schon in einem fortgeschrittenen Stadium. Mein Körper ist voll von Metastasen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann kann ich nicht mehr hierher kommen und dein Grab pflegen. Es ist keiner mehr da, der es pflegen wird. Ich habe manchmal große Schmerzen und muss vielleicht das Bett hüten. Bitte verzeih mir, dass ich es dann nicht mehr pflegen kann. Die Laufzeit dieses Platzes beträgt noch weitere fünf Jahre und ich hoffe sehr, dass sich eine mitleidige Seele kümmern wird, damit es keinen Schatten der Schande auf mich wirft. Aber dann bin ich längst bei dir und es wird uns gleichgültig sein, wie dein Grab aussieht. Meine Rente war zu klein, um mit Dir im Grab sein zu können. Mir bleibt nur die Beerdigung, die die Stadt nach meinem Tode vereinbaren wird und da hat man keine Chance, sich Bedingungen zu erbitten. Dieser Ort hier hat mich so viele Jahre in meiner Trauer begleitet. Es hat mich am Leben gehalten, dass ich so oft hierher kommen und mit dir reden konnte. Ich danke dir! Für heute muss ich dich verlassen, es ist schon spät und ich brauche lange für den Rückweg. Bis dann meine Liebste“.

Fideline hatte alles gehört. Sie hatte ihre Schaufel ruhen lassen und gebannt gelauscht. Jetzt lugte sie vorsichtig hinter dem großen Stein hervor. Sie sah ein uraltes Weiblein, das sich ächzend aus der Kniehaltung erhob und sich auf einem Stock gestützt über den Kiesweg in Richtung Ausgang bewegte. Fideline fühlte sich so, als hätte sie eine schlimme Tat begangen. Sie hatte ein intimes Gespräch belauscht und fühlte sich nicht gut. So bezwang sie ihre Neugier, nachträglich zu dem Grab zu gehen, um zu sehen, um wen es sich da gehandelt hatte. Nein, sie war ohnehin im Verzug und musste ihre Arbeit zu Ende bringen. Sie dachte an diesem Abend noch sehr lange über das belauschte Gespräch nach.

Zwei Tage später, als sie wieder über die Reihen ging, um eines der Gräber auf der langen Liste zu bearbeiten, kam ihr diese Unterhaltung vom Freitag wieder in den Sinn. Diesmal konnte sie ihre Neugierde nicht zähmen und suchte das entsprechende Grab. Als sie davor stand war sie erstaunt. Es stand darauf zu lesen: Meine geliebte Tochter Marina, die für immer in meinem Herzen wohnt, darunter stand das Datum des Sterbetages, 29. April 1944. Und darüber stand in einer leuchtenden Schrift der Satz: „Wir nehmen alles an, was Gott uns aufgetragen hat!“ eingemeißelt.

Wow, war ihr erster Gedanke, darüber musste sie noch nachdenken. Aber wieso war nur das Sterbedatum darauf und kein Geburtsdatum eingraviert? Der Grabstein war moosfrei und selbst das kleine Marmor-Vögelchen, das mit geöffneten Schnabel obenauf saß (als sänge es aus Leibeskräften) leuchtete hell und sauber im Sonnenlicht. Das Grab selbst war klein und mit wunderschönen Vergissmeinnicht um einen kleinen gelben Rosenstock bepflanzt. Es war kein einziges welkes Blatt und nicht ein Hälmchen Unkraut darauf zu sehen. Auch die steinerne Einfassung war sauber und reinweiß.

Sinnierend ging Fideline an ihre Arbeit. Es gab heute viel nachzudenken. Wieso hatte der Grabstein nach so vielen Jahren kein Geburtsdatum? Konnte es sein, dass in den Kriegswirren der Geburtstag verloren gegangen war? Die Frau musste so um die 80 Jahre alt sein. Sie war sicher sehr jung als ihr Kind starb. Was gab es noch für Gründe, dass man das Geburtsdatum nicht wusste oder nicht wissen sollte? Während dem Krieg war vieles möglich, es war ihr nicht möglich, da mehr zu erforschen. Lange dachte sie auch über den bemerkenswerten Satz nach: Wir nehmen alles an, was Gott uns aufgetragen hat. Diese alte Frau beeindruckte sie sehr und sie wollte so gerne mehr darüber erfahren. Vielleicht würde sie nicht wiederkommen, wenn ihre Schmerzen sie daran hinderten. Fideline achtete die nächste Zeit sehr darauf, ob sie doch noch einmal kam. Vielleicht hatte sie dann den Mut, diese Frau anzusprechen.

Zwei Wochen später, Fideline hatte den ganzen Vorfall schon fast vergessen, da sah sie sie wieder. Es durchzuckte sie schmerzhaft, als sie sah, wie die kleine Frau, völlig in Schwarz gekleidet, gebückt und mühsam den Weg entlang humpelte. Fideline nahm sich ein Herz, ging freundlich lächelnd auf sie zu. Sie grüßte und fragte, ob sie helfen könnte. Dankbar strahlte die Grabgängerin sie an und meinte: „Wenn Sie mich unterhaken ließen, ginge es leichter.“ „Aber gern doch“, antwortete Fideline und begleitete sie zu ihrem Grab. Die Frau bedankte sich und sah sie forschend an: „Woher wissen Sie zu welchem Grab ich will?“ „Oh“, meinte Fideline erschrocken und schlagfertig zugleich, „ich habe Sie hier schon öfter gesehen und ich arbeite hier!“ Das schien der alten Dame zu genügen. Dann entwickelte sich ein angeregtes Gespräch und Fideline bat die gebrechliche Dame einen Augenblick zu warten. Sie kam geschwind mit einem Klappstuhl wieder, auf den sich die Frau erleichtert niederließ. Nun erfuhr Fideline die ganze Geschichte:

Die Tochter, die 1944, am 29. April gestorben war, hatte deshalb kein Geburtsdatum, weil sie durch eine Frühgeburt, während eines Bombenangriffs, starb. Es passierte im sechsten Schwangerschaftsmonat. Die Frau meinte, dass ihre Tochter Marina wohl nicht unter diesen Umständen geboren werden wollte. Es waren wirklich schreckliche Zeiten. Später erfuhr sie dann, dass auch ihr Mann an diesem Tag auf dem Schlachtfeld in Russland sein Leben verloren hatte. Das Kind und ihr lieber Mann, den sie zuletzt bei einem Heimaturlaub, sechs Monate zuvor, das letzte Mal gesehen hatte, waren wohl zusammen hinübergegangen. Sie hatte den kleinen toten Körper heimlich auf einem Waldstück in der Nähe begraben. Als der Krieg dann vorbei war, bat sie einen Freund ihres Mannes, die sterblichen Überreste wieder auszugraben, um sie am Friedhof bestatten zu lassen. Der damals mitleidige Priester hatte ihr das, nach langen Diskussionen, endlich zugestanden. Beinahe hätte er es nicht erlaubt, es wäre gegen die katholischen Gesetze, ein ungetauftes Kind auf dem Friedhof zu beerdigen. Aber er ließ es schließlich zu. Dann erzählte die alte Dame Fideline von ihrer Krankheit und wie sehr es sie betrübte, dass sie bald nicht mehr kommen könne. Fideline ergriff die Gelegenheit und bot sich an, das Grab die restlich verbleibende Zeit zu pflegen. Die alte Frau umarmte sie überglücklich und es liefen ihr Tränen der Freude über das Gesicht. Bevor sie sich trennten, erfragte Fideline noch die Adresse von der Frau und versprach, sie auch zu besuchen.Eine Woche später schaute Fideline dort vorbei. Mit Mühe fand sie im Hinterhof eine verblichene Klingelaufschrift. Sie läutete mehrmals und dachte, dass es etwas länger dauern würde, ehe sie sich zur Türe gequält hätte. Aber alles Läuten blieb erfolglos und sie vermutete schon mit Schrecken, dass die Dame wohl plötzlich verstorben wäre. Dann ging hinter ihr eine andere Türe auf und ein Mann in den Siebzigern sprach sie an: „Wollen Sie zu Frau Pilser?“ „Ja“, antwortete Fideline, froh, dass da