Auf der Couch - Heinz Schott - E-Book

Auf der Couch E-Book

Heinz Schott

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Beschreibung

Das von Sigmund Freud geschaffene psychoanalytische Setting (der Analytiker sitzt im Sessel, der Patient liegt auf der Couch) wird von Karikaturisten immer wieder gerne als Bildmotiv genutzt. Damit lassen sich aktuelle Themen in witziger Form publikumswirksam darstellen. Freuds Gestalt ist zu einer Ikone geworden, an wenigen Merkmalen wie Bart, Zigarre und forschendem Blick leicht erkennbar. So haben Karikaturisten gewissermaßen ein Passepartout gefunden, um den Zeitgeist auf die Couch zu legen und sich selbst als dessen Analytiker zu betätigen. Die 61, zumeist farbigen Abbildungen geben einen Einblick, wie vielfältig Freud und seine Couch die Phantasie von Karikaturisten angeregt haben.

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Für Bernd

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Wie Freud Karikaturen deutet

Der ikonische Freud mit Zigarre

Ein Lüstling mit nackter Frau im Kopf

Selbstanalyse: selten karikiert

Sehnsüchte der Patienten

Was Analytikern so einfällt

Psychoanalyse als Geschäftsmodell

Geplagte Lehrer

Entspannung auf der Couch

Nikolaus, Jesus und Gott im Visier

Was man so alles auf die Couch legen kann

Tagespolitik auf der Couch

Soziale Krisen auf der Couch

Freud funktioniert auch ohne Couch

Framing à la Freud – ein beliebtes Passepartout

Der gezeichnete Freud zum Ausklang

Abbildungsverzeichnis/Bildquellen

Vorwort

Vor gut 50 Jahren begann ich mit meiner Lektüre von Sigmund Freuds Schriften, allen voran Die Traumdeutung . Wenn für Freud der Traum »der Königsweg zum Unbewußten« darstellte, so erwies sich für mich sein Werk als der Königsweg zur Medizingeschichte. Denn darin fließen mannigfaltige Quellen der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte zusammen und bilden eine eigenwillige Gegenströmung zum wissenschaftlichen Mainstream seiner Zeit. Wer sich offen mit Freuds Werk befasst, wird in ihm Spuren romantischer Naturphilosophie und alchemistischer Gedanken ebenso finden können wie Anspielungen auf Mythologie, Literatur und Kunst. Dabei hatte er die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit im Auge, aus deren krankmachenden Zwängen er das mehr oder weniger neurotische Individuum »ein Stück weit« befreien wollte. Mein Weg als Medizinhistoriker führte mich von Freud über Franz Anton Mesmer und die romantische Naturphilosophie zu Paracelsus und die magisch-alchemistische Naturforschung, die in der frühen Neuzeit eine Wurzel der modernen Naturwissenschaft und Medizin bildete. Am Ende meiner wissenschaftlichen Laufbahn nähere ich mich nun noch einmal Freud an – diesmal aber von einer ganz anderen Seite, sozusagen von außen.

Es geht mir nicht mehr darum, was ich selbst aus Freud herauslesen kann oder möchte, sondern um die Frage, was andere mit seiner Psychoanalyse anstellen, die sie außerhalb einer psychotherapeutischen Praxis oder einer akademischen Einrichtung für ihre Arbeit nutzen. Hier wäre etwa an Literaten, Theater- und Filmregisseure oder auch Performance-Künstler zu denken. Dass ich mich Karikaturisten zugewandt habe, hat einen persönlichen Grund. Ich wohnte früher einmal mit meiner Familie im Freiburger Stadtteil Wiehre: Im Nachbarhaus wohnte Dr. Bernd Hotz mit seiner Familie, mit der wir freundschaftlich verbunden waren. Bis zu seinem Ruhestand kümmerte sich Bernd (erfolgreich) um meine Zähne, auch nachdem wir schon längst (1987) nach Bonn umgezogen waren. Seither pflegen wir einen Briefwechsel. Er wollte mir, dem »Freudologen« (so würde ich mich selbst bezeichnen, da ich kein »Freudianer« bin), immer wieder eine Freude machen und schickte mir im Laufe der Zeit diverse Karikaturen, die auf die Psychoanalyse anspielen: Postkarten sowie Ausschnitte aus Zeitungen und Zeitschriften. So entstand im Laufe der Jahre eine kleine Sammlung, die mich auf den Gedanken brachte, darüber eine Abhandlung zu verfassen. Das Ergebnis stellt die vorliegende kritische Studie dar.

Sie betritt insofern Neuland, als sie erstmals ein weites Spektrum von Karikaturen zur Psychoanalyse ohne inhaltliche Vorgabe behandelt. Alles, was meine Sammlung hergab, habe ich einbezogen. Bisherige Darstellungen haben einen spezielleren Zugang. So zeigte die Ausstellung des Wiener Sigmund Freud Museums von 2007 ausschließlich Karikaturen zur Psychoanalyse, die im New Yorker erschienen sind.1 Erwähnenswert ist auch der einschlägige Artikel von Julia Quante »Freud im Spiegel der Karikaturen« (2014) mit Illustrationen und weiterführenden Literaturangaben.2 Sie argumentiert ganz im Sinne Freuds, der bei den Kritikern seiner Lehre nur deren »Widerstand« gegen die Wahrheit der Psychoanalyse erblickte, die er dadurch bestätigt sah. Ähnliches unterstellt Quante den Karikaturisten: »Eine Wahrheit, die in den Karikaturen über die Psychoanalyse ans Licht kommt, mag sein, dass Freuds ungewöhnliche Methoden und streitbare Theorien bis heute ein enormes Potenzial an Widerspruch und ›Widerstand‹ hervorrufen, abgewehrt und herabgesetzt werden, dass sie also, positiv ausgedrückt, nach wie vor umstritten, diskussionswürdig und somit lebendig sind.«3 Ich komme zu einem etwas anderen Ergebnis: Die Karikaturisten nutzen das psychoanalytische Klischee vor allem als eine Art von populärem Passepartout, um ihre jeweiligen Themen, die im öffentlichen Diskurs gerade aktuell sind, möglichst pointiert auszuleuchten.

Ich habe die Abbildungen in ihrer Originalgröße belassen und reproduziere sie so, wie sie mir vorliegen. Nicht von allen Bildzitaten konnte ich trotz intensiver Recherche die Quelle beziehungsweise den Urheber ausfindig machen. Gerne kann ich in einer weiteren Auflage fehlende Informationen einfügen, wenn sie mir mitgeteilt werden.

Für das kritische Lektorat und die Durchsicht des Manuskripts danke ich herzlich Anna und Johannes.

Wie gesagt: Ohne die kontinuierlichen Zusendungen von Bernd wäre meine Schrift nicht zustande gekommen. Sie sei ihm deshalb in Freundschaft und Dankbarkeit gewidmet!

Bonn, im Sommer 2024

Heinz Schott

1https://www.derstandard.at/story/2815491/ausstellung-cartoons-aus-dem-new-yorker (18.01.2024); dazu erschien eine Publikation von Michael Freund, siehe https://dnb.info/979764785 (18.01.2024).

2 Julia Quante: Freud im Spiegel von Karikaturen, Psychologie und Gesellschaftskritik, 38 (2014) 3, 75-97, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-57121-3 (04.03.2024).

3 Ebd., S. 75.

Wie Freud Karikaturen deutet

Sigmund Freud gehört wohl zu jenen historischen Persönlichkeiten, die bei Karikaturisten oder Cartoonisten, wie der modischere Ausdruck heute lautet, durchaus beliebt sind. Schon zu seinen Lebzeiten war er ein (scheinbar) dankbares Objekt ihrer Kunst. Auch 85 Jahre nach seinem Tod im Londoner Exil am 23. September 1939 ist seine Popularität auf diesem Gebiet ungebrochen und hat nach der Jahrtausendwende eher noch zugenommen. Was hat das zu bedeuten? Für die Künstler, für die Betrachter, für den »Zeitgeist«, für ein Verständnis von Freuds Leben und Werk – und last but not least für mich selbst als Autor dieser Studie?

Zunächst einmal sollten wir zur Kenntnis nehmen, wie Freud selbst Karikaturen einschätzte. Am ausführlichsten hat er sich mit ihnen in seiner Monografie Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten (1905) befasst. Darüber hinaus finden sich in seinen Gesammelten Werken (London 1940-1952) nur noch vereinzelte Textpassagen, in denen das Wort »Karikatur« beiläufig vorkommt. Welchen Stellenwert hat nun die genannte Monografie über den Witz im gesamten OEvre Freuds? Immerhin gehört sie zu den drei großen Schriften, mit denen er die Psychoanalyse begründete. Die Traumdeutung (1900), sein Hauptwerk, stellt das Ergebnis seiner Selbstanalyse dar, wodurch er die psychoanalytische Behandlungstechnik begründen und das psychodynamische Modell des Unbewussten (»psychischer Apparat«) konstruieren wollte. Die Psychopathologie des Alltagslebens (1904) sollte zeigen, dass die Fehlleistungen in all ihren verschiedenen Formen im Grunde demselben verborgenen Konflikt im Seelenleben entspringen, wie der (rätselhafte) Traum. In Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten (1905) geht es Freud schließlich nicht mehr um Träume während des Schlafs oder Fehlleistungen während des Wachlebens, also Produktionen des Unbewussten, sondern um bewusst und mit gewisser Kunstfertigkeit vorgebrachte Äußerungen, die sich unmittelbar an ein Publikum richten. Traum, Fehlleistung und Witz, dem Freud die Karikatur zurechnet, haben ihm zufolge zwei Wesensmerkmale gemeinsam: (1) In ihnen drückt sich das unterdrückte, verdrängte Unbewusste symptomatisch ( quasi neurotisch) aus; es tut dies, indem es sich entstellt und so vom Bewusstsein in seiner Intention nicht erkannt wird, es arbeitet insofern schöpferisch (nach dem Vorbild der Traumarbeit); (2) dem innerpsychischen Machtkonflikt steht ein überindividueller sozialer Machtkonflikt gegenüber, insofern verschränken sich bei Freud beide Sphären. Schon in der Gründungsphase seiner Psychoanalyse zu Beginn des 20. Jahrhunderts deuten sich jene drei Dimensionen von Freuds Lehre an, die eng aufeinander bezogen waren: Selbstanalyse (Selbsttherapie), Fremdanalyse (psychoanalytische Behandlung) und Gesellschaftsanalyse (Gesellschaftskritik). Diesen Dreischritt schilderte er in einem Brief an Romain Rolland vom Jänner 1936:

»Sie wissen, meine wissenschaftliche Arbeit hatte sich das Ziel gesetzt, ungewöhnlich, abnorme, pathologische Erscheinungen des Seelenlebens aufzuklären, das heißt, sie auf die hinter ihnen wirkenden psychischen Kräfte zurückzuführen und die dabei tätigen Mechanismen aufzuzeigen. Ich versuchte dies zunächst an der eigenen Person, dann auch an anderen, und endlich in kühnem Übergriff auch am Menschengeschlecht im Ganzen.«4

Wenn der rätselhafte Traum eine unbewusste Revolte gegen das Bewusstsein ohne äußere Manifestation und insofern eine asoziale Erscheinung ist, ist auch die Fehlleistung eine solche unbewusste Revolte, die sich allerdings äußerlich manifestiert und sich insofern im Sozialleben bemerkbar macht. Die Karikatur ist jedoch wie der Witz oder die Parodie eine Art bewusste Revolte gegen die Obrigkeit, die darauf abzielt, diese zu attackieren, zu delegitimieren, lächerlich zu machen. Freud hat hierfür klare Worte gefunden. Es geht um »die Befreiung vom Druck« einer herrschenden Autorität, wobei Witz und Karikatur dieselbe Funktion haben:

»Die Verhinderung der Schmähung oder beleidigenden Entgegnung durch äußere Umstände ist ein so häufiger Fall, daß der tendenziöse Witz mit ganz besonderer Vorliebe zur Ermöglichung der Aggression oder der Kritik gegen Höhergestellte, die Autorität in Anspruch nehmen, verwendet wird. Der Witz stellt dann eine Auflehnung gegen solche Autorität, eine Befreiung von dem Drucke derselben dar. In diesem Moment liegt ja auch der Reiz der Karikatur, über welche wir selbst dann lachen, wenn sie schlecht geraten ist, bloß weil wir ihr die Auflehnung gegen die Autorität als Verdienst anrechnen.«5