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Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Es war früher Mittwochnachmittag, als sich Pfarrer Trenker auf sein Fahrrad schwang, um nach Waldeck zu fahren, wo er wöchentlich die Bewohner des Altenheims besuchte. Ehe er die letzten Häuser St. Johanns passierte, sah er auf dem Gehsteig den siebenundsiebzigjährigen Siegfried Faltermeier in Richtung Ortsende marschieren. Siegfried schwang zwei Nordic Walking Stöcke und schritt kraftvoll aus. Sebastian fuhr an ihn heran und passte sein Tempo an, sodass das Rad langsam neben Siegfried her rollte. »Grüaß Sie, Herr Faltermeier, ganz schön sportlich unterwegs!« »Ah, Hochwürden, grüaß Ihnen Gott.« Siegfried behielt sein Tempo bei. »Ja, ein bissel was muss ich tun, sonst rost' ich ja ein. Außerdem ist's net so heiß heut', also genau richtig, um ein paar Schritte zu gehen.« In der Tat. Es war ein warmer Spätsommertag, aber die Hitze war erträglich. Der Himmel über dem Wachnertal war blau, hier und dort trieb eine weiße Wolke träge vor dem endlos anmutenden Firmament, ein lauer Westwind trug den Geruch von umgepflügter Erde und Heu heran. Sebastian lachte. »Da hab' ich keine Angst bei Ihnen. Hab' nämlich selten so einen rüstigen Siebenundsiebzigjährigen gesehen. Sie rennen ja mit ihren Stöcken, als wären S' auf der Flucht.« Jetzt schlich sich auch in das markante Gesicht des alten Mannes ein Lächeln. »Weiß man's denn, Hochwürden? Vielleicht halt ich's daheim nimmer aus und renn' vor meinem Weibl davon.«
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Es war früher Mittwochnachmittag, als sich Pfarrer Trenker auf sein Fahrrad schwang, um nach Waldeck zu fahren, wo er wöchentlich die Bewohner des Altenheims besuchte. Ehe er die letzten Häuser St. Johanns passierte, sah er auf dem Gehsteig den siebenundsiebzigjährigen Siegfried Faltermeier in Richtung Ortsende marschieren. Siegfried schwang zwei Nordic Walking Stöcke und schritt kraftvoll aus.
Sebastian fuhr an ihn heran und passte sein Tempo an, sodass das Rad langsam neben Siegfried her rollte. »Grüaß Sie, Herr Faltermeier, ganz schön sportlich unterwegs!«
»Ah, Hochwürden, grüaß Ihnen Gott.« Siegfried behielt sein Tempo bei. »Ja, ein bissel was muss ich tun, sonst rost’ ich ja ein. Außerdem ist’s net so heiß heut’, also genau richtig, um ein paar Schritte zu gehen.«
In der Tat. Es war ein warmer Spätsommertag, aber die Hitze war erträglich. Der Himmel über dem Wachnertal war blau, hier und dort trieb eine weiße Wolke träge vor dem endlos anmutenden Firmament, ein lauer Westwind trug den Geruch von umgepflügter Erde und Heu heran.
Sebastian lachte. »Da hab’ ich keine Angst bei Ihnen. Hab’ nämlich selten so einen rüstigen Siebenundsiebzigjährigen gesehen. Sie rennen ja mit ihren Stöcken, als wären S’ auf der Flucht.«
Jetzt schlich sich auch in das markante Gesicht des alten Mannes ein Lächeln. »Weiß man’s denn, Hochwürden? Vielleicht halt ich’s daheim nimmer aus und renn’ vor meinem Weibl davon.« Der Schalk funkelte in seinen grauen Augen.
»Nach über fünfzig Jahren, in denen Sie nun mit Ihrer Frau glücklich verheiratet sind, ist das kaum vorstellbar«, schmunzelte Sebastian. »Haben S’ was von Ihrer Tochter gehört?«
»Gerlinde hat ein paar Mal angerufen. Das Madel arbeitet wieder, der Brian besucht wieder die Hochschule, und die Laura ist dabei, sich in Amerika einzugewöhnen. Sie hat sich endgültig dazu entschlossen, bei Brian in Newark zu bleiben, kommt aber in zwei Wochen nach St. Johann zurück, um alles für die Auswanderung zu regeln.«
»Kommt sie alleine?«, fragte der Bergpfarrer.
»Die Gerlinde begleitet sie«, antwortete Siegfried und marschierte kräftig weiter. »Bei uns war im Übrigen der Zillner-Steffen, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden ist, und hat mir erzählt, dass die Gerlinde mit ihm telefoniert hat. Er hat mir auch net verheimlicht, dass er sich in meine Tochter verliebt und sie ihm Hoffnungen gemacht hat. Na ja, die Konstanze und ich wären net bös’, wenn das Madel für immer nach St. Johann zurückkehren würd’. Vielleicht kann der Steffen sie davon überzeugen, dass ihr Platz hier ist.«
»Das hab’ ich auch schon versucht«, erwiderte der Bergpfarrer. »Sie hat sich allerdings net entscheiden können. Zu denken hat’s ihr allerdings schon gegeben, als ich sie darauf hingewiesen hab’, dass Sie und Ihre Frau nimmer die Jüngsten sind und eines Tages vielleicht auf Hilfe angewiesen sein werden.«
»Im Endeffekt muss das die Gerlinde entscheiden«, erklärte Siegfried. »St. Johann und das Wachnertal sind zwar ihre Heimat und hier sind ihre Wurzeln, aber in Newark hat sie seit einem Vierteljahrhundert ihren Lebensmittelpunkt. Dort liegt ihr Mann begraben, dort besitzt sie ein Haus, dort arbeitet sie. In Newark wird auch ihr Sohn, der Brian, weiterhin leben.«
»Das mögen Argumente sein«, gab Sebastian zu verstehen. »Es ist aber nix, was sie derart an Newark binden würde, dass sie gezwungen wär’, den Rest ihres Lebens dort zu verbringen. Wir haben uns lange drüber unterhalten, die Linda und ich. Arbeit könnt s’ wahrscheinlich in der Bergklinik finden. Ich hab’ gute Beziehungen zu Professor Bernhardt, dem Klinikleiter. Das Grab ihres Mannes könnt’ ihr Sohn pflegen, der auf jeden Fall in den USA bleibt, bis er fertiger Arzt ist. Das dauert noch einige Jahre. Er würd’ auch das Haus hüten. Sollt’ sich der Brian wirklich mal entschließen, nach Deutschland auszuwandern, müssten sie ohnehin das Haus verkaufen, und spätestens dann würd sich alles ändern.«
»Das hat sicherlich alles seine Richtigkeit«, stimmte Siegfried zu. »Am Ende aber wird man’s der Gerlinde überlassen müssen, zu entscheiden, wo sie leben will. Ich bin froh, dass sie mir vergeben hat und sogar bereit ist, zu vergessen, dass ich mich vor über fünfundzwanzig Jahren wie ein Geistesgestörter benommen hab’. Ein gutes Vierteljahrhundert hat es kaum Kontakt zwischen dem Madel und uns gegeben. Dass es mir nun auf meine alten Tage noch vergönnt war – dank Ihres Einsatzes, Hochwürden -, mit meiner Tochter Frieden zu schließen und meinen Enkel kennenzulernen, macht mich glücklich. Und noch glücklicher ist mein Weibl darüber, dass alles wieder gut ist.«
»Das glaub’ ich Ihnen gern’«, nickte der Pfarrer. »Jetzt muss ich aber schauen, dass ich weiterkomm’. Ich will die alten Leut’ in der Einrichtung net warten lassen. Ich wünsch’ Ihnen was, Herr Faltermeier. Grüßen S’ mir Ihre werte Gattin.«
»Mach’ ich, Hochwürden.«
Sebastian setzte seinen Weg nach Waldeck fort. Seine Gedanken drehten sich um Siegfried und Konstanze Faltermeier, sowie deren Tochter Gerlinde, Linda Sherman, die vor fünfundzwanzig Jahren gegen den erklärten Willen ihrer Eltern mit einem amerikanischen GI in die Staaten ausgewandert war.
Abgesehen von einigen Lebenszeichen, die Gerlinde während dieser langen Zeit ihren Eltern – ausschließlich ihrer Mutter zuliebe -, zukommen hatte lassen, hatte zwischen ihnen Funkstille geherrscht. Er hatte es eingefädelt, dass sie zusammen mit ihrem Sohn Brian zur goldenen Hochzeit ihrer Eltern nach Deutschland gekommen war und die Jubilare überrascht hatte.
Nachdem Siegfried ihr nun persönlich sagen konnte, dass er damals völlig falsch reagiert und seine damalige Haltung tausendmal bereut hatte, hatte ihm Gerlinde verziehen und die Hand zu Versöhnung gereicht.
Gegen Ende ihres Aufenthaltes hatte sie Steffen Zillner, einen Freund aus Jugendjahren, getroffen. Die Umstände waren ziemlich unglücklich gewesen, denn Steffen hatte sich auf dem Rückweg von der Kachlachklamm das Bein gebrochen und landete gleich im Krankenhaus. Und Gerlindes und Brians Rückreise in die Vereinigten Staaten stand unmittelbar bevor.
So blieb es bei nur wenigen Begegnungen, obgleich beide sich gerne einmal verabredet hätten. Steffen hatte sich in Gerlinde verliebt. Das hatte er ihm, dem Pfarrer, gestanden, und er hatte auch Gerlindes Vater gegenüber kein Hehl daraus gemacht.
Aber auch Gerlinde war Steffen Zillner ziemlich zugetan gewesen, und daraus hatte sie ebenfalls kein Geheimnis gemacht.
Nun würde Gerlinde zusammen mit Laura in zwei Wochen nach Deutschland kommen. Sebastian war gespannt darauf, wie sich Gerlinde verhalten würde. Eine wichtige Entscheidung stand für sie an – mit viel Hoffnung im Herzen wurde sie erwartet.
*
Während der Bergpfarrer in die Pedale trat, um schnell zum Altenheim zu gelangen, fuhr Roland Wiedermann, der Juniorchef von Wiedermann-Bau, auf den Hof des Sägewerks, das schon vor über hundert Jahren zwischen St. Johann und Waldeck an der Kachlach seinen Platz gefunden hatte.
In einer riesigen Halle, deren Tor offenstand, sah er drei Arbeiter an der dröhnenden Säge, mit deren Hilfe Baumstämme zu Brettern und Balken verarbeitet wurden. Es roch nach frisch geschnittenem Holz. Überall auf dem großen Gelände waren Baumstämme und bearbeitetes Holz gestapelt. Ein Radlader, ein Gabelstapler und einige Anhänger standen herum.
Aus dem Schuppen kam einer der Männer und hob grüßend die Hand. »Servus, Roland!«, sagte er, als er nahe genug war, um das Rattern der Säge zu übertönen. Es handelte sich um den zweiunddreißigjährigern Gerhard Renner, der das Sägewerk in der fünften Generation betrieb. Er hatte rötlichblonde Haare und blaue, klug blickenden Augen.
»Grüß dich, Gerd!«, erwiderte Roland. »Ich war in der Nähe und hab’ mir gedacht, ich schau’ gleich mal selber vorbei, um Bauholz zu bestellen.«
»Du hast doch erst vor kurzem Holz für einen Dachstuhl bestellt«, erwiderte Gerd. »Wir sind noch dabei, es herzurichten. Was brauchst du denn dieses Mal?«
»Es kommt noch einiges dazu. Du hast sicher gehört, dass ich zusammen mit Mareile Frischholz das frühere ‚Gästehaus Feilhuber’ erworben hab’. Wir sind mitten im Umbau. Einige Sparren müssen ausgewechselt werden, und wir wollen das Dach von innen dämmen. Dazu brauch’ ich Konterlatten und Bretter.«
»Ja, ja, ich hab’ davon gehört, ihr wollt darin eine Pension betreiben«, antwortete Gerd. »Wenn ich richtig informiert bin, habt ihr an ältere Leut’ gedacht, die über einen längeren Zeitraum Urlaub im Wachnertal machen wollen.«
»Ja, genau das haben wir vor. Wir sind recht zuversichtlich, dass unser Angebot großen Anklang finden wird. Da wir auch Rollstuhlfahrer oder Leute, die Gehhilfen nutzen, aufnehmen wollen, muss natürlich alles entsprechend umgebaut werden. Ist ein Haufen Arbeit.«
»Das kann ich mir vorstellen«, erklärte Gerd. »Gehen wir doch ins Büro, Roland, dann kann ich deinen Auftrag aufnehmen. Bis wann brauchst du denn die Latten?«
»So schnell wie möglich. Wir wollen im Mai nächsten Jahres aufmachen.«
Gerd ging auf das Wohnhaus zu, in dem sich auch sein Büro befand. Eine jüngere Frau war dort als Angestellte tätig. Roland und sie grüßten freundlich. Gerd setzte sich an seinen Schreibtisch und fuhr seinen PC hoch.
»Und wie geht’s dir allweil so?«, fragte Roland. »Ich mein’, außer dass du offensichtlich im Sägewerk einen Haufen Arbeit hast.«
Gerd zuckte mit den Schultern. »Ich komm zurecht und kann eigentlich net groß klagen. Es ist halt schwer, so ganz allein, ohne meine Lena. Und ich hab’ leider net viel Zeit für den Buben.«
»Du hast doch die Frau Lechner«, gab Roland zu bedenken.
»Natürlich, und dafür bin ich dankbar. Die Maria versorgt mich und den Jonas tadellos, sie schmeißt den Haushalt und kümmert sich so ziemlich um alles, zu dem ich net komm’, weil ich im Sägewerk genug um die Ohren hab‘. Sie ist allerdings achtundsechzig, der Jonas aber ist fünf und ein ziemlicher Treibauf. Die Maria klagt zwar net, aber manchmal hab’ ich das Gefühl, dass ihr die Verantwortung für den Kleinen über den Kopf wächst.«
»Warum suchst du dir denn net wieder eine Frau?«, fragte Roland ziemlich direkt. »Die Lena ist doch schon über drei Jahre tot, und du bist net alt genug, um den Rest deines Lebens einschichtig zu verbringen. Hast darüber schon mal nachgedacht?«
»Doch, schon. Aber wo soll ich eine Frau treffen? Tagsüber steh’ ich an der Säge oder an der Hobelmaschine, die Abende widme ich dem Buben. Wenn er dann spätestens um acht Uhr im Bett liegt, bin ich froh, wenn ich mich auf der Couch ausstrecken kann. Das ist alles net so einfach, Roland.«
Der Computer war betriebsbereit. Einige Mausklicks, und auf dem Bildschirm erschien ein Formular. »Dann schieß’ mal los, Roland«, sagte Gerd. »Sag’ mir, was du brauchst.«
Roland zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Hosentasche und nannte dann dem Sägewerkbesitzer, was er an Holz benötigte. Gerd Renner tippte fleißig mit …
*
Am späten Nachmittag des Tages entschloss sich der Bergpfarrer, Gerlinde in Newark anzurufen. In New Jersey war jetzt Mittagszeit und Sebastian hoffte, sie zu erreichen.
Sie nahm das Gespräch entgegen.
»Grüaß di, Linda«, rief der Bergpfarrer in den Hörer. »Ich bin’s, Sebastian Trenker. Ich hoff’, ich stör’ dich net.«
»Das ist aber eine Freude, Sebastian.« Im nächsten Moment aber klang sie erschreckt, als sie fragte: »Es ist doch nix passiert, weil du mich anrufst, ich mein’, mit dem Papa oder der Mama?«
»Ich hab’s fast befürchtet, dass du erschrickst«, gab Sebastian zu verstehen. »Aber ich kann dich beruhigen, die beiden sind wohlauf. Deinen Papa hab’ ich heut’ beim Walking getroffen, also keine Sorge, er ist fit! Er hat mir erzählt, dass du in zwei Wochen die Laura nach Deutschland begleitest.«
»Das ist richtig. Ich freu’ mich schon riesig.«
»Wenn du so gern im Wachnertal bist, speziell in St. Johann, warum bleibst du dann net einfach da? Es gibt Leut’, die sich das sehnlichst wünschen, und ich red’ net nur von deinen Eltern.«
»Du sprichst vom Steffen, gell?«
»So ist es. Er liebt dich.« Sebastians Stimme klang fast beschwörend.
»Ich weiß, …«, sagte Gerlinde. »Ich mag ihn ja auch recht gern … Vielleicht ist es sogar ein bisschen mehr als nur mögen. Aber …« Sie brach ab.
»Diese vier Buchstaben hör’ ich gar net gern«, gab der Pfarrer zu verstehen. »Denn nichts, was vor dem Aber gesagt wird, zählt.«
»Du hast ja recht, Sebastian«, gestand Gerlinde. »Aber ich weiß nicht, ob es Jim recht wäre, würde ich mich wieder einem Mann zuwenden. Ich habe außer ihm nie einen anderen Mann geliebt, und als er starb, war das für mich, als würde man mir das Herz aus der Brust reißen.«
»Ich glaub’, wir haben schon mal darüber geredet, Linda«, erwiderte der Bergpfarrer. »Die Toten dürfen net unser Leben bestimmen. Man kann ihnen einen Platz in unseren Herzen einräumen, aber sie gehören der Vergangenheit an. Das Leben gehört den Lebenden. Ich hab’ heut’ mit deinem Vater drüber geredet. Es gibt nix, was dich wirklich in Amerika hält. Das Grab deines Mannes kann zunächst dein Sohn pflegen, ebenso kann der Brian euer Haus hüten. Der Bursch’ hat die Laura an seiner Seite und braucht dich nimmer. Er nabelt sich von dir ab, wie man so treffend sagt. Sicher, du bist seine Mutter und er liebt dich, aber die erste Geige in seinem Leben wird die Laura spielen. Wär’s net so, würd’ ich der Laura raten, wieder nach Deutschland zurückzukehren.«
»Ich bin ja auch schon fast geneigt, Amerika den Rücken zu kehren«, gab Gerlinde zu. »Ich kann mich nicht entscheiden. Heute bin ich vielleicht noch fest entschlossen, künftig in St. Johann zu leben, morgen allerdings schon wieder der festen Überzeugung, dass ich mein jetziges Leben nicht aufgeben will. Ich bin hin und her gerissen.«
»Deine Eltern sind alte Leut’, Gerlinde. Noch sind sie beide recht rüstig. Das kann sich jedoch über Nacht ändern. Dann wär’s vielleicht gut, wenn du da wärst, um dich um sie zu kümmern. In Amerika braucht dich niemand. Deine Erinnerungen an dein Leben mit Jim kannst du auch in Deutschland aufrechterhalten. Hier aber wirst du unter Umständen ganz dringend gebraucht. Es wär’ sicherlich gut, wenn du zur Stelle wärst, wenn’s soweit ist.«
»Ich sehe es schon: Du bringst mich noch soweit, dass ich Ja sage, Sebastian.«
»Es wär’ ein Gewinn für alle. Ich denk’, du würdest hier ein neues Glück finden, ohne die Liebe zu Jim aus deinem Herzen verdrängen zu müssen.«
»Ich denke oft an Steffen«, gab sie zu.
»Er wünscht sich nix sehnlicher, als dass du sein Werben erhörst, Gerlinde. Wegen einer Arbeit müsstest du dir auch keine Sorgen machen. Ich würd’ mich bei Professor Bernhardt für dich einsetzen und bin mir fast sicher, dass er dich in der Bergklinik beschäftigt.«
»Du machst es mir sehr schmackhaft, Sebastian.«
»Denk’ noch einmal gründlich über alles nach, Gerlinde. Wäg’ ab, prüf’ ganz sachlich und nüchtern das Für und Wider, und dann treff’ eine Entscheidung. Denn im Endeffekt wird’s an dir liegen, ob du in den Staaten bleibst oder ob du dich für die Heimkehr ins Wachnertal entscheidest.«
»Wie oft habe ich dir schon versprochen, dass ich darüber nachdenke, Sebastian? Ich schiebe damit alles nur vor mir her. Bis jetzt …«
»Du hast dich also entschieden?«, fragte Sebastian und lauschte gebannt.
»Ja, in dieser Minute. Es hat eh nur noch eines kleinen Anstoßes bedurft. Wenn ich in zwei Wochen mit der Laura nach Deutschland komme, dann bleibe ich. Du hast mich überzeugt. Jim braucht mich nicht mehr, ebenso wenig Brian, der sein eigenes Lebensglück schmiedet. Aber meine Eltern werden vielleicht auf meine Hilfe angewiesen sein. Und außerdem ist da noch Steffen …«