Bianca Exklusiv Band 169 - Martha Shields - E-Book

Bianca Exklusiv Band 169 E-Book

Martha Shields

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Beschreibung

DAS WICHTIGSTE IN MEINEM LEBEN von PARV, VALERIE Mit aller Macht versucht Zoe, ihren starken Gefühle für James zu unterdrücken. Sie befürchtet, dass der faszinierende Millionär ihr das Herz bricht. Er will das Sorgerecht für die kleine Genie, die sie wie eine Tochter liebt ... EINE NACHT MIT FOLGEN von HAVEN, ANNE Niemals soll Graham erfahren, dass sie sein Kind erwartet! Doch als der elegante Unternehmer sie überraschend aufsucht, gerät sie in große Versuchung. Aber warum ist Graham gekommen? Hat er erfahren, dass sie schwanger ist? GIB MEINEM HERZEN EIN ZUHAUSE von SHIELDS, MARTHA Travis ist reich und berühmt, aber sehr einsam. Da begegnet er zufällig Rebecca wieder, seiner Freundin aus Kindertagen. Plötzlich weiß er: Sie ist die Richtige! Aber als er sie für sich gewinnen will, macht er einen großen Fehler ...

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Martha Shields, Valerie Parv, Anne Haven

Ein Millionär zum Verlieben, Band 169

IMPRESSUM

BIANCA EXKLUSIV erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 1999 by Martha Shields Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1999 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

© 1998 by Valerie Parv Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1998 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

© 2000 by Anne Haven Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Fotos: Corbis

© by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe BIANCA EXKLUSIV, Band 169 - 2008

Veröffentlicht im ePub Format im 04/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-543-5

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

MARTHA SHIELDS

GIB MEINEM HERZEN EIN ZUHAUSE

Er ist berühmt, reich und begehrt: der breitschultrige, attraktive Rodeoreiter Travis. Aber er ist einsam, und sein Herz sucht ein Zuhause. Als er die hinreißend schöne Rebecca, seine Freundin aus Kindertagen, wiedersieht,scheinter am Ziel seiner Träume zu sein. Doch im Überschwang der Gefühle macht er einen großen Fehler …

VALERIE PARV

DAS WICHTIGSTE IN MEINEM LEBEN

Mit aller Macht versucht Zoe, ihre brennende Sehnsucht zu ignorieren. James Langford, der attraktive Besitzer eines luxuriösen Anwesens in Australien, ist der Mann ihrer Träume. Doch sie muss ihre Gefühle für ihn vergessen, denn sie befürchtet, dass es James nur um eins geht: Er will das Sorgerecht für die kleine Genie, die seit Monaten bei Zoe lebt …

ANNE HAVEN

EINE NACHT MIT FOLGEN

Er ist der beeindruckendste Mann auf der Party: der Milliardär Graham Richards. Wange an Wange tanzt Serena mit ihm durch die Nacht, bis sie in seinem Hotelzimmer das Glück der Liebe erlebt. Wochen später erinnert sie sich an seine Worte: „Ich will niemals eine Familie“. Traurig entschließt sie sich, ihm zu verschweigen, dass sie sein Baby erwartet …

Martha Shields

GIB MEINEM HERZEN EIN ZUHAUSE

1. KAPITEL

Nationale Rodeo-MeisterschaftenMittwoch, nahe Las Vegas

Es war früher Nachmittag. In der Ferne entdeckte Travis Eden eine weiße Rauchsäule. Als er über den nächsten Hügel hinweggefahren war, sah er, dass sie von einem alten Truck stammte, der am Straßenrand stand.

Sein Teampartner Chance Morgan rief: „Hey, sieh mal, Trav, es ist die ‚Eiskönigin‘ persönlich! Wer hätte gedacht, dass Rebecca Larson weiß, wie man einem Truck einheizt. Sie kann ja nicht mal einem Cowboy einheizen.“

„Rebecca Larson?“ Bei dem Namen überfielen Travis die unterschiedlichsten Gefühle. Er kannte Rebecca seit ihrer Geburt. Die ersten elf Jahre ihres Lebens war sie ihm wie ein Hündchen gefolgt, aber nach dem Tod ihres Vaters waren sie und ihre Mutter gezwungen gewesen, die Circle E Ranch zu verlassen. Nun gehörten ihnen die fünfhundert Hektar Land, die Travis seit zehn Jahren kaufen wollte, erneut.

„Was macht die denn hier?“

„Sie nimmt auch am Rodeo-Finale teil, weißt du das nicht?“

„Beim Tonnen-Rennen?“

Chance lachte. „Tja, Cheryl Ann ist auch dabei.“

„Wie schön für sie“, sagte Travis und blinkte rechts.

„Hey, hältst du etwa an?“

„Ich habe noch nie eine ‚Dame in Not‘ links liegen lassen“, erklärte Travis und fuhr auf den Seitenstreifen.

„Was hast du davon? Rebecca wird sich nicht gerade dafür bedanken. Wusstest du, dass die Hälfte der Verbands-Cowboys seit über einem Jahr darauf Wetten abschließt, wer es schafft, die ‚Eiskönigin‘ zum Schmelzen zu bringen?“

Travis stellte die Warnblinkanlage an und sagte: „Die ist doch noch ein halbes Kind!“

„Kind! So ’n Quatsch, sie ist sechsundzwanzig!“

„Klein-Rebecca ist schon sechsundzwanzig?“, staunte Travis. „Na ja, das muss hinkommen, sie ist etwas jünger als Claire.“

„Du kennst die Eiskönigin?“

Chance Morgan war der beste Rodeo-Partner, den Travis kannte. Wenn es um Frauen ging, hatte er allerdings die Manieren eines Trampeltiers. „Ich kenne sie gut genug, um sie nicht in der Wildnis stranden zu lassen. Hat dir deine Mutter denn keinen Benimm beigebracht?“

„Hey, Trav, du verstehst aber auch gar keinen Spaß mehr!“

Den Vorwurf hatte Travis im vergangenen Jahr öfter gehört. Er hatte sich verändert. Seit einiger Zeit war er es leid, immer zu Rodeos zu fahren, Stürze zu erleiden, Schmerzen zu haben, ewig in Hotels abzusteigen, von Groupies verfolgt zu werden, sein „Millionen-Dollar-Lächeln“ für die Medien, die Sponsoren und die Rodeo-Fans anzuknipsen. Er war es leid, wie der Ansager es zu formulieren pflegte, der „Michael Jordan des Rodeo“ zu sein. Er wollte seine Ruhe haben, endlich aufhören und nur der sein, der er wirklich war. Dieses Finale würde das letzte sein und dieses Jahr das letzte Jahr im Rodeo-Stadion.

Aber wie konnte er ein neues Leben führen, wenn der einzige Ort, an dem er seinen Frieden finden würde – die Ranch Circle E –, ihm vor fünf Monaten von diesem sommersprossigen Gör vor der Nase weggeschnappt worden war, dem er nun zu Hilfe eilte?

Seine Stiefel waren auf dem Asphalt zu hören. Mit langen Schritten erreichte er das Ende seines Pferdetransporters. Neben ihm rauschte der Verkehr in Richtung Las Vegas vorbei. Plötzlich blieb er stehen. Vor sich sah er ein Paar lange Beine in Jeans und Lederstiefeln, die in ein knackiges Hinterteil mündeten. Die Frau, der diese Beine gehörten, hatte die Kühlerhaube des alten Trucks geöffnete und inspizierte gerade das Innenleben. Hm, was für ein Anblick …

Das war Rebecca Larson? Travis erinnerte sich an ein mageres Mädchen mit kupferrotem Pferdeschwanz und Sommersprossen. „Donnerwetter“, murmelte er.

Dass er das laut gesagt hatte, begriff er erst, als Chance darauf reagierte: „Ein Anblick, der Tote wieder lebendig werden lässt, wie?“

Travis näherte sich der Klapperkiste, die man nur großzügig einen Truck nennen konnte. „Hallo, brauchst du Hilfe?“

„Au!“ Rebecca hatte sich den Kopf an der Kühlerhaube gestoßen und fuhr mit der ölverschmierten Hand an die schmerzende Stelle. Dann drehte sie sich um. „Travis?“, fragte sie erstaunt.

Ihr ehemals rundes Gesicht war nun herzförmig mit hohen Wangenknochen, ihr kupferfarbenes Haar dunkler als früher … es erinnerte an die Glut schwelenden Feuers. Statt des Pferdeschwanzes trug sie eine dichte, lockige Mähne. Travis erinnerte sich daran, dass Mrs. Larson sich früher oft bei seiner Mutter darüber beklagte, wie schwer es sei, Rebeccas Haar zu kämmen, besonders wenn es nass war.

„Du kennst mich noch?“, fragte er. „Dich hätte ich in tausend Jahren nicht mehr wiedererkannt, Äffchen.“ So hatte Travis Rebecca vor zwanzig Jahren genannt, als kleines Mädchen. Damals war er noch kein Rodeo-Star gewesen und hatte sich in ihrer Bewunderung gesonnt.

Rebecca schien die Erwähnung des alten Spitznamens zu berühren. „Natürlich habe ich dich wiedererkannt. Das würde jedem so gehen, der diese Jeanswerbung schon mal gesehen hat! Die Sportzeitungen sind ja voll mit deinen Fotos.“

Travis runzelte die Stirn. Sie sah ihn also auch als den Rodeo-Star. So wie jeder andere. Er hatte gehofft …

Was? Dass er endlich eine Frau getroffen hatte, die den wirklichen Travis Eden kannte? Die den Menschen in ihm sah und nicht den Star? Keine Chance, das hatte er bereits auf die harte Tour gelernt.

Er schluckte die Enttäuschung hinunter und lächelte das Lächeln, das ihn berühmt gemacht hatte. „Tut mir leid, das mit deinem Kopf. Wir haben nur angehalten, um zu sehen, ob wir helfen können.“

„Alles in Ordnung“, sagte sie und stellte wieder einen Fuß auf die Stoßstange.

Das hatte ziemlich kühl geklungen. „In Ordnung? Dein Truck qualmt wie ein Ofen!“

„Ach was“, sie stieg wieder auf die Stoßstange, „damit werde ich schon fertig.“

Chance meinte: „Komm mit, Trav, ich hab’ dir doch gleich gesagt, dass sie sich nicht helfen lässt.“

Travis schüttelte den Kopf. „Ich möchte nicht …“

„Hallo, Jungs, vielen Dank, dass ihr angehalten habt!“

„Joy?“

Rebeccas Mutter kam um den Truck herum. Ihr verändertes Aussehen schockierte Travis. Die vergangenen fünfzehn Jahre hatten es mit ihr nicht gut gemeint.

Die früher blonde Mrs. Larson war nun ergraut, und ihre vielen Falten gaben ihr ein zerknittertes, verhärmtes Aussehen.

Travis empfand Mitleid mit ihr. Mrs. Larson hatte ihm nach dem frühen Tod seiner Eltern sehr geholfen.

Sie lächelte zaghaft. „Travis Eden, bist du inzwischen ein zu großer Star, um eine alte Freundin zu umarmen?“

„Oh, nein!“ Travis nahm die zerbrechliche Gestalt liebevoll in die Arme. Das letzte Mal, dass er das getan hatte, war an dem Tag gewesen, als ihre Ranch, hoch verschuldet, unter den Hammer gekommen war, sechs Monate nach dem Tod von Mr. Larson. Travis war gerade siebzehn und unfähig, der kleinen Familie zu helfen. Dann waren sie weggezogen.

Ein Jahr später war er Profigeworden. Eigentlich hatte er weiter Kontakt halten wollen, aber die Jahre vergingen, und irgendwann waren die Larsons nur noch eine blasse Erinnerung.

„Schön, dich wiederzusehen“, Mrs. Larson klopfte ihm auf die Schulter. Dann wendete sie sich an Chance. „Ich glaube, ich hatte noch nicht das Vergnügen …“

„Chance Morgan“, stellte Travis ihn vor. „Wir sind seit einigen Monaten Partner.“

„Du hast dich neben dem Bullenreiten auch fürs Finale im Team-Lassowerfen qualifiziert, nicht, Travis?“, fragte Mrs. Larson.

„Ja, genau.“

Mrs. Larson schien seine Karriere verfolgt zu haben.

„Hast du das gehört, Rebecca? Travis hat sich gleich für zwei Disziplinen qualifiziert.“

„Ich weiß, Mama“, murmelte Rebecca aus den Tiefen des Motors.

„Meine Güte, dann hast du ja ein ausgefülltes Jahr gehabt. Ich wollte schon nach deiner Familie fragen, aber ich habe sie vermutlich öfter gesehen als du. Weißt du, dass wir wieder Nachbarn sind?“

„Ja. Wie habt ihr es nur geschafft, dass der alte Duggan euch die Circle E überlassen hat?“

„Ach, ich glaube, er war ganz froh, sie loszuwerden“, sagte Mrs. Larson. „Wir mussten nur fragen.“

Travis’ Gesichtsausdruck versteinerte sich. Obgleich er Duggan in den vergangenen zehn Jahren zahllose Angebote gemacht hatte, hatte der alte Mann sich geweigert, ihm auch nur einen Stein auf dem Grundstück zu verkaufen. Duggan gab Travis die Schuld am Tod seines Sohnes bei einem Highschool-Rodeo. Er meinte, Travis hätte Ray daran hindern müssen, den wilden Jungbullen zu reiten, den er sich ausgesucht hatte.

Mrs. Larson zog ihre Strickjacke in der kühlen Dezemberluft enger um sich. „Also, nochmals vielen Dank, dass ihr angehalten habt. Ich sage Rebecca seit Wochen, dass wir …“

„Die beiden interessieren sich nicht für unsere Probleme, Mama“, rief Rebecca über die Schulter zurück.

Mrs. Larson machte eine vage Handbewegung, eine Geste, an die Travis sich gut erinnerte. „Ich verstehe nichts von Motoren, aber ich glaube, dieser pfeift aus dem letzten Loch. Wir sind schon so viele Meilen damit gefahren, dass wir sie nicht mehr zählen können. Ich weiß nur nicht, was wir nun tun sollen.“

Rebecca sagte leicht ungeduldig: „Wir werden die beiden Herren jetzt weiterfahren lassen, nicht wahr, Mama?“

„Aber Liebes, nun da Travis sich schon mal die Mühe gemacht hat anzuhalten, könntest du ihn doch mal einen Blick aufs Getriebe werfen lassen.“

Rebecca glitt von der Stoßstange herunter. „Wieso? Weil er Rodeo-Reiter ist? Du meinst, wen könnte man besser fragen als jemanden, der sein Leben auf der Straße verbringt? Na ja, vielleicht hast du recht, aber niemand kennt diesen Motor so gut wie ich, denn ich habe ihn in den letzten acht Jahren repariert.“

Travis meinte spöttisch: „Sieht nicht so aus, als seist du damit sehr erfolgreich.“

„Er muss nur abkühlen.“

„Komm schon, Travis, lass uns gehen!“, drängelte Chance.

Travis reagierte nicht, sondern steckte den Kopf unter die Kühlerhaube.

„Ich schaffe es schon allein, Travis“, sagte Rebecca, „schließlich bin ich kein kleines Mädchen mehr.“

Er schaute sie bedeutungsvoll an. „Ja, das habe ich schon bemerkt.“

Rebeccas Nasenflügel bebten.

Travis sagte: „Der weiße Dampf deutet aufs Kühlungssystem.“

„Ja, da ist ein winziges Loch.“ Sie wedelte eine Rauchfahne zur Seite. „Siehst du, er ist fast schon wieder abgekühlt.“

Travis beugte sich vor, um besser sehen zu können. „Ein winziges Loch, sagst du? Es ist ungefähr so groß wie Texas!“

„Ach, Unsinn!“ Rebecca wedelte eifriger und schaute ebenfalls genauer hin. „Es ist … oh, verdammt, es ist wirklich ziemlich groß, was? Ich konnte es wegen des Qualms vorher nicht richtig sehen.“

„Ich schätze, es ist kein Wasser und kein Kühlmittel mehr drin“, sagte Travis. „Wie gut, dass wir angehalten haben.“

Rebecca hatte an ihrer Wange eine Schmierspur, die Travis ihr gern weggewischt hätte. Ob ihre Haut sich wohl warm anfühlen würde?

„Ja, ich glaube, wir können tatsächlich deine Hilfe gebrauchen“, sagte Rebecca. Sie seufzte. „Manches scheint sich nie zu ändern.“

Travis lächelte. Rebecca erinnerte sich offenbar daran, wie er immer Holz für ihren Herd geschlagen hatte, nach der Schule ihre kleine Herde auf die Frühlingsweide getrieben oder mal ein Stück Fleisch vorbeigebracht hatte … Er richtete sich auf – und stieß sich prompt ebenfalls den Kopf an der Kühlerhaube. „Au!“ Er rieb sich die schmerzende Stelle.

Rebecca lachte leise. Dabei wurden kleine Grübchen an der Wange sichtbar. Verlegen sagte sie: „Oh, tut mir leid.“

Travis verzog kurz das Gesicht. „Wir könnten euch ja mit nach Las Vegas nehmen, damit ihr …“

Rebecca unterbrach ihn. „Was? Mit dem Trailer? Las Vegas ist sechzig Meilen entfernt!“

„Na ja, aber da wollt ihr doch hin, oder?“

Rebecca sprang von der Stoßstange. „Ja, natürlich. Aber wir können den Truck nicht hier stehen lassen, ich habe meine Stute dabei.“

Travis wies auf seinen Trailer. „Da drin ist Platz genug für dein Pferd. Vielleicht findest du ja jemanden, der bereit ist, den ganzen Weg zurückzufahren, um deinen Truck abzuschleppen.“

Sie zog die Brauen zusammen. „Wie viel würde das denn kosten?“

„Wie viel? Na, mindestens hundert Dollar, würde ich sagen.“

Chance schüttelte den Kopf. „Eher an die zweihundert.“

Rebecca atmete hörbar aus. „Zweihundert Dollar, nur um ihn abschleppen zu lassen? Und dann muss er auch noch repariert werden? Oje. Und was könnte ich sonst tun?“

„In Glendale wohnt Rube Pruitt. Dem gehört eine Tankstelle, etwa zehn Meilen von hier. Ein guter Mechaniker. Der könnte dir den Truck für einen fairen Preis reparieren.“

„Noch heute?“

Travis zuckte die Achseln. „Du kannst ihn ja fragen.“

„Ich muss heute Abend unbedingt zur Rodeo-Eröffnung“, sagte Rebecca.

„Na klar“, sagte Travis, „das geht uns allen so.“

„Aber ich kann den Truck doch nicht in Glendale lassen, das ist fünfzig Meilen von Las Vegas entfernt. Wie soll ich dann ins Stadion kommen, und wo soll ich schlafen?“

„Wieso?“

Rebecca wies auf den Schlafbereich im hinteren Teil ihres Trucks. „Wir haben auf dem Campingplatz am Boulder-Highway reserviert.“

„Campingplatz? Weißt du nicht, wie kalt die Wüste nachts ist?“

„Wir sind daran gewöhnt“, sagte Mrs. Larson.

„Na ja, heute müsst ihr wohl im Hotel übernachten. Wenn ihr überhaupt eins findet. Während der Meisterschaften ist Las Vegas knallvoll, außerdem finden dort noch etliche Tagungen statt.“

„Und was ist, wenn wir kein Zimmer bekommen?“

„Das sehen wir dann. Chance, statt herumzustehen, könntest du mal meinen Anhänger aufmachen.“

„Können wir uns denn ein Hotelzimmer leisten?“, fragte Mrs. Larson ihre Tochter.

„Natürlich nicht, Mama.“

Travis, der am Trailer der Larsons stand, fuhr herum. „Was soll das heißen, ob ihr euch das leisten könnt? Du gehörst doch zu den Weltbesten im Barrel-Racing, sonst wärst du gar nicht hier!“

„Das heißt noch lange nicht, dass wir Geld haben“, erklärte Rebecca. „Ich bin nämlich nicht siebenfache Weltmeisterin mit dicken Sponsorverträgen. Außerdem muss ich jeden Dollar sparen, weil wir …“ Rebecca hielt inne.

„Weil ihr was?“, fragte Travis.

Rebecca wirkte auf einmal niedergeschlagen. „Schon gut.“

Eilig schob Travis den Riegel ihres Anhängers zurück. Seine Hilfsbereitschaft war wohl noch ein Überbleibsel aus früherer Zeit, als er noch brüderliche Gefühle für die kleine Rebecca hatte. Nein, Unsinn, er war nicht ihr Bruder! „Nimm dich zusammen“, sagte er leise zu sich selbst.

„Wie bitte?“

Travis verdrängte die alten Empfindungen. Immerhin hatte Rebecca Larson ihm seine Ranch vor der Nase weggeschnappt!

„Für Teilnehmer des Finales gibt es in den Hotels Sondertarife. Das schafft ihr schon.“

„Glaubst du“, murmelte sie.

„Wie bitte?“

„Nichts, schon gut.“

Travis verstand das nicht. Wieso hatten sie die Circle E gekauft, wenn sie es sich nicht leisten konnten?

Er ließ die Rampe herunter und löste die Kette.

Vielleicht ließen sich die Larsons ja nach einer Weile dazu überreden, ihm die Ranch zu überlassen. Von seinem Bruder Hank wusste er, dass Rebecca erst seit etwa einem Jahr am Barrel-Racing teilnahm. Beim Barrel-Racing ging es darum, so schnell und geschickt wie möglich um Tonnen herum zu reiten. Wahrscheinlich konnte Rebecca noch gar nicht einschätzen, wie viel Zeit diese Wettbewerbe auf Dauer in Anspruch nahmen. Wenn sie erst einmal feststellte, wie schwierig es ist, sich nebenbei auch noch um eine Ranch zu kümmern, würde sie ihm den Betrieb vielleicht später verkaufen.

Aber zunächst einmal musste er das Vertrauen der Larsons gewinnen. Da dies ihre erste Reise nach Las Vegas war, würde er ihnen die Stadt zeigen und ihnen auch sonst behilflich sein – als alter Freund der Familie sozusagen. Er hatte also zehn Tage Zeit, seinen Charme spielen zu lassen und die Larsons davon zu überzeugen, dass er die fünfhundert Hektar an der Grenze seines eigenen Anwesens dringender brauchte als sie.

Travis zögerte. Es beunruhigte ihn, wie attraktiv er Rebecca plötzlich fand. Auf keinen Fall durfte er sich auf eine Affäre mit ihr einlassen! Bei dieser Frau würde es vermutlich um alles oder nichts gehen, und zu einer Partnerschaft war er noch lange nicht bereit. Also versuchte er, sich zu beruhigen: Dass ich Rebecca so aufregend finde, liegt bestimmt nur daran, dass sie inzwischen erwachsen ist und nicht mehr das niedliche Mädchen von damals, sagte er sich.

Dann stieg er in den Anhänger der Larsons. Obgleich er von außen ziemlich schäbig war, war innen alles makellos. Die Stute stand mit Kopfschutz, Decke und sorgfältig umwickelten Beinen in der linken Hälfte, Heu, Sattel und Zaumzeug befanden sich rechts. Der hölzerne Boden schien neu zu sein, die Gummimatten darauf waren blitzsauber.

Hank sagte immer, dass es eine Menge über einen Menschen aussagte, wie er mit Tieren umging. Travis’ Respekt für Rebecca wuchs. Auf ihren eigenen Komfort legte sie offenbar nicht so viel Wert, aber ihr Pferd reiste sicher und sauber.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie besorgt.

„Doch, doch“, sagte Travis. Er löste die Leine der Stute Cocoa und sprach beruhigend auf das Tier ein, während er es die Rampe hinunterführte.

Sobald Cocoa im Freien war, holte Rebecca das Zaumzeug.

Travis sagte: „Sie ist wegen des Verkehrs etwas nervös, ich bringe sie in meinen Trailer. Holt ihr eure Sachen. Ihr habt wohl keine andere Wahl, als mit uns zusammen nach Vegas zu fahren.“

Liebevoll strich Rebecca der Stute über die Mähne. „Mama packt unsere Sachen.“

Dann führte Travis Cocoa zu seinem Anhänger, und alle stiegen in den Wagen.

Rebecca drückte sich zur Seite, um Chance nicht berühren zu müssen. Auf dem engen Rücksitz fühlte sie sich wie eine Sardine in der Dose.

„Tschuldigung“, murmelte er.

Rebecca mochte Chance Morgan nicht. Er hatte sie im vergangenen Winter in Toledo hinter den Rinderboxen einmal sehr bedrängt. Damals hatte sie sich zwar losmachen können, den Zwischenfall aber nicht vergessen.

Sie lehnte den Kopf gegen die Scheibe. Es war schon seltsam. Wer hätte gedacht, dass sie mit dem berühmtesten aller Rodeo-Cowboys nach Las Vegas fahren würde …

Ihr war zwar bewusst gewesen, dass Travis ebenfalls im Finale mitritt, sie dachte aber, dass er sie ignorieren würde – so wie im letzten Jahr bei den wenigen Rodeos, an denen sie beide teilgenommen hatten. Bei den ersten Malen hatte sie noch den Versuch gemacht, mit ihm zu sprechen, aber er war dauernd von Leuten umgeben. Obgleich er meistens lächelte, ahnte sie, dass er den Trubel eigentlich nicht mochte, und darum wollte sie ihn nicht auch noch belästigen. Sie nahm an, dass er sie ohnehin längst vergessen hatte und ein viel zu großer Star war, um das anhängliche kleine Mädchen wiederzuerkennen, das so für ihn geschwärmt hatte.

Als Travis ihre Mutter etwas fragte und sie seine tiefe Stimme wahrnahm, erfasste sie ein leichter Schauer. Das war nicht mehr die Bewunderung, die sie als Kind empfunden hatte. Früher war ihr beim Klang seiner Stimme noch nicht heiß und kalt geworden …

Die Situation erinnerte sie daran, dass Travis ihnen schon auf der Circle E oft geholfen hatte. Dass die Edens immer für sie da gewesen waren, war ihr allerdings erst Jahre später bewusst geworden. Auch nach dem Tod seiner Eltern war Travis immer noch gekommen und hatte Claire zum Spielen mitgebracht.

Rebecca hatte in den vergangenen zehn Jahren so hart gearbeitet, dass sie keine Hilfe gebraucht hatte. Aber nun war sie wieder in Bedrängnis. Und wieder war es ausgerechnet Travis, der ihnen half.

Die Autopanne hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt passieren können. Schließlich ging es hier nicht um ein gewöhnliches Rodeo, sondern um das wichtige Finale, das sie unbedingt gewinnen musste. Wenn sie auch nur einen der zehn Abende verpatzte, konnte sie das jedoch vergessen. Und wenn sie nicht siegte, würde sie die Circle E wieder verlieren, so wie damals, als ihr Vater starb. Sie brauchte jeden Pfennig, um den Kredit an Ote Duggan abzuzahlen, den sie nach dem Tod seines Onkels vor zwei Monaten aufgenommen hatte.

Und nun musste sie auch noch ihr schwer verdientes Geld für die Reparatur des Trucks ausgeben, für ein Hotelzimmer, Mahlzeiten in Restaurants, Trinkgelder und wer weiß was noch. Camping war viel billiger! Außerdem konnten sie dort ihr eigenes Essen kochen.

Über das sanfte Brummen des Motors hinweg hörte Rebecca, wie ihre Mutter mit Travis darüber sprach, dass sie nach Wyoming zurückziehen würden. Es bedeutete Joy Larson so viel, dass sie die Familienranch wiederbekommen hatten! Sie war dort geboren, und dort wollte sie auch sterben.

Tränen traten in Rebeccas Augen, als sie an den Hirntumor dachte, der ihre Mutter langsam umbrachte.

„Macht euch keine Sorgen um den Truck, Rube Pruitt wird sich schon um ihn kümmern“, sagte Travis gerade und schreckte Rebecca damit aus ihren Gedanken hoch.

Im Rückspiegel schaute sie ihn an. Sein Gesicht war durch Veröffentlichungen und Werbekampagnen landesweit bekannt geworden. Die Frauen liebten seine stahlblauen Augen, die kantigen Züge, die hohen Wangenknochen und die breite Stirn.

Rebecca hob das Kinn. Sie selbst hatte gar keine Zeit, für einen Helden zu schwärmen, schon gar nicht für einen Rodeo-Cowboy. Und Travis Eden war der perfekte Rodeo-Cowboy. Aber über die Jahre hatte Rebecca gelernt, dass diese Jungs nicht viel wert waren. Sie hatten flüchtige Affären, dann zogen sie ihrer Wege. Von Rebeccas Vater, der ebenfalls Jungbullen geritten hatte, bis zu dem charmanten Stallburschen in Texas, in den sie sich beinahe verliebt hätte, waren sie alle gleich, und Rebecca wollte mit solchen Leuten nichts zu tun haben! Und Travis war einer von ihnen – sosehr sie ihn damals, als sie noch klein war, auch bewundert hatte.

Wenn sie sich jetzt auf ihn verließ, dann nur, weil sie keine andere Wahl hatte.

2. KAPITEL

Mittwoch, Diamond Spurs Hotel

„Oje, oje!“, rief Mrs. Larson, als sie das Hotel betraten. „Wie elegant!“

„Pscht, Mama“, zischte Rebecca ihr zu. „Sei still, sonst denken die Leute, du warst noch nie in einem Hotel.“

Travis hatte erst beim Stadion angehalten, wo das Finale stattfinden würde. Nachdem sie die Pferde dort in den Boxen untergebracht hatten, war er hierher gefahren.

„Aber in so einem Hotel war ich auch noch nie“, erklärte Mrs. Larson.

Die Lobby des Diamond Spurs samt dazugehörigem Kasino prächtig zu nennen wäre untertrieben gewesen. Auf dickem Teppichboden konnte man direkt zu zahllosen Münzautomaten und Spieltischen gelangen. Üppige Kristall-Lüster verbreiteten gedämpftes Licht. Frauen in Westernkostümen brachten den Hotelgästen Getränke. Der Lärm der „einarmigen Banditen“, die alle in einer Reihe standen, war ohrenbetäubend.

Als Rebecca durchs Kasino zum Hotelempfang ging, entdeckte sie an einem solchen Automaten Cheryl Ann Barnes aus Oklahoma, ihre größte Konkurrentin beim Barrel-Racing.

Cheryl Ann erwiderte den Gruß kühl. Als sie jedoch Travis entdeckte, rief sie laut seinen Namen, schob Rebeccas Mutter beiseite und drängte sich zu ihm. „Da bist du ja!“ Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn.

Travis sah bei dem Überfall nicht allzu glücklich aus und versuchte, sich loszumachen. Rebecca wunderte das, denn sie hatte bei verschiedenen Rodeo-Veranstaltungen gehört, dass Cheryl Ann und Travis verlobt gewesen waren. Laut Cheryl Ann hatte sie die Verlobung zwei Monate vor der Hochzeit gelöst und damit Travis das Herz gebrochen. Sie bräuchte aber nur mit den Fingern zu schnippen, dann würde er ihr wieder die Füße küssen, behauptete sie.

Als Rebecca damals von der Verlobung erfuhr, hörte sie auf, sich um Travis’ Aufmerksamkeit zu bemühen. Jemand, der sich für so eine egoistische, verwöhnte Person wie Cheryl Ann begeisterte, interessierte sie nicht.

Skeptisch beobachtete sie das Paar, und es kostete sie eine gewisse Anstrengung, den Blick von den beiden abzuwenden. „Komm, Mama, wir erkundigen uns nach einem Zimmer“, sagte sie schließlich zu ihrer Mutter.

Rebecca stellte sich in die Schlange am Empfangspult. An dessen Ende stand ein lebensgroßes Pappbild von Travis mit der Aufschrift „Besonderer Auftritt des Millionen-Dollar-Cowboys“.

„Gefällt dir der Anblick?“, raunte ihr das dazugehörige Original plötzlich ins Ohr, so dass sie eine Gänsehaut bekam.

„Nicht besonders.“ Rebecca verdrängte die Gedanken an Cheryl Ann und bemerkte erstaunt, dass Travis allein war. „Wo ist denn Cheryl Ann? Es sah doch eben ganz so aus, als wolltet ihr die guten alten Zeiten wieder aufleben lassen.“

Travis lächelte gequält. „Ich aber nicht.“ Er schob Rebecca sanft weiter zur Mitte des Empfangspults. Kurz darauf kam auch Chance dazu.

„Was macht denn Cheryl Ann hier?“, fragte Travis ihn. „Sind die Barrel-Racer nicht in einem anderen Hotel?“

„Ja, im Las Vegas Club.“ Chance klopfte auf seine Brusttasche. „Ich habe jetzt ihre Nummer. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich es mal versuche?“

„Tu, was du nicht lassen kannst.“

In diesem Moment kam eine Gruppe Teenager herbei und bat Travis um ein Autogramm. Er tat ihnen den Gefallen. Rebecca war froh, dass die beiden Männer aufhörten, über Cheryl Ann Barnes zu reden.

Einige Minuten später betete sie allerdings, dass sie weiterreden würden, denn nachdem Travis die jungen Mädchen los war, stand er direkt hinter ihr, und zwar so dicht, dass sie seinen Atem spürte.

Entsetzt stellte sie fest, dass sie sich von ihm angezogen fühlte. Um Himmels willen, wie kommt denn das, fragte sie sich. Travis Eden ist schließlich ein Rodeo-Cowboy der schlimmsten Sorte!

Was sollte sie nur tun?

Ihm ausweichen, das war’s. Aus den Augen, aus dem Sinn, das hatte auch bei Bud Sager funktioniert.

Endlich waren sie an der Reihe, und die Empfangsdame hinter dem Tresen nickte ihnen kurz zu.

Rebecca wollte gerade etwas sagen, da drängelte Travis sich vor. „Ich möchte nur sichergehen, dass ihr nicht abgewiesen werdet“, erklärte er. Rebecca sah ihn empört an und sagte zu der Angestellten: „Wir hätten gern ein Zimmer.“

Die Frau wirkte genervt. „Unter welchem Namen haben Sie reserviert?“

„Wir haben gar nicht reserviert, weil wir eigentlich auf den Campingplatz wollten. Aber als unser Truck kaputtging …“

Die Empfangsdame schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, wir sind seit einem Monat ausgebucht. Ich habe erst ab dem nächsten Mittwoch wieder Zimmer frei.“

„Aber wir …“

„Tut mir leid, Ma’am, ich kann nichts für Sie tun.“

Rebecca spürte auf einmal, wie müde sie war. „Vielleicht sollten wir es woanders versuchen.“

Die Angestellte sagte: „Hier im Randbezirk werden Sie wahrscheinlich nichts finden, und im Zentrum ist es noch schlimmer. Im Moment gibt es mehrere Kongresse in der Stadt. Sie könnten es allenfalls weiter draußen versuchen.“

„Aber wie sollen wir dorthin kommen? Und von da aus jeden Tag ins Stadion! Unser Truck ist kaputt, und wir …“

„Tut mir leid, Ma’am, dann müssen Sie sich eben ein Taxi nehmen“, sagte die Angestellte mitleidlos.

Rebecca erschrak. Zwei Taxifahrten pro Tag würden ein Riesenloch in ihr Portemonnaie reißen. „Aber ich …“

Travis drängte sich vor. „Mein Name ist Travis Eden.“

„Haben Sie eine Reservierung?“

„Ja, Ma’am, die hab’ ich.“

„Dann kann ich Ihnen behilflich sein.“ Sie wendete sich an Rebecca: „Tut mir leid, aber bitte gehen Sie doch etwas zur Seite, damit der Herr die Anmeldung ausfüllen kann, ja?“

„Sie müssen uns aber helfen!“, rief Rebecca.

Travis wollte die Larsons nicht im Stich lassen. „Bringen Sie sie in meiner Suite unter.“

Entsetzt schaute Rebecca ihn an: „Wie bitte?“

„Wir können dir doch nicht deine Unterkunft wegnehmen, wohin solltest du denn dann?“, frage Mrs. Larson.

„Ich kann ja auch darin wohnen, mit euch zusammen.“

„Moment mal, das …“

„Ich habe vier Räume“, unterbrach Travis sie. „Mein Bruder Hank, Alex und die Kinder nehmen zwei, und wir nehmen die beiden anderen.“

Rebecca schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Wir können uns nicht mal ein Viertel von dem leisten, was so eine Suite kostet.“

„Sie ist kostenlos, das gehört zu meinem Auftrittsvertrag. Einer der Vorteile, der Millionen-Dollar-Cowboy zu sein.“

Die Idee, den Larsons so nahe zu sein, gefiel Travis gar nicht so schlecht. Vielleicht konnte er sie auf die Weise davon überzeugen, dass er die Circle E dringender brauchte als sie. „Ich sagte doch schon, wir brauchen gar nicht so viel Platz für uns. Und Hank und Alex haben sicher nichts dagegen.“

Joy Larson legte die Hand auf den Arm ihrer Tochter. „Dadurch würden wir eine Menge Geld sparen, Liebes. Du weißt ja, wir brauchen jeden Penny, wenn wir …“

„Ich weiß, Mama“, entgegnete Rebecca schnell. „Aber wie sieht denn das aus, wenn wir bei Travis mit einziehen? Einige Leute könnten glatt auf komische Gedanken kommen.“

Travis zog eine Braue hoch. „Wieso?“

„Zwei Frauen in einer Suite zusammen mit einem notorischen Junggesellen.“

Er grinste. „Notorisch?“

„Na, schließlich bist du doch Rodeo-Cowboy, nicht?“

„Aha, du hältst uns also ausnahmslos für Casanovas?“

Damit hatte er Rebecca eindeutig bei einem Vorurteil erwischt.

„Aber ihr braucht keine Angst um euren Ruf zu haben“, fuhr er fort. „Hank und Alex sind ja da, um dich und deine Mutter vor dem bösen Wolf zu schützen.“

Rebecca schaute hilfesuchend zu Joy Larson herüber.

„Hast du einen besseren Vorschlag?“, fragte Travis.

„Nein, aber … Ich frage mich, was du als Gegenleistung verlangst.“

„Rebecca!“, rief ihre Mutter entsetzt.

Travis musste auf einmal daran denken, wie Mrs. Larson ihnen immer vorgelesen hatte, als sie noch klein waren. „Nun hört mal zu, ihr beiden. Ich hätte tatsächlich gern so etwas wie eine Gegenleistung von euch. Und zwar habe ich da auch schon einen konkreten Vorschlag.“

Rebecca fragte misstrauisch: „Was für einen?“

„Ich habe Hank und Alex versprochen, gelegentlich auf ihre Kinder aufzupassen. Ich möchte den beiden mal Zeit geben, für sich allein zu sein. Ihr könntet mir also beim Babysitten helfen, dann sind wir quitt.“

„Das könnten wir doch machen, Rebecca, oder?“, fand Mrs. Larson.

Rebecca zögerte noch. „Na ja, aber …“

„Du bist ein wirklicher Gentleman, Travis.“ Joy Larson lächelte. „Wenn du sicher bist, dass wir dir keine Last sind, würden wir uns sehr freuen, bei dir einzuziehen.“

Rebecca resignierte.

„Es ist mir ein Vergnügen, Joy.“ Travis tippte an seinen Hut und lächelte. „Dann werde ich also mit dem Hotelmanager sprechen und alles klarmachen. Ihr könnt ja schon mal hinaufgehen.“

„Einverstanden.“

„Aber es wird wohl eine Weile dauern, bis ich nachkomme.“

„Wir nehmen dann deine Tasche mit hoch“, schlug Rebecca vor.

Das war ihre erste nette Geste Travis gegenüber. Er winkte einem Hotelpagen und reichte ihm Schlüsselkarte und Trinkgeld. „Zeigen Sie den Damen bitte ihr Zimmer. Und stellen Sie meine Tasche in das Zimmer mit dem großen Bett.“

„Ja, Sir.“

Damit drehte Travis sich um und ging.

Der Page stellte das Gepäck in die einzelnen Zimmer. Die Larsons standen in der Mitte der Suite und staunten.

„Hast du schon mal so was …“ Joy Larson sprach nicht zu Ende.

Auch Rebecca hatte so etwas noch nie in ihrem Leben gesehen. Für sie war bereits eine Nacht im Motel eine Art Luxus.

Die Suite befand sich im 25. Stockwerk. Der Hauptraum war so groß wie drei normale Zimmer, verfügte über Polstersessel, drei dicke Sofas und deckenhohe Fenster mit Flügeltüren, die auf einen Balkon führten. Von dort aus konnte man die ganze Gegend überblicken. Außerdem gab es eine Mini-Küche sowie einen Fernseher mit riesigem Bildschirm.

„Haben Sie noch einen Wunsch?“, fragte der Page.

„Nein, danke.“ Rebecca suchte nach Trinkgeld.

„Mr. Eden hat das schon erledigt, Ma’am.“ Er reichte ihr die Karte, die als Hotelschlüssel diente. „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“

„Vielen Dank“, murmelte Rebecca.

„Ich mag hier gar nichts anfassen“, sagte Mrs. Larson, sobald der Page gegangen war.

„Lass uns mal unser Zimmer anschauen“, schlug Rebecca vor.

Sie gingen in den Raum, dessen Tür der Page für sie geöffnet hatte. Er war nicht ganz so elegant wie das Wohnzimmer, verfügte aber neben zwei Betten ebenfalls über eine Couch und einen Fernseher, außerdem über ein eigenes Bad.

Rebecca knipste die Beleuchtung an. An der Wand befanden sich ein bodenlanger Spiegel und eine Schminkkommode. Gegenüber waren zwei Waschbecken, Toilette und Dusche.

„Hm, und wo kann ich hier meine schmerzenden Muskeln entspannen?“, scherzte Rebecca.

Joy Larson betrat den nächsten Raum und sagte: „Hier, sieh mal.“

Rebecca trat zu ihr. „Donnerwetter!“

Drei Stufen führten zu einer großen Wanne, die Platz für zwei hatte. Rundherum gab es Spiegel an der Wand und Dekorationen mit üppigen Seidenblumen.

Joy staunte: „Ein Whirlpool! Darin kannst du dich ausgiebig entspannen. Das Ganze ist wie für Filmstars. Was meinst du, was das kostet?“

„Daran möchte ich nicht mal denken“, sagte Rebecca entschieden.

Plötzlich ging irgendwo ein Telefon. Das Klingeln kam offensichtlich aus dem Raum, den Travis bewohnen würde.

„Sollen wir rangehen?“, fragte Joy. „Vielleicht ist er froh, wenn wir eine Nachricht für ihn entgegennehmen.“

Rebecca öffnete die Tür zu Travis’ Zimmer. Es hatte die gleiche Größe wie ihres, besaß aber ein Kingsize-Bett und einen Balkon.

Das Telefon klingelte erneut, Rebecca meldete sich. „Hallo?“

Schweigen am anderen Ende.

„Hallo? Ist da jemand?“

„Bin ich richtig verbunden mit dem Zimmer von Travis Eden?“, fragte eine Frauenstimme, die Rebecca irgendwie bekannt vorkam.

„Ja, richtig. Aber Travis ist im Augenblick nicht da. Er hat gerade eine Besprechung.“

Wieder eine Pause. „Wer sind Sie denn?“

Rebecca fragte zurück: „Und wer sind Sie?“

„Ich bin Alex Eden, Travis ist mein Schwager.“

„Ach so, Alex! Tut mir leid, ich habe deine Stimme nicht wiedererkannt. Ich dachte, du wärest … Na ja, du kannst dir schon denken, für wen ich dich gehalten habe. Ich bin Rebecca Larson.“

„Rebecca? Ach so! Was …“

Rebecca lachte leise. Sie hatte Alex, als sie sie kennenlernte, vom ersten Augenblick an gemocht. „Was ich in Travis’ Suite zu suchen habe? Das frage ich mich selbst.“ Rebecca erklärte nun, wieso sie derzeit in denselben Räumlichkeiten wohnten.

„Hört sich ganz nach Travis an“, sagte Alex lächelnd. „Sarah, nein! Fass das nicht an, es ist heiß! Entschuldige, Rebecca, aber sie geht an alles heran.“

„Ich erinnere mich noch gut an Sarah, sie ist sehr niedlich. Übrigens werden meine Mutter und ich eure Kinder diese Woche ein paar Mal betreuen, wenn es euch recht ist. Travis schlug das als Gegenleistung dafür vor, dass wir hier wohnen dürfen.“

Alex lachte. „Ob es uns recht ist? Ich liebe meine Kinder, aber jede Unterbrechung ist uns willkommen. Dafür, dass Travis daran gedacht hat, verdient er einen Extrakuss. Da wir gerade von ihm sprechen … könntest du ihm etwas ausrichten? Er erwartet uns am Sonntag, aber wir schaffen es erst am Montag. Eines der Pferde, die Hank mitbringt, lahmt seit heute früh.“

„Oje. Ich hoffe, ihr müsst es deswegen nicht zurücklassen.“

„Nein, nein, der Hufschmied war gestern da und hat offenbar irgendwas zu hektisch gemacht. Hank konnte einen Nagel herausziehen und meint, es würde bald wieder in Ordnung sein. Aber er wollte lieber noch etwas warten, bevor wir das Pferd sechshundert Meilen weit transportieren. Travis will auf der Whitehead-Ranch auf uns warten, um beim Abladen zu helfen, und wir wollten ihm lieber rechtzeitig Bescheid geben, dass wir später kommen. Sagst du ihm das bitte?“

„Natürlich“, versicherte Rebecca.

Alex seufzte erleichtert. „Vielen Dank. Ich habe schon den ganzen Nachmittag versucht, ihn zu erreichen. Hank dachte, er würde gegen Mittag im Hotel sein.“

„Er hat angehalten, um uns wegen einer Panne zu helfen“, erklärte Rebecca.

„Ach so. Na ja. Nächste Woche werden wir mal mit euch beiden zum Mittagessen gehen. Bis bald also!“

Rebecca legte auf und ging in ihr Zimmer zurück.

„Wer war das, Liebes?“

„Alex Eden.“ Rebecca hob die schwere Tasche ihrer Mutter aufs Bett. „Sie kommen erst Montag. Es gibt ein Problem mit einem der Pferde, die sie verkaufen wollen.“

„Dann haben wir die Suite also eine Weile für uns allein.“ Joy wollte gerade Unterwäsche in eine Kommode legen, aber sie schaffte es nicht. „Oje.“

„Mama!“, rief Rebecca und nahm ihre Mutter bei den Schultern. Ihr fiel auf, dass ihre Lippen zusammengepresst waren. Ihren seltsam entfernten Blick fürchtete Rebecca besonders.

„Hast du wieder Kopfweh, Mama?“

Joy sah kläglich drein. „Tut mir leid, Rebecca, ich weiß, wie viel dir das hier alles bedeutet. Ich wollte so gern diese Woche heil überstehen.“

Rebecca umarmte sie. „Ach, Mama, du kannst doch nichts dafür.“

„Ich wollte dir so gern bei den Auftritten zuschauen.“

„Schon gut, Mama, es dauert ja zehn Tage. Dein Kopfweh hält doch meist nur eine kurze Zeit an.“ Dabei hatten die Schmerzen in den letzten Monaten länger und länger gedauert … „Außerdem sind wir hauptsächlich deswegen hier, um genug Geld für die Abzahlung zu verdienen. Dann können wir nach Hause fahren.“

Damit ihre Mutter dort sterben konnte …

Keine von ihnen hatte es ausgesprochen, aber sie wussten beide, was es für Joy Larson bedeutete. Vor zwei Jahren hatten ihr die Ärzte wegen des Hirntumors noch ein Jahr gegeben und sich geweigert zu operieren, weil das Risiko zu groß war, dass Mrs. Larson die Operation nicht überleben würde.

Mit zitternden Händen umschmiegte Joy das Gesicht ihrer Tochter. „Du hast so hart gearbeitet. Ich weiß, dass du es für mich getan hast, damit ich meine letzten Tage auf der Ranch verbringen kann.“

„Pscht, Mama“, sagte Rebecca.

Joy schloss kurz die Augen. „Ich möchte dir unbedingt sagen, wie dankbar ich dir bin. Falls wir die Circle E erneut verlieren …“

„Das tun wir schon nicht“, unterbrach Rebecca sie. „Ich gewinne bestimmt!“

„Ich hab’ dich sehr lieb, Rebecca. Niemand könnte sich eine bessere Tochter wünschen.“

Ein tiefer Schmerz erfasste Rebecca. Ihre Mutter war alles, was sie hatte. Was würde sie nur ohne sie machen …

Als sie merkte, dass ihre Mutter zitterte, nahm sie sich zusammen. Sie wollte tun, was getan werden musste. So wie immer.

Also schob sie Joy zum Bett und drängte sie, sich niederzulegen. Dann schloss sie die Vorhänge, knipste ein Lämpchen an, half ihrer Mutter beim Ausziehen und der Einnahme eines starken Schmerzmittels.

Rebecca hielt Joys schmale Hand, bis sie eingeschlafen war. Über ihr Gesicht liefen Tränen.

3. KAPITEL

Mittwoch, Eröffnung der Spiele

Travis schaute sich in dem überfüllten Ballsaal des Riviera-Hotels um. Wo mochten die Larsons sein? Die Teilnehmer waren schon auf die Bühne gegangen, hatten Hände geschüttelt, Rückennummern und Verbandskleidung bekommen. Anfangs hatte Travis Rebecca noch gesehen, aber dann war ein Fan mit Autogrammwunsch gekommen, und er hatte sie aus den Augen verloren.

Vielleicht waren sie schon auf dem Weg zurück ins Hotel.

Unwillkürlich dachte er an Rebeccas schönes Gesicht …

„Travis Eden! Ich habe dich schon gesucht!“

Er drehte sich um, aber es war nicht wie erwartet ein Reporter, sondern Ote Duggan, der Neffe von Sam Duggan. Ote war nach der Highschool von Dubois weggezogen und nun Banker in Riverton. Anders als sein Onkel, machte er Travis nicht für den Tod seines Cousins verantwortlich.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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