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Heiß, heißer, Black Knights Inc.
Als CIA-Agentin musste Chelsea Duvall viel Zeit hinter dem Schreibtisch verbringen. Doch bei einer Mission, an der sowohl die CIA als auch die Black Knights Inc. beteiligt sind, schlägt Chelseas große Stunde: Sie darf verdeckt in einem Außeneinsatz ermitteln. Einzig Black Knight Dagan Zoelner, der ihr zur Seite gestellt wird, ist sich sicher, dass sie genau die Falsche für den Job ist. Und das zeigt er Chelsea überdeutlich ... Doch als ihre Deckung auffliegt, müssen beide um ihr Leben fürchten. Aber Zoelner will nichts mehr, als die hitzköpfige Agentin zu beschützen, an die er schon seit Langem insgeheim sein Herz verloren hat. Die Flucht schweißt beide immer enger zusammen. Chelsea trägt jedoch ein Geheimnis aus Dagans Vergangenheit mit sich, dass die Zukunft der beiden für immer zerstören könnte ...
"Die Leidenschaft zwischen Held und Heldin brennt heißer als ein Feuerwerk ... die Leserinnen müssen sich auf einen aufregenden Ritt gefasst machen!" RT Book Reviews
Band 10 der Black Knights Inc.
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Seitenzahl: 485
JULIE ANN WALKER
Black Knights Inc.
Dunkelste Abgründe
Ins Deutsche übertragen von Michael Krug
Black Knights Inc.: Nach außen hin ein High-End-Motorradladen – in Wirklichkeit eine Elitespezialeinheit der Regierung, die für die riskantesten und geheimsten Einsätze gerufen wird …
Als CIA-Agentin musste Chelsea Duvall viel Zeit hinter dem Schreibtisch verbringen. Doch bei einer Mission, an der sowohl die CIA als auch die Black Knights Inc. beteiligt sind, schlägt Chelseas große Stunde: Sie darf verdeckt in einem Außeneinsatz ermitteln. Einzig Black Knight Dagan Zoelner, der ihr zur Seite gestellt wird, ist sich sicher, dass sie genau die Falsche für den Job ist. Und das zeigt er Chelsea überdeutlich … Doch als ihre Deckung auffliegt, müssen beide um ihr Leben fürchten. Aber Zoelner will nichts mehr, als die hitzköpfige Agentin zu beschützen, an die er schon seit Langem insgeheim sein Herz verloren hat. Die Flucht schweißt beide immer enger zusammen. Chelsea trägt jedoch ein Geheimnis aus Dagans Vergangenheit mit sich, dass die Zukunft der beiden für immer zerstören könnte …
An alle, die je von jemandem verletzt worden sind, den sie lieben.
Denkt dran, es ist keine Schwäche, zu verzeihen.
Mut ist, Todesangst zu haben … und trotzdem in den Sattel zu steigen.
– John Wayne
London, England
»Verfluchte Strickweste noch mal – würde mich wohl bitte jemand dran erinnern, Ace zum Teufel zu jagen, falls er je wieder versucht, mich zu einem Ray Donovan-Marathon bis drei Uhr morgens zu überreden?«
Soweit es Chelsea beurteilen konnte, redete Dagan Zoelner – oder »Z«, wie sie ihn gern nannte – mit niemand Bestimmtem. Was sich bestätigte, als er keine Antwort abwartete, sondern einfach quer durch das Wohnzimmer ihrer gemieteten Wohnung im dritten Stock zur Küche stürmte.
Sogar barfuß, knatschig und in einem zerknitterten T-Shirt verkörperte er ein spektakuläres, geradezu übermenschliches Geschöpf. Und er besaß eine Stimme wie feinster Schwarzgebrannter aus den Südstaaten, seidig und klar. Sie zu hören wärmte ihr Innerstes locker um fünf Grad.
Und gibt’s auch irgendwas Neues?, dachte sie mürrisch, biss von ihrem morgendlichen Bagel ab und rückte die Brille so zurecht, dass sie einen besseren Blick auf seinen phänomenalen, von Jeansstoff verhüllten Allerwertesten werfen konnte – du meine Güte! –, bevor er durch die Tür in die Küche verschwand.
Dagan manipulierte ihre Innentemperatur schon seit … Also, manchmal fühlte es sich wie die Ewigkeit an. Nur damals, als sie beide noch für die CIA gearbeitet hatten, war es nicht so schlimm gewesen. Dort hatte sie sich als Analystin im Bereich Terrorbekämpfung verdingt, wodurch sie an den Schreibtisch gekettet gewesen war. Er hingegen war damals Agent im Außeneinsatz. Das bedeutete, er war weit mehr in unbekannten Gefilden unterwegs, als er je mit diesen lockeren, langbeinigen Schritten durch die Gänge von Langley geschlendert war. Aber nach einem Schnellvorlauf um acht Jahre – und ein paar Launen des Schicksals – arbeiteten sie mittlerweile beide für Black Knights Inc., das geheimste, verdeckt für die Regierung arbeitende Unternehmen in den Vereinigten Staaten. Was bedeutete, dass Chelsea ihn nunmehr unmöglich meiden konnte.
Zur Klarstellung: Als offizielle »Verbindungsperson« zwischen der CIA und den Black Knights war Chelsea auf dem Papier nach wie vor bei der Central Intelligence Agency beschäftigt. Allerdings arbeitete sie seit Monaten ausschließlich mit den Black Knights zusammen und versuchte, die wahre Identität des Kopfs eines der niederträchtigsten Verbrechersyndikate der Welt zu lüften. Eines Mannes, der für Menschenhandel, Waffenschieberei, Piraterie und so viel mehr verantwortlich zeichnete. Eines Mannes, den man nur unter dem furchterregenden Spitznamen Spider kannte.
Und das bedeutete, dass sich ihre Körpertemperatur seit geraumer Zeit auf einer Achterbahnfahrt befand.
Man könnte meinen, das höre sich nach Spaß an. Tja, weit gefehlt. Und erschwerend – jawohl, es geht noch schlimmer! – kam hinzu, dass sich Dagan den Bart hatte wachsen lassen.
Vor dem dunklen, gepflegten Gesichtspelz hatte sie seine Züge als … schnuckelig empfunden. Die eines Durchschnittsamerikaners. Eines Typen von nebenan. Unscheinbare Nase, hohe Stirn und solide Kieferpartie – am hervorstechendsten waren die Gewitterwolkenaugen mit den buschigen Brauen. Und nach dem Bart? Dem Bart? Tja, durch ihn wurde sein schnuckeliges Antlitz heißer als Sommernächte in den Südstaaten. Heiß im Sinne von sexy in Großbuchstaben. Streng und verrucht und … zum Niederknien.
Fügte man dem neuen Konterfei noch geile Tätowierungen und einen sündhaften Körper mit breiten Schultern und schlanken Hüften hinzu, erklärte sich wie von selbst das leise Zischeln, das jedes Mal ertönte, wenn er sich in der Nähe befand. Es ging von Chelseas schmelzendem Höschen aus.
Und auch das schien gefühlte hundertmal am Tag zu passieren.
Es war erbärmlich. Sie war erbärmlich. Vor allem, da er nie ähnliche Gefühle für sie zum Ausdruck gebracht hatte.
Obwohl es bei genauerer Überlegung besser zu sein schien, dass Dagan kein Interesse bekundete. Immerhin gab es da noch das große, schlimme Geheimnis, das sie vor ihm bewahrte, und …
»Du solltest es einfach hinter dich bringen und ihm deinen Busch zeigen.« Emily Scott nahm auf dem Sofa neben Chelsea Platz. Emily trug eine Seidenpyjamahose und ein abgetragenes Sweatshirt, das aussah, als hätte es Methusalem in viel, viel jüngeren Jahren maßanfertigen lassen.
»Hä?« Chelsea runzelte die Stirn und schmierte sich einen weiteren Löffel Frischkäse auf den Bagel. Sie genoss ihr Essen, was sich in den überschüssigen sieben Kilo zeigte, die sie nicht abschütteln konnte, seit sie sechzehn war. Nicht, dass sie es je allzu verbissen versucht hätte. Laut der Tabelle in der Praxis ihres Arztes lag ihr Body-Mass-Index voll im gesunden Bereich. Wen störte schon ein leichtes Wogen, wenn ihre Hüften flogen?
Mich nicht. Unbekümmert nahm sie einen weiteren Bissen von dem Bagel und dachte nur: Das Leben ist zu kurz zum Fasten. »Welchen Busch? Wovon redest du?«
Emily verdrehte die Augen. »Das ist eine verharmlosende Umschreibung, Dummerchen.«
»Wofür?«
»Für ein wenig hoppe, hoppe Reiter, wir vögeln fröhlich heiter.«
»Ach, du meinst …« Aus irgendeinem Grund blieb Chelsea das Wort im Hals stecken, als strotzte es vor Widerhaken.
»Sex«, beendete Emily den begonnenen Satz für sie – entschieden zu laut.
»Schhh!« Chelsea spähte zur Küche, wo sich die drei versammelten BKI-Männer, die zu ihrer Unterstützung bei dieser Mission über den großen Teich mitgeflogen waren, in leisen Tönen unterhielten, während die zweite Kanne Kaffee kochte. »Wie kommst du darauf, dass ich das wollen könnte?«
Emily warf ihr einen Blick zu. »Äh, vielleicht, weil du ihn jedes Mal, wenn du ihn siehst, mit den Augen bespringst?« Emilys Akzent aus der South Side von Chicago betonte die a-Laute ihrer Worte und dehnte sie deutlich.
»Ist gar nicht wahr.« Chelsea spürte, wie ihre Wangen in Flammen aufgingen.
»Oh doch. Und wie!«
In der Regel wusste Chelsea direkte Frauen zu schätzen, die frisch von der Leber weg sprachen. Aber im Augenblick hätte sie glatt ihren linken Busen verkauft, um Emily zum Schweigen zu bringen. Leider schien der Markt für linke Busen hoffnungslos übersättigt zu sein. Niemand wollte ihn haben.
»Ich verstehe nicht, was das Problem ist.« Emily verlagerte auf dem Sofa das Gewicht und nippte an ihrem Kaffee. »Du hast doch zu Hause keine Beziehung, oder?«
»Nur mit Bob.« Chelsea fand, die unverhohlene Wahrheit wäre der zweckmäßigste Weg, sich aus der Affäre zu ziehen.
»Wer ist Bob?«
Chelsea sah die Gelegenheit für eine Retourkutsche. »Das ist Slang, Dummerchen. Liest du keine einschlägige Literatur? Bob ist eine andere Bezeichnung für den besten elektrischen Freund einer Frau.«
»Ah. Verstehe. Schön zu wissen, dass ich nicht die Einzige bin, die eine intime Beziehung mit dem Burschen pflegt.«
Chelsea kicherte, stand auf und schlüpfte aus ihren Pantoffeln mit dem Motiv von Dobby, dem Hauselfen – sie las und sammelte leidenschaftlich alles, was mit Fantasy und nerdigen Dingen zu tun hatte. Sie zog ihre Pumps mit Kitten Heels an. Nachdem sie die Neige des Kaffees ausgetrunken hatte, stellte sie die leere Tasse auf den Tisch und seufzte. »Ich bin dann mal weg. Neuer Tag, neues Glück.«
»Und hoffentlich eine weitere Chance, diesen Bug auf Morrisons Computer zu bekommen.« Emily schaute grinsend zu ihr auf, zeigte ihr beide gedrückt gehaltenen Daumen und entbot ihr einen Ausdruck aufrichtigen Mitgefühls.
Richtig. Roper Morrison. Auch bekannt als … Spider.
Allein bei dem Namen raste ein unangenehmes Kribbeln über Chelseas Haut.
»Es muss einen besseren Weg geben, diesen Auftrag zu erledigen.«
Dagan Zoelner bemerkte den eigenen Gewitterwolkenausdruck im Spiegel an der Wand nahe der Eingangstür, bevor er die Aufmerksamkeit wieder auf Chelsea richtete. Mürrisch beäugte er sie, als sie sich näher zu ihrer Reflexion beugte, um Lippenstift einer Schattierung aufzutragen, die man nur als Fick mich-Rosa beschreiben konnte.
Als sie ihm im Spiegel einen Kuss zublies, ging ein Ziehen durch seine Eingeweide. Dann drehte sie sich um und bedachte ihn mit einem Blick, bei dem sich ein geringerer Mann instinktiv schützend die Hände vor den Schritt gehalten hätte.
»Verdammt noch mal, Z! Hast du vor, deinen Frauenhass jeden Morgen raushängen zu lassen?« Ihre rauchige Stimme … Sie bewirkte tatsächlich Dinge bei ihm. Chelsea stemmte die Hände in die herrlich kurvigen Hüften. Die Frau war gebaut wie eine Kardashian, daran bestand kein Zweifel, aber die vertraute Pose erinnerte ihn weder an Kim noch an Khloé, sondern an eine Wonder Woman im Kleinformat.
Fehlen nur die goldenen Unterarmschienen und das wallende schwarze Haar.
Denn Chelseas Haar mochte dunkel und glänzend sein, aber es war so kurz wie das eines kleinen Jungen. Bubikopf hatte man solche Frisuren früher genannt, neuerdings bezeichnete man sie wohl als Pixie, glaubte er. Eine Anspielung auf die Fabelwesen aus der englischen Folklore. Und in gewisser Weise beschrieb das Wort Chelsea Duvall perfekt.
Mit ihrer seidigen Haut in der Schattierung von Café-Latte, ihren kupferfarbenen, so oft verschmitzt funkelnden Augen und den wie Zimt über den Rücken ihrer Stupsnase verstreuten Sommersprossen strahlte sie das Flair eines Fabelwesens aus. Eines Wesens, das er am liebsten in einen goldenen Käfig stecken würde, um es vor der grausamen Welt zu beschützen. Und wichtiger noch, vor Menschen wie dem verfluchten Roper Morrison.
»Das hat mit Frauenhass nichts zu tun. Das sind nüchterne, harte Fakten. Du bist für diese Art von Arbeit nicht qualifiziert.«
»Oh, Herrgott noch mal!« Sie warf die Hände in die Luft. Ihr war nicht bewusst, dass durch die Bewegung ihr Blazer weit aufklaffte und den Blick auf spektakuläre Brüste freigab, die den Stoff ihrer lavendelfarbenen Bluse spannten. »Ein Déjà-Kack. Die Scheiße hab ich nämlich schon viel zu oft gehört.«
»Durch Regelmäßigkeit wird sie nicht weniger wahr.« Mit einer Willensanstrengung löste Dagan den Blick von der üppigen Landschaft ihres Brustkorbs, denn … na ja … er wollte kein solcher Typ sein.
Dennoch entging seiner Aufmerksamkeit nicht, dass ihr erstaunlicher Vorbau teilweise verantwortlich für die Position war, in der sich Chelsea derzeit befand … Eine Position, in der sie sich als Morrisons persönliche Assistentin ausgab, in Wirklichkeit jedoch nur auf eine Gelegenheit wartete, ein Virus auf einen seiner Computer zu schleusen. Sobald sie diese Aufgabe erledigt hätte, würden sich die Black Knights von der Zentrale in Chicago aus in Morrisons Systeme hacken und die Informationen beschaffen, die sie brauchten, um ein für alle Mal zu beweisen, dass Morrison der berüchtigte Spider war.
Monatelang hatten sie glücklos versucht, Spiders wahre Identität zu lüften. Dann fanden Sie dank der Veröffentlichung der sogenannten Panama-Dokumente – jener detaillierten Anwalt-Mandanten-Informationen für über 200 000 Offshore-Unternehmen samt den Identitäten der Aktionäre jener Firmen und ihren Finanztransaktionen – die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. Die Dokumente deckten nämlich eine Verbindung zwischen Morrison und einer Diamantenmine in Angola auf. Was auf den ersten Blick nicht allzu ungewöhnlich erschien. Nicht bei einem Mann mit Morrisons Mitteln und einem geschätzten Nettovermögen von vierzehn Milliarden Dollar. Ihm gehörte ein Medienimperium von um die hundert Zeitungen und Dutzenden Fernsehsendern sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Großbritannien, zudem hatte er überall auf der Welt investiert, unter anderem in Afrika. Nur zufällig hatten die Black Knights und die CIA Grund zu der Annahme, dass jene spezielle Diamantenmine im Besitz des geheimnisvollen Spider stand.
Aus der Sicht aller Beteiligten hatte es sich um den klaren Fall einer transitiven Beziehung gehandelt. Wenn A gleich B und B gleich C waren, dann musste A gleich C sein. Morrison war Spider. Schwierigkeiten bereitete allerdings, es zu beweisen. Von außen war es ihnen nicht gelungen, sich in Morrisons Systeme zu hacken, denn laut BKIs hauseigenem Super-Hacker, dem angesehenen Ethan »Ozzie« Sykes, »haben Morrisons Firewalls Firewalls«. Somit blieb ihnen nur eine Möglichkeit: Sie mussten jemanden bei Morrison einschleusen.
Auftritt Chelsea Duvall.
Sie meldete sich mit einem unvergesslichen Satz freiwillig für die Aufgabe: Ich werd so nah an Morrison rankommen; wenn er pinkelt, werde ich ihn abschütteln.
Dagan war aus der Haut gefahren. Damals sagte er ihr und allen anderen bei der frühmorgendlichen Besprechung: »Kommt überhaupt nicht infrage, dass Chelsea das übernimmt. Sie ist Analystin, keine Außenagentin, verdammt noch mal!«
Aber er wurde überstimmt.
Anscheinend verkörperte Chelsea den perfekten Bauern auf dem Schachbrett mit Morrison, weil der Mann bekanntermaßen gern Frauen mit bestimmten … körperlichen Attributen einstellte und um sich scharte. Mit anderen Worten: Frauen mit üppigen Kurven und prallen Möpsen. Und Chelseas Hintergrundgeschichte, die da lautete, dass sie ihren Job beim Landratsamt – ihrer CIA-Tarnung – kündigen, nach England ziehen und für Morrison arbeiten wollte, war aus zwei Gründen außergewöhnlich. Zum einen war sie glaubhaft. Zum anderen entsprach sie zufällig zu hundert Prozent der Wahrheit.
Keine zwei Wochen nach jener schicksalshaften Besprechung in der BKI-Zentrale wurde bekannt, dass Morrison seine persönliche Assistentin gefeuert hatte. Vierundzwanzig Stunden später befand sich Chelseas Lebenslauf in Morrisons Händen. Achtundvierzig Stunden danach – in der Zeit dazwischen hatte Morrisons Sicherheitsmannschaft Chelsea zweifellos von oben bis unten durchleuchtet – saß sie in einem Flugzeug nach London für ein Vorstellungsgespräch.
Wie vorherzusehen hatte Morrison einen Blick auf Chelsea – und ihre … äh … üppigen Vorzüge – geworfen und sie vom Fleck weg eingestellt. Das waren die guten Neuigkeiten.
Und die schlechten? Tja, Morrison war nicht nur ein bösartiger und lüsterner alter Sack, sondern auch unheimlich paranoid. In den viereinhalb Wochen, die Chelsea inzwischen für ihn arbeitete, durfte sie kein einziges Mal sein Arbeitszimmer zu Hause oder das Büro betreten, das er im Zentrum von London unterhielt. Somit hatte sie noch keine Chance gehabt, den USB-Stick zu verwenden, den sie sorgfältig in das Futter ihrer Jacke oder Hose oder eines sonstigen Kleidungsstücks des jeweiligen Tags eingenäht bei sich trug.
Morrison schloss die Türen zu seinen allerheiligsten Räumlichkeiten nicht bloß ab – um Zugang dorthin zu erlangen, musste man einen Netzhautscan und eine Spracherkennung überwinden. Die Spracherkennung stellte dabei nicht den schwierigen Teil dar. Chelsea hatte bereits eine geheime Aufnahme von Morrison angefertigt, wie er die Passphrase sagte. Der Netzhautscan hingegen … Ohne dass sie den Arsch um die Ecke brachten und einen seiner Augäpfel aus dem Schädel pulten, ließ sich nicht viel ausrichten. Es muss irgendeine andere Möglichkeit geben.
Und Dagan war fest davon überzeugt, dass Chelsea in diese unbekannte andere Möglichkeit eingebunden werden sollte, um den Mistkerl festzunageln, der die dreckigen Griffel nicht bei sich behalten konnte. Sie konnten auch irgendwie anders beweisen, dass Morrison der berüchtigte Spider war. Auf eine Weise, bei der sich Chelsea nicht Morrisons unverhohlen anzüglichen Blicken, grapschenden Händen und aufdringlichen sexuellen Anspielungen aussetzen musste.
»Ich meine damit nur« – ihm entging nicht ihr störrischer Gesichtsausdruck –, »wenn sich dir je die Gelegenheit bieten würde, das Virus einzuschleusen, dann wäre es inzwischen schon passiert.«
»Sagt wer?« Sie reckte das Kinn vor. Es war klein und spitz, und Dagan überkam der höchst eigenartige Drang, sich zu ihr hinabzubeugen und es zu küssen.
»Sage ich.«
Chelsea verdrehte die Augen und rückte ihre Brille zurecht. »Und du bist … äh … weshalb noch mal die höchste Koryphäe auf diesem Gebiet?«
»Mal sehen. Vielleicht wegen der unzähligen erfolgreichen Missionen, die ich …«
»Herr, erbarme dich«, schnitt sie ihm das Wort ab und verfiel unwillkürlich in jene teigige Aussprache, die ihre Wurzeln in den Südstaaten verriet. »Weißt du, falls du je Selbstmord begehen willst, brauchst du nur auf dein Ego zu klettern und in die tiefen Niederungen zu springen, in denen du deine Bescheidenheit vergraben hast.«
Bevor ihm ein brauchbarer Konter darauf einfiel, fuhr sie fort. »Und hey, klar, lass uns doch hier rumstehen und all die Gründe durchgehen, warum ich für eine solche Arbeit nicht qualifiziert bin. Schon wieder. Nein, wirklich. Ich fahre unheimlich darauf ab, das wieder und wieder und wieder breitzutreten. Du zuerst. Und wenn deine Beine vom vielen Treten müde werden, löse ich dich ab. Bereit? Los!«
»Donnerwetter!«, rief Christian, ein ehemaliger SAS-Offizier, aus der Küche. Nur wenige Menschen wussten, warum er die Armee Ihrer Majestät verlassen hatte, um stattdessen für Black Knights Inc. zu arbeiten. »Würdet ihr zwei wohl mit dem verbalen Schlagabtausch aufhören? Dafür ist’s noch zu früh am Morgen. Ich hab nicht mal meine erste Tasse Tee getrunken, und schon bekomm ich von dem Gequassel verflixte Kopfschmerzen!«
»Oh, jetzt habt ihr’s echt geschafft. Ihr habt den Briten verärgert«, sagte Colby »Ace« Ventura, schlenderte neben sie und drückte Chelsea einen Schmatz auf die Wange.
Bevor sich Ace den Black Knights angeschlossen hatte, war er ein Fliegerass bei der Navy gewesen, daher auch der Spitzname »Ace«, Englisch für Ass. Obwohl darüber spekuliert wurde, ob bei dem Spitznamen nicht auch sein Nachname und die Filme mit Jim Carrey eine Rolle gespielt haben könnten. Jedenfalls respektierte Dagan den Mann. Aber im Augenblick … Tja, im Augenblick musste er an sich halten, um dem Penner nicht ein paar aufs Maul zu verpassen. Vielleicht würde er seine Lippen bei sich behalten, wenn sie aufgeplatzt wären.
Aber der Mann ist doch schwul, könnte man argumentieren.
Spielte bloß keine Rolle. Wenn es um den Mund eines Mannes an Chelsea ging, trat Dagans Eifersucht auf den Plan und traf keine solchen Unterscheidungen. Denn Tatsache war: Trotz ihrer täglichen verbalen Ringkämpfe mochte er sie. Schon seit ihrer ersten Begegnung in Langley vor all den Jahren, als sie ihm einen geheimdienstlichen Bericht übergeben hatte. Er hatte sie gemustert und von oben bis unten nur weiche Kurven gesehen. Ihren Worten zu lauschen hatte zudem einen messerscharfen Verstand offenbart.
Eine herrlich komplexe Kombination, und Dagan war fest entschlossen gewesen, sie im Eilzugtempo ins Bett zu bekommen. Da er damals selten zu Hause in den Staaten gewesen war, hatte sich die Gelegenheit nur nie ergeben. Und gerade als er kurz davorstand, für einen längeren Aufenthalt in die USA zurückzukehren, war in Afghanistan etwas entsetzlich schiefgegangen, und fünf Menschen hatten für seinen Fehler mit dem Leben bezahlt. Im Anschluss daran hatte ihn die CIA schneller gefeuert, als man sagen konnte: Räum deinen Spind aus, du Lusche! Und als wäre das noch nicht schlimm genug gewesen, hatte er sich nach seinem Rausschmiss aus der Firma für kurze Zeit von einem korrupten Senator engagieren lassen.
Diese beiden Fehltritte glichen schwarzen Flecken auf seinem Charakter. Dagan war überzeugt davon, dass eine Frau wie Chelsea, eine aufrechte, ehrliche Frau, sich auf keinen Fall auf ihn einlassen würde. Nicht mit dem Wissen, das sie über ihn besaß.
»Hast du alles, was du brauchst?«, wollte Ace von Chelsea wissen und reichte ihr eine handliche Thermoskanne mit Kaffee. »Vielleicht könntest du ja eine chemische Keule brauchen. Oder elektrische Unterwäsche, damit der alte Saftsack jedes Mal, wenn er dir versehentlich« – Ace zeichnete mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft – »an den Hintern fasst, einen saftigen Stromschlag bekommt.«
»Danke, Ace, du bist ein Schatz.« Nun war es Chelsea, die Ace einen Schmatz auf die Wange drückte. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.«
Dagans innerlicher Sechsjähriger stampfte zornig mit dem Fuß und brüllte mürrisch: Und was ist mit mir? Ich passe immer auf dich auf! Aber er erinnerte den kleinen Jungen rasch an Afghanistan und an Senator Aldus. Sie will mit unsresgleichen nichts zu tun haben, und das weißt du auch.
»War mir ein Vergnügen. Teamwork ist doch immer gefragt, weil man im Team sich einfach leichter plagt. Richtig?« Ace zwinkerte Chelsea zu. Er war schon wirklich ein gut aussehender Mistkerl. Blondes Haar, meeresblaue Augen und ein Körperbau wie aus einem Katalog für Herrenunterwäsche.
Dagans Eifersucht war lächerlich. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich darin zu suhlen, als Ace die Vordertür öffnete und Chelsea den Flur betrat, nach dem vier Stockwerke tiefer die betriebsamen Straßen Londons folgten.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, warf Ace einen Blick auf Dagans Gesicht und seufzte. »Komm mit, Werwolf von London!« Das hatte sich zum Dauerscherz entwickelt, seit sie hier eingezogen waren. Die Stadt. Der Bart. Dagan verstand es. Nur fand er es nicht annähernd so lustig wie der Rest der Truppe. »Flößen wir dir etwas von Christians Tee ein. Vielleicht beruhigt er deine Nerven.«
»Wenn’s nur so einfach wäre«, brummelte Dagan und ließ sich von Ace durchs Wohnzimmer in die Küche ziehen.
An dem kleinen runden Tisch in der Ecke saß Christian. Zu dritt bildeten sie das Team, das sich freiwillig dafür gemeldet hatte, nach London zu ziehen und Chelsea zu unterstützen. Sie lebten in unheimlich beengten Verhältnissen zusammen – die Wohnung besaß nur zwei Schlafzimmer, daher waren alle drei Männer zusammen in einem davon untergebracht – und erfüllten keinen echten Zweck, verbrachten die Tage bloß damit, über jeder noch so kleinen Information zu brüten, die sie über Morrison alias Spider finden konnten. Deshalb gerieten sie noch regelmäßiger aneinander als sonst.
Aktuelles Beispiel:
»Was ist aus meinem Bagel geworden?«, verlangte Ace zu erfahren, nachdem er den Tischbackofen geöffnet und hineingelinst hatte.
Christian blickte auf die Reste auf seinem Teller und grinste.
Ace erspähte den halb aufgegessenen Bagel. »Du dreifach verschissener Frühstückskleptomane!« Er besaß ein seltenes Talent für einfallsreiche Beleidigungen. »Den hatte ich perfekt getoastet!«
Christian ergriff den Bagel, betrachtete ihn eingehend von allen Seiten und biss dann bedächtig davon ab. »Hast du in der Tat«, bestätigte er mit vollem Mund. »Verbindlichsten Dank!«
»Ich sollte dir dein Ding abreißen, in den Hals stopfen und dich zum Nachtisch mit den eigenen Klöten füttern. Aber Gerüchten zufolge hast du ja ein Nanogehänge, und ich will mir die Augen nicht mit der Suche danach verderben.«
Ah ja. Der Angriff auf die Größe des Johannes eines Mannes. Der Klassiker.
Dagan freute sich über die Ablenkung und stürzte sich prompt ins Geschehen. Ihm war alles recht, um die Gedanken von Chelsea abzulenken. »Willst du deinen Schwanz so von ihm dissen lassen, Christian?«
»Diese Gerüchte sind einfach zu widerlegen.« Christian stand auf und griff nach dem obersten Knopf seiner Jeans.
»Ich wär dir echt dankbar, wenn du den kleinen Christian in der Hose behalten könntest.« Emily Scott schlenderte aus dem Wohnzimmer herein.
Hoppla! Dagan hatte völlig vergessen, dass sie ja auch zu dem Team gehörte, das zu Chelseas Unterstützung mitgekommen war. Wenngleich er ums Verrecken nicht nachvollziehen konnte, wie er es vergessen konnte. Immerhin war es Emily, ehemalige Sekretärin eines Auslandsspezialisten bei der CIA und aktuelle Büroleiterin von BKI, die seit Wochen dafür sorgte, dass sie immer etwas im Kühlschrank hatten, und die ihnen die Ohren langzog, wenn sich die Schmutzwäsche zu hoch stapelte. Ohne sie und ihr gluckenhaftes Verhalten würden sie sich wahrscheinlich nur von Schweinefleisch und Bohnen ernähren und in drei Tagen nicht gewechselter Unterwäsche herumlaufen.
»Hand aufs Herz, ich würde mir lieber das rechte Auge mit einem Zahnstocher rauspulen, als den kleinen Christian zu sehen«, fügte sie hinzu. Dagan wusste, dass sich unter der toughen Schale ein glibberiger, weicher Kern verbarg. Emily lag aufrichtig an ihnen allen etwas. Sie zeigte es nur nicht gern. »Hier schwirrt auch ohne nackt schwingende Schwengel schon genug Testosteron herum.«
»Ich sag’s noch mal«, meldete sich Christian zu Wort. »Lass mich an der Stelle festhalten, du hättest nicht mitkommen müssen. Niemand hat dich dazu gezwungen.« Durch seinen pikierten britischen Akzent kam die Äußerung von oben herab rüber.
»Und Chelsea damit allein lassen, sich gegen euch drei Primaten zu wehren?« Emily schnaubte abfällig. »Wohl kaum.«
Na toll! Dagan hatte sich über die kurze Auszeit gefreut, doch eine Erwähnung von Chelsea, und schon fixierte sich sein Hirn wieder auf sie wie eine Klette. Es trieb ihn zur Weißglut, dass sie allein in dem großen Penthouse beim verfluchten Roper Morrison war. Noch rasender machte ihn, dass ihm einfach kein besserer Plan einfiel, um zu beweisen, dass Morrison und Spider ein und derselbe waren, damit Chelsea eben nicht allein in dem großen Penthouse beim verfluchten Roper Morrison sein müsste.
»Apropos Chelsea …«, fuhr Emily fort. Als sie sich Dagan zuwandte, fühlte er sich unter den von ihren Augen abgefeuerten Dolchen wie ein Nadelkissen. »Ich wünschte echt, du würdest aufhören, ihr jeden Morgen das Leben schwer zu machen. Das arme, unschuldige Mädel hat ein schweres Kreuz zu tragen, da musst du nicht noch mehr draufpacken.«
Unschuldig? Was für ein Wort. Wenn es um Chelsea ging, kreisten Dagans Gedanken nicht mal im selben Postleitzahlenbereich wie unschuldig.
»Genau um das schwere Kreuz geht es ja«, ließ er nicht locker. »Sie ist nicht …«
»… für eine solche Arbeit qualifiziert oder ausgebildet. Bla, bla, bla. Aber ich hab ’ne interessante Neuigkeit für dich: Sie stellt sich trotzdem verflucht gut dabei an. Und statt sie jeden Morgen mit dem Gefühl loszuschicken, sie wäre Dung vom untersten Winkel der Jauchegrube, könntest du vielleicht mal versuchen, sie mit dem Gefühl loszuschicken, sie könnte die ganze verdammte Welt erobern. Gib dir Mühe, oder lass es einfach sein, Mann. Herrgott noch mal!«
»Und wie soll ich ihr deiner Meinung nach das Gefühl vermitteln, sie könnte die ganze verdammte Welt erobern?« Er nippte an dem Tee, den Ace ihm reichte. Der Earl Grey beruhigte zwar nicht seine Nerven, aber wenigstens das Brodeln in seinem Magen, als ihm klar wurde, dass sich Chelsea durch seine Worte – die lediglich warnend gemeint waren und seine Besorgnis zum Ausdruck bringen sollten – tatsächlich schlecht fühlen könnte. Mist!
»Ein Dutzend erderschütternder Orgasmen wäre eine Möglichkeit«, schlug Emily vor.
Dagan verschluckte sich an seinem Tee. »Wie bitte?«
»Es ist so unübersehbar wie der Zinken in deinem Gesicht.«
»Was?«
»Dass du notgeil auf unsere hauseigene, geheime CIA-Verbindungsfrau bist.«
Bildete er sich das bloß ein, oder hatte gerade jemand die Heizung um ungefähr zehn Grad wärmer eingestellt? »Wie kommst du denn darauf?«
»Ach, ich weiß nicht.« Emily verdrehte die Augen. »Vielleicht, weil Chelsea längst Achtlinge zur Welt gebracht hätte, wenn eine Frau von Blicken schwanger werden könnte?«
»Keine Ahnung, wovon du da redest.« Das sprach Dagan laut aus. Was er dachte, war: Scheeeeeiiiiiße …
»Ach, um Shoeless Joe Jacksons willen.« Da Emily in der South Side von Chicago geboren und aufgewachsen war, kam immer wieder mal der White-Sox-Fan in ihr durch. »Du redest so viel Scheiße, wenn du den Boden damit düngst, würden glatt kleine Sprösslinge von dir daraus wachsen. Weißt du eigentlich, warum du sie andauernd piesackst? Das ist der Sechsjährige in dir, der um ihre Aufmerksamkeit buhlt.«
Emily wusste über den Sechsjährigen in ihm Bescheid? Doppel-Scheeeeeiiiiiße …
»Und ich hätte eine Idee für dich«, fügte sie hinzu. »Statt rumzulaufen wie ein als Mann verkleideter Junge, könntest du endlich mal deinen Mann stehen und ihr sagen, was du in Wirklichkeit empfindest, was hältst du davon?«
Wenn Dagan so richtig sauer wurde oder sich intensiv auf eine Zielperson konzentrierte, wurde er völlig still. Manch einer hatte es schon als unheimlich still beschrieben. Und auf diese Stille folgte immer eine Explosion der einen oder anderen Art. »Nennst du mich gerade einen Feigling?«, fragte er leise.
»Ich nenne dich keinen Feigling. Ich nenne dich einen Trottel und einen Mann, der an unbefriedigter Lust leidet. Ist aber oft dasselbe.«
»Deiner Logik zufolge sollen meine verbalen Ringkämpfe mit Chelsea also bloß davon ablenken, dass ich in Wirklichkeit Horizontalkontakt mit ihr will, richtig?«
Emily rümpfte die Nase. »Na ja, ganz so hätte ich es zwar nicht beschrieben … Aber ja.«
Ha, damit hatte er sie. Ziel anvisiert. Zeit, die Kugel abzufeuern. »Dann heißt das wohl auch, dass es dich unheimlich danach juckt, dich mit Christian in der Kiste zu wälzen, richtig? Ich meine, immerhin frotzelst du ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit.«
»Äh …« Alle Farbe entwich aus Emilys Gesicht, und ein, zwei Herzschläge lang herrschte Schweigen in der Küche.
Schließlich durchbrach Ace die angespannte Stille. »Echt jetzt, ich schwör’s euch.« Er schüttelte den Kopf. »Ich stehe jeden Tag bestens gelaunt auf. Aber kaum hab ich zehn Minuten mit euch Heteros verbracht, bin ich schwer in Versuchung, irgendjemanden um die Ecke zu bringen.«
Emily schenkte ihm keine Beachtung und starrte Dagan finster an. »H-hör auf, das Thema zu wechseln.«
»Ich wechsle das Thema doch gar nicht.« Eine Lüge. »Ich will nur auf etwas hinweisen: Dass du mir vorwirfst, meine Streitigkeiten mit Chelsea sollen bloß vertuschen, wie sehr ich mit ihr schlafen will, ist so, als würde ein Esel den anderen Langohr nennen.«
An der Stelle liefen Emilys Wangen rot wie ein Feuerwehrauto an. »Fürs Protokoll …« Sie warf einen verstohlenen Blick auf Christian. »Ich zanke mit Christian, weil es irgendjemand tun muss. Das ist die einzige Möglichkeit, sein Ego im Zaum zu halten.«
Jäh knautschten sich Christians Augenbrauen zu einer finsteren Miene zusammen. »Gottverdammich. Wieso geht es auf einmal um mich?«
Bevor jemand darauf antworten konnte, erwachten ihre Telefone gleichzeitig zum Leben. Bei dem Chor von Pieptönen versteifte sich schlagartig Dagans Rückgrat. Schnell zog er sein Handy aus der Gesäßtasche und wischte mit dem Daumen über das Display. Sie alle hatten eine Gruppen-SMS von Chelsea erhalten. Ein schwindelerregender Wirbel von Emotionen fegte durch Dagan, als er die drei schlichten Worte las, die sie gesendet hatte: Ich bin drin.
Ich bin drin! Ich bin drin! Nimm das, Dagan Zoelner!
Nachdem sie die Nachricht gesendet hatte, steckte Chelsea das Handy in die Tasche und sah sich um, bevor sie die Tür zu Morrisons Büro weiter aufschob. Um diese Zeit am Morgen hielten sich in Morrisons Schickimicki-Penthouse in Mayfair an Personal nur Juanita Gonzalez – Morrisons Köchin – und sie auf. Dennoch hatte Chelsea das Gefühl, von tausend Augenpaaren aufmerksam beobachtet zu werden. Als die Angeln der Tür knarrten, zuckte sie zusammen.
Sie streifte die Kitten Heels ab und huschte in Morrisons Arbeitszimmer. Chelsea hatte im Verlauf des letzten Monats nur wenige flüchtige Blicke in den Raum erhascht, doch das hatte genügt, um sich mit der Anordnung darin einigermaßen vertraut zu machen. Sein großer Mahagonischreibtisch und der Laptop, der ihr eigentliches Ziel darstellte, befanden sich an der Westwand. Leider musste sie an dem weggetretenen Morrison vorbei, um dorthin zu gelangen.
Ihr Herz hämmerte so laut in der Brust, es überraschte sie, dass der Lärm den Schlafenden nicht weckte, als sie sich auf Zehenspitzen durch den Raum bewegte. Sie vermisste sehnlichst ihre Schuhe. Die harten Marmorfliesen waren kalt genug, um einem Pinguin Frostschauder über den Rücken zu jagen – einer der Lieblingssprüche ihres seligen Vaters. Und die Kälte schien durch ihre Fußsohlen nach oben in ihren Körper zu sickern, wo sie ihre Lungenflügel in zwei Eisblöcke verwandelte.
Hatte Dagan womöglich recht? War sie wirklich nicht aus dem richtigen Holz für eine solche Arbeit geschnitzt? Der Umstand, dass sich der Raum um sie zu drehen schien, deutete auf ein klares Ja hin. Dass sie nicht richtig atmen konnte, lag höchstwahrscheinlich daran, dass ihre dämliche Lunge erstarrt war. Verdammt!
Chelsea zerrte am Kragen ihrer Bluse und zwang sich, tief einen abgehackten Atemzug einzusaugen. Die Luft fühlte sich kratzig und beißend an, aber sie half, die Eisschicht in ihrer Brust schmelzen zu lassen, und der Raum hörte auf, sich wie ein verfluchtes Karussell zu benehmen.
Besser. Zufrieden nickte sie bei sich und schlich weiter in den Raum. Als sie das rote Ledersofa passierte, blickte sie auf den alten Mann hinab. Er trug immer noch den Frack, den er angezogen hatte, bevor sie am Vortag gegangen war. Der Mann verströmte so durchdringend den Geruch von Bourbon und Zigarren, dass sie vermeinte, sie könnte ihn sehen, wenn sie die Augen zusammenkniff.
Anscheinend war aus der Spendengala, die er besucht hatte, eine ziemlich ausgelassene Party geworden. Andererseits verwandelte sich alles, woran Morrison beteiligt war, letztlich in eine Party. Er führte sich auf, als wäre er einundzwanzig, nicht einundsiebzig.
Herrgott noch mal, er hatte sogar einen Man Bun – also einen Herrendutt für die modisch Ungebildeten –, als wäre er ein Hipster oder so. Was in seinem Alter einfach nur jämmerlich anmutete. Erschwerend kam hinzu, dass der Herrendutt durch sein sich lichtendes weißes Haar am hinteren Haupt gerade mal die Größe einer Kirschtomate hatte.
Chelsea konnte nicht nachvollziehen, wie ihn sein Stylist so in die Welt hinauslassen konnte. Andererseits: Als mehrere Milliarden schwerer Medienmogul und geheimer Unterweltboss tat man wohl, was man wollte, und pfiff auf Neinsager.
Und wohl auch auf alle anderen, wenn ich’s mir recht überlege.
Chelsea tröstete sich damit, dass Morrison auf niemanden mehr pfeifen würde, sobald sie den in das Futter ihres Blazers eingenähten USB-Stick benutzt haben würde, um das Virus hochzuladen. Sein Auftreten als »Partyboy« war bloß eine List, um die wahren Tiefen seiner Verkommenheit zu verschleiern. Davon war sie überzeugt, denn manchmal, wenn er sich unbeobachtet wähnte, konnte sie beobachten, wie seine Lippen schmal wurden, wie er die Augen zu Schlitzen verengte und wie ein hässlicher Ausdruck reiner Bösartigkeit über seine Züge huschte. Bei solchen Gelegenheiten hatte sie das Gefühl, den wahren Mann zu sehen. Spider …
Morrisons Mund klappte auf. Heraus drang ein mächtiges Schnarchen, das Chelsea an den alten Bluetick Coonhound ihres Vaters erinnerte. Das Tier hatte den einfallslosen Namen Blue gehabt und lag mittlerweile unter der Weide im Garten hinter dem Haus ihrer Kindheit begraben. Früher war der Hund immer auf der Veranda eingeschlafen und hatte laut genug geschnarcht, um den halben Bezirk zu wecken. Nur war der alte Blue ein guter Junge gewesen. Roper Morrison hingegen …
Der Gedanke beschleunigte ihre Schritte durch das Arbeitszimmer. Als sie ihr Ziel erreichte, schob sie eine Hand in den Blazer und zupfte an einem losen Faden des Futters. Die Naht öffnete sich und gab einen versteckten Beutel preis, der den USB-Stick enthielt.
Wenn sie zuvor schon gedacht hatte, ihr Herz rase, dann versuchte das verdammte Ding nun, den Landgeschwindigkeitsrekord zu brechen. Jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich an, und ihre Zähne drohten unter dem Druck ihrer verkrampften Kiefer zu zerbröseln. Chelsea schloss die Augen, zählte bis drei, entspannte sich mühsam und steckte den Stick in den USB-Anschluss an der Seite von Morrisons Laptop.
Geschafft!
Nun brauchte sie nur noch zu warten, während das Programm auf dem Laufwerk Morrisons Computer automatisch hochfuhr. Warten, während es die nötigen Algorithmen abspulte, um das Kennwort zu knacken. Warten, während es das Virus hochlud. Einfach nur warten, warten, waaaaarten.
Dass sie die Hände zu Fäusten geballt hatte, wurde ihr erst bewusst, als einer ihrer Fingernägel die Haut ihrer Handfläche durchbrach. Der Schmerz ließ Chelsea scharf die Luft einsaugen, und sie dachte an Dagan. Bestimmt wurde er nie so nervös. Er war Mr Allzeit-ruhig-und-gefasst. Und wenn er sie jetzt sehen könnte, würde er nur den Kopf schütteln und raunen: Ich hab’s dir ja gesagt.
Tja, sein Ich hab’s dir ja gesagt konnte er sich dorthin schieben, wo die Sonne niemals schien. John Wayne hatte angeblich mal gesagt, wahrer Mut sei es, Todesangst auszustehen und trotzdem in den Sattel zu steigen.
Also … Hü-hott!
Sie spähte hinüber zu Morrison und verspürte Erleichterung, dass er nach wie vor tief und fest schlief und Bäume umsägte. Dann lenkte ein Aufblitzen auf dem Bildschirm ihre Aufmerksamkeit auf den Computer. Das Virus war installiert, und der Laptop fuhr herunter.
Erledigt!
Ein abgehacktes Seufzen entrang sich ihr, und sie genehmigte sich einen Augenblick, um das Ausmaß dessen zu verarbeiten, was sie gerade vollbracht hatte. Dann zog sie rasch den Stick vom Laptop, verstaute ihn wieder in dem Versteck in ihrem Blazer und holte das Handy aus der Tasche. Sie simste der Gruppe in der Wohnung zwei Worte: Virus hochgeladen. Chelsea spielte mit dem Gedanken, Ha! hinzuzufügen, entschied sich jedoch letztlich dagegen.
Ihre Teamkameraden würden ihre SMS an die Black Knights in Chicago weiterleiten, danach würden sie alle ihr Zeug für die baldige Rückreise über den großen Teich zusammenpacken.
Ich hab’s geschafft! Ich hab’s wirklich geschafft! Chelsea Duvall, Meisterspionin! Gefiel ihr, wie sich das anhörte. Und jetzt nichts wie raus hier …
Sie hatte den Raum halb durchquert, als Morrison ihren Namen rief. Ihr Rückgrat versteifte sich, ein Wirbel nach dem anderen. Langsam drehte sie sich zu ihm um, ignorierte das Eiswasser, das durch ihre Adern strömte, und setzte ein freundliches Lächeln auf. »Ich, äh, ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt, Sir.« Sie rückte die Brille zurecht. »Ich bin nur reingekommen, weil ich nach Ihnen sehen wollte. Muss gestern Nacht wohl ziemlich heiß hergegangen sein, was?«
»Kommen Sie her, Chelsea!« Mit einem knochigen Finger bedeutete er ihr, zu ihm zu kommen.
Obwohl ihr jeder Instinkt eindringlich riet, die Flucht zu ergreifen, spielte sie weiter die Rolle der pflichtbewussten und langmütigen persönlichen Assistentin. Sie ging zum Rand des Sofas und biss die Zähne zusammen, als sich Morrisons heiße, feuchte Hand um ihre nackte Wade legte.
Chelsea wusste, sie hätte heute eine Hose statt eines unmittelbar unter den Knien endenden Bleistiftrocks anziehen sollen. »Kann ich Ihnen etwas holen, Sir? Aspirin? Ein Glas Wasser vielleicht?«
»Lieber den Fahrer des Lastwagens, der mich gerammt hat.« Seine Stimme klang kratzig, als er zu ihr hochgrinste und mit den Augenbrauen wackelte. Sie war überzeugt davon, dass sein Kopfhaar abwärts migriert war. Seine dichten, buschigen Brauen schienen wie zwei graue Raupen über die Stirn zu kriechen. »In der obersten Schreibtischschublade ist eine Flasche Bourbon. Würden Sie die für mich holen, Schätzchen?«
Chelsea lächelte trotz der verbissenen Kieferpartie zu ihm hinab. Wenn Christian Schätzchen sagte, klang es durch seinen britischen Akzent zum Niederknien. Und bei Morrison? Tja. Chelsea musste sich kräftig gegen den Drang auflehnen, sich zu übergeben.
»Selbstverständlich«, antwortete sie. Ihr war jeder Vorwand recht, durch den sie sich seiner aufdringlichen Hand entziehen konnte. Seine Finger waren nämlich millimeterweise ihr Bein hochgewandert und ruhten an ihrem Knie, das sie zart streichelten.
Ich muss gleich kotzen.
Roper Morrison gehörte zu den primitivsten, vulgärsten Menschen, die je auf Erden gewandelt waren, und als Chelsea hinüber zu seinem Schreibtisch eilte, vermeinte sie, immer noch seine heißen, verschwitzten Finger auf der Haut zu spüren. Doch ein flüchtiger Blick auf seinen Laptop erinnerte sie daran, dass sich all die Entwürdigungen, die sie in seinen Diensten erlitten hatte, bald gelohnt haben würden. Sie hatte das Virus eingeschleust, und Morrison … äh … Spider würde untergehen. Ha!
Bei näherer Überlegung hätte sie es ihrer SMS hinzufügen sollen. Wen juckte es schon, dass Dagan dann mit dem Finger darauf gezeigt und gesagt hätte: Seht ihr? Was für eine ausgebildete Außeneinsatzagentin simst denn so?
Sie simste so. Und wenn schon. Der Drang, triumphierend die Faust in die Luft zu strecken und ein Freudentänzchen aufs Parkett zu legen, war stark. Stattdessen begnügte sich Chelsea damit, den Bourbon zu ergreifen. Dabei bemerkte sie die unzähligen billigen Handys in der Schublade. Wegwerfhandys. Hätte sie nicht bereits gewusst, dass Morrison ein widerlicher, verbrecherischer Hundehaufen war, das hätte sie restlos davon überzeugt. Wahrscheinlich besaß er für jedes grausige Unterfangen, in dem er die Finger hatte, ein anderes Handy.
Sie schloss die Schublade, kehrte zum Sofa zurück und reichte ihm die Flasche. Der alte Sack lehnte sich an die Lederpolsterung zurück wie ein verwöhnter Sultan.
Zu was würde mich das machen? Zu einer seiner Haremsfrauen? Lieber würde sie eine Tüte voll rostiger Nägel schlucken, schönen Dank auch.
»Sie sollten etwas essen oder trinken, um ihren Elektrolythaushalt wiederherzustellen, Sir.« Chelsea hatte herausgefunden, dass Morrison es mochte, umsorgt zu werden.
Und das war etwas, das sie ihm relativ leicht vorspielen konnte. Dafür brauchte sie sich nur zu fragen: WWMT?Was würde Mama tun? Denn ihre Mutter, gesegnet mochte sie sein, war die König des Umhätschelns und Umsorgens.
Morrison winkte sie weg, dann schraubte er den Verschluss von der Flasche.
»Ich hole Ihnen trotzdem schnell etwas«, log Chelsea.
Damit wandte sie sich ab, tapste aus seinem Arbeitszimmer und blieb nach der Tür stehen, um in ihre Schuhe zu schlüpfen, bevor sie den Weg durch das riesige Penthouse zur Eingangstür antrat. Die Opulenz des Ortes überwältigte sie immer noch. Klassische Limoges-Vasen, Blattgolddetails an den Bilderrahmen, ein Picasso an der Wand des Esszimmers … Schon wenige dieser Stücke würden ihr auf dem Schwarzmarkt eine Summe einbringen, die locker die Schulden überstiege, durch die ihre Hintergrundgeschichte so glaubhaft wirkte.
Ihr Vater hätte gesagt, Morrison würde das Geld praktisch scheißen. Sie würde sagen, dass er mehr Geld besaß, als irgendjemand besitzen sollte. Und oh, die Versuchung, sich ein paar Krümel seines Reichtums zu schnappen, wurde auf dem Weg nach draußen ziemlich stark. Aber Chelsea war keine Diebin. Abgesehen davon würden die zwanzig Riesen, die Morrison ihr bereits als ersten Monatslohn gezahlt hatte, ihre verbleibenden Studiendarlehen deutlich verringern. Sobald die abgestottert wären, würde sie mit jedem Cent, den sie erübrigen konnte, die Hypotheken tilgen. Und danach … danach würde sie endlich ruhig schlafen können, weil sie wissen würde, dass sie das Haus ihrer Eltern – ihr Zuhause – gerettet hatte.
Nach dem Badezimmer mit dem antiken Waschtisch aus Marmor bog Chelsea nach links und passierte die Küche, wo Juanita gerade mit Morrisons Frühstück beschäftigt war. »Bis dann, Juanita!«, rief sie unbeschwert. »Ich geh los und erledige ein paar Besorgungen für Mr Morrison!«
Juanita winkte ihr abwesend zu, und Chelsea verspürte einen Anflug von Erregung. Mittlerweile war sie so gut wie draußen. Sie hatte es geschafft! Sie hatte es tatsächlich geschafft!
Mit hastigen Schritten durchquerte sie das Foyer und griff sich ihren liebsten Trenchcoat vom Kleiderständer. Ihre Hand hatte sich gerade auf den Knauf der Eingangstür gelegt, als er sich in ihrem Griff drehte.
Steven Surry, Morrisons Sicherheitsleiter, stürmte so abrupt herein, dass Chelsea zurückstolperte und ihren Mantel fallen ließ. Er fing ihren Arm ab und stützte sie, bevor sie auf dem Allerwertesten landen konnte. Sein Gesichtsausdruck glich einer Gewitterwolke. Jedes Härchen an ihrem Körper richtete sich auf, warnte sie vor einem drohenden Blitzschlag.
»Wo zum Teufel wollen Sie hin, hm?«, verlangte er von ihr zu erfahren.
»Ich …« Chelseas Kehle fühlte sich so staubtrocken an wie das Früchtebrot, das ihr Vater immer zu Weihnachten gebacken hatte. Sie musste schlucken, um genug Speichel für einen neuen Anlauf zu sammeln. »Ich wollte ein paar Besorgungen erledigen und …«
»Was für Besorgungen?«, schnitt er ihr das Wort ab, legte den Kopf schief und musterte sie argwöhnisch.
»M-Mr Morrison ist verkatert. Ich will ihm Kokosnusswasser besorgen. Das strotzt vor Elektrolyten und …«
Surry hob eine Hand. Wieder schluckte Chelsea. Hörbar. Als er das Geräusch wahrnahm, verengte er die Augen zu noch schmaleren Schlitzen. Steven Surry besaß Augen so dunkel wie die tiefsten Gruben der Hölle und tiefschwarzes Haar, das jegliches Licht aufzusaugen schien. In einem anderen Leben, in dem er nicht für Morrison arbeitete, hätte Chelsea ihn vielleicht als attraktiv empfunden.
»Sie gehen nirgendwohin.« Da er ihren Arm immer noch mit ehernem Griff umklammerte, konnte er sie mühelos herumdrehen. Mit einem nicht allzu sanften Schubs scheuchte er sie zurück durch die Tür.
Chelsea spielte mit dem Gedanken, einen Fluchtversuch zu wagen. Wenn sie um ihn herumhuschte, könnte sie es vielleicht hinaus durch die Tür schaffen. Aber was dann? Geduldig im Flur warten, bis der Fahrstuhl einträfe?
Sicher. Das würde bestimmt wunderbar funktionieren.
Ihre einzige Alternative wäre das Treppenhaus. Aber sobald sie wegrannte, würde Surry wissen, dass etwas faul war, und er würde sofort die Verfolgung aufnehmen. Sie gab sich keinen Illusionen hin, dass sie Surry – der wie ein Runningback der Profi-Footballliga aussah – über zwanzig Stockwerke nach unten davonlaufen könnte.
Nein. Ich lasse meine Tarnung besser aufrecht und warte ab, was passiert.
Sie brauchte nicht lange zu warten. »Wir hatten eine Sicherheitsverletzung, und Sie bleiben bei mir, bis ich festgestellt habe, ob Sie darin verstrickt sind oder nicht«, brummte er.
Sicherheitsverletzung …
Das Wort ließ sie erneut schwer schlucken. Surry zog sie zurück, bis sie stehen blieb, und heftete einen stechenden, gefühllosen Blick auf sie.
Okay, allmählich konnte sie Dagans Sichtweise ein wenig nachvollziehen. Sie war wirklich nicht für solche Scheiße geschaffen. Der Umstand, dass sie sich mit jedem Aspekt ihres Verhaltens verriet, lieferte den eindeutigen Beweis dafür.
Ihr blieb gerade genug Zeit, um in die Tasche ihres Blazers zu fassen und drei Sekunden lang die Lauter-Taste ihres Handys gedrückt zu halten, bevor Surry ihre Hand packte und das Telefon aus ihren Fingern löste. Er blickte auf das schwarze Display hinab. »Was haben Sie damit vor, hm?«
»Nichts«, log Chelsea. Ihr Herz überschlug sich in der Brust. Das dumme Organ sackte ihr in den Magen und verursachte ihr prompt Übelkeit. »Ich wollte nur die Hände in die Taschen stecken.«
Und habe die Taste hoffentlich lang genug gedrückt, um den Notruf zu aktivieren.
Ozzie, das Technikgenie von BKI, hatte in die Handys des gesamten Teams eine Notfunktion programmiert. Wenn sie die Lauter-Taste gedrückt hielten, bis sie langsam bis drei gezählt hatten, simste das jeweilige Gerät automatisch eine Mayday-Meldung an den Rest der Gruppe. Danach schickte das Handy die GPS-Koordinaten des Standorts hinterher. Ziemlich brillant. Chelsea hoffte nur, sie hatte es richtig bedient.
»Das werden wir ja sehen.« Surry steckte ihr Telefon ein, bevor er sie an den Armen packte und sie ihr auf den Rücken drehte.
»He! Was zum Henker soll das werden?« Chelsea hoffte, ihr Grauen mit Maulheldentum zu überspielen. Gleichzeitig verspürte sie unendliche Dankbarkeit dafür, dass ihr schon früh in der CIA-Ausbildung eingetrichtert worden war, das Anruf- und Nachrichtenprotokoll nach jedem Anruf und jeder SMS zu löschen und darauf zu achten, dass ihre Kontakte immer verschlüsselt waren. »Nehmen Sie die Drecksgriffel von mir!«
»Oh bitte«, konterte Surry höhnisch. »Nach einem Monat bei Morrison müssen Sie doch daran gewöhnt sein, ein wenig angefasst zu werden. Für eine etwaige schlechte Behandlung entschuldige ich mich später. Wenn ich weiß, dass Sie unschuldig sind.«
Dann würde Chelsea wohl für den Rest ihres Lebens auf eine Entschuldigung warten müssen.
Oh heilige verfluchte Scheiße! Sie hätte flüchten sollen, als sie noch die Chance dazu hatte. Vielleicht, nur vielleicht hätte sie Surry die Treppe hinunter auf Abstand halten können. Eine schlaue Agentin hätte die Chance vielleicht wahrgenommen. Eine mutige hätte es mit Sicherheit getan. Sie hingegen marschierte an der Küche vorbei geradewegs auf den Tatort zu und krümmte keinen Finger, um sich den Weg in die Freiheit zu erkämpfen.
Chelsea war definitiv nicht für so etwas geschaffen. Es widerstrebte ihr zutiefst, den Beweis zu liefern, dass Dagan recht gehabt hatte.
Dagan …
Allein der Gedanke an ihn verlieh ihr Hoffnung. Denn wenn sie jemand aus diesem Schlamassel holen konnte, dann er.
Dagan lebte ständig mit der Angst vor dem Tag, an dem Chelsea hoffnungslos in der Patsche sitzen würde. Und nun war dieser Tag gekommen. Gut, dass er genau der Richtige war, um sie da rauszuholen.
»Gehen wir jetzt rein oder was?«, fragte Ace aus seinem Versteck in der Gasse neben einem Stapel Kisten. »Ich meine, ich kann ruhig weiterhin meine beste Imitation des kleinen Mädchens mit den Schwefelhölzern geben, nur werden allmählich meine Füße taub.«
»Wir warten noch«, flüsterte Dagan. Er kauerte neben einem Müllcontainer hinter Morrisons Wohngebäude. In der Luft lag durchdringend der Geruch von Abfall und nassem Beton. Kleine Pfützen vom letzten Regenschauer reflektierten ihre angespannten Mienen und den stahlgrauen Himmel über ihnen.
Ohne Scheiß: London im März war unsagbar trostlos. Auch wenn es sich mit knapp über fünfzehn Grad Celsius um einen für die Jahreszeit ungewöhnlich warmen Tag handelte, konnte es Dagan kaum erwarten, Chelsea zu holen und ins erstbeste Flugzeug nach Hause zu springen. Obwohl beim Wetter in Chicago Ende März ebenso wenig Jubelstimmung aufkam. Weit gefehlt. Tendenziell hielt sich der Winter hartnäckig bis weit in den April hinein. Eis, Schnee, ganz zu schweigen vom verfluchten Wind, durch den einem die Kälte förmlich den Arsch abfror. Aber in Chicago lugte die Sonne wenigstens hin und wieder durch.
»Sei so nett und erklär mir, worauf wir warten«, zischte Christian neben ihm. »Warum trödeln wir hier herum? Jede Sekunde zählt, oder?«
Dagan blies ein Märtyrerseufzen aus. »Herrgott noch mal! Ja.« Jede Sekunde, die seit dem Eintreffen von Chelseas Mayday-Nachricht verstrichen war, hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt. »Aber überstürzt reinzugehen, könnte unsere Chance vermasseln, die Aktion reibungslos über die Bühne zu bringen. In Anbetracht der Tatsache, dass Chelseas Hals in der Schlinge steckt« – ihr glatter, zum Lecken und Knabbern einladender Hals –, »will ich Probleme um jeden Preis vermeiden.«
Ace grinste zu ihm herüber. »Dein weiches Herz hat echt eine Schwäche für sie, nicht wahr?«
Nein. Was er beim Gedanken an Chelsea hatte, konnte man als Latte cardiaco bezeichnen. Also eine stramme Latte, nur mit Gefühlen und so. »Glaub mir, wenn ich an Chels denke, ist nichts weich.« Dagan fand, er könnte es wohl ruhig zugeben. Nach dem Arschaufriss von Emily an diesem Morgen schien es ziemlich sinnlos, es weiter zu leugnen.
»Ich wusste es«, flüsterte Ace zu Christian und streckte ihm die Handfläche entgegen. »Her mit der Kohle!«
»Hab meine Brieftasche in der Wohnung gelassen«, behauptete Christian.
»Sehr offensichtliche Ausrede«, entgegnete Ace, bevor er sich wieder Dagan zuwandte. »Aber im Ernst, warum marschieren wir nicht hoch zur Eingangstür und schließen die Zugangskontrolle kurz?«
»Wir warten auf den Wartungsmann«, flüsterte Dagan zurück und versuchte, sich nicht darüber zu ärgern, dass seine Freunde Wetten abgeschlossen hatten auf sein … ja, was eigentlich? Sein Liebesleben? Oder seinen entschiedenen Mangel an etwas, das einem Liebesleben auch nur ähnelte? »Um die Zeit kommt er immer für eine Rauchpause raus.«
Ace bedachte Dagan mit einem eindringlichen Blick und zu Schlitzen verengten Augen. »Und das weißt du … woher?«
Erwischt. »Na ja, all die Male, die ich im Fitnesscenter, in der Bibliothek oder im Park war …«
»Verrat’s mir nicht.« Ace hob die Hand. »Du warst hier und hast das Gebäude observiert.«
»Und Morrisons Büro in der Innenstadt auch«, räumte Dagan ein. Wenn schon, denn schon.
»Ich dachte, wir waren uns einig, dass Obervierung unerwünschte Aufmerksamkeit auf Chelsea lenken könnte. Du weißt schon, könnte merkwürdig erscheinen, wenn sich Männer just ab dem Zeitpunkt in der Nähe herumdrücken, an dem sie bei ihrem Job anfängt.«
»Wir waren uns einig, auf ein Observierungsteam zu verzichten. Aber ich hab nie gesagt, ich würde nicht allein losziehen und …«
»Vergiss es!« Ace winkte ab. »Du stehst auf sie. Das lässt dich paranoid, überfürsorglich und anscheinend auch zu einem Lügenbeutel werden.«
Dagan fühlte sich schon mies, weil er die anderen getäuscht hatte. Aber wenn er zugegeben hätte, was er jeden Tag trieb, hätten sie versucht, ihn davon abzuhalten. Und das hätte er nicht zulassen können. Er musste so viel wie möglich über die Orte wissen, an denen Chelsea ihre Tage verbrachte. Nur dadurch bewahrte er sich seine geistige Gesundheit.
»Dafür gibt’s später noch Saures«, kündigte Ace an. »Vorerst will ich wissen, was passiert, nachdem der Wartungsmensch zum Rauchen herausgekommen ist. Wie sieht der Plan aus?«
»Wir betäuben ihn. Nehmen uns seine Schlüssel. Und betreten das Gebäude, ohne die Zugangskontrolle kurzzuschließen und womöglich einen Alarm auszulösen. Das Haus ist gespickt mit Überwachungskameras, aber wenn wir sie im Vorbeigehen außer Gefecht setzen, sollte es uns gelingen, rein- und wieder rauszugelangen, ohne dass es jemand mitbekommt.«
»Alles klar, Herr Kommissar«, sagte Christian, was seiner bevorzugten Art entsprach, Gebongt oder Klingt gut zum Ausdruck zu bringen.
Dagan zog den Ärmel seiner schwarzen Lederjacke ein Stück hoch, um einen Blick auf die Armbanduhr zu werfen. »Der Wartungsmann sollte jede Sekunde …« Weiter kam er nicht. Wie auf ein Stichwort schob besagter Wartungsmann die Hintertür auf. Von seinen Lippen baumelte eine frische Zigarette.
Dagan zog sich seine Skimaske übers Gesicht und sah aus dem Augenwinkel, dass seine Waffenbrüder seinem Beispiel folgten. Leise holte er die Betäubungspistole aus dem Holster an seiner Hüfte und zielte. Ein Nebelschleier blendete die Welt um ihn herum aus. Das Einzige, was er sah oder hörte, war seine Zielperson.
Die kleine Pistole war mit sechs Thiopental-Patronen geladen. Das Zeug war nicht tödlich. Zumindest nicht in den Dosierungen, die sie benutzten. Aber es konnte einen erwachsenen Mann in ungefähr drei Sekunden niederstrecken. Ärgerlich war nur, dass die Wirkung in der Regel bloß zwischen zehn und fünfzehn Minuten anhielt. Danach erwachte das Opfer zwar groggy und von Übelkeit geplagt, abgesehen davon jedoch voll einsatzfähig. Was bedeutete, dass sie innerhalb kürzester Zeit rein- und wieder rausmussten, sobald sie den Kerl betäubt hätten.
Dagan atmete aus und drückte den Abzug. Der Pfeil verließ den Lauf mit einem dumpfen Fupp! und flog los. Er bohrte sich ins Muskelgewebe an der Schulter des Wartungsmannes.
Der Bursche schrie auf. Das Feuerzeug fiel ihm aus der Hand, die unangezündete Zigarette aus dem Mund. Beides landete in einer Pfütze Regenwasser. Der Wartungsmann riss sich den kleinen Pfeil mit dem flauschigen gelben Gefieder aus dem Arm. »Was zum verlausten …!«
Mehr brachte er nicht heraus, bevor seine Knie schwach wurden und er taumelte.
Mist! Der Wartungsmann würde wie ein Mehlsack zu Boden gehen, und Dagan sah deutlich vor sich, wie er sich den erkahlenden Schädel an einer der zwei aus der Gasse zur Hintertür führenden Stufen anschlagen würde. Wenn es dazu käme, konnte sich der kurze Schlummer ohne Weiteres in den großen Schlaf verwandeln.
Dagan steckte die Betäubungspistole zurück ins Holster und preschte hinter dem Müllcontainer hervor. Nach einem halben Dutzend schnellen Schritten gelang es ihm, den Mann aufzufangen, bevor er kippen konnte wie ein gefällter Baum. Dagan grunzte. Der Bursche war alles andere als ein Leichtgewicht. Trotzdem gelang es ihm, den Bewusstlosen sanft zu Boden zu senken, wobei er darauf achtete, ihn nicht in eine der kalten Pfützen zu legen.
»Heilige Scheiße! Das war mal ’ne schnelle Reaktion«, lobte Ace. Er und Christian stellten sich neben Dagan und blickten auf den Mann hinab. »Nächstes Mal will ich damit schießen.« Ace griff nach der Waffe an Dagans Hüfte.
»Finger weg!« Dagan schlug ihm auf die Hand. »Ich hab daran gedacht, die Betäubungspistole für die Mission mitzunehmen, also werd auch ich sie benutzen.«
»Spielverderber«, klagte Ace.
Manche Menschen würden es vermutlich merkwürdig finden, dass sie in einem solchen Augenblick scherzten. Aber wenn man ein Leben wie sie führte, ständig unter Anspannung, dann lernte man, in keiner Situation den Sinn für Humor zu verlieren. Sonst würde man ihn vielleicht nie wiederfinden.
»Also gut«, ergriff Christian das Wort. »Gehen wir Chelsea holen.«
Chelsea …
Allein ihr Name ließ Dagans Herz mehrere Gänge höherschalten.
Nachdem sich Dagan den Schlüsselbund von der ausziehbaren Schnur an der vorderen Tasche des Overalls des Wartungsmannes geschnappt hatte, hielt er ihn an das Bedienfeld der Zugangskontrolle. Auf ein lautes Summen folgte ein leises Klicken, als die Tür entriegelt wurde.
»Bereit?« Er schaute über die Schulter.
»Lasst es uns tun und dann schleunigst von dieser beschissenen Insel verschwinden«, brummte Christian. Wenn man bedachte, was Christian vor dem Verlassen des SAS widerfahren war, konnte Dagan ihm nicht verdenken, dass er keinerlei Liebe mehr für das Land seiner Geburt hegte.
»Ja. Gehen wir unser Mädel holen«, fügte Ace hinzu.
Unser Mädel …
Dagan fand, das war eine durchaus zutreffende Beschreibung für Chelsea. Dank ihres scharfen Verstands, ihrer spitzen Zunge und ihres weichen Herzens erfreute sie sich bei den Black Knights großer Beliebtheit. Aber wenn er ehrlich zu sich sein wollte, wusste er, dass er das Wort unser gern gegen mein austauschen würde.
»My Girl …« Der alte Song von den Temptations ertönte in seinem Kopf und nistete sich als Ohrwurm darin ein, als sie in das Gebäude vordrangen. Vor ihnen erstreckte sich ein langer Korridor. »Da!«, zischte Dagan und zeigte auf eine am Ende des Gangs in der Ecke der Decke montierte Kamera. Das Licht ihres roten Lämpchens stach unübersehbar aus der Düsternis des Korridors hervor.
Ace zielte mit einem Laserpointer auf das Objektiv der Kamera und überlastete den lichtempfindlichen Chip. Schon komisch, dass die Leute dachten, Überwachungskameras würden für Sicherheit sorgen. Dabei war es einfacher und billiger, sie zu deaktivieren, als von einer Masseuse in einem der berühmten Salons Bangkoks eine Massage mit Happy End zu bekommen.
Wenige Sekunden später stiegen sie in den Personalaufzug. Jedes Dingeling der vorbeiziehenden zwanzig Stockwerke auf dem Weg nach oben entsprach einem Dutzend Schlägen von Dagans Herz.
Mach schon! Mach schon!
Sie hatten insgesamt fünfzehn Minuten vom Eintreffen von Chelseas Mayday-Nachricht bis in Morrisons Wohngebäude gebraucht – fünf Minuten zur Vorbereitung, fünf Minuten für die Fahrt. Weitere fünf Minuten hatten sie damit vergeudet, auf den Auftritt des Wartungsmannes zu warten. Und nun versickerten weitere Sekunden, während sich der Fahrstuhl quälend langsam zur obersten Etage kämpfte.
Ein roter Schleier überlagerte Dagans Sicht. Wenn Morrison oder einer seiner Handlanger Chels auch nur ein Haar gekrümmt hatten, dann gnade ihnen Gott.
Der Aufzug kündigte ihr Eintreffen im Penthouse mit einem vergnügt misstönenden Ding-dong! an. Aber es vergingen wieder ein paar Sekunden – während derer sich Dagan auf die Zunge biss, um seine Ungeduld nicht hinauszubrüllen –, ehe die silbrigen Türen endlich aufglitten.
Im Nu hatten die drei Männer die klaustrophobische Enge der kleinen Kabine verlassen und schlichen die Wand entlang auf Morrisons Eingangstür zu. Wieder machte Ace kurzen Prozess mit den Überwachungskameras an beiden Enden des Flurs, indem er ihnen eine Dosis Laserlicht verpasste. Christian brauchte nur eine Spur länger, um das Türschloss zu knacken. Dann …
Wir sind drin!
Die CIA hatte Dagan beigebracht, wie man die Frequenz seines Herzschlags kontrollierte. Nur wenn es um Chelsea ging, funktionierten die üblichen Tricks nicht. Sein Herz hämmerte so heftig gegen den Brustkorb wie damals sein kleiner Bruder mit der Schulter gegen die verriegelte Beifahrertür von Dagans Wagen, als Dagan ihn gegen seinen Willen zur Entzugsklinik gebracht hatte. Die unerwünschte Erinnerung an Avan an jenem grauenvollen Tag tauchte kristallklar auf, und Dagan konnte sie nur ignorieren, indem er sich auf das Geräusch des pulsierend in seinen Ohren rauschenden Blutes konzentrierte.
Er führte das stille Vordringen ins Penthouse mit gezückter Betäubungspistole an. Sie waren nicht allein in den Räumlichkeiten. Das merkte er auf Anhieb. Nicht, weil er außer dem unterschwelligen Surren von Elektrizität und seinem eigenen rasenden Herzschlag etwas hören konnte, sondern weil sich ihm die Nackenhaare sträubten und seine Handflächen kribbelten.
Dank der Software, die Ozzie auf ihren Smartphones installiert hatte, konnten sie deutlich sehen, dass sich Chelseas iPhone noch im Gebäude befand. Natürlich hieß das nicht zwangsläufig, dass dasselbe für Chelsea galt. Es konnten alle möglichen Personen sein, die Dagans Instinkte ansprachen. Ein Hausmädchen. Eine Sekretärin. Eine von Morrisons zahlreichen Gespielinnen des Monats.