Black Knights Inc. – Im Bann der Gefahr - Julie Ann Walker - E-Book

Black Knights Inc. – Im Bann der Gefahr E-Book

Julie Ann Walker

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Beschreibung


Black Knights Inc.: Nach außen hin ein High-End-Motorradladen - in Wirklichkeit eine Elitespezialeinheit der Regierung, die für die riskantesten und geheimsten Einsätze gerufen wird ...

Bryan McMillian hat den Frauen abgeschworen! Der ehemalige FBI-Agent ist Mitglied der Black Knights Inc. und hat überhaupt kein Interesse daran, sich mit oberflächlichen Mädels abzugeben. Umso lästiger ist es ihm, als sich Delilah Fairchild an ihn wendet. Delilah schwärmt zwar schon lange für ihn, doch dieses Mal ist ein Notfall: Ihr Onkel ist spurlos verschwunden, und nur noch Bryan kann ihr helfen, ihn lebend wiederzufinden. Gemeinsam gehen beide auf Spurensuche, aber schnell gerät Delilah zwischen die Fronten. Ihr Leben ist in Gefahr - und während sich Bryan zu ihrer Rettung aufmacht, muss er bald erkennen, wie sehr Delilah schon längst sein berührt hat ...

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungProlog123456789101112131415161718192021222324Anmerkung der AutorinDankÜber die AutorinWeitere Bücher von Julie Ann Walker bei LYX.digitalImpressum

JULIE ANN WALKER

Black Knights Inc

Im Bann der Gefahr

Ins Deutsche übertragen von Michaela Link

Zu diesem Buch:

Black Knights Inc.: Nach außen hin ein High-End-Motorradladen – in Wirklichkeit eine Elitespezialeinheit der Regierung, die für die riskantesten und geheimsten Einsätze gerufen wird …

Bryan McMillian hat den Frauen abgeschworen! Der ehemalige FBI-Agent ist Mitglied der Black Knights Inc. und hat überhaupt kein Interesse daran, sich mit oberflächlichen Mädels abzugeben. Umso lästiger ist es ihm, als sich Delilah Fairchild an ihn wendet. Delilah schwärmt zwar schon lange für ihn, doch dieses Mal ist ein Notfall: Ihr Onkel ist spurlos verschwunden, und nur noch Bryan kann ihr helfen, ihn lebend wiederzufinden. Gemeinsam gehen beide auf Spurensuche, aber schnell gerät Delilah zwischen die Fronten. Ihr Leben ist in Gefahr – und während sich Bryan zu ihrer Rettung aufmacht, muss er bald erkennen, wie sehr Delilah schon längst sein Herz berührt hat …

Für Pam, meine Schwester

Dein Witz, deine Schrullen und deine allgegenwärtige Fähigkeit, das Komische in den meisten Situationen aufzuspüren, haben mich früh gelehrt, weder mich selbst noch das Leben allzu ernst zu nehmen. Dadurch ist mein Leben erfüllter, fröhlicher und viel interessanter geworden. Danke, dass du mir gezeigt hast, wie wild, verrückt und wundervoll die Welt wirklich ist!

Nur diejenigen, die es wagen, zu weit zu gehen, können herausfinden, wie weit sie gehen können.

T. S. Eliot

Prolog

Red Delilah’s Bikerbar

Chicago, Illinois

Mac war betrunken. Wenn der Anblick der fast leeren Flasche Lagavulin vor ihm auf der Theke kein sicheres Zeichen dafür war, dann das Gefühl, dass ihm seine Lider wie grobkörniges Schmirgelpapier über die Augäpfel kratzten.

Scheiße.

Er hatte nicht vorgehabt, sich zu betrinken, als er Dagan Zoelner beiläufig in ihre Stammkneipe gefolgt war – aus Neugier, warum dieser wie von Hunden gehetzt vor dem lärmenden Grillfest in der Werkstatt geflohen war. Mac hatte angenommen, ein paar kühle Blonde würden dem Burschen vielleicht die Zunge lösen.

Aber Zoelner hatte sich gar kein Bier bestellt, als er dann an der langen Mahagonitheke auf einem Hocker saß, die Absätze seiner Bikerstiefel in die Fußleiste aus Messing gehängt. Sondern Scotch. Eine ganze Flasche.

Und Mac hatte es nicht geschafft, sich bloß an einem Bier festzuhalten, während sich Zoelner die Kante gab. Es war einfach traurig, dazusitzen und zu beobachten, wie ein Freund und vertrauter Teamgefährte sich betrank. Denn er wusste: Wenn Männer wie sie das vorsätzlich taten, lag das für gewöhnlich daran, dass irgendetwas die Dämonen der Vergangenheit heraufbeschworen hatte. Alte Dämonen in Form von dunklen Erinnerungen an gute Männer, die jetzt tot waren, an Missionen oder Aufträge oder Angelegenheiten, die furchtbar schiefgegangen waren, oder an falsche Entscheidungen, die einen Mann verrückt machen konnten mit der immer gleichen verfluchten Frage: Was wäre gewesen, wenn …

Was wäre gewesen, wenn es anders ausgegangen wäre?

Was wäre gewesen, wenn ich nur ein bisschen schneller gehandelt hätte?

Was wäre gewesen, wenn ich auf diese kleine, beiläufige Nachricht einen zweiten Blick geworfen hätte?

Die Frage nach dem Was-wäre-wenn war ein nutzloses Unterfangen. Trotzdem verfielen ihr die Agenten von Black Knights Inc. gelegentlich. Zum Teufel, öfter als gelegentlich. Was wäre gewesen, wenn zu fragen, schien ein Päckchen zu sein, das man in diesem Job einfach zu tragen hatte. Und heute Abend hatte er den Eindruck, dass Zoelner genau das tat. Er fragte sich: Was wäre gewesen, wenn … Und zwar leidenschaftlich und mit einzigartiger Entschlossenheit. Das Ganze spülte er mit einer gesunden Portion zwanzig Jahre altem Malt Whisky herunter – hicks. Und Mac, gutherzig, wie er nun mal war, hatte die Karussellfahrt freiwillig mitgemacht.

Der liebe Gott wusste, dass er morgen mit Kopfschmerzen dafür würde büßen müssen. Kopfschmerzen, die schlimm genug sein würden, um ein Maultier umzuhauen, gefolgt von dem acht bis zehn Stunden währenden Versuch, die Nebenwirkungen durch exzessiven Kaffeegenuss niederzukämpfen. Aber im Moment fühlte er sich ziemlich gut. Bis auf die brennenden Augen war sein Körper taub, aber irgendwie auch kribbelig. Das galt besonders für seine Zunge. Was der Grund dafür war, dass er sich schließlich zu Zoelner umdrehte, um diese Wir-sind-Männer-deshalb-trinken-wir-schweigend-Nummer zu durchbrechen. Er fragte: »Kannst du mir mal erzählen, warum wir hier sitzen und uns an einem Dienstagabend dermaßen betrinken?« Dienstag war ein schweres Wort, es kam ihm eher wie Dienschag über die Lippen.

Zoelner, der sich normalerweise durch seine weichen Bewegungen und seltsame Anfälle statuenhafter Reglosigkeit auszeichnete, drehte sich ungelenk zu ihm um. Seine schiefergrauen Augen wurden fast verdeckt von den schweren, darüberhängenden Lidern. Das linke Augenlid schien mehr als das rechte unter dem Einfluss des Scotchs gelitten zu haben, weil es eine Spur tiefer herabhing.

»Erstens«, antwortete Zoelner, »hat dir schon mal jemand gesagt, dass der typische Texaner in dir erwacht, wenn du beschwipst bist? Riesenhut, aber kein Vieh auf der Weide.« Er grinste schief. »Und zweitens«, sein Gesichtsausdruck wurde ernst, »werd mir jetzt bloß nicht sentimental.«

»Ich möchte dich wissen lassen, dass ich mit einem Riesenhut und reichlich Vieh groß geworden bin.« Mac runzelte die Stirn. »Und ich bin nicht sentimental. Ich dachte nur, du weißt schon, du würdest vielleicht gern darüber reden, über«, er schwenkte vage die Hand, »was auch immer.«

Zoelner schaute sich in der Bar um, betrachtete blinzelnd die Sitznischen aus rotem Kunstleder, die stämmige Kundschaft und die ohrenbetäubend laute Jukebox, als hätte er die Kneipe noch nie gesehen. »Wo bin ich?« Er zwinkerte eulenhaft mit den Augen. »Ich hätte schwören können, dass ich mich in eine waschechte Bikerbar gesetzt habe, aber irgendetwas muss mich mitten in einen Weiberfilm gebeamt haben.«

Als er sich Mac wieder zuwandte, sorgte der dafür, dass sein Gesichtsausdruck nichtssagend war.

»In Ordnung.« Zoelner verdrehte die Augen. »Also, lass uns reden. Lass uns in die Tiefen meiner Emotionen eintauchen und ausloten, wie ich mich fühle. Dann, wenn wir damit fertig sind«, er klimperte mit den Wimpern, als bewerbe er sich um eine Rolle in einer Revlon-Reklame, »können wir den Barkeeper bitten, unseren Scotch gegen Kräutertee einzutauschen, und in der Jukebox einen Song von Indigo Girls suchen.«

Mac schnaubte. Die Gerüche von abgestandenem Bier, zerquetschten Erdnussschalen und Kuhhaut, ausgehend von der Überfülle an Leder in der Bar, stiegen ihm in die Nase. Bis auf die der Erdnussschalen erinnerten sie ihn an zu Hause, an die Lazy M Ranch, wo er geboren und aufgewachsen war. Riesenhut, aber kein Vieh auf der Weide, dass ich nicht lache. »Na schön, du Drecksack«, brummelte er. »Du bist vielleicht nicht allzu scharf darauf zu verhackstücken, was dir heute Abend einen Knoten in den Schwanz gebunden hat.«

Zoelners breites Grinsen kehrte zurück, und Mac wurde klar, dass er mit diesem Spruch punktgenau die Bemerkung seines Gegenübers bestätigt hatte, dass nach einigen Gläschen der Texaner in ihm erwachte. Aber weder konnte er dagegen an noch würde er, wenn er darüber nachdachte, das wollen. Denn wie die meisten Texaner war er verdammt stolz darauf, dass er aus dem Lone Star State kam. Yee-haw! If the good Lord’s willing and the creek don’t rise. »Aber ich muss es einfach wissen. Das hat doch nichts mit Agent Winterfield zu tun, oder?«

Luke Winterfield war ein abtrünniger CIA-Agent, der Informationen über Anzahl und Lage geheimer US-Gefängnisse an die Presse weitergegeben hatte. Manche nannten Winterfield einen Whistleblower. Mac nannte ihn einen Verräter. Und gerade an diesem Morgen hatte in sämtlichen Schlagzeilen gestanden, dass der Mistkerl ein Land gefunden hatte, das ihm Asyl gewährte. Es musste ein schwerer Schlag für jeden CIA-Agenten sein – vor allem für einen Ex-CIA-Agenten wie Zoelner.

»Pscht.« Zoelner verzog das Gesicht. »Ich habe vor Jahren aufgehört, mich um die Firma und ihre Mätzchen zu scheren. Was Winterfield betrifft, ich bin dem Aaschloch nie begegnet.« Zoelner runzelte die Stirn und zog die Lippen zwischen die Zähne, bevor er es noch einmal versuchte. »Arrschloch.«

»Worum um Gottes grüner Erde willen geht es dann heute Abend?«, fragte Mac. »Ehrlich gesagt, ich habe von dem ganzen Wir-schweigen-und-trinken-uns-die-Welt-schön jetzt genug.«

Zoelner zeigte mit seinem Scotchglas auf das Ende des Tresens. »Ich will nicht darüber reden«, antwortete er. »Eigentlich will ich über nichts anderes reden als diese Brünette da drüben und die Tatsache, dass sie uns beide beäugt hat, als sei sie tagelang durch die Wüste geirrt und wir große Wassergläser.«

Mac schaute den Tresen entlang und – tatsächlich. Fast am Ende saß eine Braut in einem engen Top und einer butterweichen Bikerjacke. Sie sah aus, als sei sie dem Cover einer Motorradzeitschrift entstiegen – sie war sexy, ohne übertrieben hübsch zu sein. Und als sie ihn dabei ertappte, dass er sie anstarrte, leckte sie sich ihre rubinroten Lippen und senkte verführerisch die dichten rabenschwarzen Wimpern.

Na, wenn das keine Einladung ist, meine Herren! Selbst in seinem vom Scotch benebelten Zustand erkannte Mac den Ausdruck in ihren Augen, als wolle sie sagen: Komm und hol mich, großer Junge.

Tut mir leid, Süße, aber du bellst den falschen Baum an. »Kein Bedarf«, sagte er zu Zoelner, lehnte sich zurück und hob sein Scotchglas an die Lippen. »Sie ist nicht mein Typ.«

Zoelner grölte vor Lachen und knallte sein leeres Glas auf den Tresen. »Nicht dein Typ? Lieber Gott, suchst du nach einem Blutspender oder was? Ob sie dein Typ ist, spielt überhaupt keine Rolle. Sie ist heiß. Sie ist offensichtlich geil. Und einer von uns sollte dem Abhilfe leisten.«

»Tu dir keinen Zwang an.«

Zoelner legte den Kopf schräg. »Du erinnerst mich an ein riesiges schwarzes Loch, das alles Licht und den ganzen Spaß aus dem Abend saugt.«

»Ich?« Mac sah den anderen Mann ungläubig an. »Ich bin nicht derjenige, der beschlossen hat, den Abend in dieser … dieser Wurstfabrik von einer Bar zu verbringen und sich hackevoll zu saufen.«

»Hm.« Zoelner kniff die Augen zusammen. »Wurstfabrik von einer Bar, was? Soll das heißen, es gibt hier heute Abend zu viele Schwänze und nicht genug zarte Häppchen? Nehme ich da einen Anflug von Melancholie wahr?«

»Das ist ein großes Wort für einen Betrunkenen.« Mac kicherte.

»So betrunken bin ich gar nicht«, beharrte Zoelner, und Mac hielt sich den Bauch vor Lachen.

»Okay, ich bin also vielleicht ein wenig betrunken«, gab Zoelner zu, »aber das bedeutet nicht, dass ich mich irre. Ich würde sagen, du hast kein Interesse an der braunhaarigen Zuckerschnecke dort drüben, weil du dich nämlich nach einer gewissen Rothaarigen verzehrst – würdet ihr Texaner das so ausdrücken? –, die heute Abend zufälligerweise nicht hier ist.«

Das verwandelte Macs Gelächter in ein Husten. Er hob sein Glas und nippte am Scotch. Dann stellte er das Glas vorsichtig zurück auf den Tresen, fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und sagte: »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«

»Ach nein.« Zoelner schnaubte. »Jeder, der Augen im Kopf hat, weiß, dass du rattenscharf auf die Barkeeperin bist, die sonst immer hier ist. Und nach ihrer Anmache zu urteilen ist sie auch rattenscharf auf dich. Was die Frage aufwirft – worauf wartest du? Warum hast du sie inzwischen nicht, hm, tausend Mal klargemacht?«

Mac verzog das Gesicht. »Wie alt sind wir? Fünfzehn?«

»Du weichst der Frage aus«, konterte Zoelner, und Mac wusste nicht, ob er die Scharfsichtigkeit des anderen Mannes bewundern oder ihn an Ort und Stelle erwürgen sollte.

Nachdem er beschlossen hatte, dass beides nicht das Richtige war, zuckte er mit den Schultern und hoffte, dass die Reaktion absolute Unbefangenheit vermittelte. »Diese FRAU« – Mac dachte an Delilah Fairchild, Eigentümerin und Namenspatronin dieser Bar, immer quasi in Großbuchstaben – »ist auch nicht mein Typ. Und du weißt, warum.«

»Blödsinn.«

Nur das eine Wort. Gesprochen aus tiefster Überzeugung. Mac bedachte Zoelner mit einem finsteren Blick und griff nach der Flasche. Er drehte sie um, goss die letzten paar Tropfen in sein Glas und hob es dann langsam hoch, um gemächlich daran zu nippen.

»Du weißt, was ich von der ganzen Sache halte, stimmt’s?«, fragte Zoelner.

Mac ignorierte ihn und wünschte sich von Herzen, er hätte nach dieser gottverdammten Mission in Somalia niemals sein großes Maul aufgemacht. Aber als sie in einer Bar in Südafrika gesessen und sich im Glanz einer erfolgreichen Operation gesonnt hatten, und nach einem halben Dutzend Flaschen Bier, war ihm die ganze traurige Geschichte herausgerutscht.

»Oh, was ist? Hast du die Sprache verloren?«, fragte Zoelner, nachdem auf der Hand lag, dass Mac seinen Köder nicht schlucken würde.

Aber was hätte Mac schon sagen sollen? In Wahrheit wusste er ganz genau, was Zoelner dachte. Der Bursche hatte ihm rundheraus erklärt, er sei ein Idiot, eine Frau mit einer anderen zu vergleichen. Kindisch war das Wort, das Zoelner benutzt hatte, wenn Mac sich recht erinnerte. Aber der Mann verstand einfach nicht. Er wusste nicht, was -

»Na schön«, zischte Zoelner kopfschüttelnd. »Also, wir werden so tun, als sei Delilah Fairchild auch nicht dein Typ.«

Und ja. Es wäre tatsächlich ein So-tun-als-ob. Denn wenn er ganz ehrlich war, wussten sie beide, dass diese FRAU jedermanns Typ war. Sie war nicht nur eine perfekte Zehn auf der Kurvenskala, ihr herzförmiges Gesicht mit den klaren grünen Augen und dem Schmollmund gehörte zur besten Sendezeit ins Fernsehen. Und als sei das nicht genug, war ihre cremeweiße Haut auch noch total makellos. Ernsthaft, ganz gleich, wie genau Mac hinschaute, er konnte keine einzige Pore entdecken, die ihren Porzellanteint verschandelte. Um es ganz einfach auszudrücken, Delilah Fairchild strahlte vom Kopf bis zu den rot lackierten Zehennägeln zu hundert Prozent pure Weiblichkeit aus. Und sie war zu hundert Prozent und ohne Kompromisse schön. Schön und temperamentvoll und daran gewöhnt, die Aufmerksamkeit eines jeden Mannes im Raum auf sich zu ziehen. Und Letzteres war ihm nur allzu vertraut.

Zu vertraut und für ihn zu … gefährlich. Und ehrlich? Sein Leben – in dem er sich als Motorradmechaniker tarnte, obwohl er in Wirklichkeit zu einer geheimen Bundesagentur gehörte, die direkt dem Präsidenten unterstand – war auch so schon gefährlich genug, herzlichen Dank.

Und da sie gerade von dem sprachen, was ihm vertraut war …

Ohne Vorwarnung blitzte hinter seinen brennenden Augen das unwillkommene Bild von Jolene auf. Haar so schwarz wie Rabenflügel. Augen von der Farbe texanischer blauer Wiesenlupinen. Haut wie Buttermilch. Und ein Herz, so wetterwendisch und kapriziös wie ein Frühling in Texas …

Er schüttelte den Kopf und blinzelte die verstörende Vision gerade rechtzeitig weg, um zu sehen, wie Zoelner eine Hand hob und nach dem kahlköpfigen Mann mit dem Ziegenbärtchen hinter dem Tresen rief. »He, Brendan! Wo ist die entzückende Dame des Hauses heute Abend? Aber denk jetzt nur nicht, dass mein ziemlich großer, ziemlich wortkarger Freund hier«, Zoelner deutete mit dem Daumen in Macs Richtung, »schmollt wie ein Eunuch in einem Hurenhaus, weil er ihr zauberhaftes Gesicht vermisst oder so. Denn sie ist absolut nicht sein Typ.«

Genau in dem Moment traf Mac die extrem weise und unglaublich reife Entscheidung, dem ehemaligen CIA-Agenten gegen den in seinem Stiefel steckenden Knöchel zu treten. Zoelner drehte sich um, zog zweifelnd eine Augenbraue hoch und trat zurück. Was Mac natürlich keine andere Wahl ließ, als mit einem noch härteren Tritt zu reagieren, und schon bald rauften sie wie zwei Collegestudenten, statt sich wie zwei gut ausgebildete Agenten zu benehmen. Andererseits waren sie auch ganz schön beschwipst. Das erklärte vielleicht alles.

»Delilah ist unten im Süden«, antwortete Brendan und blieb bei ihnen stehen, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Er trocknete mit einem Geschirrtuch Gläser ab. Brendan war klein und vierschrötig wie ein Ringer gebaut, aber mit dem Gesicht eines Boxers – sein Nasenrücken und seine Wangenknochen sahen aus, als seien sie mehr als ein oder zwei Mal von schweren Fäusten platt gehauen worden. Was ihm an Größe mangelte, machte er offensichtlich durch Rauflust wett.

»Wo?«, fragte Zoelner, zog seine Lederjacke zurecht und funkelte Mac mit schmalen Augen an, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf Brendan richtete.

»Im südlichen Illinois«, erwiderte der Barkeeper, und Mac dachte: Südliches Illinois? Was zum Teufel macht sie denn dort?

»Was zum Teufel macht sie dort?« Er blinzelte verblüfft. Hatte er die Frage laut ausgesprochen? Wie viel Scotch genau hatte er intus?

Aber Brendan wandte sich an Zoelner, um zu antworten. Mac musste sich abermals fragen, wie viel Scotch genau er intus hatte, denn bevor irgendwelche Worte die Chance hatten, sich auf Brendans Zunge zu formen, schoss ihm der Gedanke durch den Kopf: Mach, dass sie nicht dort unten ist, weil sie einen Lover besucht. Halt! Wo war das bloß hergekommen? Schließlich war ihm scheißegal, warum oder … mit wem sie im südlichen Illinois war.

Oder? Es entging ihm nicht, dass der Frage ein geradezu mit Händen greifbares Schweigen folgte. Egal. Da redet nur der Scotch aus mir. Denn alles andere war zu beunruhigend, um darüber nachzudenken.

»Unter uns gesagt«, meinte Brendan schließlich und beugte sich verschwörerisch vor, »ich glaube, sie versucht, die Bar zu meiden.«

Was? Warum?

»Was? Warum?«, fragte Zoelner.

Mac funkelte den Gedankenleser an. »Wer bist du?«, fragte er scharf. »Meister Yoda oder so?«

»Hä?« Zoelner kniff die Augen zusammen. »Warum siehst du mich so finster an? Lass das, sonst denkt die braunhaarige Zuckerschnecke da drüben noch, du hättest gerade mit mir Schluss gemacht.«

Das ganze Trio, Mac, Zoelner und Brendan, drehte sich um und lächelte der fraglichen Frau entgegen. Zoelner hob sein Glas und wackelte mit den Augenbrauen, was bei der Brünetten ein verführerisches Senken der Lider und ein subtiles Zucken eines Winkels ihrer geglossten Lippen zur Folge hatte.

»Also, warum meidet Delilah die Bar?«, fragte Zoelner und kam damit schneller zum Thema zurück als Mac. Prompt konzentrierte sich in dem Augenblick, in dem der Name dieser FRAU fiel, jeder Gedanke in Macs Kopf auf sie, als sei er ein kleiner Jagdhund, der den Flug einer Wachtel verfolgte.

Scheiße, scheiße, scheiße.

»Nach dem Mord an Buzzard …«, begann Brendan. Oh, wunderbar. Mac konnte jetzt wirklich keine Erinnerung daran gebrauchen – an die wüste Schießerei, in die Delilah vor einigen Monaten geraten war, die, bei der ihr treuester Gast gestorben war. Denn das war der Abend gewesen, an dem er beinahe alle Vorsicht in den Wind geschlagen, gegen seinen wichtigsten Vorsatz verstoßen hätte und auf eine ihrer Avancen eingegangen wäre. Sie war so verletzt und traurig gewesen, und er hatte sich so sehr gewünscht, sie zu trösten.

»… stürzt sie sich auf jede Gelegenheit, von hier zu verschwinden. Ich glaube, die Bar birgt jetzt zu viele schlimme Erinnerungen für sie.«

Die drei schwiegen einen Moment. Dann noch einen.

»Aber wie dem auch sei.« Brendan wedelte mit einer Hand, als könne er die Wolke des Unbehagens verscheuchen, die über ihnen hing. »Sie ist mit ihrem Onkel unterwegs. Es ging irgendwie um den Besuch bei einem alten Freund von ihm, und –«

»Oh, ich dachte, sie sei dort unten und wirke ihre Hexenmagie mit dem Haushaltsplan irgendeines kleinen Kaffs dort«, unterbrach Zoelner den Barkeeper.

Ihre Hexenmagie …

Damit meinte Zoelner weder Delilahs Fähigkeit, einen Mann mit ihrem katzenäugigen Blick zu hypnotisieren, noch die bezaubernde Art, wie ihre Hüften sich wiegten, wenn sie durch den Raum ging. Er bezog sich auch nicht auf ihr Talent, ein alkoholisches Gebräu zusammenzumixen, das erst mal süß wie ein Bonbon schmeckte, einen im nächsten Augenblick jedoch umhaute, oder darauf, dass sie die ganze Bar verzaubern konnte, einfach, indem sie den Kopf in den Nacken legte und ihr leises, kehliges Lachen ausstieß. Auf nichts davon spielte er an, obwohl das alles gewiss als Hexenmagie oder Zauberei durchgehen konnte oder, nach Macs felsenfester Ansicht, tatsächlich als irgendein Scheiß-Voodoo. Wovon Zoelner sprach, war die Tatsache, dass Delilah Fairchild, die Sexbombe und Inhaberin einer schmuddeligen, waschechten Bikerbar, ihre Freizeit zufällig damit verbrachte, als … verdammt … Forensische Sachverständige für Buchprüfung zu arbeiten.

Süßer allmächtiger Gott, manchmal fiel es Mac immer noch schwer, das zu glauben. Dabei hatte er wahrhaftig nicht die geringsten Probleme, es sich vorzustellen. Er hatte nicht wenig Zeit damit verbracht, sich in Tagträumen auszumalen, wie sie irgendwo an einem Schreibtisch saß, das Haar zu einem Knoten aufgesteckt, eine Lesebrille auf der Spitze ihrer hübschen Nase. Genau gesagt war das während der letzten sechs Monate – seit er erfahren hatte, was ihr zweites Standbein war – seine Lieblingsfantasie gewesen. Etwas wie der altbewährte, unartige Bibliothekarinnentraum in Turbomanier. Ein Drittel adrette Lady und zwei Drittel Sexgöttin – diese Masche sorgte für lebhafte Männerträume seit Anbeginn der Zeit und …

Plötzlich wurde die Eingangstür aufgerissen, sodass sie gegen die Wand krachte. Mac drehte sich um, weil er sehen wollte, wer es so verdammt eilig hatte, in die Bar zu kommen. Der Blick reichte, um seine Lungen Michael Jordan spielen zu lassen. Beinahe sprangen sie ihm aus dem Hals. Wenn man vom Teufel spricht …

Selbst wenn er das lange kastanienbraune Haar nicht erkannt hätte, das ihr – von dem Motorradhelm nicht gebändigt – über die von Leder bedeckten Schultern fiel, hätten die freudigen Begrüßungsrufe und die erhobenen Bierhumpen ihm verraten, dass die FRAU den Weg nach Hause gefunden hatte.

Wie gesagt … schön und temperamentvoll und in der Lage, die Aufmerksamkeit eines jeden Mannes im Raum auf sich zu ziehen …

Er drehte sich wieder zum Tresen um, aber seine Nackenhärchen machten ihn im nächsten Augenblick auf die Tatsache aufmerksam, dass die FRAU hinter ihn getreten war.

Langsam und mit einem unbekümmerten Ausdruck, von dem er hoffte, dass er nicht offenkundig geheuchelt wirkte, drehte er sich um. Aber bevor er den Mund öffnen konnte, riss sie sich den Helm herunter und schüttelte ihr Haar aus. Der würzig süße Duft ihres Parfüms und das erdige Aroma der Straße schlugen ihm entgegen. Unerklärlicherweise und zu seinem absoluten Entsetzen trotzte Little Mac, der Idiot in seiner Hose, jeder Konvention – ganz zu schweigen von der Menge an Alkohol, die er zu sich genommen hatte – und reckte sich auf Halbmast.

Um Gottes willen, dachte er angewidert und nannte im Geist sich selbst und den kleinen Mac einen zehnfachen Narren, gerade als Delilah herausplatzte: »Gott sei Dank, dass du hier bist.«

»Hä?« Okay, selbst in seinem scotchumnebelten Zustand erkannte er, dass diese Bemerkung nicht unbedingt geistreich war.

Delilah runzelte die Stirn. »Bist du betrunken?« Sie stemmte die Hände in die Hüften. In ihre runden, kurvigen, himmlischen Hüften. Ihre liebreizenden Hüften, die einfach um ein Paar Männerhände bettelten und … zur Hölle …

»Vielleicht«, gab er zurück und hielt Daumen und Zeigefinger zwei Zentimeter voneinander entfernt, »ein ganz klein wenig.«

»Gott verdammt noch mal!«, knurrte sie und bestellte sofort zwei Tassen Kaffee bei Brendon.

»Hey, immer mit der Ruhe. Tu das nicht«, protestierte Zoelner. »Ich habe den ganzen Abend an diesem Rausch gearbeitet, und ich –«

»Halt die Klappe«, unterbrach Delilah ihn. An Macs Nasenwurzel bildete sich eine Falte. Delilah redete zwar gewöhnlich frei von der Leber weg, und in ihrem Gesicht spiegelte sich, was sie von einem hielt, so war sie nun mal. Aber dies klang anders. Der Ton, den sie Zoelner gegenüber angeschlagen hatte, grenzte an Unhöflichkeit.

»Ich brauche dich.« Sie deutete mit einem rot lackierten Fingernagel auf Zoelners Nase, was dazu führte, dass er schielte, als er versuchte, sich darauf zu konzentrieren.

Brr. Was? Sie brauchte … Zoelner? Dann wandte sie sich an ihn, um ihn in diese ihm schier den Magen umdrehende Feststellung einzuschließen. »Ich brauche euch beide.«

Zoelner verzog das Gesicht zu einem Ausdruck verwirrter Nachdenklichkeit. »Nur um das klarzustellen: Ich bin normalerweise nicht der Mann, der seine Vergnügungen teilt.«

Okay, allein der Gedanke ließ ein entsetzliches Gefühl – nicht Eifersucht, definitiv nicht Eifersucht – in Macs Kopf summen wie ein Schwarm zorniger texanischer Wespen. »Aber wenn du Lust hast –«

»Nicht so«, zischte Delilah, und Farbe stieg in ihre bereits geröteten Wangen.

In Ordnung. Irgendetwas – Mac legte den Kopf schräg und blinzelte – stimmt hier nicht. Unglücklicherweise sorgte die verwirrende Mischung aus Scotch und Delilahs Nähe dafür, dass er nicht ganz den Finger darauf legen konnte. Doch sie sparte ihm die Mühe, das Rätsel selbst zu lösen, und platzte heraus: »Mein Onkel ist verschwunden. Und ich brauche euch zwei, um ihn zu finden.«

Tja. Das machte einen Mann wohl schlagartig nüchtern.

1

Draußen vor Theo Fairchilds Stadthaus

Dreißig Minuten später

Du darfst nicht in Panik geraten. Delilah Fairchild hatte diese Worte stundenlang im Geist wiederholt. Zum ersten Mal, als ihr Onkel nicht zur verabredeten Zeit wieder im Motel erschienen war. Dann beim ersten bis zum dreizehnten Anruf auf sein Handy – alle hatten sie nur auf die Mailbox weitergeleitet. Nach einem halben Dutzend Nachfragen bei den Krankenhäusern der Gegend, die nichts und wieder nichts ergeben hatten. Dann in Kombination mit einem ziemlich poetischen Fluch, als die örtliche Polizei ihr mitgeteilt hatte, sie müsse vierundzwanzig Stunden warten, bevor ihre Vermisstenanzeige ernsthaft Aufmerksamkeit finden würde – ihr Onkel sei erwachsen und so weiter und habe sich wahrscheinlich einfach irgendwo in einem Hotel verschanzt, um sich seinen Knauf polieren zu lassen. Nur fürs Protokoll, der Polizist hatte das nicht tatsächlich gesagt, aber seine Ansicht war klar gewesen. Und schließlich ununterbrochen während der wilden, viereinhalbstündigen Rückfahrt nach Chicago auf ihrem Motorrad.

Aber in Wahrheit geriet sie wirklich langsam in Panik.

Heftigst.

Natürlich war es nicht gerade hilfreich, dass zwei der Männer, auf deren Hilfe sie sich bei der Suche nach ihrem Onkel verlassen hatte, zufällig voll wie die sprichwörtlichen Haubitzen waren. Als sie mit der Absicht in die Bar gestürmt war, nach oben in ihre Wohnung über dem Gastraum zu laufen, um die Ersatzschlüssel zu dem neuen Stadthaus ihres Onkels zu holen, war sie über alle Maßen erleichtert gewesen, die beiden Black Knights auf ihren Barhockern am Tresen sitzen zu sehen.

Diese Erleichterung hatte ungefähr zehn Sekunden angehalten. Mit Betrunkenen zu tun zu haben war ja schon ärgerlich genug. Nur eines war noch ärgerlicher: mit Betrunkenen zu tun zu haben, die man unbedingt nüchtern brauchte.

Und apropos Betrunkene … Ein gelbes Taxi hielt hinter ihrer Harley, und seine Scheinwerfer tauchten sie in grelles weißes Licht. Sie hob eine Hand und blinzelte dagegen an, während sie den Ständer des Choppers ausklappte und ihren Helm über den verchromten Lenker hängte. Bryan »Mac« McMillan und Dagan Zoelner, beide bekleidet mit verblichenen Jeans, Sommerlederjacken und T-Shirts, die Reklame für die Custom-Bikes von Black Knights Inc. zeigten, stiegen aus dem Auto. Ihre dunklen Silhouetten wirkten vor dem gleißenden Licht massig und bedeutungsvoll – Mac mit seinen ausgeprägten Muskeln und dem ewigen Stirnrunzeln noch mehr als Dagan – und, wer hätte das gedacht? Sie waren genau das, was sie im Moment brauchte. Wenn sie nur nüchtern wären …

Sie konnte, wie ihr Onkel Theo gern sagte, gleichzeitig mit einer Hand nach ihren Wünschen greifen und mit der anderen in die Scheiße und zusehen, welche Hand sich schneller füllte. Was in diesem Fall betrunken oder nüchtern meinte, doch sie nahm Mac und Zoelner so oder so.

»Also, wonach suchen wir hier?«, fragte Zoelner und trat neben sie. Der Bursche stolperte leicht, als er den Kopf in den Nacken legte, um an dem Kaffee zu nippen, den Brendan für sie in Styroporbecher gefüllt hatte. Er taumelte abermals, als er zu dem dreistöckigen Stadthaus aufschaute, dem ihr Onkel gerade mit Restaurationsmaßnahmen zu seiner früheren Pracht verhalf. Die schwach leuchtenden Straßenlaternen ließen die warme steinerne Fassade des Gebäudes scharfkantig wirken und sorgten für dunkle Schatten. Vielleicht gingen die Nerven mit ihr durch, oder es lag am Adrenalin, das den ganzen Tag über durch ihre Adern gerauscht war, aber aus irgendeinem Grund kam ihr das ein wenig wie eine … Vorahnung vor. Vielleicht sogar … eine böse?

Okay, mach dich nicht lächerlich, tadelte sie sich selbst. »Wir suchen ein Adressbuch, eine Telefonnummer, irgendetwas, das mir vielleicht verrät, wo Charlie wohnt. Etwas, auf dem sein Nachname steht, wäre schon hilfreich.«

»Charlie?«, erkundigte sich Zoelner.

»Der Freund, den mein Onkel besucht hat.«

»Ah.« Zoelner nickte und trank vorsichtig einen weiteren Schluck Kaffee, während Mac dem Taxifahrer durch das offene Fenster Geldscheine reichte. Sie war froh, dass er auf dem Pfad zur Nüchternheit schon erheblich weitergekommen zu sein schien als Zoelner. Als das Taxi davonfuhr, schritt er mit bemerkenswert festem Schritt einher, und sein großes, kantiges Gesicht wies im schummrigen Licht der Straßenlaternen harsche, strenge Linien auf. Von den beiden Männern sah Zoelner auf klassische Weise sicherlich besser aus, mit seinen schiefergrauen Augen, den hohen Wangenknochen und dem gewelltem braunem Haar.

Aber Mac hatte einfach irgendetwas an sich …

Vielleicht war es die Intensität seines durchdringenden Blicks aus blauen Augen oder die leicht schiefe Nase. Möglicherweise auch die Art, wie sein kräftiger Unterkiefer störrisch vorsprang, oder dieses viel zu erotische Grübchen mitten in seinem Kinn. Die Gefahr schien ihn zu umgeben wie eine Art testosteronbeladene Wolke, etwas, das man spürte, aber nicht sah. Obwohl es in Wahrheit vermutlich viel mehr mit der Tatsache zu tun hatte, dass ihn zu kennen auch gleichzeitig bedeutete, ihn zu fürchten. Zumindest ein klein wenig. Oder auch erheblich. Und sie hatte immer eine Schwäche für böse Buben gehabt.

Mac war definitiv ein böser Bube. Der Mann hatte einen Alphamännchengang, den man aus einer Entfernung von hundert Metern erkannte. Und wenn sie dann auch noch an das Geheimnis dachte, das ihn umwitterte – er war ein ehemaliger FBI-Agent, der zum Geheimagenten geworden war und jetzt als Motorradmechaniker undercover arbeitete –, trieb sie das in den Wahnsinn. Einen Wahnsinn, bei dem sie sich kaum unter Kontrolle hatte, so feucht wurde ihr Höschen.

Bedauerlicherweise hatte Mac hinreichend klargestellt, dass ihre Gefühle nicht erwidert wurden. Dieser Mistkerl. Wobei es ein Silberstreif am Horizont war – wenn es so etwas in dieser gottverdammten Situation überhaupt gab –, dass der Stachel, den sie normalerweise verspürte, wenn sie über seine wiederholten Zurückweisungen nachdachte, vollkommen davon überschattet wurde, dass ihr Onkel sich in Luft aufgelöst zu haben schien. Puff! Houdini hätte es nicht besser hinbekommen.

Verdammt, Onkel Theo! Wo zum Teufel steckst du? Sie schickte diese Frage gen Himmel. Aber wie schon den ganzen Tag über entschied sich der Himmel dafür, sie zu ignorieren, und weigerte sich, sie zu dem Mann zu führen, der nach dem Tod ihrer Eltern bei einem schrecklichen Autounfall sein Junggesellenleben aufgegeben hatte, um sich häuslich niederzulassen und ein siebenjähriges Mädchen mit gebrochenem Herzen großzuziehen. Zu dem Mann, der Vater, Freund und Vertrauter in einem war. Zu dem Mann, der die eine Person auf dem ganzen Planeten war, die zu ihr gehörte.

Die Tränen, die sie bisher in Schach gehalten hatte, brannten in ihren Augen, aber sie stemmte sich dagegen, sie zu vergießen. Erstens, weil sie verdammt noch mal keine Heulsuse war! Und zweitens, wenn sie sie vergoss, wäre es so, als würde sie sich die Möglichkeit eingestehen, dass tatsächlich das Schlimmste passiert sein könnte. Dass sie Theo vielleicht nie wiedersehen würde und …

»Dann mal los, setz mich ins Bild über das, was du bisher weißt«, wies Mac sie in seiner trägen Sprechweise der Südstaaten an und riss sie damit aus ihren Gedanken. Was nur gut war. Diese Gedanken hatten sich düsteren Gefilden genähert. Solchen, die zu beschreiten sie nicht bereit war. Jedenfalls noch nicht.

»Was ich bisher weiß?«, fragte sie mit einem Schnauben, das einem Schluchzen bedenklich nahekam. »Also, dass ihr eine ordentliche Dosis Scotch hattet ohne jede Beilage.«

Okay, das klang eine Spur zickiger und erheblich undankbarer, als sie beabsichtigt hatte. Sie war froh darüber, dass sie hier bei ihr waren. Wirklich. Denn es kam nicht infrage, die vorgeschriebene Zeit abzuwarten, bis die Polizei von Marion etwas unternahm. Weil sie glaubte, dass die ersten vierundzwanzig Stunden nach dem Verschwinden einer Person die kritischsten waren. Und weil sie wusste, dass sie nichts Besseres tun konnte, als sich der Hilfe der knallharten Jungs von Black Knights Inc. zu versichern. Sie hätte ihnen also auf Knien dafür danken sollen, dass sie sich ohne einen Moment des Zögerns ihrer Sache angenommen hatten, statt eine rationale, direkte Frage mit einem Seitenhieb voll beißendem Sarkasmus zu beantworten. Verdammt. Sie hasste es, sich verletzbar zu fühlen. Es machte sie zu einem ziemlichen Miststück. Doppelt, dreifach, vierfach: verdammt!

Sie schüttelte den Kopf über sich selbst und verzog das Gesicht. »Tut mir leid«, murmelte sie und biss sich auf die Innenseite ihrer Wange. »Ich bin bloß … ich kann nicht …« Sie brach ab und kaute nun auf ihrer Unterlippe herum. Dann konnte sie zu ihrer eigenen Verteidigung nur noch mit den Schultern zucken.

Zoelners Miene war voller Mitgefühl. Und Mac?

Nun, Mac war schwerer zu durchschauen. Er war der König der Unergründlichkeit. Und, Mannomann, auf der Liste der Dinge, die sie ärgerten und schier verrückt machten, rangierte das normalerweise ganz oben. Als eine mit allen Wassern gewaschene Barkeeperin, die sonst welchen Männern Drinks serviert hatte, vom schmierigsten, eingebildeten Großstadtpolitiker bis hin zum schlichtesten, bodenständigen Schichtarbeiter, bildete sie sich ein, dass sie ziemlich gut darin war, Leute zu durchschauen.

Sie hatte es nie geschafft, Mac zu durchschauen.

Glücklicherweise waren seine nächsten Worte, im Gegensatz zu dem gewohnt unbewegten Gesichtsausdruck, beruhigend. »Ist schon gut, Delilah.« Seine tiefe, brummige Stimme erinnerte sie immer an die von Sam Elliott. »Es gibt nichts, was dir leidtun müsste.«

Es gab nichts, was ihr leidtun musste. Wirklich? Das sah sie ganz anders. »Wenn ich mir heute Morgen die Zeit genommen hätte, Onkel Theo nur einige einfache Fragen zu stellen, bevor er weggefahren ist …« Sie brach ab, presste die Augen zusammen und führte sich die Szene noch einmal vor Augen. »Wenn ich ihn gebeten hätte, mir genau zu sagen, wo er hinwollte, statt mich auf die Seite zu rollen und mir die Decke über den Kopf zu ziehen, hätte ich vielleicht –«

»Wenn das liebe Wenn nicht wär«, unterbrach Zoelner. »Es gibt nichts, was diesen Morgen verändern könnte.«

»Er hat recht«, fügte Mac hinzu. »Du darfst dich nicht fertigmachen wegen etwas, was du unmöglich wissen konntest. Hinterher ist man immer klüger.«

Sie sollte sich nicht fertigmachen. Ein guter Rat. Und obwohl dies eine der Situationen war, die unter die Überschrift »Leichter gesagt als getan« fielen, war es vermutlich das Dümmste, was sie tun konnte. Denn wenn sie sich damit quälte, was sie hätte tun können, was sie hätte tun sollen, würde sie das nur immer näher an den Rand eines mentalen und emotionalen Zusammenbruchs führen. Und das würde niemandem etwas nutzen. Weder ihr noch diesen wild entschlossenen – wenn auch ebenso kräftig angetrunkenen – Männern, die versuchten, ihr zu helfen. Und schon gar nicht ihrem Onkel.

Sie straffte die Schultern und reckte das Kinn vor. »Ihr habt recht.« Dann marschierte sie in der Hoffnung, viel mehr Unerschütterlichkeit zu demonstrieren, als sie empfand, zu dem hohen schmiedeeisernen Zaun, der den Vorgarten des neuesten Hauses ihres Onkels einfriedete. Zu dem Tor, das er vor ihren Augen erst am Abend zuvor zugeschlossen hatte.

Scheiße – ein einziger Tag? Wirklich? Waren wirklich erst vierundzwanzig Stunden vergangen, seit sie dem Ausflug zugestimmt hatte, der sie nun hierhergeführt hatte? Und an einen Punkt, an dem ihr Onkel Gott weiß wo war und ihre ganze Welt auf dem Kopf stand? Sie hatte das Gefühl, ein ganzes Leben gelebt zu haben …

»Das Ganze hat gestern Nachmittag angefangen, als mein Onkel eine SMS von Charlie bekommen hat, seinem alten Kumpel bei den Marines. Charlie Soundso. Ich kenne den Nachnamen dieses Typen nicht, und das ist Teil des Problems. Fakt ist, ich habe den Mann nie kennengelernt, obwohl Onkel Theo ihn mindestens ein Mal im Jahr besuchen fährt.« Sie war entschlossen, Macs Bitte zu erfüllen, ihn über das ins Bild zu setzen, was sie bisher wusste, diesmal ohne jeden Sarkasmus. Oh Mann! »Jedenfalls hat Charlie Onkel Theo eingeladen, ihn zu besuchen. Aber Onkel Theo hat mir gesagt, er habe eigentlich gar keine Lust, die Reise allein zu unternehmen. Ich habe ihn dazu überredet und versprochen mitzukommen. Und dass es eine schöne Fahrt werden und Spaß machen wird.«

Und es hatte Spaß gemacht. Bis ihr Onkel nicht zurückgekommen war. Sie hob den Schlüsselring und musste feststellen, dass ihre Hand trotz ihrer größten Bemühungen, sich zusammenzureißen, so heftig zitterte wie die eines Alkoholikers, der seit vierundzwanzig Stunden von seinem Spirituosenvorrat abgeschnitten war.

Gerate nicht in Panik. Die vier Worte huschten zum Millionsten Mal durch ihren Kopf. Nur dass ihre Psyche jetzt die Nase von dem Mantra voll zu haben schien und schnell antwortete mit: Klar, genau, Schwester. Ist ja nichts passiert.

Okay, großartig. Das war genau das, was sie nicht gebrauchen konnte, dass ihr eigenes Unterbewusstsein eine Meuterei anzettelte.

Mac zerknüllte seinen leeren Kaffeebecher und warf ihn in einen Mülleimer in der Nähe, bevor er ihr sanft die Schlüssel aus der Hand nahm. Geschickt steckte er den Schlüssel ins Schloss, drehte sein kräftiges Handgelenk und drückte das Tor auf. Angesichts der Menge an Scotch, die ihrer Meinung nach konsumiert worden war – sie wusste nicht, wer von den beiden wie viel getrunken hatte, aber die Luft um sie herum stank so nach Whisky, dass sie Angst davor hatte, zufällig an einer offenen Flamme vorbeizukommen –, hätte sie das kaum für möglich gehalten. Das Tor quietschte in den Angeln, und das schaurige Geräusch schoss ihr das Rückgrat hoch wie die Spitze einer stählernen Klinge und zerrte noch mehr an ihren bereits blank liegenden Nerven. Was zum Teufel stimmt nicht mit mir?

Vermutlich war sie zusammengezuckt, oder Mac setzte einfach sein Superwissen ein, das ihm in der FBI-Kaderschmiede vermittelt worden war, denn er runzelte unwillig die Stirn. »Atme, Delilah«, instruierte er sie streng. »Du siehst aus, als würdest du entweder deinen Nachmittagskeks von dir geben wollen oder ohnmächtig werden.«

Und er traf ins Schwarze, denn sie wusste tatsächlich nicht, ob sie sich gleich übergeben oder zusammensacken würde. Um Himmels willen, reiß dich zusammen!

»Ich wusste nicht, dass dein Onkel ein Marine war«, sagte Zoelner, lehnte sich an das Tor und schlürfte lautstark seinen Kaffee.

»Er erzählt nicht gern von diesem speziellen Lebensabschnitt«, gab sie zu.

»Wieso? Warum nicht?«, fragte Zoelner. »Heißt es nicht: die Wenigen, die Stolzen, die Marines. Wo ist sein Stolz geblieben?«

»Bedenke, wie alt er ist.« Atme einfach, Delilah. Atme. »Wenn er erzählt, dass er bei den Marines war, nehmen gleich alle an, er wäre in Vietnam gewesen.«

»War er nicht dort?« Zoelner zog eine Augenbraue hoch.

Ja, genau, es war dieser Gesichtsausdruck, der ihr begreiflich machte, warum ihr Onkel es vorzog, seine Zeit beim Militär unter den Teppich zu kehren. So viele gute Männer waren in diesem Krieg gestorben – oder aber irreparabel verändert oder geschädigt nach Hause gekommen –, dass es irgendwie schlimmer war zuzugeben, ein Marine gewesen zu sein, der nie irgendwelche Action erlebt hatte, als zu sagen, dass er überhaupt nie bei der Armee gewesen sei.

»Nein. Er war im Stab oder Ingenieur oder so«, sagte sie und war dankbar, als Mac das Gespräch plötzlich unterbrach mit den Worten: »Ich bezweifle ernsthaft, dass sein Kampfeinsatz vor Jahrzehnten irgendetwas mit seinem heutigen Verschwinden zu tun hat. Also, kommen wir wieder auf den Punkt, ja?«

Jawohl. Der Punkt. Dass ihr Onkel verschwunden war … lieber Gott!

»Delilah, du musst mich Schritt für Schritt durch den letzten Tag führen.«

Vielleicht lag es an der Tatsache, dass seine himmelblauen Augen die ganze Zeit auf ihrem Gesicht ruhten, oder möglicherweise daran, dass es sie erdete zu sehen, wie die sanfte Brise das dichte braune Haar über seiner Stirn zerzauste, jedenfalls schienen sich die Wogen der Furcht, die sie den ganzen Nachmittag und Abend hin und her geworfen hatten, ein wenig zu glätten. Nur ein klitzekleines bisschen.

»Onkel Theo und ich sind gestern Abend nach Marion gefahren.« Bildete sie es sich nur ein, oder war ihre Stimme ein wenig fester als eben noch? »Wir haben in einem Motel eingecheckt, weil Onkel Theo sagte, Charlies Haus sei eine Müllkippe und nicht besuchertauglich. Ich vermute, Charlie wohnt eigentlich nicht in Marion, sondern irgendwo außerhalb. Und die Tatsache, dass ich keine Ahnung habe, wo, ist ein weiterer Teil des Problems.« Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. Warum, warum hatte sie ihrem Onkel nicht mehr Fragen gestellt? »Aber wie dem auch sei, heute Morgen ist Onkel Theo früh aufgestanden, um zu Charlie zu fahren. Er hat mir erzählt, dass sie wahrscheinlich sowieso nur über die alten Zeiten reden und ich mich zu Tode langweilen würde. Also hat er mich ausschlafen lassen, und ich wollte morgens ein bisschen in meinem Buch weiterlesen. Er sollte zum Mittagessen zurück sein. Wir hatten geplant, uns in der Imbissstube auf der anderen Straßenseite einen Hamburger zu holen, bevor wir uns auf unsere Bikes schwingen und wieder Richtung Heimat fahren wollten. Eigentlich alles kinderleicht.«

Dann kam ihr der Gedanke, dass es komisch war – nicht witzig-komisch, sondern zum Kotzen komisch –, wie schnell sich etwas innerhalb einer Minute von kinderleicht zu verdammt beschissen entwickeln konnte.

»Er ist zum Mittagessen nicht aufgetaucht. Er ist nicht an sein Telefon gegangen. Die Krankenhäuser in der Nachbarschaft hatten niemanden aufgenommen, auf den seine Beschreibung gepasst hätte. Und die Polizei von Marion hat mir gesagt, ich müsse vierundzwanzig Stunden warten, bevor sie mit einer Ermittlung beginnen würden. Aber ich kann keine vierundzwanzig Stunden warten.« Sie legte Mac eine Hand auf den muskulösen Unterarm, wo der Ärmel seiner Motorradjacke nach oben gerutscht war. Seine rauen, männlichen Haare kitzelten ihre Handfläche, und seine Haut fühlte sich heiß an unter ihren Fingerkuppen. Ihr war, als würde ein Stromschlag ihren Arm hinaufschießen. Sie versuchte, es zu ignorieren. Was funktionierte. Mehr oder weniger … »Ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Er würde nicht einfach so verschwinden. Es ist ihm etwas zugestoßen, Mac. Etwas Schlimmes.«

Und einfach so löste sich ihre ganze vorübergehende Gelassenheit in Luft auf. Ein Schluchzen, gegen das sie verzweifelt ankämpfte, schnürte ihr die Kehle zu.

Gerate nicht in Panik. Die Worte des Mantras hatten ihre Bedeutung verloren und damit ihre Macht. In Wahrheit war sie mehr als panisch. Sie hatte schlicht und ergreifend eine Scheißangst. Scheißangst mit einem großen S. Scheißangst bis in ihre tiefste Seele hinein.

Ein Muskel zuckte in Macs Kinn, das den Bartschatten eines langen Tages aufwies, und der Ausdruck auf seinem Gesicht war …

»Schscht. Du weißt das nicht mit Bestimmtheit«, flüsterte Zoelner und schlang ihr einen Arm um die Schultern.

»Doch. Ich weiß es sehr wohl mit Bestimmtheit«, beharrte sie, und ihre Augen flehten Mac an, ihr zu glauben. Gegen alle Vernunft, trotz ihrer steinigen Beziehung – oder eher ihrer steinigen Nicht-Beziehung – war es nur seine Meinung, die für sie zählte.

Sie bildete sich ein, ihn nicken zu sehen, nur ein kurzes Rucken seines von dem Grübchen gezierten Kinns. Andererseits spielte ihr vielleicht das schummrige Licht der Straßenbeleuchtung Streiche, denn die Worte, die er brummte, waren: »Wir werden einfach abwarten müssen.«

Sie öffnete den Mund, wurde aber daran gehindert, ihre Meinung energischer zu vertreten, weil Mac plötzlich umstandslos ihr Handgelenk packte und sie unter Zoelners Arm hervorzerrte. Dann, bevor sie ein Kieksen des Protests von sich geben oder, was wahrscheinlicher gewesen wäre, ihn schlagen konnte, weil er sich an ihr vergriffen hatte, zog er sie die Treppe hinauf, bis sie vor der breiten Holztür des Stadthauses standen.

»Ey!« Sie schnaubte und rieb sich das Handgelenk. Obwohl sie, wenn sie ganz ehrlich war, nicht wirklich etwas gegen seine Handgreiflichkeit gehabt hatte. Denn das bedeutete, dass er sie berührte. Und das Gefühl seiner schwieligen Handfläche war …

Oh Mann! Ernsthaft, Delilah? Wie jämmerlich willst du noch werden? Wie oft muss der Mann noch sein Nein bedeuten, bevor du den Fingerzeig verstehen wirst? Und wie verkorkst bist du, dass du dich wie ein liebeskranker Teenager nach ihm verzehrst, während verdammt noch mal Onkel Theo verschwunden ist?

Die Antworten auf diese Fragen waren einfach. In der richtigen Reihenfolge lauteten sie: Erstens, sehr jämmerlich; zweitens, anscheinend zumindest noch ein einziges weiteres Mal; und drittens, ziemlich verkorkst. Mac sperrte die Haustür auf, und sofort stieg ihr ein Geruch von Sägespänen, der sich mit dem von Zigarrenrauch mischte, in die Nase. Ihr Denken setzte aus. Diese beiden Düfte würden sie immer an ihren Onkel erinnern. Unvermittelt riss der gefährlich dünne Faden, mit dem sie ihre Gefühle zusammengeschnürt hatte.

Ihr Kinn begann zu zittern. Das war nie ein gutes Zeichen … Und ihre Nase begann zu brennen.

Und sie war starr vor Angst, es war wie ein böses Omen … Nein, nein, nein. Tu es nicht. Weine nicht, als seist du eine Memme ohne Mumm in den Knochen.

Aber es war zu spät. Die Wassermassen sprengten alle Dämme, und jetzt gab es kein Halten mehr. Zumindest dachte sie das.

Dann spürte sie, wie Mac sich vorbeugte und seine starken, warmen Finger zwischen ihre schob.

Mac war immer noch betrunken.

Das war die einzige Erklärung dafür, warum er Delilah ohne Federlesens aus Zoelners Umarmung gerissen hatte, um die Forderungen des grünäugigen Monsters zu befriedigen, das in ihm tobend zum Leben erwacht war, sobald der ehemalige CIA-Agent ihr einen Arm um die Schultern geschlungen hatte. Denn es bestand nicht der geringste Zweifel daran, dass es ihn nicht im Mindesten scherte, ob ein anderer Mann sie tröstete oder nicht – ob er sie berührte oder nicht. Nicht, nachdem er den größten Teil seines Lebens damit verbracht hatte, Frauen wie ihr aus dem Weg zu gehen. Und gewiss nicht, nachdem er die letzten paar Jahre ganz speziell ihr aus dem Weg gegangen war.

Die Tatsache, dass es ihn doch scherte, musste bedeuten, dass er, jawohl, immer noch betrunkener war als der alte Cooter Brown. Und das würde auch erklären, warum er, als er sah, wie ihr kleines Kinn zu zittern begonnen hatte, wider besseres Wissen und seinen gesamten gesunden Menschenverstand ihre Hand ergriffen hatte.

Andererseits konnte er diesen letzten Schritt vermutlich nicht nur dem Alkohol zuschreiben, denn in Wahrheit war er schon immer eine leichte Beute für hübsche Mädchen mit Tränen in den Augen gewesen.

Und Delilahs Tränen? Mannomann! Sie waren ganz besonders herzzerreißend, weil sie eigentlich zu den Frauen gehörte, die, wie sein Vater zu sagen pflegte, nicht zögerten, das Höllenfeuer mit einem Eimer Eiswasser zu löschen. Doch als er den Blick senkte, stellte er fest, dass ihre Augen knochentrocken und groß wie Pizzateller waren.

Zweifellos rührte ihr Schock größtenteils daher, dass er tatsächlich bereit war, sie zu berühren. Vor allem, weil es kein großes Geheimnis war, dass er eine beträchtliche Menge der Zeit, die sie einander gekannt hatten, damit verbracht hatte, das tunlichst zu vermeiden.

Das Problem war, er hatte sich immer irgendwie gedacht, dass eine Berührung Delilahs etwas Ähnliches war wie eine Dosis Kokain. Ein Mal war genug, um einen Mann lebenslang daran zu fesseln. Und als er spürte, wie ihre kühlen, schlanken Finger sich zögerlich um seine schlossen, als ihr leiser Atem sein Kinn kitzelte, weil sie zu ihm emporschaute, während ihr üppiger Mund ein kleines O der Überraschung formte … tja, da konnte man seinen letzten Dollar darauf verwetten, dass Little Mac es bemerkte. Und Big Mac? Dem war klar, dass er die ganze Zeit über recht gehabt hatte …

Er mochte verhindert haben, dass Delilah in Tränen ausbrach, aber er hatte außerdem gerade diese erste Linie Kokain geschnupft. Das war ein Fehler, du Dummkopf. Ein riesengroßer Fehler!

Er ließ ihre Hand los, als sei sie eine heiße Kartoffel, räusperte sich und drehte sich um. Zoelner stand direkt hinter ihnen. Der Bursche ließ ein aufreizend hinterhältiges Feixen sehen, als er seinen Styroporbecher hob, um lautstark den letzten Rest von etwas, das widerlicher lauwarmer Kaffee sein musste, zu schlürfen.

Mac kniff die Augen zusammen und bedachte ihn mit einem Blick, der deutlich sagte: Was immer du sagen willst, halt die Fresse, sonst poliere ich sie dir.

Aber Zoelner war entweder immer noch zu besoffen, um die unausgesprochene Drohung in seinen Augen zu erkennen, oder, was wahrscheinlicher war, es war ihm scheißegal, denn das hinterhältige Feixen verwandelte sich in ein teuflisches Grinsen, kurz bevor er den Mund öffnete. Glücklicherweise blieb es Mac erspart, Zoelner mit einem Fünf-Finger-Sandwich zu füttern – offensichtlich sollte man Männern niemals erlauben zu trinken, denn es ließ sie auf Primatenstatus zurückfallen –, als Delilah sich räusperte und sagte: »Gehen wir rein, ja?«

Sie trat über die Schwelle und legte einen Schalter um. Sofort war der Raum in das helle Licht einer einzelnen nackten Glühbirne getaucht, die an einem Kabel in der Mitte der Decke baumelte, und Mac begriff, was es war, das er gerochen hatte …

Sägespäne. Sie überzogen den großen Raum mit einem feinen Pulver, bestäubten die Planen, die über den nackten Bodendielen lagen, bedeckten die elektrischen Zimmermannswerkzeuge, die hier und da herumlagen, und häuften sich zentimeterdick auf den Sägeböcken, die in der Mitte des Raumes standen.

»Also, dies ist Theos neuestes Projekt, hm?«, fragte Zoelner und gab Mac von hinten einen Stoß, sodass er gezwungen war, Delilah ins Haus zu folgen. »Was ist mit dem alten viktorianischen Haus, das er in Lakeview restauriert hat?«

»Damit ist er vor zwei Monaten fertig geworden«, antwortete Delilah und ging um die Sägeböcke herum.

»Hat er es am Ende für die Summe verkauft, auf die er gehofft hatte?«, erkundigte sich Zoelner und schlenderte zu einem riesigen Mülleimer, der in eine Ecke geschoben worden war. Dann warf er seinen leeren Kaffeebecher hinein.

»Ungefähr fünfzig Riesen mehr, als er sich erhofft hatte.«

»Wow.« Zoelner stieß einen Pfiff aus. Delilah drehte sich um und schenkte ihm das erste Lächeln – nun, ein Halblächeln eigentlich –, das sie an diesem Abend zustande brachte.

Macs Hände ballten sich zu Fäusten. Halt. Worum um alles in der Welt geht es hier eigentlich? Vielleicht konnte er nach all dem Scotch immer noch nicht klar denken? Obwohl diese Ausrede, wäre er ganz ehrlich mit sich selbst, so ziemlich daneben war. »Irre ich mich, oder sind wir aus einem bestimmten Grund hierhergekommen?«, verlangte er zu erfahren und fühlte etwas Unerklärliches. Etwas, das er nicht wahrhaben wollte.

»Ja.« Delilah nickte, und ihr Lächeln verschwand genauso schnell, wie es gekommen war. Und, verdammt, er hätte sich selbst in den Hintern treten können, weil er der Anlass dafür war. »Ja. Ich laufe mal hoch in das Zimmer, das er als Büro benutzt hat. Früher, bevor er alles in sein I-Phone eingetragen hat, befand sich, wenn ich mich recht erinnere, sein Adressbuch in der obersten Schublade seines Schreibtischs. Eventuell ist es noch dort. Und vielleicht finden wir darin Informationen über Charlie.«

Laut sagte Mac: »Klingt gut.« Aber innerlich instruierte er sich, nicht zuzusehen, wie sie die Treppe ins erste Stockwerk hinaufging. Bedauerlicherweise waren es zwei vollkommen verschiedene Dinge, was er sich zu tun befahl und was er tatsächlich tat. Die Wahrheit war, dass Delilah rundum aus Dynamit zu bestehen schien. Aber in den butterweichen Lederhosen, die ihre Beine umschmeichelten und durch den Jeansschnitt ihren wunderbaren herzförmigen Hintern zur Geltung brachten, war ihre rückwärtige Ansicht einfach umwerfend. Er hatte Zoelner nicht näher kommen hören, daher zuckte er zusammen, als der Mann ihm kräftig auf die Schulter klopfte.

»Sie ist eine der Frauen, die man gern von hinten sieht, die man aber nicht gehen lassen möchte, stimmt’s?« Zoelner zwinkerte ihm zu.

»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Mac, und seine Backenzähne knirschten so heftig, dass er nicht sicher war, ob es die Zähne waren, die er hörte, oder die Plastikplane unter seinen Stiefeln.

»Ich weiß nicht, wovon du redest«, äffte Zoelner ihn nach und imitierte ziemlich gut einen gedehnten Texasakzent, bevor er so laut die Luft einsog, dass Mac es für ein Wunder hielt, dass der Bursche seine Mandeln nicht verschluckte. »Du gibst diese Floskel immer wieder in Bezug auf deine Beziehung mit unserer verführerischen Barkeeperin von dir. Was mich zu der Annahme führt, dass du die Hosen ganz schön voll hast.«

»Zunächst einmal habe ich keine Beziehung mit unserer verführerischen Barkeeperin. Und zweitens, ich glaube, du bist sturzbesoffen.«

»Da könntest du recht haben«, gab Zoelner mit einem schiefen Grinsen zu. »Zumindest was die Tatsache betrifft, dass ich sturzbesoffen bin. Aber morgen werde ich nüchtern sein, und du wirst immer noch die Hosen voll haben. Also, was soll’s.«

Und siehe da, dieser kleine Schlagabtausch bewies Macs Theorie über den Primatenstatus. Er runzelte die Stirn, worauf Zoelners Grinsen nur umso breiter wurde. Dann zuckte Zoelner mit den Schultern und schaute sich im Raum um. »Mann«, sagte er. »Der gute alte Theo hat mit diesem Haus alle Hände voll zu tun.«

Und da ging Mac auf, was ihm in den letzten paar Minuten so zu schaffen gemacht hatte. »Wieso um alles in der Welt weißt du überhaupt so viel darüber, was in Delilahs Leben und dem Leben ihres Onkels los ist? Ich meine, altes viktorianisches Haus in Lakeview? Im Ernst?«

Zoelner warf Mac einen Blick zu, der ihn die Gültigkeit seines Collegeabschlusses bezweifeln ließ. »Ich weiß so viel über das, was in ihrem Leben geschieht, weil ich, du weißt schon«, er machte eine aufreizende Handbewegung, »tatsächlich mit ihr rede und so, wenn ich in ihre Bar gehe, um etwas zu trinken.«

»Im Gegensatz zu?«, hakte Mac nach.

»Im Gegensatz zum Murren und Knurren und den schmutzigen Blicken, die man ihr ständig zuwirft.«

»So was mache ich nicht.«

Zoelners Gesichtsausdruck wurde sanft. »Alter«, erwiderte er, »du hast wirklich keine Ahnung, wie schlimm es dich erwischt hat, oder?«

Mac weigerte sich, auf diese Frage zu reagieren, einfach wegen ihrer Ungeheuerlichkeit. Er wusste, wie es war, wenn es einen »schlimm erwischte«. Er hatte Erfahrungen aus erster Hand mit »schlimm erwischt«. Und ihn hatte es gewiss nicht schlimm erwischt, was Delilah betraf. Tatsächlich würde er so weit gehen zu sagen -

Ein dumpfer Aufprall ertönte direkt über ihren Köpfen. Und Mac fand heraus, wie es sein musste, einen ausgewachsenen Herzinfarkt zu erleiden. Denn diesem Aufprall folgte sofort Delilahs Schrei, der ihm das Blut in den Adern gerinnen ließ.

2

Delilah hatte gerade die Deckenlampe im Büro ihres Onkels in der oberen Etage ausgeschaltet und den Raum in tintenschwarze Dunkelheit getaucht, als sie im schwachen Licht aus dem unteren Stockwerk, das durch das Treppenhaus hineinschien, bemerkte, dass die Tür neben ihr – sich bewegte. Und es war keine Bewegung, die man für gewöhnlich in einem Haus voller loser Angeln, seltsamer Luftzüge und den Folgen morscher Fundamente erwarten würde.

Oh nein. Hinter dieser Bewegung steckte Absicht. Dahinter steckte … eine Person!

Alles, was als Nächstes geschah, vollzog sich in Zeitlupe, als würde eine alte Fünfundvierziger-Schallplatte wie eine Dreiunddreißiger abgespielt. Und in einer Zeitspanne, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, beobachtete sie sprachlos und vollkommen gebannt, wie ein großer Schatten in der Tür auftauchte.

Instinktiv stolperte sie rückwärts, und ihre Beine bewegten sich, als steckten die Sohlen ihrer Bikerstiefel in Superkleber. Ihr Herz setzte einige schmerzlich vermisste Schläge aus. Eine Million unausgegorener Gedanken hatten Zeit, durch ihr Gehirn zu schießen – und einer, der im Vordergrund stand, war: Was für eine Scheiße! –, unmittelbar bevor sie gegen den Türpfosten knallte und sich den Kopf stieß.

Bumm!

Alle Gedanken kamen zum Stillstand, ausgelöscht von dem scharfen Schmerz, der ihr durch den Schädel schoss. Ein grelles Kaleidoskop von Sternen explodierte vor ihren Augen, lähmte sie kurz und lenkte sie von dem Paar Arme ab, das sie um die Taille packte. Das kann nicht wahr sein … Das gibt es nicht!

Glücklicherweise übernahm ihr Instinkt das Kommando über ihr umnebeltes Gehirn, weil sie einen Schrei ausstieß, der einer Cheerleaderin der Chicago Bulls zur Ehre gereicht hätte. Eine schweißfeuchte Hand presste sich auf ihren Mund.

»Halt die Klappe, Miststück«, zischte eine Stimme mit einem deutlichen Akzent in ihr Ohr, gerade als die Welt in ihrer Allgegenwärtigkeit beschloss, dass diese merkwürdige Zeitlupe ein Ende gefunden hatte. Die Zeit setzte ihren gewohnten Lauf fort, und das war der Moment, in dem Delilah bewusst wurde, dass ihr Herz und ihre Lungen in den Schnellgang geschaltet hatten und ihnen ein Kollaps drohte. »Wenn du dich benimmst, werde ich dir nicht wehtun müssen.«

Tja, dieses Versprechen konnte sie nicht erwidern. Denn sie würde die erste sich bietende Gelegenheit ergreifen, um dem Mann, der sie festhielt, schweren Schaden zuzufügen. Und es war ein Mann. Die tiefe Stimme und der massige Körper verrieten ihr das, selbst wenn die Dunkelheit verhinderte, dass sie ihn sah. Natürlich machte es die Sache nicht gerade besser, dass die Sterne, die vor ihren Augen tanzten, raketenschnelle Klumpen bildeten, die durch ihr Gesichtsfeld schossen und Blitze abfeuerten.

Werd ja nicht ohnmächtig. Du musst dich wehren! Na klar. Das konnte sie. Mit einem alten Trick, den ihr Onkel ihr beigebracht hatte, als sie vierzehn geworden war und ihr erstes Paar D-Körbchen ausgefüllt hatte …

Sie holte Schwung und rammte dem Hurensohn die Knie ins Gemächt. Obwohl sie nur nach Gefühl gezielt hatte, spürte sie, wie seine Weichteile nachgaben und sein Becken zurückzuckte. Volltreffer!

Sie riss im Geiste eine Faust hoch, während ihr Angreifer vor Schmerz aufheulte, und nutzte die Gelegenheit, um sich aus seinem Griff zu winden. Bedauerlicherweise blockierte er die Tür, daher blieb ihr nichts weiter übrig, als zurück in das pechschwarze Büro zu laufen.

Sie zögerte nicht, hastete hinein und ließ sich von der Dunkelheit verschlucken.

»Delilah!«, donnerte Mac von der Treppe her.

Es schien, als seien Minuten vergangen, seit sie vor Angst geschrien hatte, aber in Wirklichkeit hatte der ganze Kampf vermutlich kaum zwei Sekunden gedauert.

»Delilah! Antworte mir!«, brüllte Mac, und die Schärfe in seinem Tonfall zeugte von Angst. Aber es kam nicht infrage zu antworten. Sie durfte dem Eindringling nicht ihren genauen Standort im Raum verraten. Sie wusste nicht, ob er eine Waffe hatte. Sie wusste nicht, ob er -