Blick nicht zurück, Isabell - Patricia Vandenberg - E-Book

Blick nicht zurück, Isabell E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Nun gibt es eine Sonderausgabe – Dr. Norden Aktuell Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. Daisy Thurau war eine Patientin, über deren Besuch sich Dr. Norden immer freute, obwohl sie selten ärztliche Hilfe brauchte. Vor drei Wochen hatte sie sich den rechten Fuß verstaucht, als sie auf einer Bananenschale ausgerutscht war, und das war nicht mit ein paar Tagen abgetan wie ihr Frühlingsschnupfen, der sich jedes Jahr pünktlich einstellte. Manchmal kam sie auch mit einer Schnittwunde oder einer Brandblase. Daisy war Besitzerin eines exclusiven Speiselokals, und sie bereitete die Spezialitäten, die sich größter Beliebtheit erfreuten, meistens selbst zu. Bei ihrem Temperament war es nicht weiter verwunderlich, daß sie sich dabei schnitt oder verbrannte. Aber das gehörte dazu, nach ihren eigenen Worten, und sie war alles andere als wehleidig. Der Fuß hatte ihr zu schaffen gemacht, aber sie hatte sich auch nicht so geschont, wie Dr. Norden es ihr geraten hatte. »Nun rollen Sie den Fuß mal ab«, sagte er. »Tut es noch weh?« »Ein bißchen, aber nächste Woche muß ich fit sein. Da will ich zu meinem fünfzigsten Geburtstag das Tanzbein schwingen, und ich hoffe doch sehr, daß ich Ihre Frau und Sie auch zu meinen Gästen rechnen darf.« Dr. Norden kannte ihr Geburtsdatum, aber das hätte sie glatt wegleugnen können. Sie war rank und schlank, hatte nur ein paar winzige Augenfältchen, und ihr schönes aschblondes Haar bedurfte keinerlei Nachhilfe. Sie war eine Frau, die sich nie hatte unterkriegen lassen. Man mußte sie bewundern. Mit neunzehn hatte sie geheiratet, mit zwanzig ihren Sohn bekommen.

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Dr. Norden Aktuell – 29 –

Blick nicht zurück, Isabell

Patricia Vandenberg

Daisy Thurau war eine Patientin, über deren Besuch sich Dr. Norden immer freute, obwohl sie selten ärztliche Hilfe brauchte. Vor drei Wochen hatte sie sich den rechten Fuß verstaucht, als sie auf einer Bananenschale ausgerutscht war, und das war nicht mit ein paar Tagen abgetan wie ihr Frühlingsschnupfen, der sich jedes Jahr pünktlich einstellte. Manchmal kam sie auch mit einer Schnittwunde oder einer Brandblase. Daisy war Besitzerin eines exclusiven Speiselokals, und sie bereitete die Spezialitäten, die sich größter Beliebtheit erfreuten, meistens selbst zu. Bei ihrem Temperament war es nicht weiter verwunderlich, daß sie sich dabei schnitt oder verbrannte. Aber das gehörte dazu, nach ihren eigenen Worten, und sie war alles andere als wehleidig.

Der Fuß hatte ihr zu schaffen gemacht, aber sie hatte sich auch nicht so geschont, wie Dr. Norden es ihr geraten hatte.

»Nun rollen Sie den Fuß mal ab«, sagte er. »Tut es noch weh?«

»Ein bißchen, aber nächste Woche muß ich fit sein. Da will ich zu meinem fünfzigsten Geburtstag das Tanzbein schwingen, und ich hoffe doch sehr, daß ich Ihre Frau und Sie auch zu meinen Gästen rechnen darf.«

Dr. Norden kannte ihr Geburtsdatum, aber das hätte sie glatt wegleugnen können. Sie war rank und schlank, hatte nur ein paar winzige Augenfältchen, und ihr schönes aschblondes Haar bedurfte keinerlei Nachhilfe.

Sie war eine Frau, die sich nie hatte unterkriegen lassen. Man mußte sie bewundern. Mit neunzehn hatte sie geheiratet, mit zwanzig ihren Sohn bekommen. Er war ihr einziges Kind geblieben, denn mit zweiundzwanzig war sie bereits Witwe gewesen. Ihr Mann war als Rennfahrer tödlich verunglückt. Einen Beruf hatte Daisy nicht erlernt. Sie stand da mit dem kleinen Sohn und einer Lebensversicherung, von der sie nicht ein ganzes Leben zehren konnte. Ihr Hobby, das Kochen, sollte fortan ihren und ihres Kindes Lebensunterhalt sichern.

Dr. Norden kannte ihre Lebensgeschichte aus ihrem Munde, aber man konnte sie manchmal auch in Zeitschriften lesen, denn mittlerweile war Daisy Thuraus Kochkunst berühmt geworden.

Es war kein leichter Weg gewesen, doch davon sprach sie nicht mehr. Man sprach auch nicht über Affären in ihrem Leben, denn es gab keine. Daisy wurde von ihren Gästen geliebt und verehrt, doch ihre ganze Liebe gehörte ihrem Sohn Arne. Daß er mit seinen neunundzwanzig Jahren noch immer Junggeselle war, kam wohl auch daher, daß er seine Mutter über alles liebte und bewunderte und es für ihn kein vergleichbares weibliches Wesen gab.

Arne, der nicht nur in den Augen seiner Mutter ein Genie war, hatte sich der Technik verschrieben. Er konstruierte Autos, aber zu Daisys Erleichterung fuhr er keine Rennen wie sein Vater. Daisy war gesellig und vital, ihr Sohn ein großer Schweiger und in mancher Augen sogar ein Sonderling. Dr. Norden kannte auch ihn, da er bei Arne Thurau die Impfungen durchgeführt hatte, die er für seine Auslandsaufenthalte benötigte.

Wenn Arne im Ausland weilte, passierte es schon, daß Daisy unter Angstzuständen litt und sich Beruhigungstabletten verschreiben ließ, aber war er wieder im Lande, war sie verkörperter Frohsinn.

»Sie müssen kommen zu meinem Fest, lieber Dr. Norden«, sagte Daisy bittend. »Es gibt auch eine besondere Überraschung. Arne hat eine Freundin.«

Sie sagte es triumphierend, und das erstaunte ihn doch. Daisy konnte in Gesichtern lesen.

»Sollte ich mich nicht freuen?« fragte sie. »Schließlich möchte ich doch auch mal Enkel haben. Und wenn es soweit ist, setze ich mich zur Ruhe.«

Hoffentlich wird sie von der Schwiegertochter nicht enttäuscht, dachte Dr. Norden. Diese lebenstüchtige, imponierende Frau konnte bei einer Jüngeren leicht Neidgefühle hervorrufen oder Minderwertigkeitskomplexe entfachen, die dann zu Aggressionen führten. Aber an so was schien Daisy überhaupt nicht zu denken.

»Sie werden doch kommen«, drängte sie wieder.

»Wenn es irgend möglich ist. »

»An diesem Tag ist das Lokal nur für die nettesten Menschen reserviert«, versicherte sie, »Geschlossene Gesellschaft.«

»Wenn es irgend möglich ist, werden wir kommen«, versprach er. »Aber Sie wissen ja, wie es bei mir manchmal zugeht.«

»Dann beten wir um gutes Wetter und wenig Kranke«, sagte Daisy mit ihrem anziehenden Lächeln. »Liebe Grüße an die reizende Fee.«

*

Fee Norden freute sich über die Einladung. »Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an Daisys Spezialitäten denke«, sagte sie. »Und wenn sie sagt, daß nur nette Leute kommen, kann man sich darauf verlassen.«

Daisy war Daisy und wurde von allen so genannt, die bei ihr ein und aus gingen, und wann immer Daniel und Fee Norden mal ausgehen konnten, landeten sie gewiß bei ihr. Leider war das selten der Fall.

»Arne hat eine Freundin. Voller Stolz hat es mir Daisy erzählt«, sagte Daniel.

»Wie ist sie?« fragte Fee.

Daniel lachte herzlich auf. »Wie soll ich das wissen? Ich kenne sie noch nicht. Aber diese Frau ist einfach umwerfend. Sie feiert ihren Fünfzigsten, ohne ein Geheimnis daraus zu machen.

Dabei sieht sie wie höchstens vierzig aus. Und nun redet sie auch schon von Enkeln. Und dann will sie sich zur Ruhe setzen.«

»Warten wir es ab«, meinte Fee. »Eine liebevolle Omi wird sie bestimmt. Sie ist eine bewundernswerte Frau.«

Sogar Fee sagte das, obgleich sie sonst mit Superlativen sparsam war.

»Wollen wir hoffen, daß ihre zukünftige Schwiegertochter das auch sagen wird«, meinte Daniel nachdenklich.

»Arne muß ja nicht gleich die erste Freundin heiraten«, sagte Fee. »Viel Erfahrung mit Frauen hat er bestimmt noch nicht. Erinnerst du dich, wie ihn die kapriziöse Donna zu becircen versuchte? Sie hat es nicht geschafft, und das war bestimmt ihre erste Niederlage.«

Besagte Donna hieß eigentlich Donata was Fee sehr viel hübscher fand, entstammte einem alten Adelsgeschlecht, worauf sie wiederum nicht pochte, was Fee jedoch sympathisch fand. Sie war ein sehr cleveres Mädchen, das sehr gern flirtete und auch umschwärmt war, sich aber sehr emanzipiert gab. Sie erfreute sich nur geteilter Sympathien, da sie manchmal arrogant, manchmal frivol, manchmal aber auch sehr charmant sein konnte. Mit Daisy kam sie jedenfalls glänzend aus, urd Fee konnte sich durchaus vorstellen, daß Daisy gern solch eine Schwiegertochter gehabt hätte, die sich kein X für ein U machen ließ.

Doch man konnte gewiß sein, daß Daisy ihrem Sohn diesbezüglich gewiß keine Vorschriften machen würde.

Jedenfalls dachte Fee, daß es nicht nur ein amüsanter, sondern auch ein interessanter Abend werden würde, falls Donna auch zu den Gästen zählte. Oder sollte Arne Thurau doch Gefallen an ihr gefunden haben? Fee war ziemlich neugierig, und sie freute sich ungemein, als der Tag herangekommen war und Daniel ihr verkündete, daß keine besonderen Vorkommnisse wären und sie Daisys Einladung Folge leisten könnten.

Ein Geschenk hatte Fee schon besorgt. Sie wußte, daß Daisy Miniaturen sammelte und hatte eine ganz besonders hübsche erstanden. Mit einem bezaubernden neuen Kleid konnte sie auch ihren Mann erfreuen.

Fee sah entzückend aus, und welchen glücklichen Ehemann freute es nicht, wenn er sich mit einer solchen Frau zeigen konnte.

Daisy strahlte, als sie kamen. Sie konnte sich so von Herzen freuen, daß man sich mitfreuen mußte, und alle, die an diesem Abend in ihrem urgemütlichen Lokal versammelt waren, brachten ihr herzliche Zuneigung entgegen.

Natürlich war ein Trubel nicht zu vermeiden. Jeder wollte Daisy gratulieren, aber sie hatte die Zahl ihrer Gäste auf etwa fünfzig beschränkt. Ganz im Hintergrund hatte Fee Arne entdeckt, an der Seite eines sehr zierlichen Mädchens mit herrlichem rotblonden Haar. Es war eine ganz seltene Farbe, die man künstlich bestimmt nicht erzeugen konnte. Fee hatte dafür einen Blick.

Es war auch kein Dutzendgesicht, keine Puppenschönheit. »Ist Isabell nicht entzückend?« fragte Daisy, und so erfuhren die Nordens, daß das Mädchen Isabell hieß.

Als Isabell Thies wurde sie ihnen dann auch von Arne vorgestellt. Sie war genauso zurückhaltend wie er, aber Fee fand schnell heraus, daß sie in geistiger Beziehung Schritt mit ihm halten konnte. Allerdings war sie in keiner Weise renommiersüchtig. Sie trug ein sehr schlichtes, aber sehr geschmackvolles nilgrünes Kleid, keinen Schmuck außer einer Perlenkette. Es waren rosa Perlen, und mit Kennermiene stellte Fee für sich fest, daß es echte Perlen und dementsprechend kostbare waren. Und wunderschöne Hände hatte Isabell.

Fee konnte sehr gut verstehen, daß Daisy von solch einer Schwiegertochter begeistert sein würde, jedoch deutete in dem Benehmen des jungen Paares nichts darauf hin, daß sie himmelstürmend verliebt wären.

Das sagte Fee auch zu Daniel, und er lächelte hintergründig. »Sie sind beide nicht der Typ dafür, Gefühle zur Schau zu stellen, Liebes, und schon gar nicht in einer so bunten, lauten Gesellschaft. Wahrscheinlich kennen sie sich auch noch nicht lange.«

Das stimmte, wie sie später erfahren sollten, denn es ergab sich so, oder vielleicht hatten sie auch alle ein bißchen nachgeholfen, daß Fee, Daniel, Isabell und Arne an einem Tisch im kleineren Nebenraum saßen.

Auf Daisy waren Toasts ausgebracht worden, Schmunzelverse, die auf ihr Alter anspielten, wurden vorgetragen. Daisy mußte sich immer wieder in den Arm nehmen lassen und bekam soviel Herzlichkeit zu spüren, wie sie verdiente.

»Es ist herrlich, wenn man mit fünfzig Jahren so jung ist und so frei von Oberflächlichkeit und Eitelkeit«, sagte Isabell gedankenvoll. »Du hast eine wunderbare Mutter, Arne.«

Sie sagte es leise, doch Fee hörte es, und sie schloß daraus, daß Isabell auch Daisy noch nicht lange kannte, vielleicht erst heute kennengelernt hatte.

Dann erfuhren sie auch nebenbei, daß Isabell erst am Vormittag dieses Tages aus Holland zurückgekehrt war, wo ihr Vater lebte. Doch sonst war Isabell, was ihre Person anbetraf, nicht mitteilsam. Dann setzte sich Daisy, die natürlich keinen der Gäste vernachlässigen wollte, zu ihnen an den Tisch.

»Jetzt werde ich mich erst einmal ein bißchen verschnaufen«, sagte sie. »Der Abend ist ja noch lang und auch ganz hübsch anstrengend. Aber schön ist es doch, wenn so viele nette Menschen versammelt sind.«

Und da kam Donna. Es war ein Auftritt, obwohl man ihr wohl zugestehen mußte, daß sie dies nicht bewußt emporspielte. Sie war eine faszinierende Erscheinung, ziemlich groß und mit allen Vorzügen einer wohlwollenden Natur ausgestattet. Mandelförmige Augen in einem herzförmig geschnittenen Gesicht, das von blauschwarzem Haar umrahmt wurde. Anders als Isabell hatte sie zwar der Natur etwas nachgeholfen, aber so geschickt, daß es kaum bemerkbar war. Makellos war ihre Haut, und das rotschwarzgemusterte Hosenkleid sah sehr nach Paris aus.

Donnas ganze Aufmerksamkeit galt für die nächsten Minuten nur Daisy.

»Meine Allerliebste«, sagte sie, und in ihrer rauchigen Stimme schwang so viel Wärme, daß man an der Aufrichtigkeit dieser Worte nicht zweifeln konnte. Es folgten die Glückwünsche, und dann die Bemerkung, daß sie sich wünsche, mit fünfzig Jahren auch so jung, so charmant und so beliebt zu sein.

»Aber das werde ich nicht schaffen«, fügte Donna hinzu. »Das muß einem angeboren sein.«

Dann wurde Fee umarmt, und sie konnte darüber nicht böse sein, weil Donna aufrichtige Herzlichkeit ausstrahlte.

»Fee Norden wird es schaffen, Daisy«, sagte Donna. »Sie ist deine stärkste Konkurrenz.«

»Die leider nicht in Erscheinung tritt«, warf Daisy lächelnd ein, »und als Konkurrenz kann ich sie nicht bezeichnen. Was ich für den Magen der lieben Mitmenschen tue, tut sie für’s Herz, und das ist doch noch mehr wert.«

»Sag nicht, daß du nichts für’s Herz tust, Daisy«, sagte Donna nun, seltsam ernst und nachdenklich. »Viele Verzweifelte hast du schon getröstet und aufgerichtet.« Aber dann wanderte ihr Blick schnell zu Arne und Isabell.

»Diese junge Dame kenne ich noch nicht«, sagte sie.

Arne hatte sich erhoben und machte eine knappe Verbeugung vor Donna. Aber nur vor Fee Norden hatte er sich tiefer verneigt, wie Daniel insgeheim feststellte.

»Isabell Thies, eine gute Bekannte«, stellte Arne vor.

»Eine reizende Bekannte«, sagte Donna liebenswürdig.

»Baronesse Donata von und zu Rettinghaus«, sagte Arne steif.

»Das kannst du dir sparen, Arne«, lachte Donna. »Ich erstarre ja gleich in Ehrfurcht bei solcher Vorstellung. Ich heiße Donna für meine Freunde, Isabell.«

Sie war nicht irritiert, sie war selbstsicher wie immer und bei aller Lässigkeit, die sie an den Tag legte, konnte sie die Herkunft, die Erziehung nicht leugnen. Sie war kapriziös, aber sie war auch eine Lady. Und sie war wie ein fremder Vogel, der zwitschern konnte, und dann doch den Kopf unter den Flügel steckte.

»Wer sie ergründet, muß ein Zauberer sein«, sagte Fee leise zu Daniel.

»Wer sie zähmt, muß die Qualitäten eines Dompteurs haben«, erwiderte er ironisch.

»Format muß er haben und sehr viel Geduld«, sagte Fee. Aber keiner von ihnen wäre auf den Gedanken gekommen, abfällig über Donna zu reden. Vielleicht war Arne Thurau bisher der einzige Mann, der ihrem Charme widerstanden hatte, aber das schien sie nicht zu tangieren. Sie verstand es, Grenzen zu ziehen. Sie flirtete, auch an diesem Abend mit mindestens zehn Männern, aber es gab keinen Schmus. Es gab nichts an ihr auszusetzen.

Arne verschwendete keinen Blick an sie. Er unterhielt sich dann sehr angeregt mit Daniel darüber, wie man die Sicherheit für Autofahrer vergrößern könnte, über den Risikofaktor mancher Kopfstützen und die Unzuverlässigkeit mancher Sicherheitsgurte.

Isabell und Fee tauschten einen Blick und lächelten, dann standen sie auf und gingen zu Daisy, die noch köstliche Desserts anbot.

Aber die meisten hatten sich an dem reichhaltigen Büfett gütlich getan. Es gab an diesem Abend natürlich nicht Daisys Fischspezialitäten, dafür aber alle Delikatessen so zubereitet, daß man gar nicht wiederstehen konnte.

»Ich kann einfach nicht mehr«, Daisy«, sagte Fee. »Ich platze gleich.«

»Ach was, die Desserts sind ganz leicht und für jeden ist etwas dabei«, widersprach Daisy.

»Die Schokosahne ist himmlisch«, sagte Isabell.

»Dann nirum nur, du Fliegengewicht«, sagte Daisy mütterlich.

Donna gesellte sich zu ihnen. »So schlank mußte man halt sein«, sagte sie. »Sagen Sie, Isabell, haben Sie nicht einen Bruder?«

»Ja, ich habe einen Bruder«, erwiderte Isabell zurückhaltend.

»Was macht er?« fragte Donna.

»Das weiß ich nicht.«

»Wenn das René Thies ist, handelt es sich um den besten Pokerspieler, der mir je begegnet ist«, sagte Donna.

Fee beobachtete Isabell. Sie war blaß geworden. »Mein Bruder heißt Markus«, sagte sie kühl.

»Dann ist es wohl eine Namensgleichheit, aber der René, den ich kenne, hat genau die gleiche Haarfarbe wie Sie, faszinierend. Dadurch bin ich erst aufmerksam geworden. Sonst merke ich mir Nachnamen überhaupt nicht. Sie rauschen so an meinem Ohr vorbei. Aber nehmen Sie mir diese Bemerkung bitte nicht übel, Isabell. Es gibt ja so merkwürdige Ähnlichkeiten. Ich muß dazu sagen, daß René auch einer der geistreichsten Männer war, die mir je begegnet sind. Und wenn ich persönlich keinen Wert darauf lege, mit meinem hochtrabenden Namen vorgestellt zu werden, kommt es daher, daß ich einen Bruder habe, der diesen Namen nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat.«

Fee hielt den Atem an. Sie wußte momentan nicht, was sie von diesem Monolog halten sollte. Ihr Blick hing noch an Isabells Gesicht, in deren Augen jetzt ein staunender Ausdruck war. Dann glitt ihr Blick zu Donna, die völlig geistesabwesend schien und so unwirklich schön, wie sie sie nie zuvor gesehen hatten. Und nun schien sie in die Wirklichkeit zurückzukehren und lächelte.

»Es hätte mich sehr gefreut, Isabell, etwas von René zu erfahren«, sagte Donna leise. »Ich denke sehr gern an ihn.«

Dann umarmte sie Daisy impulsiv. »Meine Allerliebste, ich muß mich verabschieden. Es war ein reizender Abend. Feiere noch viel solche Geburtstage, Daisy, auch den Hundertsten. Und wie gern würde ich dann wieder dabei sein. Fünfzig Jahre älter und weiser.

Das Geschenk habe ich dir übrigens in die Wohnung schicken lassen. Ich hoffe, daß es unbeschädigt angekommen ist.«

Sie küßte Daisy auf beide Wangen, nickte den andern zu und ging davon.

Daisy blickte ihr nach. »Irgend etwas ist mit ihr«, sagte sie leise.

»Ein exzentrisches Geschöpf, das sich interessant zu machen versteht«, sagte ein Mann, der an ihre Seite getreten war.

»Werde nicht sarkastisch, Sascha«, sagte Daisy. »Du bist bei Donna abgeblitzt wie viele, aber laß dir von mir sagen, daß sie sich niemals interessant machen will. Man mißversteht das.«

»Ja, das glaube ich auch«, sagte Isabell zu Fees Erstaunen.

*

»Ein sehr interessanter Abend«, sagte Daniel auf der Heimfahrt.

»Ja, sehr interessant, aber du hast dich ja nur mit Arne unterhalten. Du hast viel versäumt, Daniel.«

»Was denn? Daisy ist gefeiert worden wie ein Weltstar und sie hat es mehr verdient als solcher. Sie ist eine Frau mit Herz.«

»Das ist sie. Aber Donna hat auch viel mehr Herz als man ihr zutraut.«

»Was du nicht sagst.«

»Spotte nicht. Ich denke über sie nach.«

»Und was denkst du nach, Allerschönste? Sie kann dir nicht das Wasser reichen!«

»Übertreibe bitte nicht. In ihr steckt viel mehr als man annimmt. Sie hegt eine starke Zuneigung zu einem René Thies.«

»Thies kommt mir bekannt vor«, sagte Daniel.

»Es ist Isabells Familienname, und sie wurde blaß, als Donna sie fragte, ob sie einen Bruder hätte, der René Thies heißt.«

»Hat Isabell einen Bruder?« frage Daniel.

»Ja, aber er heißt Markus. Ich frage mich nur, warum sie so blaß wurde, als Donna nach René fragte.«

»Deine Phantasie treibt mal wieder Blüten, mein Liebes. Lenk dich ab, damit es dich nicht im Schlaf verfolgt, was du erlebt hast. Arne ist ein immens gescheiter Mann.«

»Er beschäftigt dich, und mich beschäftigen Isabell und Donna. In unseren Träumen werden wir uns vielleicht treffen«, sagte Fee schelmisch. »Es sind zwei so gegensätzliche Frauen.«

»Und beide sind vielleicht auf Arne Thurau aus«, meinte Daniel. »Es könnte ein kalter Krieg beginnen.«

»Das glaube ich nicht. Es gab keine Feindseligkeit zwischen ihnen. Ich habe sie beobachtet. Ja, sie sind grundverschieden und sich doch so nah.«

»Mein Liebes, du träumst ja schon«, sagte Daniel, »aber es war wirklich kein verlorener Abend. Ich möchte fast meinen, Arne braucht keine Frau. Er braucht nur seine Arbeit. Er ist besessen.«

»Wie du?«

»Na, warte nur, ich werde dir schon zeigen, was mich am meisten fasziniert«, erwiderte er lachend.

*