Bruder Cadfael und der Aufstand auf dem Jahrmarkt - Ellis Peters - E-Book

Bruder Cadfael und der Aufstand auf dem Jahrmarkt E-Book

Ellis Peters

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Die Kult-Krimi-Serie endlich als eBook!

Shrewsbury, im Sommer des Jahres 1139: Seit Gründung der Benediktiner-Abtei findet alljährlich zu Ehren des Schutzpatrons ein Jahrmarkt statt. Das große Spektakel lockt Händler, Käufer und Vergnügungssüchtige in die Stadt - für die Abtei ein lukratives Geschäft, das den Stadtvätern jedoch ein Dorn im Auge ist. Als es bereits am Abend vor dem Markt zu Ausschreitungen kommt, ahnt Bruder Cadfael, dass die nächsten Tage unter keinem guten Stern stehen. Und tatsächlich: Am nächsten Morgen treibt eine nackte Leiche im Fluss. Auch der darauffolgende Jahrmarktstag beginnt mit einer Leiche. Und der Mörder ist noch nicht fertig ... Ein weiteres Mal obliegt es Bruder Cadfael, den Fall zu lösen!

Der Krimi ist in einer früheren Auflage bereits unter dem Titel "Der Aufstand auf dem Jahrmarkt" erschienen.

Über die Reihe: Morde und Mysterien im finstersten Mittelalter des 12. Jahrhunderts liefern den perfekten Hintergrund für die spannenden Abenteuer des Bruders Cadfael, eines ehemaligen Kreuzritters, der sich als Mönch in die Abtei St. Peter & Paul nahe Shrewsbury zurückgezogen hat. Doch ein ruhiges Leben als Kräutergärtner und Heilkundiger ist ihm nicht vergönnt: Immer wieder muss er seine detektivischen Fähigkeiten einsetzen, um Verbrechen in der Gemeinde aufzuklären.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!



Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Reihe

Über die Autorin

Titel

Impressum

Der Vorabend des Jahrmarkts

1.

2.

3.

4.

Der erste Tag des Jahrmarkts

5.

6.

7.

Der zweite Tag des Jahrmarkts

8.

9.

Der dritte Tag des Jahrmarkts

10.

11.

12.

13.

14.

Nach dem Jahrmarkt

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Weitere Titel der Autorin

Bruder Cadfael und die Entführung der Heiligen

Bruder Cadfael und der unbekannte Tote

Bruder Cadfael und das Mönchskraut

Bruder Cadfael und der Hochzeitsmord

Über dieses Buch

Shrewsbury, im Sommer des Jahres 1139: Seit Gründung der Benediktiner-Abtei findet alljährlich zu Ehren des Schutzpatrons ein Jahrmarkt statt. Das große Spektakel lockt Händler, Käufer und Vergnügungssüchtige in die Stadt – für die Abtei ein lukratives Geschäft, das den Stadtvätern jedoch ein Dorn im Auge ist. Als es bereits am Abend vor dem Markt zu Ausschreitungen kommt, ahnt Bruder Cadfael, dass die nächsten Tage unter keinem guten Stern stehen. Und tatsächlich: Am nächsten Morgen treibt eine nackte Leiche im Fluss. Auch der darauffolgende Jahrmarktstag beginnt mit einer Leiche. Und der Mörder ist noch nicht fertig ... Ein weiteres Mal obliegt es Bruder Cadfael, den Fall zu lösen!

Der Krimi ist in einer früheren Auflage bereits unter dem Titel »Der Aufstand auf dem Jahrmarkt« erschienen.

Über die Reihe

Morde und Mysterien im finsteren Mittelalter des 12. Jahrhunderts liefern den perfekten Hintergrund für die spannenden Abenteuer des Bruders Cadfael, einem ehemaligen Kreuzritter, der sich als Mönch in die Abtei St. Peter & Paul nahe Shrewsbury zurückgezogen hat. Doch ein ruhiges Leben als Kräutergärtner und Heilkundiger ist ihm nicht vergönnt: Immer wieder muss er seine detektivischen Fähigkeiten einsetzen, um Verbrechen in der Gemeinde aufzuklären.

Über die Autorin

Ellis Peters ist das Pseudonym der 1913 geborenen englischen Autorin Edith Pargeter. Ihre Bruder-Cadfael-Reihe erschien in 15 Sprachen und mehr als 20 Ländern und wurde erfolgreich von der BBC verfilmt. Ihr Wissen als Apothekenhelferin war der Ausgangspunkt für den kräuterkundigen Bruder Cadfael. Ellis Peters starb im Oktober 1995.

Ellis Peters

Bruder Cadfael und der Aufstand auf dem Jahrmarkt

Aus dem Englischen von Walter Brumm

beTHRILLED

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1981 by Ellis Peters

Titel der britischen Originalausgabe: »St. Peter’s Fair«

Originalverlag: Macmillan, London

Für die deutschsprachige Erstausgabe:

Copyright © der deutschen Übersetzung 1987

Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: »Der Aufstand auf dem Jahrmarkt«

Verlag: Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt

Covergestaltung: Thomas Krämer unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Color Symphony | optimarc | Andrey_Kuzmin | Algirdas Gelazius

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-6929-8

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Der Vorabend des Jahrmarkts

1.

Es begann beim täglichen Kapitel im Benediktinerkloster St. Peter und Paul zu Shrewsbury, am dreißigsten Tag des Monats Juli im Jahr unseres Herrn 1139. Das Fest St. Peter ad Vincula stand vor der Tür, ein Fest von weihevoller und einträglicher Bedeutung für das Haus, das seinen Namen trug. So hatte man die allmorgendliche Zusammenkunft zum Zwecke der Arbeitseinteilung ganz den für die bevorstehenden Feierlichkeiten notwendigen Vorkehrungen gewidmet, und weniger wichtige Dinge mussten warten.

Das Kloster war zwei Heiligen geweiht, doch wurde der heilige Paulus vernachlässigt und blieb sogar in Dokumenten unerwähnt. Oder sein Name wurde dergestalt abgekürzt, dass er beinahe verschwand. Vielleicht hatte es an der Trägheit der Klosterschreiber gelegen, denen es zu mühsam geworden war, den vollständigen Titel bis zu zwanzigmal in eine Urkunde zu schreiben. Seit Abt Radulfus das Ruder dieses klösterlichen Schiffleins übernommen hatte, sahen sie sich jedoch zur Besserung solchen Betragens angehalten, denn er war ein Mann, der keine Nachlässigkeiten duldete und von seinen Mönchen die gleiche peinliche Genauigkeit erwartete, die er sich selbst abverlangte.

Vor der ersten Gebetsstunde war Bruder Cadfael in seinem eingefriedeten Kräutergarten gewesen, hatte sich der blühenden orientalischen Mohnblumen erfreut und die Zeit abgeschätzt, wann die Samenkapseln reif sein würden. Der Sommer war auf seinem Höhepunkt und versprach reiche Ernte, denn auf reichliche und frühe Schneefälle war ein milder und feuchter Frühling gefolgt, Juni und Juli waren heiß und sonnig gewesen, mit ausgleichenden Regentagen und Schauern, als hätte der Himmel selbst über die Natur gewacht und wäre bestrebt gewesen, Laub und Gräser frisch zu halten und das Wachstum der Früchte allenthalben zu fördern. Die zweite Heuernte, reichlich wie die erste, war eingefahren, das Getreide wartete bereits auf die Sichel. Gleich nach dem Jahrmarkt sollte die Ernte beginnen.

Cadfaels duftendes Reich, noch frisch und taubenetzt, doch von der aufsteigenden Sonne schon zu trunkener Süßigkeit erwärmt, erfüllte seine Sinne mit einem Vergnügen, wie es von einer asketischen Kirche, welche diesseitige Freuden mit Unbehagen als sündhaft beargwöhnte, bisweilen nicht gern gesehen wurde. Es gab Gelegenheiten, da der junge Bruder Mark, der mit ihm in diesem ergötzlichen Kräutergarten arbeitete, diese Freude mit seinen Sünden glaubte beichten und in Demut eine angemessene Strafe annehmen zu müssen. Er war noch sehr jung, es ließen sich Entschuldigungen für ihn finden. Bruder Cadfael hatte mehr gesunden Menschenverstand und keine derartigen Skrupel. Die vielfältigen Gaben Gottes waren dazu da, dass man sie genoss; die Verweigerung freudiger Empfindungen wäre undankbar.

Nachdem er vor der Prime bereits zwei Stunden im Kräutergarten tätig gewesen war und im Zusammenhang mit dem Klosterjahrmarkt, der alle Aufmerksamkeit fesselte, kein Amt innehatte, hielt Cadfael gewohnheitsmäßig ein Nickerchen hinter seiner schützenden Säule im dunkelsten Winkel des Kapitelsaales — jederzeit bereit, wachsam aufzufahren, sollte eine unerwartete Frage an ihn gerichtet werden, und durchaus imstande, verständlich zu beantworten, was er nur teilweise gehört hatte. Er war seit sechzehn Jahren Mönch, durch eigene, wohlüberlegte Wahl, die er nie bereut hatte, nach einem sehr abenteuerlichen Leben, das er ebenso wenig bereut hatte, und es gab kaum etwas, das ihn überraschen konnte. Er war neunundfünfzig Jahre alt, reich an Erfahrungen und noch immer zäh und kräftig wie ein Dachs – und nach Bruder Marks Behauptung beinahe genauso krummbeinig, aber Bruder Mark war ein bevorrechtigtes Geschöpf Gottes. Cadfael döste so still wie eine geschlossene Blüte bei Nacht vor sich hin und schnarchte kaum einmal. Innerhalb der Benediktinischen Ordensregel und in anregendem Umgang mit ihr hatte er eine eigene tägliche Disziplin vervollkommnet, die seinen Bedürfnissen bewundernswert gut angepasst war.

Wahrscheinlich schlief er fest, als der Verwalter des Meierhofes mit den angemessenen Entschuldigungen in den Kapitelsaal trat und auf die Sprecherlaubnis des Abtes wartete. Doch Cadfael war hellwach, als der Verwalter meldete: »Ehrwürdiger Vater, im großen Hof sind der Bürgermeister der Stadt und eine Abordnung von Zunftvorstehern, die darum bitten, Euch sprechen zu dürfen. Sie sagen, ihr Anliegen sei wichtig.«

Abt Radulfus zog die stahlgrauen, geraden Brauen ein wenig in die Höhe und deutete mit einer gnädigen Handbewegung an, dass die Stadtväter sogleich vorgelassen werden sollten. Die Beziehungen zwischen der Stadt Shrewsbury auf der einen Seite des Flusses und dem Kloster auf der anderen waren, wenn schon nicht herzlich — das wäre zu viel verlangt gewesen, da sie so oft gegensätzliche Interessen vertraten —, so doch stets korrekt, und ihre Auseinandersetzungen wurden mit wachsamer Höflichkeit geführt. Falls der Abt einen Kampf witterte, ließ er sich nichts davon anmerken. Cadfael aber, der das schlaue, scharf geschnittene Gesicht beobachtete, sagte sich, dass der Abt eine recht klare Vorstellung vom Zweck dieses Besuches haben müsste.

Die verdienstvollen Zunftmeister betraten den Kapitelsaal in geschlossener Phalanx, nicht weniger als zehn Mann, die etwa die Hälfte der in der Stadt vertretenen Gewerbe repräsentierten, angeführt vom Bürgermeister. Meister Geoffrey Corviser war ein großer, fülliger und energischer Mann, der das fünfzigste Jahr noch nicht erreicht hatte, glatt rasiert, lebhaft und trotzdem würdevoll. Die Schuhe und Reitstiefel, die er fertigte, zählten zu den feinsten, die in England zu haben waren, und er war sich ihrer Vorzüglichkeit und seines eigenen Wertes durchaus bewusst. Zu diesem Anlass hatte er seine besten Kleider angelegt und bot auch ohne den langen Überrock, der bei diesem warmen Sommerwetter eine Qual gewesen wäre, einen eindrucksvollen Anblick, was er natürlich beabsichtigte. Mehrere von den anderen, die sich hinter ihm zusammengeschlossen hatten, waren Cadfael wohlbekannt: Edric Flesher, Zunftmeister der Metzger von Shrewsbury; Martin Bellecote, Zunftmeister der Zimmerleute; Reginald von Aston, der Silberschmied — allesamt vermögende Männer. Abt Radulfus kannte sie noch nicht. Er war erst seit einem halben Jahr im Amt, von London gesandt, den bequem gewordenen Konvent eines Provinzklosters zu neuem Glaubenseifer zu führen. Er hatte über die Bewohner des Grenzlandes noch viel zu lernen, wie er, der sich von niemandem zum Narren halten ließ, recht gut wusste.

»Seid willkommen, Ihr Herren«, sagte er in freundlichem Ton. »Sprecht freimütig, Ihr sollt aufmerksam Gehör finden.«

Die wackeren Zunftmeister erwiesen dem Abt ihre Achtung durch stumme Verbeugung, spreizten dann die stämmigen Beine und standen hingepflanzt wie eine Schlachtreihe, alle Blicke wachsam, alle Urteile vorbehalten. Der Abt konzentrierte seine höfliche Aufmerksamkeit mit ganz ähnlicher Wirkung auf sie. Während seiner Zwischenspiele als Hirt der klösterlichen Schafherde hatte Cadfael einmal zwei Widder solche Blicke wechseln sehen, bevor sie die Schädel gegeneinander gerammt hatten.

»Hochwürdigster Herr Abt«, sagte der Bürgermeister, »wir sind gekommen, um mit Euch über den St. Peters-Jahrmarkt zu sprechen, der hier während der nächsten drei Tage abgehalten werden soll. Ihr kennt die Bedingungen. Während dieser Zeit müssen alle Läden in der Stadt geschlossen bleiben, und außer Bier und Wein darf nichts verkauft werden. Und Bier und Wein werden auch hier vor dem Tor und auf dem Jahrmarktsplatz verkauft, so dass niemand in der Stadt mit diesen Waren etwas verdienen kann. Drei Tage lang, die drei geschäftigsten des Jahres, könnten wir gute Einnahmen aus Wegezöllen von Karren, Tragtieren und Lastträgern erzielen, die auf dem Weg zum Jahrmarkt durch die Stadt ziehen. Doch wir dürfen keine Abgaben erheben, weder für die Ausbesserung der Mauern noch für das Straßenpflaster. Alle Zölle fallen allein der Abtei zu. Händler, die ihre Waren in Booten den Severn heraufbringen, machen an Eurem Landeplatz fest und entrichten ihre Abgaben an Euch. Wir erhalten nichts. Und für dieses Vorrecht zahlt Ihr nicht mehr als achtunddreißig Schillinge, und selbst diese müssen wir mühevoll aus den Mieten Eurer Hintersassen in der Stadt eintreiben.«

»Nicht mehr als achtunddreißig Schillinge!«, wiederholte Abt Radulfus in noch immer freundlichem Ton und hob die eisengrauen Brauen ein wenig höher. »Die Summe wurde als gerecht festgesetzt. Und nicht von uns. Die Bedingungen des Vertrags sind Euch seit vielen Jahren bekannt, denke ich.«

»So ist es, und in der Vergangenheit haben wir sie schon oft als lästig empfunden, aber Verträge müssen eingehalten werden, und wir haben uns niemals beklagt. Doch ist die Summe nie erhöht worden, weder in guten noch in schlechten Jahren. Und es ist sehr hart für eine so bedrängte Stadt wie die unsrige, auf den Handel von drei Tagen und die besten Wegezölle des Jahres zu verzichten. Im vergangenen Sommer wurde Shrewsbury, wie Ihr wissen müsst, obgleich Ihr damals nicht unter uns weiltet, länger als einen Monat belagert und schließlich erstürmt, was große Schäden an den Stadtmauern und eine bedauerliche Vernachlässigung der Straßen zur Folge hatte. Trotz all unserer Bemühungen ist noch viel Arbeit daran zu tun, und die Kosten treffen uns nach den schweren Verlusten des letzten Sommers doppelt schwer. Noch ist kaum die Hälfte der Zerstörungen behoben, und wer vermag in diesen unruhigen Zeiten schon zu sagen, wann wir abermals angegriffen werden? Der Verkehr zu Eurem Jahrmarkt wird durch unsere Straßen gehen und die Abnutzung vermehren, während wir keinen Schadenersatz erhalten.«

»Kommt zur Sache, Bürgermeister«, entgegnete der Abt im gleichen ruhigen Ton. »Ihr seid erschienen, um irgendeine Forderung zu stellen. Bringt sie offen vor.«

»Hochwürdiger Herr Abt, das will ich gern tun! Wir meinen — und ich spreche für alle Handwerkerzünfte und Kaufleute von Shrewsbury —, dass wir in einem Jahr wie diesem alle Ursache haben, Euch vorzuschlagen, dass die Abtei entweder eine höhere Gebühr für den Jahrmarkt zahlen oder, was bei weitem besser wäre, einen Teil der Zölle auf Waren, ob durch Tragtiere, mit Karren oder Flussbooten befördert, der Stadt aushändigen sollte. Dann könnten wir die Mauern wiederherstellen. Das Kloster zieht Vorteile aus dem Schutz, den die Stadt ihm gewährt. Es sollte, so meinen wir, mit uns gemeinsam die Last tragen, die uns aus der Erhaltung ihrer Mauern erwächst. Ein Anteil von einem Zehntel der Gewinne wäre uns willkommen, und wir würden Euch von Herzen dafür danken. Es ist keine Forderung, mit allem Respekt, es ist ein Ersuchen. Aber wir glauben, die Zubilligung eines Zehntels wäre gerechtfertigt.«

Abt Radulfus saß sehr aufrecht und hager und erhaben da und betrachtete ernst die Phalanx der standhaften Bürger. »Ist das Euer aller Meinung?«

»So ist es«, bestätigte Edric Flesher. »Und die Meinung aller anderen Stadtbewohner. Es gibt viele darunter, die das Anliegen heftiger und eindringlicher vorbringen würden, als Meister Corviser es getan hat. Aber wir vertrauen auf Euer mitmenschliches Fühlen und erwarten Eure Antwort.«

Die leise Regung, die durch den Kapitelsaal ging, war wie ein langes, vorsichtiges Seufzen. Die meisten Mönche sahen mit großen Augen und besorgten Mienen zu, die jüngeren rückten auf ihren Plätzen umher und flüsterten miteinander, aber sehr vorsichtig. Prior Robert Pennant, der sich Hoffnungen auf Radulfus’ Amt gemacht hatte und bitter enttäuscht worden war, als über seinen Kopf hinweg ein Fremder zum Abt ernannt worden war, wahrte asketische Gelassenheit. Er schien die Lippen im Gebet zu bewegen und warf seinem Vorgesetzten zwischen schmalen, elfenbeinfarbenen Lidern Seitenblicke zu. Während er so ein Bild mitfühlender Frömmigkeit gab, hoffte er auf einen nicht wiedergutzumachenden Fehler des Klostervorstands. Der alte Pater Heribert, bis vor kurzem Abt dieses Hauses und nun zum einfachen Mönch degradiert, dämmerte sanft lächelnd in einem ruhigen Winkel vor sich hin, dankbar für seine Ruhe.

»Wir haben zu bedenken«, sagte Radulfus schließlich freundlich und ohne Hast, »dass Ihr einen Widerstreit zwischen den Rechten der Stadt und den Rechten dieses Hauses seht. Sollte bei solch einer Abwägung das Urteil bei Euch oder bei mir liegen? Sicherlich nicht! Ein unbefangener Richter wird benötigt. Aber ich darf Euch erinnern, dass innerhalb des letzten halben Jahres eine derartige Entscheidung getroffen worden ist, erst nach der Belagerung, über die Ihr Euch beklagt. Zu Beginn dieses Jahres bestätigte Seine Majestät, König Stephen, uns in unseren alten Rechten, gemäß den bestehenden Urkunden, mit allen Ländereien und Privilegien, wie wir sie vordem innehatten. Er garantierte uns auch das Recht auf diesen dreitägigen Jahrmarkt am Festtag unseres Patrons St. Peter, zur selben Gebühr, die wir bisher bezahlt haben, und zu denselben Bedingungen. Glaubt Ihr, er hätte die alten Rechte bekräftigt, wenn er sie nicht für richtig hielte?«

»Um offen zu sagen, was ich glaube«, erwiderte der Bürgermeister, »so dachte ich niemals, dass es sich um eine Rechtsfrage handelt. Ich murre nicht gegen das, was Seine Majestät zu tun geruht, aber es ist klar, dass er Shrewsbury als feindliche Stadt betrachtete und wahrscheinlich auch heute noch so denkt, weil FitzAlan, der nun nach Frankreich geflohen ist, die Burg mit einer Garnison belegte und länger als einen Monat gegen ihn verteidigte. Aber wir von der Stadt hatten in solchen Fragen niemals viel zu sagen, und wenig hätten wir daran ändern können! Der Burgherr stellte sich auf die Seite der Regentin Maud, und wir müssen nun die Folgen tragen, während FitzAlan fort und in Sicherheit ist. Hochwürdigster Herr Abt, ist das Gerechtigkeit?«

»Wollt Ihr behaupten, dass Seine Majestät, indem er die Abtei in ihren Rechten bestätigte, an der Stadt Vergeltung übt?«, fragte der Abt mit gefährlicher Sanftheit.

»Ich sage, dass er die Stadt weder eines Gedankens würdigte noch ihre Zerstörungen eines Blickes, sonst hätte er vielleicht ein Zugeständnis gemacht.«

»Aha! Solltet Ihr Eure Bitte dann nicht besser dem edlen Gilbert Prestcote vortragen, der erster Grafschaftsbeamter des Königs ist und zweifellos sein geneigtes Ohr hat, statt damit zu uns zu kommen?«

»Eine solche Bitte ist ergangen, jedoch nicht mit Rücksicht auf den Jahrmarkt. Es ist nicht Sache des Grafschaftsbeamten, einen Teil dessen wegzugeben, was dem Kloster zugestanden worden ist. Nur Ihr, Hochwürdigster Herr Abt, könnt dies tun«, sagte Geoffrey Corviser. Und bewies, dass er sich zwischen den Fallgruben der Worte so gut auskannte wie der Abt.

»Und welche Antwort habt Ihr vom Grafschaftsbeamten erhalten?«

»Er wird nichts für uns tun, solange die Mauern seiner Burg nicht wiederhergestellt sind. Er verspricht uns die leihweise Überlassung von Arbeitskräften, sobald das Werk dort vollbracht sein wird, doch können wir Arbeitskräfte selbst stellen. Dafür fehlt es an Geld und Baumaterial, und es könnte noch ein Jahr oder länger dauern, ehe er bereit sein wird, auch nur eine Handvoll seiner Leute für unsere Bedürfnisse bereitzustellen. Ist es in solch einem Fall nicht verständlich, dass wir den Jahrmarkt als eine Last empfinden?«

»Auch wir haben unsere Bedürfnisse, die uns ebenso dringlich erscheinen wie Euch die Eurigen«, sagte der Abt nach einer gedankenvollen Pause. »Und ich möchte Euch erinnern, dass unsere Ländereien und Besitztümer hier außerhalb der Stadtmauern liegen, sogar außerhalb der Flussschleife, so dass wir an deren Schutz keinen Anteil haben. Kann es da gerecht sein, dass wir für Dinge, die uns nicht betreffen, Gebühren bezahlen sollen?«

»Nicht all Eure Besitztümer liegen außerhalb der Mauern«, entgegnete der Bürgermeister prompt. »Innerhalb der Stadtmauern gibt es wohl dreißig oder mehr Anwesen in Eurem Besitz, und Eure Hintersassen leben darin. Ihre Kinder müssen wie unsere im Schlamm der zerfahrenen Straßen waten, und ihre Pferde brechen sich wie die unsrigen die Beine in den Löchern.«

»Unsere Hintersassen erfreuen sich einer gerechten Behandlung durch uns, ihre Abgaben sind mäßig, und für solche Dinge sind wir verantwortlich. Aber wir können nicht für die Zerstörung in der Stadt verantwortlich gemacht werden, als ob es sich um solche auf unseren eigenen Ländereien oder an unseren eigenen Gebäuden handelte. Nein«, sagte der Abt und hob gebieterisch die Stimme, als der Bürgermeister seine Argumente fortführen wollte, »sagt nicht mehr! Wir haben Euer Ersuchen gehört und verstanden, und wir sind nicht ohne Mitgefühl. Aber der St. Peters-Jahrmarkt ist ein diesem Kloster in alter Zeit zugebilligtes Recht, zu Bedingungen, die wir nicht festgelegt haben — ein Recht, das nicht ich als Abt geerbt habe, sondern das diesem Kloster zusteht. Ich in meiner vergänglichen Amtszeit habe nicht die Autorität, diese Bedingungen auch nur im Mindesten zu verändern oder zu mildern. Es wäre eine Beleidigung der königlichen Gnade, die das Kloster in allen seinen Rechten bestätigt hat, und eine Missachtung meiner Nachfolger, denn man würde es als einen Präzedenzfall für künftige Jahre ansehen und zitieren. Nein, ich werde von den Einnahmen des Jahrmarkts nichts zu Eurem Gebrauch beiseite tun, ich werde die Gebühr, die wir Euch dafür zahlen, nicht erhöhen, ich werde die Zölle und Gebühren für Waren und Verkaufsstände in keiner Weise mit der Stadt teilen. All diese Einnahmen gehören hierher, und hier müssen sie gemäß dem Vertrag gesammelt werden.« Er sah, wie sich ein halbes Dutzend Münder öffnete, um gegen eine derart summarische Zurückweisung zu protestieren, und erhob sich von seinem Platz, sehr groß und kerzengerade, mit kalten Augen. »Dieses Kapitel ist abgeschlossen.«

Einige Zunftmeister hätten trotzdem versucht, auf ihrem Anliegen zu beharren, aber Geoffrey Corviser hatte eine bessere Einschätzung von seiner und der Stadt Würde und eine realistischere dessen, was diesen selbstsicheren und gestrengen Mann beeindrucken oder nicht beeindrucken konnte. Er machte eine abrupte, doch tiefe Verbeugung vor dem Abt, drehte sich auf dem Absatz um und schritt aus dem Kapitelsaal, und seine geschlagenen Gefährten kamen zur Besinnung und marschierten ebenso hochmütig hinterdrein.

Auf dem großen Dreieck des Pferdemarkts wurden bereits Einfriedungen und Verkaufsstände errichtet, und auch vor dem Tor herrschte von der Brücke bis zu der Biegung, wo die Straße rechts nach St. Giles und zur Landstraße nach London führte, reges Leben. Stromabwärts von der Brücke, wo die Gärten und Obstpflanzungen des Klosters sich am Fluss in einer fruchtbaren Niederung, die Au genannt, weit hinzogen, befand sich ein neuerrichteter hölzerner Landungssteg. Auf dem Fluss, auf der Landstraße, zu Fuß durch die Wälder und über die Grenze von Wales strömten Händler aller Art nach Shrewsbury. Und im großen Hof der Abtei versammelte sich der gesamte Landadel der Grafschaft mit seinen Frauen, Söhnen und Töchtern, um für die drei Tage des Jahrmarkts Aufenthalt in den Gästequartieren zu nehmen. Was sie zum unmittelbaren Lebensunterhalt benötigten, pflanzten, züchteten, spannen, webten und brauten sie das Jahr hindurch selbst. Doch einmal im Jahr kamen sie, die feinen Stoffe zu kaufen, die Weine, die seltenen Früchte, die Gold- und Silberarbeiten, alle die Schätze, die zum Fest St. Peter ad Vincula auftauchten und drei Tage später verschwanden. Zu diesen großen Jahrmärkten kamen sogar aus Flandern und Deutschland Händler, Schiffsleute mit französischen Weinen, Schafscherer mit der feinsten Wolle aus Wales und Tuchhändler mit Zuschnitten für Gewänder, Wämser, Beinkleider nach städtischer Art. Noch waren nicht viele Verkäufer eingetroffen, die meisten wurden am nächsten Tag erwartet. Doch allenthalben wurden schon Verkaufsstände aufgeschlagen, damit der Markt früh am Morgen des Festtags beginnen konnte. Und die Kauf- und Schaulustigen strömten bereits in ansehnlicher Zahl herein, bestrebt, sich für die Dauer ihres Aufenthalts gute Betten zu sichern.

Als Bruder Cadfael am Ende eines anstrengenden, doch glücklichen Nachmittags von den Erbsen- und Bohnenfeldern am Neole-Bach zur Vesper heraufkam, wimmelte der weitläufige Hof von Besuchern, Dienern und Pferdeknechten, und bei den Stallungen ging es zu wie in einem Taubenschlag. Er blieb eine Weile stehen, um das Treiben zu beobachten, und neben ihm schaute Bruder Mark mit vor Aufregung gerötetem Gesicht und großen Augen umher, geblendet vom Spiel der Farben und der vielfältigen Bewegungen im Sonnenschein.

»Ja, ja«, sagte Cadfael, der mit philosophischer Distanz betrachtete, was Bruder Mark mit aufgeregtem Staunen anstarrte, »die ganze Welt wird sich hier ein Stelldichein geben, entweder um zu kaufen oder um zu verkaufen.« Und er musterte seinen jungen Schützling prüfend. Dieser hatte wenig genug von der Welt gesehen, bevor er von einem geizigen Onkel, der ihm den Unterhalt selbst gegen harte Arbeit missgönnte, mit sechzehn wohl oder übel zum Tor hereingestoßen worden war, und er hatte erst vor kurzem seine endgültigen Gelübde abgelegt. »Findest du dort irgendetwas, was dich zur Rückkehr in das weltliche Leben verlocken könnte?«

»Nein«, sagte Bruder Mark heiter und ohne zu zögern. »Aber ich habe meine Freude daran, zuzuschauen, genauso wie im Garten, wenn der Mohn blüht. Es ist keine Schande für die Menschen, wenn sie versuchen, alle die Farben und Formen, mit denen Gott seine Werke schmückte, in die ihrigen zu legen.«

Unter den vielen Besuchern, die auf dem großen Hof und auf dem Platz vor den Stallungen umherwanderten, gab es ohne Zweifel einige von Gottes bezauberndsten Werken — junge Frauen, strahlend und blühend wie der Mohn und umso hübscher, weil sie sich voller Erwartung auf ihren einzigen großen Ausflug des Jahres freuten. Einige kamen auf ihren eigenen Pferden daher geritten, andere saßen hinter Ehemännern oder Stallmeistern auf dem Sattelkissen, und es gab sogar eine Pferdesänfte, die eine Witwe von Stand aus dem Süden der Grafschaft brachte.

»Ich habe noch nie solch ein Treiben gesehen«, sagte Bruder Mark bewundernd.

»Du hast auch noch keinen Jahrmarkt mitgemacht. Letztes Jahr wurde die Stadt den ganzen Juli und bis in den August hinein belagert, und da war es schwierig, Käufer oder Verkäufer nach Shrewsbury zu locken. Ich hatte auch dieses Jahr meine Zweifel, doch scheint der Handel wieder zu florieren, und unsere Edelleute sind begieriger denn je nach alledem, was sie im vorigen Jahr nicht haben konnten. Ich glaube, es wird ein gewinnbringender Jahrmarkt.«

»Hätten wir dann nicht ein Zehntel erübrigen können, um zur Wiederherstellung der Stadt beizutragen?«, wollte Mark wissen.

»Du hast eine Art, Junge, die misslichsten Fragen zu stellen. Ich kann mir denken, wie dem Bürgermeister zumute ist, da er es offen ausgesprochen hat. Aber dessen, was im Kopf unseres Ehrwürdigen Vaters vorging, bin ich keineswegs sicher, ebenso wenig, dass er die Hälfte davon ausgesprochen hat. Ein Mann, der schwer zu durchschauen ist!«

Aber Mark hörte nicht mehr zu. Seine Aufmerksamkeit galt einem Reiter, der soeben zum Torhaus hereingekommen war und sein Pferd im Schritt geschickt durch das Gedränge zu den Stallungen lenkte. Drei Gefolgsleute ritten auf raufelligen kleinen Bauernpferden hinter ihm her, und einer hatte eine Armbrust am Sattel befestigt. In diesen gefahrvollen Zeiten und selbst in Gegenden wie dieser, die erst vor kurzem befriedet worden war, würde kein Mann von Stand eine längere Reise unternehmen, ohne für seine persönliche Sicherheit zu sorgen, und eine Armbrust reichte weiter als ein Schwert. Dieser junge Mann trug nicht nur ein Schwert, sondern sah so aus, als könnte er auch damit umgehen. Trotzdem hatte er nicht auf bewaffnete Begleiter verzichtet.

Der fremde Herr war vielleicht ein Jahr oder zwei unter dreißig, über die Ungewissheiten der Jugend hinaus — wenn er überhaupt je darunter gelitten hatte — und in der Blüte seines Mannesalters. Gut gekleidet, auf einem dunklen Fuchs mit schimmerndem Fell, ritt er mit der nachlässigen Leichtigkeit eines Menschen, der von Kindesbeinen an mit Pferden vertraut war. In der Sommerhitze hatte er seinen kurzen Reiterumhang abgelegt und über den Schoß gebreitet, und so ritt er mit offenem Hemd, ein Kreuz an einer goldenen Halskette auf der muskulösen Brust. Die Gestalt, die sich in einfachem Leinenhemd und dunklen Beinkleidern zur Schau stellte, war groß, geschmeidig und stolz auf ihre Anmut, der Kopf, der sie bekrönte, barhäuptig. Gebieterische dunkle Augen strahlten in einem lächelnden, lebhaften Gesicht. Das kurzgeschnittene, anliegende dunkelblonde Haar hätte Locken gebildet, wäre ihm erlaubt gewesen, ein wenig länger zu wachsen. Er ritt vorüber, und Marks Blick folgte ihm, ein zugleich ruhiger und nachdenklicher Blick, ohne eine Spur von Neid.

»Es muss ein erfreulich Ding sein«, sagte er gedankenvoll, »so gemacht zu sein, dass man allen, die einen sehen, Vergnügen bereitet. Ob er begreift, wie gesegnet er ist?«

Mark selbst war ziemlich klein, durch Unterernährung in der Kindheit, mit einfachen Zügen und borstigem, strohfarbenem Haar um seine Tonsur. Nicht, dass er jemals dazu gekommen wäre, sich in einem anderen Spiegel als dem Wasser zu betrachten. Er wusste auch nicht, dass er ein Paar großer grauer Augen von makelloser Klarheit besaß, vor der gewöhnliche Schönheit versagte. Doch dachte Cadfael nicht daran, ihn auf derlei Vorzüge aufmerksam zu machen.

»Wie es in der Welt zugeht«, entgegnete er munter, »hat er wahrscheinlich einen Verstand, der nicht weiter voraus- oder zurückblickt als die Länge seiner feinen Augenwimpern. Aber ich gebe zu, dass er angenehm anzuschauen ist. Gleichviel, der Verstand währt länger. Sei froh, dass du einen hast, der keine Kritik zu scheuen braucht. Und nun komm, dies alles wird bis nach dem Abendessen andauern.«

Diese Worte lenkten Bruder Marks Gedanken sehr erfreulich ab. Er hatte sein Leben lang Hunger gelitten, bis er in dieses Haus eingetreten war. Und noch immer bewahrte er die Gewohnheit des Hungers, so dass Nahrung ebenso wie Schönheit reine Freude war. Bereitwillig ging er an Cadfaels Seite zur Vesper und der anschließenden Abendmahlzeit. Sie hatten das Kirchenportal noch nicht erreicht, als Cadfael plötzlich innehielt, beim Namen gerufen von einer hohen, erfreuten Stimme.

Es war eine schlanke, junge, anmutige Dame mit einem dicken blonden Haarschopf, einem hellen, ovalen Gesicht und dunkelblauen, klaren Augen, die an Schwertlilien in der Abenddämmerung gemahnten. Ihr Leib war, wie Bruder Mark auf den ersten erschrockenen Blick bemerkte, hochgegürtet und unter dem Gürtel gerundet. Dort wuchs ein neues Leben heran. So unwissend, dass er die Anzeichen nicht kannte, war er nicht. Er hätte den Blick niederschlagen sollen und wollte es auch, sah sich aber nicht dazu imstande. Sie schien von innen her zu leuchten, wie alle Bilder der Heiligen Jungfrau Maria zusammen, die er je gesehen hatte. Und diese Vision streckte beide Hände nach Bruder Cadfael aus und rief ihn beim Namen. Bruder Mark beugte, wenn auch unwillig, den Kopf und ging allein seines Weges weiter.

»Mädchen«, sagte Bruder Cadfael herzlich und ergriff die ausgestreckten Hände mit aufrichtiger Freude, »du blühst wie eine Rose! Und er hat es mir nie gesagt!«

»Er hat dich seit der Winterszeit nicht gesehen«, sagte sie lächelnd und errötend, »und damals wussten wir es nicht. Zu der Zeit war es nicht mehr als ein Traum. Und ich habe dich seit unserer Hochzeit nicht gesehen.«

»Und bist du glücklich? Und er?«

»Ach, Cadfael, wie kannst du fragen!« Die Frage war in der Tat überflüssig, denn der Glanz in ihrem Antlitz, der Bruder Mark aufgefallen war, blendete Cadfael nicht weniger. »Hugh ist hier, aber er muss zuerst zum Grafschaftsbeamten gehen. Sicherlich wird er noch vor der Komplet nach dir fragen. Ich bin gekommen, eine Wiege zu kaufen, eine schöne geschnitzte Wiege für unser Kind. Und eine walisische Bettdecke aus schöner warmer Wolle oder vielleicht ein Schaffell. Und fein gesponnene Wolle, um die Kindersachen zu weben.«

»Und es geht dir gut? Das Kind verursacht dir keine Beschwerden?«

»Beschwerden?« Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Ich habe niemals Übelkeit empfunden, nur Freude. Ach, Bruder Cadfael!« Sie lachte laut auf. »Wie kommt es, dass ein Klosterbruder solch weise Fragen stellen kann? Hast du nicht irgendwo selbst einen Sohn? Ich könnte es glauben. Du weißt viel zu viel über uns Frauen.«

»Wie ich annehme«, erwiderte Cadfael vorsichtig, »wurde ich von einer geboren, wie wir alle. Selbst Äbte und Erzbischöfe erblicken auf die gleiche Art und Weise das Licht der Welt.«

»Ach, ich halte dich auf«, sagte sie reumütig. »Es ist Zeit für die Vesper, und ich komme auch. Ich habe so viel Dank abzustatten, dass ich gar nicht genug Zeit dafür finden werde, und ich will ein Gebet für unser Kind sprechen!« Sie drückte ihm beide Hände und verschwand in der Menge — Aline Beringar, geborene Siward, Ehefrau des stellvertretenden Grafschaftsbeamten von Shrophshire, Hugh Beringar von Maesbury bei Oswestry. Vor einem Jahr hatte sie geheiratet, und Cadfael war als enger Freund Trauzeuge gewesen und fühlte sich durch das Glück dieser Ehe selbst reich beschenkt. Sehr zufrieden mit dem Abend, seiner eigenen Stimmung und auch den Aussichten auf die bevorstehenden Tage, ging er zur Kirche.

Als er nach dem Abendessen aus dem Refektorium in einen Abend hinaustrat, der noch von rosafarbenem und bernsteingelbem Licht erfüllt war, herrschte auf dem Hof noch immer so viel Leben wie um die Mittagszeit. Und noch immer strömten Neuankömmlinge zum Torhaus herein. Im Kreuzgang saß Hugh Beringar und erwartete ihn — ein schmächtiger, geschmeidiger, dunkelhaariger Mann mit schmalem Gesicht und forschendem Blick. Es war ein Gesicht, dessen scharf geschnittene Züge nur dem etwas verrieten, der ihre Sprache verstand. Glücklicherweise tat Cadfael dies, und er las darin mit Zuversicht.

»Wenn du deinen Scharfsinn nicht eingebüßt oder in diesem neuen Abt einen gefunden hast, der dir über ist, wirst du sicher einen überzeugenden Vorwand finden, der Schlussandacht fernzubleiben und mit einem alten Freund einen Tropfen guten Weines zu teilen.«

»Da bedarf es keines Vorwandes«, antwortete Cadfael bereitwillig. »Ich habe einen anerkannten Grund. Die Brüder im Meierhof sind in Not, weil die Kälber starken Durchfall haben, und brauchen dringend mein Gebräu aus Heilkräutern. Und ich kann sagen, dass ich dir Besseres als einen Trunk Dünnbier anbieten kann. Wir werden uns vor die Werkstatt setzen, der Abend ist so warm und windstill. Aber bist du nicht ein unachtsamer Ehemann?«, tadelte er den anderen, als sie einträchtig in den Garten gingen. »Willst du deine gute Gemahlin einem alten Trinkkumpan zuliebe verlassen?«

»Meine gute Gemahlin«, entgegnete Hugh Beringar kläglich, »hat mich bereits verlassen! Eine schwangere junge Frau braucht nur die Nase in die Gästehalle zu stecken, und sofort wird sie von einem Schwarm älterer Damen umringt und fortgezogen, und alle gurren wie die Tauben und überhäufen sie mit Ratschlägen, die alles betreffen, angefangen von der Ernährung bis zu dem schädlichen Zauber gewisser Hebammen. Aline lässt sich von allen beraten, hört sich die Geschichten aus ihren Wochenbetten an und merkt sich alle Empfehlungen. Und da ich weder spinnen noch weben oder nähen kann, bin ich aus ihrem Umkreis verbannt.« Er sprach in einem merklich selbstzufriedenen Ton, und da er sich dessen bewusst war, lachte er laut. »Aber sie sagte mir, sie hätte dich getroffen und du bedürftest keiner Erläuterungen. Wie findest du ihr Aussehen?«

»In voller Blüte, und hübscher denn je«, erwiderte Cadfael.

Im Kräutergarten, der nach Westen zu durch seine hohe Hecke gegen die vorherrschenden Winde geschützt war, hing der schwere Duft des Tages wie ein Zauber in der stillen Luft. Mit einem Krug Wein ließen sie sich unter dem überstehenden Dach der Werkstatt auf einer Bank nieder.

»Aber ich muss meine Arznei ansetzen«, sagte Cadfael. »Du magst zu mir sprechen, während ich es tue, und sobald ich fertig bin, werde ich mich wieder zu dir setzen. Welche Nachrichten gibt es aus der großen Welt? Meinst du, dass König Stephens Herrschaft jetzt gesichert ist?«

Beringar dachte schweigend darüber nach, während er den leisen Geräuschen von Cadfaels Bewegungen im Inneren der Hütte zufrieden lauschte. »Solange der gesamte Westen noch immer auf der Seite der Regentin steht, wenngleich mit Vorbehalten, bezweifle ich es. Gegenwärtig ist nichts in Bewegung, aber die Stille erscheint mir unheilvoll. Du weißt, dass Graf Robert von Gloucester mit der Regentin in der Normandie weilt?«

»Das haben wir gehört. Es wundert mich nicht, schließlich ist er ihr Halbbruder und schätzt sie sehr, wie es heißt. Auch sagt man, dass er nicht neidisch sei.«

»Ein guter Mann«, meinte Hugh Beringar, der sich nicht weigerte, einem Gegner Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. »Einer der wenigen auf beiden Seiten, die nicht auf persönliche Vorteile bedacht sind. Der Westen, wie ruhig er sich jetzt auch zeigen mag, wird tun, was Robert sagt. Ich kann nicht glauben, dass er noch sehr lange untätig bleiben wird. Und selbst außerhalb des Westens hat er Verwandte und Einfluss. Gerüchte verlauten, dass Robert und Maud von ihrem Zufluchtsort in Frankreich Boten aussenden und sich in aller Stille bemühen, mächtige Verbündete zu gewinnen, wo immer sie eine Hoffnung sehen. Wenn das zutrifft, ist dieser Bürgerkrieg noch lange nicht zu Ende. Finden die beiden genug Unterstützung, so werden sie die Ansprüche der Regentin auf den Thron früher oder später durchzusetzen suchen.«

»Robert hat in verschiedenen Teilen des Landes Töchter verheiratet«, sagte Cadfael gedankenvoll, »und alle haben mächtige Männer gefunden. Einer von ihnen ist der Graf von Chester, wie ich mich erinnere. Sollten sich nur einige von diesem Rang für die Regentin einsetzen, so magst du bald einen Krieg am Hals haben.«

Beringar machte eine bedenkliche Miene, dann verwarf er diesen Gedanken. Graf Ranulf von Chester war sicherlich einer der mächtigsten Männer im Königreich, praktisch unumschränkter Herrscher über eine riesige Pfalzgrafschaft, in der sein Wort galt und kein anderes. Aber aus eben diesem Grund war nicht zu erwarten, dass er den Wunsch verspüren würde, sich in den Thronstreitigkeiten für eine der beiden Seiten zu erklären. Solange er unangefochtener Herr seiner Besitzungen blieb und nicht befürchten musste, von König Stephen oder der Regentin Maud jemals in seinen Besitzrechten bedroht zu werden, konnte er sich unbesorgt zurücklehnen und seine eigenen Grenzen bewachen — nicht nur mit dem Bestreben, sie zu erhalten, sondern mit guten Aussichten, sie zu erweitern. Ein zerrissenes Land bietet große Möglichkeiten — ebenso, wie es Gefahren bringt.

»Es wird einige Mühe bereiten, Ranulf zu überreden, mag er ein Anverwandter sein oder nicht. Er hat keine Ursache zu klagen, und wenn er sich gegen König Stephen erhebt, so wird er es tun, weil er Gewinn und Macht für sich selbst erhofft, und die Regentin dürfte erst an zweiter Stelle kommen. Er ist nicht der Mann, der irgendetwas für eine andere Sache als seine eigene riskiert.«

Cadfael kam aus der Hütte und setzte sich zu Hugh Beringar. Dankbar atmete er die kühle Abendluft ein, denn in der Hütte hatte er das Gebräu über seiner kleinen Kohlenpfanne zum Sieden gebracht. »Das ist besser! Nun füll mir einen Becher, Hugh, ich bin mehr als reif für einen guten Trunk.« Nach einem großen, genüsslichen Schluck sagte er nachdenklich: »Es gab einige Befürchtungen, dass diese unruhigen Verhältnisse auch diesmal den Jahrmarkt ruinieren könnten, doch scheint der Handel weiterzugehen, während die Adligen in ihren Burgen sitzen und finstere Ränke schmieden. Schließlich sind die Aussichten günstig.«

»Für die Abtei vielleicht«, meinte Hugh Beringar. »Die Stadt ist weniger zuversichtlich, nach allem, was wir auf dem Durchzug hörten. Dieser neue Abt hat den Zunftmeistern die Köpfe zurechtgesetzt.«

»Ah, du hast davon erfahren?« Cadfael erzählte ihm den Hergang des Streites, für den Fall, dass sein Freund nur die eine Seite gehört hatte. »Die Bürger haben Recht, wenn sie auf Entlastung dringen, das ist keine Frage. Doch der Abt hat ebenfalls Recht, wenn er das Ansinnen zurückweist, und er kann nicht anders handeln, als auf seinen Rechten zu bestehen. Die sind vertraglich festgelegt. Er nimmt sich nur das, was ihm zugebilligt wurde. Und nicht weniger!«, fügte er hinzu und seufzte.

»In der Stadt schlägt die Erregung hohe Wellen«, warnte Beringar. »Es sollte mich nicht wundern, wenn es noch Verdruss für Euch geben würde. Der Bürgermeister hat die Bedürftigkeit der Stadt nicht übertrieben. Die Bürger vertreten die Ansicht, dass dies gesetzlich sein mag, aber nicht gerecht ist. Aber wie spricht man hier? Wie geht es Euch unter der neuen Ordnung?«

»Selbst innerhalb unserer Klostermauern hört man Gemurmel, wenn man die Ohren offenhält«, räumte Cadfael ein. »Aber ich für meinen Teil habe keine Ursache, mich zu beschweren. Er ist ein strenger Vater, aber gerecht, und mindestens so hart gegen sich selbst wie gegen andere. Unter Heribert sind wir verweichlicht und dem bequemen Leben anheimgefallen, und das neue Regiment erschien uns anfangs ziemlich hart, aber so muss es sein. Ich habe viel Vertrauen zu dem Mann. Er straft, wo er Fehler und Versäumnisse sieht, aber er wird gegen jede Macht der Welt bestehen, wenn die Interessen und der Bestand des Klosters es erfordern. Er ist ein Mann, wie man ihn in jeder Schlacht gern an seiner Seite weiß.«

»Aber seine Treue beschränkt sich auf die Kirche, den Orden und die ihm anvertrauten Mönche?«, fragte Beringar und hob die dunklen Brauen.

»Wir leben in einer streitsüchtigen Welt«, erwiderte Bruder Cadfael, der mehr als die Hälfte seines Lebens immer wieder im dichtesten Kampfgewühl gestanden hatte. »Wer sagt, dass der Frieden vorteilhaft für uns sein würde? Ich kenne den Mann noch nicht gut genug, um zu wissen, was in seinem Kopf vorgeht. Seine Gelübde gelten jedenfalls dem Orden und diesem Haus. Lass ihm Zeit, Hugh, und wir werden sehen, was herauskommt. Es gab Zeiten, zu denen ich nicht wusste, was ich von dir halten sollte!« Er lächelte bei dem Gedanken. »Jedoch nicht sehr lange. Bald werde ich auch unseren Ehrwürdigen Vater beurteilen können. Nun gib mir den Krug, Freund, und dann muss ich gehen und die Arznei für die Kälber rühren. Wie lange dauert es noch bis zur Komplet?«