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Leon Berg

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Beschreibung

Marco P. lebt als Reiseschriftsteller. Überall trifft er auf Frauen, in die er sich unsterblich verliebt. In London begegnet er Rose, sie wird seine große Liebe. Auf Usedom lernt er Margit kennen, die sich ihm aus Rache für die Affären ihres Mannes zuwendet, in Rom begleitet er Mary Ann auf der Suche nach ihrem spirituellen Vater, in Neapel trifft er auf Barbara. Obwohl er ständig mit Rose in Kontakt ist, scheint es unmöglich, sie wieder zu treffen. Immer kommt ihr etwas dazwischen. Es sind seltsame Abenteuer, die sie als Entschuldigung anführt, warum sie ihn in letzter Sekunde auf später vertrösten muss.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Prologe

Meine Reise nach London

Meine Reise nach Usedom

Meine Reise nach Rom

Währenddessen in Heidelberg

Weiterreise nach Neapel

Epilog

Impressum

Cheap ticket

Roman

Mit dem iPad geschrieben auf Flughäfen, in Fernzügen, S-Bahnen, Hotels und WiFi-Cafés. Für R, M, M und B.

Prologe

Tagebucheintrag

Heidelberg,Café Winkler

Die Kastanien blühen. Bin voller Tatendrang.

Muss gleich morgen den Namen meines Sachbearbeiters auf dem Finanzamt recherchieren und darum bitten, mir bei meinem neuen Start fiskalisch entgegenzukommen. Die Idee, die Kosten fürs Unterwegssein von der Steuer abzusetzen, finde ich höchst charmant. Nichts mache ich lieber, als in der Weltgeschichte herumzubummeln. Ist es also nicht klug, diese Neigung zu Geld zu machen, zu viel Geld? Nicht nur einen einzigen Reiseführer werde ich verfassen, sondern zwei, mehrere. Viele! Ein ganzes Regal Länder und Städte von A bis Z, von Alpha bis Omega. Durch mich wird die altmodische Buchform des Reiseführers, so wie die Vinylplatte, ihre Auferstehung feiern.

Wie mich mein Gepiense der letzten Zeit anwiderte! Schluss mit dem Glauben, ein armer Tor zu sein, der so klug sei als zuvor und der zu den Losern gehörte, bevor ihm ein Mephisto über den Weg lief. Diesmal wird meine Idee tragen, ich weiß es, ich spüre es mit allen Sinnen. Die Idee ist großartig, viel großartiger als die tausend anderen Ideen, die mir früher durch den Kopf schwirrten und letztlich auf der Strecke blieben.

Der Antrag

Liebe Frau Ephoria, bezugnehmend auf das Telefonat mit Ihrem netten Kollegen vom Finanzamt III in Heidelberg, der gesagt hat, dass ich in Ihre Zuständigkeit fiele, teile ich Ihnen mit, dass meine Reisen rein beruflicher Natur sind. Sie sind unabdingbar, um als Autor und Verleger von touristischen Reiseführern Einnahmen zu erzielen und Steuern abzuführen.

Glauben Sie mir, ich bin ein ehrlicher Mensch, mir liegt es fern, den Staat zu betrügen. Dafür erwarte ich auch von Ihnen ein gewisses Entgegenkommen. Ich wünsche mir, dass Sie alle meine Belege und Quittungen, die ich einreiche, ohne Wenn und Aber steuermindernd anerkennen.

Ich kann mir denken, dass Sie jetzt die Stirn runzeln. Aber keine Sorge. Ich werde es Ihnen leichtmachen, meinen Antrag positiv zu entscheiden. In losen Abständen erhalten Sie Kostproben meiner Arbeit, die sie davon überzeugen werden, dass ich keineswegs aus purem Vergnügen reise.

Vor allem verschließe ich meine Augen vor den Frauen. Ehrenwort, kein Herz für Sinnlichkeit.

Mir wird die Enthaltsamkeit leichtfallen, denn ich bin enttäuscht vom weiblichen Geschlecht und denke nicht im Entferntesten daran, mich jemals wieder zu liieren. Ich reise nicht, um auf Brautschau zu gehen, sondern um in meine materielle Zukunft zu investieren. Sparpreis, Super-Sparpreis, Sonderangebot – noch nie waren die Tickets so günstig wie heute. Es ist die Chance! Liebe Frau Ephoria, es gibt nicht den geringsten Anlass, an meiner steuerlichen Rechtschaffenheit zu zweifeln.

Damit Sie sehen, dass alles seine Richtigkeit hat, beginne ich ganz am Anfang meiner Reise, auf dem Hauptbahnhof in Heidelberg, am Fahrkartenschalter. Von dort führt mich eine längere Zugfahrt mit nur einem Umstieg direkt nach London, meiner ersten Station als frisch gebackener Reiseschriftsteller.

Ich freue mich darauf, dass Sie dieser Brief überzeugen wird und verbleibe mit freundlichen Grüßen,

herzlichst Ihr Marco Polo.

Tagebucheintrag

Heidelberg, daheim

Soeben habe ich den Brief an Frau Ephoria eingeworfen. – Je länger ich darüber nachdenke, desto blöder komme ich mir vor. Ich sollte den Brief aus dem Kasten herausfischen. Im Nachhinein erscheint mir mein Vorhaben als skurril und peinlich. Sehr unangenehm. Hätte ich nur eine Nacht darüber geschlafen! Aber nein, der Impuls triumphierte über die Strategie.

Und ich sehe die erfahrenen, gewieften Steuerhinterziehenden unter meiner Leserschar schmunzeln. Milde lächeln sie und unken, das wird so nichts, mein Lieber, so nicht. Wenn du tatsächlich das Finanzamt austricksen willst, musst du ganz andere Geschütze auffahren, holla di ho!

Vermutlich richtig. Aber leider verfüge ich nicht über das nötige Kleingeld, um mir teure Geschütze – sprich Steuerberater – zu leisten, sie fräßen mein kleines Vermögen auf, bevor ich auch nur die erste Reise angetreten hätte, holla di ho!

Außerdem will ich das Finanzamt nicht betrügen, ehrlich. Ich habe ernsthaft vor, meinen Lebensunterhalt vom Umherziehen zu bestreiten. Theodor Fontane, Mark Twain, Gerd Ruge und viele andere haben es vorgemacht. Sie reisten, betrachteten die Welt mit offenem Blick, schrieben, kassierten.

Unten auf der Straße, vor dem Briefkasten an der Hauswand gegenüber, bremst der schrottige Lieferwagen eines Subunternehmers der Deutschen Post. Eine Frau steigt aus, öffnet die Bodenklappe des Kastens und lässt die Briefe in die Sammeltasche fallen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Das Schicksal nimmt seinen Lauf.

Meine Reise nach London

Einmal London, bitte

Die Blondine am Fahrkartenschalter der Deutschen Bahn war ganz mein Typ.

„Einmal London, bitte“, sagte ich.

Geistesabwesend tippte sie meinen Reisewunsch in den Computer, ohne mich eines Blickes zu würdigen.

Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, vielleicht einen Geist sprühenden Dialog etwa in dieser Art:

„Nein so was, Sie möchten mit dem Zug nach London fahren, ja warum denn das? Es gibt doch Flugzeuge, sie fliegen durch die Luft, schneller als die schnellsten Züge. Ach so, Sie möchten sich den Ärmelkanal einmal von unten ansehen, die Bäuche der Fische und Schiffsschrauben in schneller Rotation. Ja, wissen Sie denn nicht, dass es in der Tunneldecke keine Bullaugen gibt?“

Nichts dergleichen. Die gute Frau tat so, als sei es die normalste Sache der Welt, in einem Waggon, gezogen von einer Lokomotive, das offene Meer zu unterqueren, auf dem oben jede Menge schwerfälliger Öltanker kreuzten. Sie zuckte mit keiner Wimper. Sie fragte nicht einmal, ob ich eine Rückfahrkarte wolle. Als ob es ihr piep-egal wäre, wenn ich ewig fortbliebe.

„Geben Sie bitte die Geheimzahl ein.“

Beim Aussprechen dieser einfachen Bitte schaute sie mir in die Augen, und dabei lächelte sie charmant, vermutlich hatte sie das in einer Schulung so gelernt, aber bei mir führte es dazu, dass schier mein Herz explodierte. Ihr Lächeln betörte und irritierte mich so sehr, dass ich nicht nur den Kartenschlitz mehrfach verfehlte, sondern mich auch beim Eingeben der Geheimzahl vertippte. Die Kunden in der Warteschlange stöhnten voller Ungeduld, während die Frau hinter der Glaswand mein Unvermögen mit Gleichmut und einem aufmunternden Nicken hinnahm.

„Das wir schon werden.“

Schon setzte sich der Fahrkartendrucker in Bewegung. Sein Fiepen erinnerte mich an das Sirren von Stechmücken in schlaflosen Nächten. Dafür reichte mir die Frau ein ausgesprochen sinnliches Reisedokument, wie es nur an einem physischen, nicht-virtuellen Schalter erhältlich ist. Der stabile Karton des Tickets, hellgelb mit türkisfarbenen Dreiecksmustern, fühlte sich angenehm glatt an. Die Haptik schmeichelte meinem Tastsinn. Dunkelgraue Courier-Schrift verkündete Reisedaten und Reiseziel, London St Pancras. Dieser Fahrschein, der zudem in einem bunt bedruckten Umschlag steckte, auf dem dahinbrausende Schnellzüge abgebildet waren, war sein Geld wirklich wert.

„Gute Reise“, flötete die Frau und lächelte wieder.

„Herzlichen Dank“, entgegnete ich und ratterte mit meinem Rollkoffer davon.

Als sich die Glastür vor mir teilte, drehte ich mich nach ihr um, musste jedoch feststellen, dass sie schon den nächsten Kunden anlächelte, anstatt mir verträumt mit verstohlenem Blick zu folgen.

Tagebucheintrag

Im ICE Ingolstadt

Obwohl der Zug nicht der Polarexpress ist, nennt er sich ICE. Ha, ha, ha, Eis. Der Kalauer lässt mich zum Glück nicht in schallendes Gelächter ausbrechen, es wäre mir unangenehm, die verständnislosen Blicke Mitreisender auf mich zu ziehen. Oder sollte ich Witzbücher statt Reiseführer verfassen? Aber dann müsste ich mir einen anderen Grund aus den Fingern saugen, um Frau Ephoria von der Abzugsfähigkeit meiner Belege zu überzeugen, denn London ist nichts für Spaßvögel, seitdem die Brexiteers den britischen Humor ernst genommen und aus skurrilen Ungeheuerlichkeiten eine größenwahnsinnige Normalität erschaffen wollen.

Die Mittelgebirgslandschaften fliegen vorbei, mein Zug wird von Tunneln verschluckt und auf gewagten Viadukten wieder ausgespien. Mein Tablet-Computer teilt sich das Tischchen vor mir mit Kaffeetasse und Snack. Ich sitze im Speisewagen, tippe, kaue und denke. Das Tempo verschafft mir das wohlige Gefühl, eins zu sein mit der Zeit, die stillsteht und nicht vergeht. Die Erinnerung an die Fahrkartenverkäuferin verschmilzt mit vorausahnenden Bildern von London zu einer Nullsumme, Stillstand eben. Ich weiß, dass ich nicht beleidigt sein darf, weil die Blonde der Bahn nur professionell an mir interessiert war, auch ich habe den Kontakt zu ihr nur aus rein professionellem Motiv gesucht, wegen des Tickets nach London St Pancras. Diese und andere Gedanken tippe ich in mein Tablet. Ist ein schöneres Büro vorstellbar als ein Speisewagen, wo vor rasendem Hintergrund Kellnerinnen und Kellner um einen herumscharwenzeln, um mir die Wünsche von den Lippen abzulesen? So geht das Schreiben leicht von Hand, ich hoffe, dass ich auch Frau Ephoria begeistern kann.

Aber – Schalter-Flirts haben nichts in meinem ultimativen Reiseführer verloren. Was soll Frau Ephoria denken? Und erst die gebildeten Touristen, die sich um meine Bücher reißen werden, weil sie unterwegs sind, um sich zu ergötzen und nicht, um alkoholisiert die Nationalhymne zu grölen.

Schon wieder ein Tunnel, und wieder spiegelt sich das hell erleuchtete Innere des Waggons in den Fenstern. So kommt es, dass mir die Frau auf der Sitzreihe gegenüber auffällt, graues Haar mit stahlblauen Strähnchen, rote Plastikbrille, violette Strickjacke, verwaschene Jeans. Ich schätzte sie auf Mitte sechzig. Schön, dass sich heute ältere Damen nicht mehr wie verblühte Stiefmütterchen kleiden müssen. Vermutlich sieht mein Zielpublikum genauso aus wie diese Reisende, jung gebliebene ältere Semester. Ob diese Dame ebenfalls nach London reist, Endstation St Pancras?

St Pancras – ich frage mich, warum der Bahnhof ausgerechnet nach einem der fünf Eisheiligen benannt ist, Pankratius hält den Nacken steif, sein Harnisch klirrt vor Frost und Reif. Was will London uns Reisenden sagen, die hier ihren Fuß auf die britische Insel setzen? Leute, zieht euch warm an, unsere Insel ist nichts für Weicheier, bald werden wir die Weltmacht sein, auf die alle gewartet haben.

Warten

Umsteigen in Brüssel-Midi, zehn Minuten zu Fuß über Bahnsteige und Rolltreppen zum Eurostar-Terminal. Britische Passkontrolle. Die Frau, die mein Gesicht mit dem Foto in meinem Ausweis verglich, zeigte mir zwar ein freundliches Lächeln und sprach in vollständigen Sätzen zu mir. Trotzdem setzte ich eine humorlose Miene auf. Merke, liebe Leserin, lieber Leser: Der Wechsel des Hoheitsgebiets ist immer eine ernste Angelegenheit, deshalb sollte man nicht riskieren, sich beim Grenzübertritt Sympathien zu verscherzen, denn das eigene Lächeln kann als überheblich, rotzfrech, impertinent oder andersweitig nachteilig interpretiert werden – mit unabsehbaren Folgen. Der Transit durch die frühere DDR hat mich zum gebrannten Kind gemacht.

Im Wartebereich dudelte Hintergrundmusik. Um mich herum vereinigten sich das Rollkofferrattern und das Schuhsohlenschlurfen zu einem einlullenden Hintergrundgeräusch wie auf internationalen Flughäfen. Es gab W-LAN for free. Ich erkannte es an den anderen Wartenden, die, Stöpsel in den Ohren, im Nacken der typische Smartphone-Knick, auf Displays starrten und den Daumen über das Gorilla-Glas schoben, um das zu sehen, was eigentlich viel zu klein für die Augen war. Mir fiel ein einziger Mann auf, der Zeitung las. Das Blatt sah so ähnlich wie die Bildzeitung aus. Ich musterte diesen letzten Mohikaner, der sich mit schwarz auf weiß Gedrucktem zufriedengab. Er saß mir schräg gegenüber. Als er bemerkte, dass ich ihn anschaute, drehte er mir seine Zeitung zu und deutete mit genüsslicher Miene auf das Foto einer halbnackten Frau. Mein Tablet fiepte. Eine Nachricht von Elke, im Anhang das Foto ihrer neuen Katze. „Miau, miau“, schrieb ich zurück und fügte ein augenzwinkerndes Emoticon an. Schon schickte sie mir mehrere Emojis zurück, lauter rote Lippen, Herzen und glücklich lachende Gesichter.

Boarding-time. Im Waggon roch es erstaunlicherweise wie in einem alten DDR-Schulhaus, nach Mottenkugeln und Karbol. Vermutlich hatte man mit diesen chemischen Substanzen den bräunlichen Teddybärplüsch desinfiziert, mit dem die Sitze überzogen waren. Gelbliches Schummerlicht verbreitete im Wagen eine gediegene und zugleich morbide Stimmung wie heute ein Grand-Hotel aus dem neunzehnten Jahrhundert.

Begleitet von Piepstönen schlossen die Türen. Der Zug setzte sich in Bewegung, beschleunigte und schaukelte aus Brüssel-Midi hinaus. Weichen knackten. Nur hundertzwanzig Minuten bis zu einem der fünf Eisheiligen. Mein Tablet hatte Strom für fünf Stunden. Das genügte, um das, was vor mir geschah, direkt einzutippen. Von den Augen ohne Umweg in die Finger. Kein Grund, die Sätze mit der Patina des Präteritums zu überziehen. Außerdem liebten Literaturkritiker das Präsens, sie sahen in der Distanzlosigkeit das unwiderlegbare Ideal des Schreibens. Hoffentlich wird auch das Lesepublikum die Unmittelbarkeit meines schriftlichen Ausdrucks mit monetärem Eifer honorieren – zunächst vor allem Frau Ephoria vom Finanzamt III in meinem Heidelberg.

Der asiatische Fahrgast

Zwischenstopp in … Ich verstand den Namen nicht. Das Französisch des englischen Schaffners klang ähnlich lausig wie das Englisch seiner deutschen Kollegen.

Kaum, dass der Zug sich wieder langsam in Bewegung setzte, fühlte ich mich angeschaut. Ich hob den Kopf und erblickte im Mittelgang eine Asiatin, langes, pechschwarzes Haar, eine feine Goldrandbrille, hellbrauner Sommermantel, auf der Handtasche das Logo von Coco Chanel.

Das Aufschreiben hatte gegenüber dem Fotografieren in mancher Hinsicht Vorteile. Gegen einen Schnappschuss mit dem Handy hätte sich die Fremde gewiss erschrocken gewehrt, aber von meiner schriftlichen Aufzeichnung ahnte sie nichts und konnte sie deshalb nicht verhindern.

Die Frau verglich die Daten auf ihrem Ticket mit den Platznummern über den Sitzen und kam zu dem Ergebnis, dass ich es war, den sie ansprechen musste.

„Entschuldigung“, sagte sie freundlich und deutete auf den Fensterplatz neben mir.

Ich hatte den Sitz mit Gepäckstücken belegt, weil ich gehofft hatte, dass ihn dann niemand zu beanspruchen wagte. Aber gegen eine Platzkarte war diese Strategie machtlos. Ich sah mich genötigt, aufzustehen, um Rucksack und Koffer auf der dafür vorgesehenen Ablage zu verstauen. Der Zug schlingerte und schaukelte von Gleis zu Gleis, Turbulenzen wie beim stürmischen Start mit dem Flugzeug. So kam es, dass die Frau und ich ständig hin und her geworfen wurden und mehrmals zusammenstießen.

Endlich saßen wir auf unseren Plätzen. Aus den Augenwinkeln heraus musterte ich meine Nachbarin. Sie kramte Knabbergebäck und eine Thermoskanne aus dem Rucksack hervor und machte es sich gemütlich. Dabei taxierte auch sie mich heimlich, wie ich feststellte. Eine Sekunde lang trafen sich unsere Blicke. Wir grinsten uns an. Wenigstens hatte mir das elektronische Buchungssystem keine Nachbarschaft beschert, vor der ich mich fürchten musste. Ich hoffte, dass sie dasselbe dachte.

Ans Schreiben war jedoch nicht mehr zu denken. Es wäre mir unangenehm gewesen, wenn sie mitgelesen und begriffen hätte, dass es bei dem, was ich tippte, um sie ging. Asiaten konnten alles, gewiss auch Hochdeutsch.

So holte ich mein Handy heraus und rief aus purer Gewohnheit meine Mails ab. Das Gerät meldete, dass es keine Verbindung zum Server herstellen könne.

„Entschuldigung, haben Sie ein Netz?“

„Hier ist kein Netz.“

„Sind wir denn schon unter dem Ärmelkanal?“

„Noch nicht.“

„Wie können Sie das wissen? Es ist dunkel, man sieht nichts.“

„Ich fahre jeden Tag diese Strecke. Hier war noch nie ein Netz, glauben Sie mir. Ich bin Berufspendlerin. Wenn man in London arbeitet, ist es billiger in Antwerpen zu wohnen. In London habe ich nur ein Notbett bei einer Freundin. Man verdient sehr gut bei meiner Bank. Ich habe in Djakarta Finanzen studiert und in London meinen Master gemacht.“

Dass ich in wenigen Sätzen die Eckpunkte ihrer Lebensgeschichte erfahren hatte, spornte mich an, es ihr gleichzutun. Ich erzählte, dass ich vor Kurzem ein Reiseschriftsteller geworden sei. Jetzt sei ich unterwegs, um den ultimativen London-Guide zu schreiben, ich wolle Museen, Bars, Konzerte und Sehenswürdigkeiten besuchen und meine Eindrücke schriftlich festhalten.

„Wonderful!“

Ich fühlte mich großartig.

Schon überhäufte sie mich mit zahllosen Tipps. Ich musste versprechen, Camden-Town zu besuchen, Greenwich und das südliche Themseufer, die Tate, das British Museum und natürlich den Hyde Park. Dort gehe sie joggen, wenn Sie am Wochenende einmal in London bleiben müsse. Sie sprach Englisch mit starkem asiatischem Akzent.

„In Deutschland hätten Sie mit der Aussprache vermutlich keinen Job bei einer Bank bekommen.“

„Sehen Sie“, lächelte sie, „die Briten wollen gute Leute, die Deutschen gute Deutsche. Deshalb pendle ich nicht nach Düsseldorf, sondern nach London.“

„Diesen Satz werde ich mir merken. Darf ich ihn zitieren?“

„Sehr gerne“, lächelte sie. „Und – Sie müssen Ihre Quelle nicht namentlich nennen.“

Ich fragte mich, ob sie mir eine vorauseilende Abfuhr erteilt habe, denn es gab jetzt keinen Grund mehr, sie nach ihrem Namen und ihrer Adresse zu fragen.

In St Pancras begleitete sie mich zum Ausgang des Bahnhofs. Sie zeigte mir den Weg zu den Haltestellen und verschwand im ersten Doppeldeckerbus, der kam und sofort davonfuhr. Als ich mich abwenden wollte, sah ich sie ans rückwärtige Fenster treten. Sie winkte mir zu, ich verkniff mir eine Kusshand. Ihr Bus fädelte sich in den fließenden Verkehr ein. Schon mischten sich die Rücklichter unter die anderen.

Einerseits bedauerte ich es, dass wir uns in der Acht-Millionen-Metropole nie wieder begegnen würden und ich mir Insider-Tipps auf andere Weise besorgen musste, andererseits hatte ihr Verschwinden auch etwas Gutes. Techtelmechtel lenkten von der Arbeit ab und verärgerten Frau Ephoria, falls sie davon erführe. Es gehörte zum Berufsbild eines Autors, die Welt zu beobachten und sich aus dem Leben herauszuhalten. In irdische Alltäglichkeiten verstrickt zu werden, hätte bedeutet, wegen lauter Handeln keine Zeit mehr zum Schreiben zu finden, und das war schlecht für die geplante Karriere.

Ich verzichtete auf den Bus, schlenderte die Euston-Road entlang zu meinem Hotel und ließ mir die Londoner Luft um die Nase wehen. Es war weder warm noch kalt, keine Spur eines vereisten Harnischs. Plötzlich piepste mein Handy, eine Kurznachricht war eingetroffen. Gespannt griff ich in mein Jackett und fragte mich, ob mich die liebe Elke erneut zu erreichen versuchte. Es war meine Telefongesellschaft, die mich persönlich in Großbritannien willkommen hieß und mir das Ehrenwort gab, ihr Versprechen garantiert einzuhalten. So als ob es etwas Besonderes sei, ein Versprechen einzuhalten.

„Ich kann mich allerdings an kein Versprechen erinnern“, flüsterte ich grübelnd.

Natürlich hatte die Telefongesellschaft mit meiner Vergesslichkeit gerechnet. Einst habe sie mir versprochen, dass das Telefonieren in England nicht teurer als daheim sei. „Warum auch?“ murmelte ich vor mich hin. Welche Erschwernisse, die einen höheren Preis rechtfertigten, hätte es in dem Land jenseits des Ärmelkanals geben können? Klima, Nebel, Nieselregen? Müssen die Regenschirme der an den Haltestellen Schlange Stehenden mit besonders raffinierten Funkwellen durchdrungen werden? Aber sobald Großbritannien wieder zu einem europäischen Drittstaat geworden wäre, würden sich gewiss genügend vorgeschobene Gründe finden.

Sprachnotiz

Auf dem Weg zum Hyde Park, ich halte mein Handy mit der flachen Seite vor den Mund und rede:

Der Hyde Park im Zentrum der Stadt ist ein beliebter Treffpunkt für Einwohner und Touristen, das heißt, Treff-Punkt ist eine viel zu unpräzise Bezeichnung. Die Abmessungen des weltweit bekannten Parks sind gigantisch. Das gesamte Fürstentum Monaco würde in den Hyde Park passen.

Für Leute, die gerne spazieren gehen, ist der Hyde Park immer ein empfehlenswertes Etappenziel. Von Bloomsbury, dem Stadtteil wo Touristen gerne absteigen, führt der Weg durch die Oxford Street. Der Straßenname lässt an eine elitäre Bildungsanstalt denken, die University of Oxford. In der gleichnamigen Straße geht es jedoch weitaus egalitärer zu. Läden mit Wühltischen säumen wie Wegelagerer die Bürgersteige und zeichnen ein plastisches Bild demokratischer Teilhabe.

Sonntags ist allerdings auch hier geschlossen. Die Stores von Massimo Dutti, Next, Zara, Marks & Spencer, Swatch, Foot Locker, Esprit, Boots, T-Mobile, Scrooge & Marley und wie sie alle heißen sehen düster und leblos aus. Ein Plakat plädiert für 24/7 Öffnungszeiten und fragt, ob Großbritannien wirklich ein demokratisches Land sei, solange die Menschen nicht jederzeit kaufen könnten, was sie haben wollten, verschlossene Ladentüren seien angesichts des Online-Handels das bedeutendste Problem heutiger und kommender Generationen. – Nun ja, der Stuhl, auf dem man sitzt, bestimmt den Standpunkt.

Schon taucht Marble Arch auf, der geodätische Mittelpunkt Londons, von hier aus werden alle Entfernungen berechnet. Bänke säumen den Zugang zum Hyde Park. Unter ausladenden Ästen lasse ich mich nieder.

Jetzt tippe ich in mein Tablet. Beim Recherchieren von Hintergrundinformationen hilft mir Google, mein verlässlicher, digitaler Bildungsassistent.

„Marble Arch, der Triumphbogen aus weißem Marmor, wurde in Anlehnung an den Konstantinsbogen in Rom gestaltet, dessen Vorbild, ebenfalls in Rom, der Septimius-Severus-Bogen gewesen war“, füge ich per Copy-and-Paste ein. Später werde ich so lange am Text herumfummeln, bis ihn niemand als abgeschrieben erkennt, der vielleicht dasselbe Thema googelt. – Letzten Satz unbedingt wieder streichen.

Ich denke, dass Marble Arch ein gutes Beispiel dafür ist, wie sich die Vergangenheit im Laufe der Geschichte verändert hat. Einst waren es siegreiche Kaiser, die mit großem Gefolge durch Triumphbögen marschierten, heute gehen gewöhnliche Individuen hindurch, so wie gerade die Frau in dem hellen Glockenkleid, die über ihrer Schulter ein schwarzes Umhängetäschchen trägt, in das kaum mehr hineinpasst als eine Geldbörse.

Wie Marylin

Bei ihrem Anblick hatte ich unwillkürlich den Atem anhalten müssen, so dass ich nicht in der Lage war, meine Notizen fortzusetzen. Die Frau verschwand im mittleren der drei Torbögen von Marble Arch. Gleich würde sie wieder heraustreten und auf ihren hohen Absätzen in Richtung Speaker’s Corner stöckeln. Meine Augen waren nicht die einzigen, die, wie von unsichtbaren Fäden gezogen, an ihr hafteten, auch andere Männer schauten ihr hinterher. Münder standen offen, jäh unterbrochene Telefonate.

Die Frau trat aus dem Schatten des Torbogens ins Licht, als ein Luftzug ihr Kleid anhob, wie das von Marylin Monroe im verflixten siebten Jahr. Schon begriff die Frau, dass sich gerade eine berühmte Filmszene wiederholte, mit ihr in der Hauptrolle. Hektisch blickte sie in alle Richtungen, sah die tausend Augen, die sie anstarrten. Sie entspannte sich, schien es zu genießen, im Mittelpunkt zu stehen, lachte amüsiert und frei von jeder Peinlichkeit. Dann war es genug. Sie strich sich das Kleid glatt und setzte ihren Weg in Richtung Hyde Park fort.

Speaker's Corner

Ich schloss den Mund, erhob mich und nahm denselben Weg wie die Frau im Glockenkleid, zeigte jedoch professionelles Desinteresse. Mein gesenkter Blick hätte gewiss auch Frau Ephoria überzeugt. Ich hatte mir vorgenommen, über Speaker's Corner schreiben. An diesem besonderen Ort der Meinungsfreiheit hatte schon Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, versucht, die Passanten von der alternativlosen Richtigkeit seiner Ideen zu überzeugen, was in England aber zum Glück gescheitert war. Schade, dass es Boris Johnson nicht genauso erging.

Sonntagsjogger in greller Funktionskleidung überholten mich. An langen Leinen führten Spaziergänger ihre Hündchen aus. Dort, gepflegter Rasen, befreit von Moosen und Löwenzahn. Schilder baten, auf dem Grün nicht Fahrrad zu fahren, sondern dazu die Wege zu benutzen. Durch das Geäst der alten Allee-Platanen drangen gleißende Sonnenstrahlen und brachten das Blattwerk in frühlingshaftem Lind zum Leuchten. Ich mischte mich unter die zahlreichen Touristen und Einheimischen.

Ein Bärtiger in schwarzem Parka und blauen Jeans grüßte von der oberen Sprosse einer zusammenklappbaren Dreistufenleiter herab, wie sie in Baumärkten erhältlich war. Das ständige Nicken, Lächeln und Grüßen war seine Botschaft an die Welt. Der Frieden brauche keine Worte, nur Geruhsamkeit und Freundlichkeit, stand auf dem Plakat, das ihm um den Hals hing.

Auf einem ähnlichen Leiterchen, ein paar Meter weiter, stand eine ältere Dame, gekleidet in Weiß, wie das unschuldige Gute. Sie trug einen knöchellangen weißen Faltenrock, einen weißen Rollkragenpulli und ein helles Jackett. Sorgenvolle Falten durchfurchten ihre Stirn. Dezentes Rouge gab ihrem hageren Gesicht Farbe, hellrote Lippen, graues, steif frisiertes Haar, gewiss allwettertauglich. Die Dame trug die Nase hoch und musste die Lider senken, um ihren Zuschauern in die Augen zu schauen. Mit weinerlicher Stimme lud sie alle, „wirklich alle“ Menschen dazu ein, gute und ordentliche Engländer zu werden.

„Bedauerlicherweise wollen die Ausländer nur Kraftausdrücke und Anzüglichkeiten lernen. Sie nehmen den ganzen Tag schlimme Wörter in den Mund und verunstalten die englische Sprache, dass einem graut.“

Ein dunkelhäutiger Mann, Pakistaner vermutlich, unterbrach sie und fragte mit nur schwer verständlichem Akzent, wie sie es denn nenne, wenn ihr Stecher auf ihr drauf liege und seinen Schwanz in sie hineinstecke.

“Fuck! Fuck! He's fucking you!”, lachte er und trommelte mit der flachen Hand auf die geballte Faust

Nahm er sie auf den Arm, oder bemerkte er nicht, dass seine Worte ein gefundenes Fressen für die Lady in Weiß waren?

Ermutigt, mit kräftiger, klarer Stimme griff sie seine sprachlichen Entgleisungen auf und führte ihn als sichtbaren Beweis ihrer Behauptungen vor.

„Seht, seht“ – sie bekam eine natürliche Farbe im Gesicht – „das ist genau das, was ich meine!“

Das Publikum grölte. Der Pakistaner konterte mit einer Serie noch verruchterer Worte.

Steckte sie mit ihm unter einer Decke?

Eine junge, zierliche Frau, die ein Kopftuch trug, schrie plötzlich den Pakistaner an, Frauen hätten im Islam viel weniger Rechte als im Christentum. Sie seien der letzte Dreck und würden wie Gefangene gehalten. Ihre Stimme überschlug sich.

Im Christentum komme nur die Seele in den Himmel, wies der Mann den Vorwurf zurück, nicht aber der Körper, er bleibe für immer eingebuddelt in der Erde, das sei wirkliche Gefangenschaft. Wie sie Sex machen wolle ohne Körper? Mit Seele oder mit… Ich verstand das Wort nicht.

Sie kreischte zurück, er sei so ein typischer Macho…, der nur denke an ... auch ihre Worte verstand ich nicht.

Wie sie es denn in der Ewigkeit aushalte ohne …? Ein vollständiger Körper wiege die vermeintlichen Nachteile auf…Rechte hin, Rechte her, Hauptsache das Leben nach dem Tod sei schön, weil es länger dauere als das auf Erden.

Das Publikum johlte, klatschte, pfiff und ergriff spaßeshalber für die eine oder die andere Seite Partei. Mütter hielten den Kindern die Ohren zu und schickten sie zum Ballspielen auf den Rasen, der nicht betreten werden durfte. Immer mehr Leute scharten sich um die weiße, verbitterte Frau auf dem Schemelchen und den vitalen, dunkelhäutigen Herrn. Jogger trabten im Stehen, Arm in Arm grinsten verliebte Pärchen, Einheimische führten das Spektakel ihrem Wochenendbesuch aus der biederen Provinz vor. Schaut, das ist London, so geht’s zu bei uns.

Ich wandte mich ab und setzte meinen Rundgang an der Hyde Park Corner fort, gespannt, welche Ausbeute mir die anderen Speaker für meinen ultimativen London-Reiseführer liefern würden. Mir fiel ein Mann auf, der kein einziges Wort sprach und trotzdem das Publikum zum Lachen brachte. Es war nicht der Friedensaktivist im Parka, sondern ein Rastaman mit lockigem, schwarzem Haar und verständnisvollen Jesusaugen. Er trug eine zerrissene Jeans und ein strahlend weißes T-Shirt mit zwei riesigen Schwarz-Weiß-Mustern, eines vorne, das andere auf dem Rücken. Auch Tickets und Fahrkarten trugen solche Aufdrucke, die an Bildstörungen bei alten Fernsehgeräten erinnerten. Der Mann strich sich von oben nach unten über den Bauch und drehte sich auffällig langsam im Kreis wie ein Athlet, der seinen Körper vermarktete. Eifrig knipsten die Leute Fotos und fingen zu lachen an.

Ein Herr im Anzug trat einen Schritt nach vorn. Mit dem Knauf des Regenschirms schob er die Melone in den Nacken, er zog sein Handy hervor, richtete die Kamera auf das T-Shirt und fokussierte den Aufdruck.

„Das ist ein QR-Code“, murmelte er, als ob er Kontinentaleuropäern nicht zutraute, so etwas schon gesehen zu haben. „Man braucht die richtige Software, um die Botschaft zu decodieren.“

Schon streckte er mir das Handy hin und ließ mich an seiner Erkenntnis teilhaben. Auf seinem Display erschien die entschlüsselte Nachricht. Es war die Telefonnummer eines Londoner Sex-Clubs, Best Girlsin Town.

„Amazing“, schüttelte ich den Kopf und fragte mich, ob Wladimir Iljitsch Uljanow, falls ihn eine Zeitmaschine in die Gegenwart katapultierte, den Bauch ebenfalls mit einem QR-Code schmücken würde, so dass beim Decodieren das verblüffte Publikum vielleicht erführe: „Massenerschießungen sind ein legitimes Mittel der Revolution.“

Sandwiches

Der Besuch im Hyde Park und die mentale Verarbeitung meiner Erlebnisse hatten reichlich Energie gekostet, was sich nun als knurrender Magen äußerte. Die an frischer Luft durchgeführte Vor-Ort-Recherche begründete also Verzehr-Spesen. Dem Gebot der Sparsamkeit folgend wollte ich mir jedoch keine lange Pause in einem teuren Restaurant leisten, sondern nur eine bescheidene, schnelle Mahlzeit in einer Sandwichbar.

Meine Wahl fiel auf Pret a Manger. Ich trat ein und hatte nur noch Augen für die Regale aus blitzendem Edelstahl. Aus den Fächern heraus lachten mich verheißungsvoll dreieckige Boxen aus durchsichtigem Plastik an. Sie waren mit unzähligen Arten Sandwiches gefüllt. Eines sah leckerer aus als das andere. An der Theke duftete es nach frischen Muffins und Croissants. Espresso-Maschinen fauchten, schäumten Milch.

Hinter mir, gerade so, dass ihr die Tür nicht vor der Nase zufiel, schlüpfte​ eine etwas füllige Blonde herein. Sie war der warmherzige Typ, bei dem die Liebe durch den Magen ging, und es schien viele Menschen zu geben, die sie liebte.

„Das sieht ja lecker aus“, sagte sie.

Ihr Englisch enthielt einen rauen, nordischen Akzent. Ich überlegte mir eine Entgegnung, schaute mich um, aber die Frau nahm keine Notiz von mir, sie hatte mit sich selbst gesprochen.

Ich griff nach einem BLT-Sandwich, Bacon, Lettuce, Tomato, das Klassische.

Die Frau überholte mich und betrachtete ausgiebig die Falafel-und-Chunky-Humous-Sandwiches. Sie waren mit Bratlingen belegt, mit Kichererbsen-Paste bestrichen, dazu etwas Naturjoghurt aufgetragen, jordanische Kräuter, rote Zwiebel, Tomate, ein Basilikumblatt, ein Spinatblatt, und das alles auf gemalztem Vollkornweichbrot, wie appetitlich!

Ich wollte der Frau nicht in die Quere kommen und ging hinten um sie herum.

„Oh, was haben wir denn da? Ein King-Prawn-Avocado-Sandwich mit Salatblatt, Gewürzen, Riesengarnelen und Zitronendressing, ebenfalls auf gemalztem Vollkornweichbrot. Oder doch lieber die Flusskrebs-und-Rucola-Variante?“ Jetzt war ich es, der murmelnd zu sich selbst sprach.

Kurz entschlossen nahm ich das King Prawn- und das Flusskrebs-Sandwich aus dem Regal und stellte mich an der Kasse an. Die Blonde stand hinter mir, aus den Augenwinkeln sah ich, dass sie sich einen Sweet Chilli Crayfish & Mango Bloomer und eine Chocolate Brownie Bar aufs Tablett gelegt hatte. Beim Kassierer bestellte ich Cappuccino. Ich bezahlte und balancierte mein Tablett zwischen den eng stehenden Sitzgruppen hindurch zum einzigen freien Fenstertisch. Der Platz reichte gerade für mich, meinen Tablet-Computer, die Sandwiches und den Cappuccino.

Ich klappte das Tablet auf und begann, den Schimpfwortdialog zwischen der englischen Lady und dem rustikalen Pakistaner niederzuschreiben. Damit Frau Ephoria nicht glaubte, dass ich bei Charles Bukowski abgeschrieben habe, machte ich aus den Fucks romantische Schäferstündchen und aus den gegenseitigen Schuldzuweisungen der streitenden Geschlechter zärtliche Liebeserklärungen. Man müsse die Kundschaft dort abholen, wo man sie vermutete, dachte. Gelegentlich unterbrach ich das Tippen, um beherzt in eines der duftenden Sandwiches hineinzubeißen, und stets blühten meine Geschmacksknospen auf, so dass ich mich fragte, wie ich bisher das Leben ohne diese doppelstöckigen, zu Dreiecken geschnittenen, Weichbrote gemeistert hatte, die notfalls auch ohne Zuhilfenahme eines Gebisses verzehrt werden konnten.

Währenddessen schaute die Blonde ständig zu mir herüber. Unkonzentriert nippte sie an ihrem Cappuccino, dessen Bohnen vor einer Viertelstunde noch nicht gewusst hatten, dass sie fein gemahlen durch das Sieb eines Kaffeeautomaten gepresst werden würden. In der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister hatte ich einmal Rubens‘Bathseba am Springbrunnen gesehen, Öl auf Eichenholz. Das Gemälde zeigte eine rotwangige, blonde Frau, die leicht bekleidet auf einem Divan saß, sich mit angewinkeltem Arm auf das Waschbecken stützte und sich kämmen ließ. Ihre nackten Beine lagen züchtig aneinander. An diesen Typ Frau erinnerte mich die Blonde im Café. Wie es schien, hatten Herr Rubens und ich denselben Geschmack, nur dass meine Bathseba mich von der Arbeit ablenkte, während sie für ihn Arbeit gewesen war, das lohnende Motiv künstlerischen Schaffens.

Auf einmal glaubte ich zu bemerken, dass Bathseba mich anblinzelte. Ja, wirklich. Ich fand es nett, dass mir jemand zuzwinkerte. Aber wie sollte ich auf ihr Zwinkern reagieren? Zurück zwinkern? Den Gedanken zu zwinkern empfand ich als dümmlich, denn falls ihrem Zwinkern ein Missverständnis zugrunde gelegen hätte, hätte ich nicht nur umsonst gezwinkert, sondern mich, wie peinlich, auch zum Affen gemacht.

Dann trafen sich unsere Blicke. Bathseba lächelte. Meinte sie mich? Ich drehte mich um, draußen vor dem Fenster die Carnaby Street und kopflose Touristen, die glaubten, das lebenshungrige London der letzten Sechzigerjahre wieder entdeckt zu haben. Niemand, den sie hätte anlächeln können.

Ich wandte mich wieder meiner Arbeit zu, schrieb und tippte voller Lust am Formulieren, bis ich dachte, dass ich lange genug in der Sandwichbar gesessen und geschrieben habe. Es war Zeit aufzubrechen und mein nächstes Ziel abzuarbeiten. Ich hatte mir das feine Stadtviertel St James‘ s vorgenommen, das an den gleichnamigen königlichen Park grenzte.

Schon klappte ich das Tablet zu, verstaute es in der Umhängetasche, erhob mich, schaute mich um, prüfte, ob ich etwas vergessen habe. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich, dass mich Bathseba aufmerksam beobachtete. Sie stand auf, kam lächelnd auf mich zu, als wäre ich ein alter Bekannter, und noch bevor ich meinen Platz vollständig geräumt hatte, stellte​ sie ihren Cappuccino und die Reste ihres Sandwichs auf meinen Tisch. Sie schenkte​ mir ein weiteres Lächeln und bedankte​ sich dafür, dass ich ihr den Fensterplatz überließ, obwohl dies gar nicht das Ziel meines Handelns gewesen war.

„Vorhin hast du mir den besten Platz vor der Nase weggeschnappt“, erklärte sie.

„Verzeihung, das tut mir leid.“

„Alles gut“, lächelte sie erneut, was mich zu einer charmanten Entgegnung veranlasste.

„Es ist nur schade, das Lächeln einer schönen Frau zu ernten, nicht weil ich in, sondern aus ihrem Leben​ trete.“

„Ich hoffe, dass sich damit kein schweres Schicksal wiederholt?“ erwiderte sie amüsiert.

„Insofern nicht, dass Sie mit Abstand die schönste sind, die mich je alleine zurückließ.“

Im Nachhinein machte mich der Dialog fassungslos. Als ich hinaus auf die Carnaby Street trat, schaute sie mir hinterher. Diesmal war ich es, der zwinkerte. Und sie winkte, sparsam mit nur drei Fingern, zurück. War es der Beginn oder das Ende einer Freundschaft unter Seelenverwandten?

St James‘ s

Die blasierte Antwort „zum Ritz“ ist nicht allzu überraschend, wenn in Heathrow der Chauffeur den Millionär fragt, in welchem Hotel er abzusteigen gedenke. Vermutlich schnieft der Millionär dabei durch die Nase, damit der Rotz nicht dem Weg der Gravitation folgt und aufs Revers tropft, denn das Einsteigen in eine Limousine ist ihm gewiss ein zu nichtiger Anlass, um das Geruchsorgan in seinem eleganten Einstecktuch zu entleeren.

Aus meinem allwissenden Bildungsassistenten, hey Google, erfahre ich, dass sich das Ritz schon 1906 in St James‘ s niedergelassen habe, dem noblen Viertel, das sich zwischen Piccadilly und Pall Mall erstreckt, nicht weit vom Buckingham-Palast entfernt. Und während ich um das eher trist wirkende Gebäude herumschleiche, in der Hoffnung solch einen Schniefenden vielleicht live beim Absteigen zu erleben, verliere ich mich plötzlich in einer der angrenzenden Gassen und ertappe mich beim Betrachten der Auslagen in den Schaufenstern.

Mir fällt auf, dass den Kleidungsstücken die gängigen Markenlogos fehlen, und ich weiß auch warum, denn Lady- und Gentlemenkunden benötigen keine Firmenzeichen, die wie die blauen​ Stempel der Fleischbeschauer auf den Schweinehälften Kleidung als modisch unbedenklich kennzeichnen. Markenlogos sind für den dritten Stand gemacht. Sie helfen der Unterschicht, ihre Unsicherheit in Geschmacksfragen zu kaschieren. Der elitäre Kunde schwört dagegen auf das, was sich in der Familientradition bewährt hat. Ihm ist die Lage eines Ladens Vertrauensbeweis genug. Folgerichtig fehlen ebenso den Autos, die am Straßenrand parken, ausschmückende Kennzeichnungen. Kein Hinweis auf Motorstärke, Hubraum und Sonderausstattung. Kein Rolls Royce GTI, kein Aston Martin mit Rallyestreifen und Fuchsschwanz, kein Bentley, dessen Heckscheibe mit Kenwood oder Böhse Onkelz beklebt ist.

Schräg gegenüber von Christie' s Hofeinfahrt, im Schaufenster einer Galerie, hat der Inhaber das Gainsborough-Gemälde, Mr and Mrs Andrews, publikumswirksam auf einer Staffelei drapiert. Das junge Paar posiert emotionslos vor dem Hintergrund weitläufiger Ländereien, die durch ihre Hochzeit zusammengewachsen sind, er, stehend mit Flinte, Kniebundhosen und Jagdhund, sie, sitzend in einem zartblauen Reifrockkleid. Und während ich mich frage, ob die beiden jemals zusammen Sex hatten oder haben werden, erblicke ich im spiegelnden Fensterglas die dunkelblaue Limousine, die auf der anderen Straßenseite auszuparken versucht. Am Steuer ein älterer rotwangiger Herr in grobem Tweed, auf dem Beifahrersitz eine hagere, stark geschminkte Dame. Sie schaut derart missbilligend drein, als habe sie vom Leben mehr erwartet als nur eine unendliche Aneinanderreihung von Peinlichkeiten. Eine davon sitzt neben ihr am Steuer.

Der Bentley berührt die Stoßstange des vorderen Wagens, pling, er setzt zurück und touchiert den Wagen dahinter, pling. Der Rotgesichtige schlägt das Lenkrad bis zum Anschlag ein. Nasenspitze-Unterkante gleich Armaturenbrett-Oberkante, kaum reicht sein Ausblick über das glänzende Flying B hinweg, vorne auf der Motorhaube. Ich denke mir, dass ein wahrer Gentleman es als vererbtes Recht betrachtet, nach Gehör auszuparken, pling. Seltsam nur, dass in der Nobelklasse die großartige Errungenschaft der Rückfahrkamera noch nicht angekommen ist. Ob im Ritz der Einhebelmischer schon zum Standard der Badausstattung gehört? Pling. Schön, dass alle Menschen gleich sind. Wenigstens was das Unvermögen beim Ausparken betrifft.

Tagebucheintrag

London, Euston Inn

Bin erschöpft, aber zuversichtlich.

Verkehrslärm rauscht durch das geschlossene Fenster. Sirenen von Krankenwagen wühlen mich auf, sie steuern die Notaufnahme des gegenüberliegenden Krankenhauses an. Die Fenster erzittern wegen der vorbeirasenden Busse. Ich überfliege meine Aufzeichnungen und halte sie für den Stoff, aus dem großartige Reiseführer geschaffen sind. Zufrieden klopfe ich mir auf die Schulter. Jetzt bin ich überzeugt davon, dass auch Menschen, die durch alle Examina gerasselt sind und die die bittere Erfahrung machen mussten, dass Kreativität fehlendes Wissen nicht aufwiegt, sich eines Tages am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen werden.

Frühstück im Hotel

Sie las in einem gelben Reclam-Heft und nippte an der Kaffeetasse, ohne den Blick zu heben, als ich mit dem Tablett, das ich am Frühstücksbuffet beladen hatte, auf ihren Tisch zu steuerte, einem Zweiertisch. Mir schien es, als starrte sie nur scheinbar auf ihr Heftchen, während sie sich in Wirklichkeit auf das Geschehen in ihren Augenwinkeln konzentrierte, auf mich.

„Darf ich mich setzen?“

Sie schaute mir direkt in die Augen und schien meine Seele zu ergründen. Schon war ich von ihrer klassischen Schönheit überwältigt. Wie eine griechische Göttin, die es ins London des 21. Jahrhunderts verschlagen hatte, kam sie mir vor. Ein Stirnband aus geflochtenem Leder hielt ihr schwarzes, langes Haar zusammen. Große, dunkle Augen, schmales Gesicht, Lippen einer Herzkirsche gleich, ebenmäßig gerade Nase, brünetter Teint. Der Frühstücksraum war vollständig belegt. Ich hätte auch zu einen der graumelierten Herren im dunklen Anzug fragen können, die so aussahen, als röchen sie nach Rasierwasser. Nichts gegen Handlungsreisende, man verzeihe mir, dass ich ihre Gesellschaft schmähte, aber gewiss hätten sie meine Gesellschaft ebenso geschmäht, wenn sie die Wahl zwischen mir und dieser Göttin gehabt hätten. Dafür waren sie aber zu früh aufgestanden, was zu der Erkenntnis führte, dass der frühe Vogel nicht immer den Wurm fing.

„Von mir aus“, erwiderte sie gleichgültig.

Ich sah nicht gerade aus wie Herr Rübezahl oder Doktor Frankenstein. Manche Leute hielten mich sogar für jemanden, der es einmal als Hugh-Grant-Double versuchen sollte. Man musste von mir nicht hingerissen sein, aber ein kleines, freundliches Lächeln, hätte ich schon als angemessen empfunden.

Schweigend warf sie einen Blick auf mein Frühstückstablett, auf die Toastbrotscheiben, den Apfel, den Frühstücksspeck, die gebratenen Dosenpilze und den Speck. Supermarkt- und Fahrstuhlmusik beschallte den Raum. Die Frühstücksgäste sahen zu dem stumm geschalteten Flat-Screen hin. Sie hingen an den Lippenbewegungen des Wettermanns, der neben einer Landkarte gestikulierte. In der Trickdarstellung zogen Regenwolken über den Süden Englands. Schon entleerten sie sich über London.

Die Frau an meinem Tisch vertiefte sich wieder in ihre zitronenfarbene Lektüre. Früher, in meiner Schulzeit, hatten mich solche Einbände vor Texten gewarnt, die mitten im Satz Versalien einfügten und in neue Zeilen umknickten „Geben Sie

Gedankenfreiheit

Sire.“

Und unnötig

Schwer zu

Lesen

Waren.

Ausgerechnet meine bezaubernde Tischgenossin ließ sich von dem faszinieren, was ich mir geschworen hatte, fortan mein Leben lang zu ignorieren.

„Ich hole mir noch etwas von der Theke“, sagte sie. „Passen Sie bitte auf, dass mir niemand den Platz wegnimmt.“

Ihr luftiges Sommerkleid in warmem Beige-Ton reichte bis zu den Fersen hinab. Die Riemchen ihrer Sandalen schienen aus demselben Material wie ihr Diadem gemacht. Bordüren aus schwarzen Spiralmustern wie auf den antiken Gefäßen, die man häufig in archäologischen Museen sah, säumten Rock, Ärmel und Ausschnitt. Die Frau reihte sich in die Schlange am Büffet ein, ich lehnte mich zurück und schlug meinen Daily Telegraph auf.

Gleich auf der Titelseite war von einer wissenschaftlichen Studie die Rede. Demnach hatte man herausgefunden, dass hundert Millionen Pfund im Jahr eingespart werden könnten, wenn man Tee- und Kaffeereste aufwärmte, anstatt sie wegzuschütten. Schon sah der Einkaufschef einer bedeutenden Hotelkette die traditionelle britische Vier-Uhr-Tee-Zeremonie in Gefahr. „Niemand trinkt aufgewärmten Tee“. Bill Gorman, der Vorsitzende des Verbandes der britischen Teewirtschaft, bezweifelte​ zudem die Höhe des Einsparpotenzials. „Ich habe noch nie im Leben Tee-Reste weggeschüttet, weil ich jede einzelne Tasse so sehr genieße, dass ich sie bis auf den letzten Tropfen austrinke.“

Meine Tischgenossin kehrte vom Büffet zurück, sie hatte sich einen Schoko-Muffin auf das Tellerchen geladen. Mein Grinsen machte sie neugierig.

„Darf ich erfahren, was so lustig ist?“

„Gerade lese ich, dass die Briten Tee- und Kaffeereste aufwärmen sollen, um Geld zu sparen. Übertreiben sie nicht manchmal, unsere lieben Umwelt- und Naturschützer?“

„Ich liebe die Flora und Fauna“, erwiderte sie ernst, „sie sind wie meine Kinder. Lieben Sie auch die Natur?“

„Aber selbstverständlich“, beeilte ich mich zu versichern.

„Ich habe auch eine kultige Geschichte gelesen“, sagte sie und tippte auf das gelbe Büchlein. „Die Geschichte handelt von einem Mann, der sich über einen knabenhaften Jüngling lustig macht, der mit Pfeil und Bogen übt. Herablassend sagt er, dass die Waffen starker Männer nichts für einen Dreikäsehoch seien, woraufhin der Kleine verärgert faucht: Dein Ruhm wird schon bald vor meinem verblassen. Spricht' s und zerteilt die Luft mit dem mächtigen Rauschen der Schwingen. Er schießt mit seinem Bogen zwei Pfeile ab, einen goldenen und einen bleiernen. Wen der goldene Pfeil trifft, verliebt sich unsterblich, der bleierne Pfeil bewirkt das genaue Gegenteil, die Unempfänglichkeit für die Liebe. Der goldene Pfeil durchbohrt das Herz des Mannes, der ihn so sehr geärgert und gedemütigt hatte, woraufhin dieser sich unsterblich in jene Frau verliebt, die der bleierne Pfeil traf.“

„Wie gemein“, empörte ich mich. „Was geschah dann?“

„Der Liebende verfolgt seine Angebetete. Sie flieht, ruft ihren Vater um Hilfe an. Nimm mir die Gestalt, die Männer reizt! Und dann geschieht es wirklich: Eine schwere Erlahmung fällt ihr auf die Glieder, die schwellende Brust überzieht sich mit feiner Rinde; es wachsen die Haare zu Blättern, zu Zweigen die Arme. Auch die Füße, soeben so rasch noch, sie hängen in trägen Wurzeln, das Haupt wird Wipfel: was bleibt ist die glänzende Schönheit. Die Frau verwandelt sich in einen Lorbeerbaum, und der Mann, der sie um alles in der Welt liebt, legt seine Arme um den Stamm und küsst das knorrige Holz.

---ENDE DER LESEPROBE---