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Dem Publikum sei versprochen, dass in diesem Band witzige, lustige und skurrile Geschichten gesammelt sind, die ein nachdenklich-heiteres Schmunzeln, aber auch gelegentliche Ausbrüche irren Gelächters ermöglichen. Zumindest spannen sich die Lippen, und die Mundwinkel heben sich. Humor ist Geschmacksache. Aber so verschieden sind die Geschmäcker nun auch wieder nicht. Mark Twain sagte einst, dass man humorige Geschichten mit vollem Ernst angehen müsse , so als wäre nicht im entferntesten etwas Lustiges daran, umso vehementer explodierten die fein verteilten Tretminen der Pointen. Und genau dies gilt auch für dieses Buch. Einfach so tun, als wäre alles völlig normal, dann wirkt der Humor am besten.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Inhaltsverzeichnis
Der Klappentext
Der unbekannte Sachbearbeiter
Landliebe
Zum Glück nie mit Perlan gewaschen
Der Flug der Sahnetorte
Das süße Äffchen
Wash-wash
Die Vernissage
Narzisse
Befleckte Empfängnis
Luigi soll kommen
Story-Tuning
Romantik
Speed-Boot rammt Passagierdampfer, Inferno des Grauens bei Rheinkilometer 555 (2010)
Der Ameisenbär
Blackout
Der freie Sitzplatz
Die Wiedergeburt
Der Rasenkönig
Die Paris-Verfilmung
Zeugenbefragung
Das Nachwort
Impressum
Leon Berg
Mit vollem Ernst
Schräge Erzählungen
Der Klappentext ist ein Bewerbungsschreiben, adressiert an das potenzielle Lesepublikum. Er hilft zu entscheiden, ob Interessierte das Buch auf den Stapel zurücklegen oder ob sie sich an der Kasse vordrängeln, um möglichst rasch in den Genuss der kolossalen Versprechungen zu gelangen, die im Klappentext mit blumigen Worten umschrieben sind.
Dem Publikum sei deshalb versprochen, dass in diesem Band witzige, lustige und skurrile Geschichten gesammelt sind, die ein nachdenklich-heiteres Schmunzeln, aber auch gelegentliche Ausbrüche irren Gelächters ermöglichen. Zumindest spannen sich die Lippen, und die Mundwinkel heben sich.
Humor ist Geschmackssache. Aber so verschieden sind die Geschmäcker nun auch wieder nicht. Es kommt darauf an, sie dem inneren Ohr auf richtige Weise zu Gehör zu bringen. Mark Twain sagte einst, dass die Wirkung der humoristischen Geschichte darauf beruhe, wie sie vorgetragen werde. Man müsse die Geschichte mit vollem Ernst angehen, so als wäre nicht im Entferntesten etwas Lustiges daran, umso vehementer explodierten die fein verteilten Tretminen der Pointen.
Ich hoffe, dass Sie bisher nicht lachen mussten.
Sollten Sie bei der weiteren Lektüre wider Erwarten auf Sinn beißen, und sollte Ihnen deswegen eine geistige Plombe herausfallen, dann bitte ich Sie im Voraus um Verzeihung.
Zur Sicherheit, nur um jede Verwechslung auszuschließen, Mark Twain ist nicht Karl May.
Mein schrecklichster Albtraum beginnt wie ein langweiliger Dokumentarfilm.
Ich sitze in einem Taxi, kaue Kaugummi und schaue mit melancholischem Blick den traurigen Menschen auf der Straße hinterher. Die Bevölkerung lacht nicht, und wenn sie doch einmal lacht, dann hinter vorgehaltener Hand.
„Worüber lachen die Leute im Stillen?“, fragten sich Regierung und Parlament und verabschiedeten das HumHeFg, das Humor- und Heiterkeitsförderungsgesetz. Seitdem müssen alle Volljährigen in der zuständigen Humor- und Heiterkeitsagentur, kurz HumHeAg, erscheinen und rückhaltlos Auskunft über das geben, was sie insgeheim belustigt.
Ich bin auf dem Weg dorthin. Der Wagen schlängelt sich durch den Verkehr der Großstadt.
„Wollen Sie eine Pappnase kaufen?“, fragt mich der Taxifahrer. Er öffnet das Handschuhfach, greift hinein und zeigt mir über die Schulter hinweg einige Muster. „Modell Mainz, Modell Köln, Modell Düsseldorf?“
Ich schüttle den Kopf.
Vor meiner HumHeAg steige ich aus. Drohend ragt das Gebäude vor mir auf. Ein starker Staat, schon klar. Die Menschen, die mir entgegenkommen, schauen säuerlich drein, so als wäre ihnen das Lachen wie eine Fischgräte im Hals stecken geblieben. Ich wundere mich. Alle tragen Pappnasen.
Vor der Tür mit dem Anfangsbuchstaben meines Nachnamens warten zahlreiche Männer und Frauen. Sie haben ebenfalls Pappnasen auf und schielen übellaunig auf ihre Handys und Armbanduhren. Ich frage mich, welches Modell sie trügen, das Modell Mainz, das Modell Köln oder Modell Düsseldorf.
Endlich ertönt aus dem Lautsprecher mein Name. Mein Humor- und Heiterkeitsberater heißt Herr Glotznicht. Ich weiß, dass er dafür nichts kann.
Als ich die Klinke seiner Bürotür hinunter drücke, fällt mir in Augenhöhe ein Schild auf. „Eintritt nur mit Pappnase.“ Die anderen Wartenden lachen. Es klingt wie das schadenfrohe Konservengelächter in einer TV-Comedy-Show. Ich lese, dass Pappnasen unten, aus dem Automaten, erhältlich seien.
Am Pappnasenautomaten gibt es vier Wahlmöglichkeiten: Modell Mainz, Modell Köln, Modell Düsseldorf und Kondome. Die letzte Möglichkeit irritiert mich. Ich wähle das Modell Mainz.
„Bitte werfen Sie zuerst Geld ein“, sagt eine Computerstimme. Ich stecke eine Euromünze in den Schlitz. „Bitte treffen Sie jetzt Ihre Wahl.“ Ich drücke die Mainz-Taste. „Bitte geben Sie Ihre Nasengröße an.“ Das Display zeigt eine Zahlenreihe: 44, 46, 48, 50, 52, 54, 56, 98 oder 28.
Weil ich zu lange überlege, schaltet sich der Automat ab, und die Münzen fallen in den Rückgabeschacht.
Ich werfe das Geld erneut ein.
Einem spontanen Impuls folgend reizt es mich zu erfahren, welche Konfektionsgrößen mir die Automatenstimme vorschlüge, falls ich die Kondom-Taste betätigte. Ich drücke sie kurzentschlossen. Ohne Rückfrage schluckt der Automat meine Münzen und schubst die Naturfeuchten in den Ausgabeschacht. Ich hätte es mir eigentlich denken können. Leider habe ich jetzt kein Münzgeld mehr für die Pappnase. Der Automat wechselt nicht, er nimmt weder Scheine noch Kreditkarten an. Zu dumm aber auch. Und Herr Glotznicht wartet auf mich.
Ich beschließe, aus der Not eine Tugend zu machen. Ich rolle das Kondom auf und stülpe es über meine Nasenspitze. Damit das lappige Material gut hängen bleibt, befestige ich es mit meinem Kaugummi auf dem Nasenrücken. Dergestalt erscheine ich wieder auf meiner Etage.
Die Wartenden schauen mich mit offenem Mund an. Einige sind entsetzt, andere empört, viele wirken aggressiv. Ich verstoße gegen die Regeln. Sie haben sich mit ihrer Pappnase extra viel Mühe gegeben, und jetzt komme ich daher, so ein Hallodri, dem ein schlaffer Plastikrüssel von seinem Zinken herabbaumelt. Sie erheben sich und schreiten drohend auf mich zu. Ich ahne ihre unfreundlichen Absichten.
In meiner Not flüchte ich mich in Richtung des Büros von Herrn Glotznicht. Ich umschließe die Klinke, drücke sie hinunter, hinter mir der aufgebrachte Mob, so erwache ich schweißgebadet, sitze senkrecht im Bett. Die Sonne scheint zum Fenster herein. Immer wache ich genau in diesem Moment auf, bevor ich Herrn Glotznicht zu Gesicht bekomme.
„Es gibt schlimmere Albträume“, sagt Doktor Froid.
Er hat sich Notizen gemacht, ohne mit der Wimper zu zucken. Es ist sein Job, nicht mit der Wimper zu zucken, wenn man ihm seine Albträume erzählt.
„Besorgen Sie sich einfach eine Pappnase, bevor Sie zu Ihrer HumHeAg gehen. Größe 52 könnte passen. Weiteres in der nächsten Sitzung.“
Auf der Heimfahrt frage ich den Taxifahrer, ob er mir eine Pappnase verkaufen könne, Größe 52, zum Beispiel Modell Mainz. Er zeigt mir den Vogel und mustert mich im Rückspiegel, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.
„Traumhaft“, sagte Karla.
„Wer's mag“, erwiderte Bruno.
Ihm rann der Schweiß über die Stirn. Zwei Kilometer hatte er das Leihfahrrad mit den angeblich pannensicheren Reifen über staubige Feldwege geschoben.
„Kein Fahrradladen hier.“
„Wir sind auf dem Land, und es ist traumhaft schön.“
Sie hockten auf der Bank an der Dorfkirche. Vor ihnen der Brunnen, der Marktplatz, die alten Fachwerkhäuser. Im Hintergrund die Berge, und über allem der blaue Himmel.
„Ich hasse Flickzeug.“
Verkehrt herum auf Lenker und Sattel ruhend stand das Fahrrad vor ihm. Bruno dachte, dass in der Stadt jemand von der Radwerkstatt vorbeikäme, um das Malheur rasch aus der Welt zu schaffen. Aber hier? Nicht einmal eine Kaffeebar gab es, um eine Latte zu löffeln.
„Es war deine Idee, mir zu zeigen, in welch traumhaft schöner Gegend du aufgewachsen bist. Also mach' wenigstens ein freundliches Gesicht. Mir gefällt’s hier.“
Ein uralter, knorriger Lindenbaum warf seinen kühlenden Schatten auf sie. Bruno hakte beide kleine Finger in die Mundwinkel und zog sie in Richtung der Ohren.
„Sehe ich jetzt freundlicher aus? Außerdem warst du es, die meine Kinderstube sehen wollte.“
„Ach Bruno, wie schön es hier ist. Absolut fantastisch. Die Seen, die Berge, die Ruhe, die Landluft. Der modrige, feuchte Duft von frisch gemähtem Gras, der über dem Dorf liegt. Und – riechst du das? Da bäckt jemand Brot, frisches Brot. Bruno, ich konnte ja nicht ahnen, dass du in so einer traumhaften Gegend aufgewachsen bist, wo die Leute noch selbst Brot backen.“
„Aufgewachsen und weggezogen.“
„Hast du denn kein Heimweh?“
„Heimweh nach was?“
„Ich musste bitten und betteln, damit ich endlich deine Heimat kennen lernen durfte. Wenn es mein Zuhause wäre, würde ich eine unendliche Sehnsucht verspüren. Die Trennung von daheim zerrisse mir das Herz.“
„Zum Glück kommst du woanders her.“
„Ach – geh!“
Karla knuffte ihn spielerisch und schmiegte sich an ihn.
„Wirklich kein Heimweh?“
Rund um den Marktplatz floss der Durchgangsverkehr. Jugendliche auf Mopeds drehten ihre knatternden Runden. Der Bus, der einmal in der Stunde vorbeikam, hielt. Eine Schar Kinder stieg aus. Die Kleinen zogen sich an den Haaren, sie boxten und knufften sich und stellten anderen das Bein. Mutter Maria im blauen Gewande gab dem Jesuskind die Brust. Sie thronte auf der Säule inmitten eines gemauerten Brunnens. Aus verrosteten Wasserspeiern rannen dünne Wasserstrahlen.
„Da drüben ist ja ein Bio-Hof!“
Karla, ganz aus dem Häuschen, richtete sich auf und schaute zu dem Bauernhaus hinüber, das majestätisch das Fachwerk zur Straße neigte.
„Hast du das Spruchband gelesen? Frische Milch direkt von der Kuh. So wie sie aus dem Euter kommt, nicht ultrahocherhitzt, ganz ohne Chemie.“
Sie öffnete den Fahrradrucksack, suchte zwei Plastikbecher heraus und sprang auf.
„Karla!“
„Bin gleich zurück!“
Bruno mochte keine warme Milch, schon gar nicht aus einem Kuheuter. Er schaute Karla hinterher, wie sie in ihrem gelb-schwarzen Fahrrad-Trikot am Brunnen vorbei über den Markplatz eilte, bis von ihr nur ein Farbtupfer zu sehen war. Das Pünktchen erinnerte an die Biene Maja. Karla, die Frau, die ihm das Fliegen beigebracht hatte.
„Karla“, schüttelte er den Kopf.
Mit spitzen Fingern öffnete er die Werkzeugtasche. Ein Schraubenschlüssel, eine Tube mit Klebstoff, etwas Sandpapier und einige Gummilappen kamen zum Vorschein. Ihr Anblick stimmte ihn entsetzlich müde.
Ein Traktor rauschte um den Marktplatz herum, einer von den modernen, fast zwei Stockwerke hoch, geschlossene Fahrerkabine, riesige Pneus.
„Solche Reifen müsste mein Fahrrad haben.“
Er hob den Blick, und für den Moment eines Lidschlags sah er in die Augen der Frau, die das Ungetüm lenkte.
Magda?
Ihm schoss das Blut in den Kopf, ihm wurde heiß. Magda! Er wollte aufspringen, dem Traktor hinterherrennen, doch wie gelähmt klebte er auf der Bank. Magda!
Der Traktor verschwand hinter den Häusern und tauchte kurz darauf ein zweites Mal auf. Er rollte genau auf ihn zu und stoppte vor dem Brunnen mit der stillenden Jungfrau. Magda! Nach einem kaum merklichen Schütteln verstummte der Motor. Die Seitentür öffnete sich und Magda hüpfte vom Führerstand herunter. Sie trug einen blauen Arbeitsoverall, ihre dunkelblonden Haare waren straff nach hinten gekämmt und mit einem Gummiband zum Pferdeschwanz geschnürt.
„Ich hab di g'sehn und bin einmal im Kreis rum g'fahrn. Bist du’s wirklich, Bruno?“
„Magda!“
„Fesch schaust aus in deim Radlerdress. Wie der Jan Ulrich, als er die Tour de France g'wonn hatt. Gar nicht wie ein Literaturproff von der Uni.“
„Und du bist g'nauso hübsch wie damals, hast dich kei Bissl verändert, das macht bestimmt die Landluft und dass es bei euch jeden Tag biologisch gibt. Das ist doch dein Hof, der da drüben, der große Biohof?“
„Ja. Und'n Hotel haben wir auch.“
„Mensch, Magda.“
„Mensch, Bruno.“
Endlich stand er auf. Er streifte das Ketten-Öl seiner Finger an den Hosenbeinen ab und breitete die Arme aus. Magda flog auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Es war wie damals, als hätten sie eben noch auf genau dieser Bank vor der Kirche gesessen, nachts um eins, sie im Minirock auf seinem Schoße, er die Hände unter ihrem Pulli. Wie gewiss er sich gewesen war, dass sie in dieser lauen Nacht zum ersten Mal das Verbotene tun würden, von dem sie gehört hatten und wovon die Illustrierten erzählten, als auf einmal der Pfarrer auftauchte, sternhagelvoll, „Ave-Maria“ grölend. An der Brunnenmauer blieb er stehen, mit dem Rücken zu ihnen. Er glaubte sich unbeobachtet, er zerrte an seinem Hosenschlitz und atmete tief ein und aus. Wasser spritzte gegen die Mauer, mit kräftigerem Strahl als aus den Rohren. Der Pfarrer drückte das Kreuz durch und versuchte im Funzellicht der Straßenlaterne über die Brunneneinfassung zu zielen. Es gelang ihm nicht. Der Inhalt seiner Blase, schätzungsweise fünf oder zehn Maß Bier, plätscherte über den Kirchenvorplatz. Das Rinnsal schwoll zu einem Bächlein an und mäandrierte zu ihrer Bank herüber, zu der Bank der heimlich Liebenden. Es drohte, ihre Füße zu nässen.
„Störe ich?“
Magda und er ließen voneinander ab. Karla stand vor ihnen, in Händen hielt sie zwei Plastikbecher. Fettaugen schwammen auf der lauwarmen Milch.
Bruno lachte und machte die beiden Frauen bekannt.
„Karla, darf ich vorstellen? Das ist Magda. Ich glaube, es sind ihre biologischen Kühe, von denen die Milch stammt, die du gerade gekauft hast. Und Magda, das ist die Karla. Sie wollte mal sehen, wo ich aufgewachsen bin.“
Die Frauen gaben sich förmlich die Hand. Sie schauten sich an, musterten sich, traten ein, zwei Schritte zurück, stutzen, grinsten, kicherten und lachten.
„Wenn i au so Korke’zieherlocke‘ hätt wie du, könnt i glatt als dei Zwillingsschwester durchgeh‘n.“
„Und ich müsste so einen blauen Overall tragen und meine Haare zum Pferdeschwanz straffen…“
Plötzlich fiel Bruno auf, was ihm noch nie in den Sinn gekommen war, dass sich Magda und Karla sehr, sehr ähnlich sahen, die Augen, die Nase, der volle Mund, das Oval des Gesichts. Das war sein Typ. Seine letzte Liebe war seiner ersten Liebe wie aus dem Gesicht geschnitten.
Und jetzt, da sich die beiden Frauen wie Spiegelbilder gegenüberstanden, wusste er, warum er niemals Heimweh verspürte.
Die Affenhitze machte es unmöglich, auf dem Fairway zu spielen, man musste die überdachten Abschlagplätze aufsuchen, damit einem das Hirn nicht im Kopf verdorrte.
„Hab' übrigens deine Entwürfe für den neuen Werbespot gesehen, Patrick.“
Poldi behielt beim Sprechen den Golfball im Auge. Er hatte ihn auf dem Tee platziert, dem kleinen Holzstift, der in der Erde steckte und den Abschlag erleichterte. Poldi ließ die Arme baumeln wie einen Elefantenrüssel. Das hatte ihm sein Trainer eingebläut: So locker, wie ein hospitalisierter Elefant seinen Rüssel schwingt, wenn er im Zoo die Runden dreht, sollen deine Arme vor dem Abschlag baumeln.
„Schön, dass du dir die Entwürfe schon angesehen hast. Wie findest du sie?“
Auch Patrick behielt beim Sprechen den Golfball im Auge. Sein Trainer hatte ihm das gleiche Geheimnis verraten. Entspannt umschloss er mit den Händen den Schaft des Schlägers. Die Füße einen Schritt auseinander, den Oberkörper im dreißig Grad Winkel nach vorne gebeugt, den Ball mit dem Blick fixierend, so pendelte er Arme und Schläger hin und her. Immer locker schwingen, wie ein Elefantenrüssel.
Poldi probierte den Aufschwung, ohne den Ball aus den Augen zu lassen. Bewusst schlug er ins Leere. Die Luft zischte.
„Also dein Story-Board …“
„Ja?“
„Unterbrich mich, wenn ich etwas Falsches sage. Dein Entwurf für den Werbespot, ich repetiere: Der Mann schenkt der Blondine einen Edel-Jeep. Schnitt. Die Blondine freut sich und jauchzt. Schnitt. Sie gehen zu ihr und vögeln. Zeitlupe: Flauschige, kuschelige Kissen. Schnitt. Dann unser Slogan: Zum Glück ist die Bettwäsche mit Perlan gewaschen. – Habe ich das so richtig verstanden, Bruderherz?“
„Ja. Hast du. Plakativ und wenig subtil, wie unsere Mittelschichtzielgruppe. – Was schaust du mich so an. Stimmt etwas nicht mit dem Entwurf?“
Patrick holte weit aus und ließ den Schläger kraftvoll herab sausen. Aus der Hüfte heraus vollführte er eine halbe Drehung. Der Abschlag knackte. Patrick führte den Schwungbogen weiter und hielt inne. In dieser geschraubten Position verharrte er und verfolgte die Flugbahn des Golfballs.
Poldi nickte voll sportlichen Lobes.
„Gratuliere, Patrick. Toller Abschlag. – Aber dein Story-Board. Es ist, wie soll ich sagen, es ist völlig daneben.“
„Bei dieser Hitze sind wenigstens keine Flughühner unterwegs, die unseren Bällen in die Quere kommen könnten.“
„Ja, das Zentralgestirn brennt wie über der Sahara. An manchen Stellen verdorrt schon der Rasen.“
„Voll daneben, sagst du? Mein Story-Board?“
In der Ferne rannte ein Golfjunge auf das Grün und sammelte eilig Bälle ein. Poldi, der gerade abschlagen wollte, stoppte den Schwung und hielt inne.
„Voll daneben, dein Story-Board. Tut mir leid.“
Patrick fiel ein Stein vom Herzen, er lächelte erleichtert.
„Ich meine ja auch, dass der Slogan renovierungsbedürftig ist. Zum Glück ist die Bettwäsche mit Perlan gewaschen… Das ist hirnrissig. Da wäre ein Brainstorming angesagt. Wir müssen mit der Zeit gehen. Eher sowas wie ‚Perlan. Das Waschmittel zum Zweck‘. Schön doppeldeutig, was?“
„Es ist nicht der Slogan, Patrick.“
„Nicht der Slogan?“
„Es ist der Jeep, der prollige Four-Wheel-Drive. Du sagst ja selbst, dass wir mit der Zeit gehen müssen.“
„So. Der Jeep also.“
„Schau Patrick, wenn du heute einen Jeep fährst, spucken die Leute drauf, weil sie dich für ein Klimaschwein halten. Ich denke, es ist unrealistisch, dass sich eine moderne Frau von einem Ferkel rumkriegen lässt?