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China, abgeleitet aus dem Namen der Ch'in-Dynastie, heißt in der Eigenbezeichnung Chung-kuo, was das "Reich der Mitte" bedeutet. Es umfasste ein Territorium in der Größe Europas und seine Geschichte ist geprägt durch unablässige Kämpfe um die Vorherrschaft der einzelnen Regionen. Zum ersten Mal wurde es unter Shih Huang-ti aus der Ch'in-Dynastie im 3. Jahrhundert. v. Chr. geeint. Zur dauerhaften Reichseinigung kam es unter der Han-Dynastie. Das damals geschaffene zentral gesteuerte Regierungssystem mit einem Kaiser an der Spitze und verwaltet von einer mit Zivilbeamten besetzen Bürokratie hielt sich bis zum Jahr 1912.
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Seitenzahl: 199
Herausgeber
Erik Schreiber
Märchen Sagen und Legenden
Chinesische Märchen 1
Saphir im Stahl
Märchen Sagen und Legenden 19
e-book: 246
Titel: Chinesische Märchen 1
Erscheinungstermin: 01.07.2024
© Saphir im Stahl Verlag
Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Simon Faulhaber
Lektorat: Peter Heller
Vertrieb neobook
Herausgeber
Erik Schreiber
Märchen Sagen und Legenden
Chinesische Märchen 1
Saphir im Stahl
Vorwort
China, abgeleitet aus dem Namen der Ch'in-Dynastie, heißt in der Eigenbezeichnung Chung-kuo, was das „Reich der Mitte“ bedeutet. Es umfasste ein Territorium in der Größe Europas und seine Geschichte ist geprägt durch unablässige Kämpfe um die Vorherrschaft der einzelnen Regionen. Zum ersten Mal wurde es unter Shih Huang-ti aus der Ch'in-Dynastie im 3. Jahrhundert. v. Chr. geeint. Zur dauerhaften Reichseinigung kam es unter der Han-Dynastie. Das damals geschaffene zentral gesteuerte Regierungssystem mit einem Kaiser an der Spitze und verwaltet von einer mit Zivilbeamten besetzen Bürokratie hielt sich bis zum Jahr 1912.
Die Sagen der chinesischen Mythologie widersprechen sich und sind oft schwer zu interpretieren. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Viele Geschichten sind zu einer Zeit entstanden, da es noch keine Schrift gab, sondern sie existierten nur in mündlichen Überlieferungen. Beeinflusst wurden die Mythen durch den Konfuzianismus und Taoismus. Unter der Herrschaft des Kaiser Shih Huang-ti kam es 213 v. Chr. zur großen Bücherverbrennung. Alle Bücher, die sich nicht mit historischen Berichten und Abhandlungen über Medizin, Landwirtschaft und Wahrsagerei beschäftigten, sollten vernichtet werden. Erst im 191 v. Chr. widerrief man den Erlass des Kaisers und versuchte das verlorene Schrifttum zu rekonstruieren. Alte Quellen wurden bearbeitet und Texte in der Form systematisiert, dass sie ein Abbild des bestehenden Staates wurden und nicht von der Vergangenheit erzählten. Dabei wurde durchaus vieles absichtlich weggelassen, aber vieles war auch unwiderruflich verloren gegangen.
Zudem gab es auch kein verbindliches Pantheon wie bei den Griechen. Mythologische Elemente aus prä-dynastischer Zeit und aus Regionen, in die die Chinesen einwanderten, vermischten sich zu einem höchst widersprüchlichen System von Göttern und Mythen. Es gibt viele Fragen und ungelöste Probleme, was die chinesische Mythologie betrifft. Von daher können die nachfolgenden Erzählungen nicht als eine in sich geschlossene und logisch miteinander verknüpfte Geschichte betrachtet werden. Sie sind Teilaspekte eines sehr bunten, vielschichtigen und mit Lücken behafteten Kosmos.
Da die Chinesen eine ganz andere Vorstellung vom Leben nach dem Tode haben, sind chinesische Gespenster völlig anders als europäische. Auch in China kann der Geist eines Verstorbenen Schabernack treiben, Lebende peinigen und erschrecken - nicht nur um Mitternacht, sondern auch am helllichten Tag. Er kann aber auch als Schatten ein bürgerliches Leben weiterführen, lieben, arbeiten, Kinder zeugen oder gebären - solange er als Gespenst unerkannt bleibt. Die Schwelle zwischen Leben und Tod ist oft kaum wahrnehmbar, Geister können aus ihren Körpern schlüpfen, Verwandlungen durchmachen, wieder zurückkehren: aber auch Lebende können als Geist in die Unterwelt hinabsteigen. Dann sind da noch die Wahrsager, die taoistischen Mönche und die Zauberer, die mit ihren übernatürlichen Kräften in das Leben des einzelnen eingreifen. Und die Füchse, jene schillernden Zauberwesen und Geister, die menschliche Gestalt annehmen, die böse, gefährlich und hinterhältig, erotisch-obszön, skurril und schlau, aber auch leidenschaftlich, treu, voll Weisheit, Liebe und Hilfsbereitschaft sein können.
Das wissen die Götter
Im Tempelhof stand ein kleiner Tempel. Dort lebte ein heiliges Pferd. Es starrte auf ein mageres kleines Mädchen, das durch die Latten des Tempels hindurchguckte. „Der Wärter, dieser Schuft“, sagte das Pferd wütend, „hat mir schon wieder mein Bohnenbrot gestohlen. Ich bin ein heiliges Pferd, ach was muss ich alles noch erleben.“
Das kleine Mädchen schob seine schmutzige Hand zwischen das Gitter. „Nimm mein Brot, vielleicht hilft es dir.“ Das Pferd betrachtete die ausgestreckte Hand und nahm das Brot. „Wer bist du?“, fragte es, ohne sich zu bedanken.
„Ich weiß es nicht“, antwortete die Kleine.
„Woher kommst du?“
„Ich glaube, ich fiel vom Mond.“
Das Pferd lachte. „Wer gibt auf dich acht?“
„Ich selber.“
„Wie alt bist du?“
„Neun Jahre“, sagte das Mädchen.
„Und wo schläfst du?“, fragte das Pferd weiter.
„Ich schlafe überall, auf den Feldern, unter den Bäumen oder, wenn es regnet, in einem Tempel. Ich bin oft sehr einsam und wünschte, ich wäre tot.“
Da das heilige Pferd Tränen in ihren Augen sah, sagte es: „Weine nicht, mir geht es auch nicht gut. Ich wurde für fünfzehn Jahre in diesen Tempel eingeschlossen und beneide dich um deine Freiheit. Ich würde viel lieber wie du von Ort zu Ort ziehen und unter Bäumen und auf Feldern schlafen.“
Das kleine Mädchen wischte sich die Augen ab und fragte verwundert: „Möchtest du das wirklich?“
„Natürlich möchte ich das. Aber ich bin eingesperrt, ich muss mich den ganzen Tag anstarren lassen und soll glauben, ich sei ein heiliges Pferd.“
„Bist du das nicht?“
Das Pferd schüttelte seinen Kopf. „Ich bin nicht halb so heilig wie du, die du mir dein Brot gabst.“
„Ich dachte, du seist sehr glücklich. Ist es nicht schön, immer bewundert zu werden und Weihrauch geopfert zu bekommen?“
„Als ich ein junges Pferd war, liebte ich das alles sehr. Ich war stolz darauf, aber heute ist es mir verleidet.“
Das kleine Mädchen nickte. „Du bist also nicht eitel?“
„Nein, wahrscheinlich nicht“, sagte das Pferd und lächelte. „Ich bin es leid, ein Gefangener zu sein. Ich versuchte zweimal auszureißen, aber die Wärter fingen mich wieder ein. Ich weigerte, mich zu essen. Ich wollte sterben, aber der Hunger tat weh, und ich fand es dumm, ja, heute ärgere ich mich sogar, wenn mir ein Wärter das Bohnenbrot stiehlt. Es ist so eng hier im Tempel. Ich kann nicht einmal ausschlagen.“
„Ach, trotz des gestohlenen Bohnenbrotes hast du noch mehr zu essen als wir armen Leute. Ich wäre glücklich, hätte ich in drei Tagen so viel wie du an einem Tag.“
„Wärst du das wirklich?“, fragte das Pferd und dachte dann lange nach. „Weißt du, was wir machen können? Wir wollen unsere Plätze wechseln!“
„Was?“, rief das kleine Mädchen.
„Du sollst dich nicht in ein Pferd verwandeln und ich mich nicht in ein kleines Mädchen. Nein, ich will ein Pferd bleiben, und du sollst du sein; aber du kommst heute Abend zurück, wenn alles schläft, lässt mich heraus und stellst dich an meinen Platz. Ich werde meine Freiheit genießen, und du wirst viele Bewunderer haben.“
Das kleine Mädchen war sehr erstaunt. „Werden sie mich denn nicht töten, wenn ich dich herausgelassen habe und behaupte, heilig zu sein?“
„Du sollst das gar nicht behaupten. Sie werden an ein Wunder glauben, wenn du an meiner Stelle dastehst.“
„Wann soll ich kommen?“, fragte das Mädchen.
„Um Mitternacht. Dann komme ich unbehelligt durch Lan Tan, wo die Leute wissen, dass ich das heilige Pferd bin. Dann aber will ich auf Abenteuer ausgehen.“ Als der Mond aufgestiegen war und die Mitternacht nahte, eilte das kleine Mädchen zum Tempel. Das Pferd wartete schon ängstlich. „Ich glaubte bereits, du kämst nicht.“
„Ich versprach dir, zu kommen. Aber was soll ich sagen, wenn mich die Priester und die Leute fragen?“
Das Pferd sagte: „Antworte immer nur: „Das wissen die Götter!“ Dann sei still und schau bloß weise um dich. Du kannst sicher sein, sie glauben, ich hätte mich in eine Göttin verwandelt. Hier ist eine Kiste mit prächtigen Seidengewändern. Das ist mein Festtagsschmuck. Lege diese Gewänder um dich, damit sie deine Lumpen nicht sehen.“
„Du bist sehr freundlich“, sagte das kleine Mädchen, stieß den Riegel zurück und legte die Arme um den Nacken des Pferdes.
„Vergiss nicht, dass du einen guten Freund hast, der immer an dich denkt“, sagte das Pferd und trabte aus dem Tempelhof.
Die Kleine schloss den Käfig, zog die Seidenkleider über und legte sich schlafen. Mitten in der Nacht erwachte sie und hörte vor ihrem Tempelgehege zwei Stimmen. „Was ist eigentlich ein heiliges Pferd?“ fragte eine Stimme. „Galoppieren können doch alle Pferde. Leg den Schatz des Mandarins auf den Rücken des alten Kleppers. Wir wollen rasch aus diesem Tal fliehen, bevor wir erwischt werden.“
„Aber was wird aus uns, wenn uns das heilige Pferd erwischt?“
„Sei doch nicht so feig, das Pferd kann nicht sprechen, und wer weiß es sonst?“
„Das wissen die Götter!“, sagte das kleine Mädchen. Entsetzt sahen sich die Diebe um. Sie erblickten die schmächtige Gestalt, in prächtige Kleider gehüllt, ein bleiches Gesicht mit zwei dunklen Augen. Vor Angst schrien sie auf, warfen den Schatz des Mandarins zu Boden und flüchteten in die Nacht hinein.
Das kleine Mädchen lachte, öffnete die Kiste mit dem Schatz des Mandarins und betrachtete den Jadeschmuck, das Gold und die Silberkleider. Sie waren so schön, wie es noch nichts in seinem Leben gesehen hatte. Dann schlief es ein.
Als es erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Der Tempelhof war voll neugieriger Leute. Vor ihr stand der Mandarin. Er schaute erstaunt auf das kleine Mädchen, das das heilige Pferd sein sollte. Er blickte auf die goldenen Schätze, die daneben lagen, und in ehrfurchtsvollem Ton fragte er: „Von wo kommst du, mein Kind?“
„Das wissen die Götter!“, antwortete sie ernst.
„Doch wo ist das heilige Pferd?“
„Das wissen die Götter!“, sagte sie abermals. Der Mandarin erbleichte. Die Leute fielen auf die Knie nieder und murmelten: „Sie ist eine Göttin.“
Der Mandarin faltete seine Hände über seinem Schatz: „Wie kommt das hierher?“ rief er. „Es wurde letzte Nacht aus meinem Palast gestohlen!“
„Das wissen die Götter!“, sagte sie nur und schaute ihm ruhig in die Augen. „Sie ist eine Göttin, sie weiß alles“, rief der Mandarin. „Es ist ein Wunder geschehen.“
Und da sanken alle auf die Knie nieder und beteten um Dinge, die ihnen einst gestohlen worden waren, weil sie glaubten, die Göttin könne sie wieder herbeibringen. Sie bauten ihr einen großen schönen Tempel und huldigten ihr jeden Tag.
Doch das kleine Mädchen vergaß das heilige Pferd nicht. Sie wünschte jeden Tag, es solle zurückkommen, um an all den Herrlichkeiten, die man ihr opferte, teilzuhaben.
Zehn Jahre waren vergangen. Aus dem kleinen Mädchen war eine Frau geworden, und von Tag zu Tag wurde sie trauriger. Keiner der vielen Leute, die zu ihr kamen, war ihr Freund. Sie war reich, unermesslich reich, aber sehr einsam, allein und traurig. Eines Abends, als sie im Mondschein spazieren ging, kam eine Dienerin und sagte zu ihr:
„Göttin, es ist eine unglaubliche Geschichte geschehen. Vor einer Stunde rasselte es am Tor, und als der Gärtner öffnen wollte, da fand er ein altes, weißhaariges Pferd, das einzudringen versuchte. Er jagte das Pferd fort, aber es kam immer wieder und versuchte aufs wieder einzudringen. Es will einfach nicht weggehen.“
Da sagte die junge Frau: „Lass das Pferd herein. Ich will keinem Tier den Einlass verweigern.“ Als die Dienerin zurückkam, führte sie ein Pferd herbei, das ließ den Kopf traurig hängen und trottete müde einher. Die junge Frau schickte die Dienerin weg und wandte sich an das Pferd. „Heiliges Pferd!“, rief sie. „Du kommst zurück. Dir verdanke ich all den Reichtum.“
„Ja, ich komme zurück“, sagte das Pferd mit leiser Stimme. „Ich komme zurück und bitte um eine kleine Stallecke, in der ich sterben kann.“
„Hast du die Freiheit nicht genossen, die du dir so sehr gewünscht hattest?“ Das Pferd sagte: „Nein, die Freiheit ist nichts ohne Freundschaft. Du allein warst meine Freundin, und nun bin ich zurückgekommen, um bei dir zu sterben.“ Da schlang sie ihre Arme um den Nacken des Pferdes, streichelte es und weinte mit ihm. „Bist du vielleicht auch nicht glücklich in deinem großen Reichtum?“
„Das wissen die Götter!“, sagte die junge Frau. „Auch Reichtum ist nichts ohne Freundschaft!“ Und während sich das Mädchen immer fester an das alte, müde Pferd lehnte, verwandelte sich dieses in einen schönen jungen Prinzen. „Nichts“, sagte er, „ist schön ohne Freundschaft und Liebe!“
„Das wissen die Götter!“, sagte die Frau und sie verließen zusammen den Tempel.
Die Sage von Pan Gu
Am Anfang war das Chaos, eine feuchte Finsternis innerhalb eines riesigen Eies. Im inneren des Eies entstand Pan Gu, der 18.000 Jahre schlief, bevor er schließlich erwachte und die Gestalt eines beleibten Mannes annahm. Zwar klein von Statur doch mit kräftigen Armen und breiten Schultern. In seinen Händen hielt er Meißel und Axt, mit der er das Ei zerschlug, so dass die Elemente der Schöpfung, die sich im Chaos befanden, aus dem inneren des Eis durch den Raum schweben konnten. Die leichten Teile davon - Yang - stiegen nach oben, während die schweren Teile - Yin - nach unten sanken und die Erde bildeten.
An einer Stelle jedoch waren Himmel und Erde noch miteinander verbunden. Aber mit einem mächtigen Hieb trennte Pan Gu auch diese. So ruhte denn der Himmel auf seinem Haupt und seine Füße standen auf der Erde. Mit jedem weiteren Hieb wanderte der Himmel um einen Zhang (ca. drei Meter) höher und die Erde wurde um einen Zhang dicker. Im gleichen Maße wuchs auch Pan Gu. 18.000 Jahre verharrte Pan Gu auf seinem Platz bis er eine unvorstellbare Größe erreicht hatte.
Als Pan Gu sah, dass die Trennung von Himmel und Erde vollbracht war, legte er sich müde auf die Erde nieder und starb schließlich. Dabei verwandelte sich sein Körper. Aus seinem Atem entstand der Wind, seine Stimme verwandelte sich in Donner, sein linkes Auge in die Sonne und sein rechtes in den Mond. Haupthaar und Bart wurden zu Sternen und sein Schweiß zu Regen. Aus Händen und Füßen entstanden die vier Pole der eckigen Erde und aus seinem Körper die Fünf Heiligen Berge. Es entstanden aus seinem Blut Flüsse und Bäche, aus seinem Fleisch die Felder, aus seinem Körperhaar Gräser und Bäume. Zähne und Knochen verwandelten sich in Metalle und Steine und sein Knochenmark und der Samen wurden zu kostbaren Perlen und Jade.
Diese Darstellung der Schöpfungsgeschichte entstand erst im 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. Erlangte jedoch so eine große Bedeutung, dass sie alle früheren Schöpfungsmythen überschattete.
Die Allegorie vom Ende des Chaos
Der Kaiser des Südmeeres – Shu – und der Kaiser des Nordmeeres – Hu – trafen sich gelegentlich im Reich des Hun-tun ("Chaos"), um miteinander über ihre Reiche zu sprechen. Hun-tun war stets sehr gastfreundlich zu ihnen. Jedoch litt er darunter, dass ihm die sieben Körperöffnungen fehlten, die andere Menschen besitzen. So konnte er nicht atmen, sehen, hören und essen. Shu und Hu beschlossen daher, Hun-tun für seine großherzige Gastfreundschaft einen Dienst zu erweisen und schlugen ihm vor, die fehlenden Körperöffnungen zu bohren. Freudig nahm Hun-tun dies Angebot an und die beiden machten sich sofort an ihr Werk. Jeden Tag bohrten sie ein Loch und in den ersten sechs Tagen lief alles gut. Als sie jedoch das siebte Loch bohrten starb Hun-tun und in diesem Augenblick entstand aus dem Chaos das Universum.
Kombiniert man die beiden Namen der Kaiser – Shu-hu – so bedeutet diese Kombination Blitz. Und so wird diese Geschichte oft gedeutet, dass die elektrische Energie des Blitzes das Chaos beseitigt hat.
Diese Darstellung der Schöpfungsgeschichte stammt von dem Philosophen Zhuangzi aus dem 4. Jahrhundert v. Chr.
Die Struktur der Welt
Der Kosmos war ein aufrecht stehendes Ei, auf dessen Grund sich ein riesiger Ozean befand auf dem wiederum die Erde schwamm. Sterne und Planeten schwebten im oberen Schalenteil. Auf der Erde gab es eine mythische Gegend mit fünf Heiligen Bergen. Vier von ihnen standen für die Himmelsrichtung und der fünfte stand in der Mitte. Jeweils einem Tier, einer Jahreszeit und eines der fünf Elemente waren den Himmelsrichtungen zugeordnet. Dem Osten schrieb man den Grünen Drachen, den Frühling und das Element Holz zu. Den Westen verband man mit dem Weißen Tiger, dem Herbst und dem Element Metall. Dem Süden ordnete man den Roten Phönix, den Sommer und das Element Feuer zu. Mit dem Norden verband man den Dunklen Krieger (eine Mischung aus einer schwarzen Schildkröte und einer Schlange), den Winter und das Element Wasser. Die Mitte jedoch stand für China selbst und wurde mit der Farbe Gelb und dem Element Erde assoziiert.
Taishan, der östliche Berg, ragte aus der Unterwelt empor, wo die Seelen der Verstorbenen wohnten. Im Westen erhob sich der Berg Kunlun, aus dem vier Flüsse entsprangen, die ein Viertel des Landes bewässerten. Der Kunlun erstreckte sich bis zum Himmel und ebenso weit in die Erde hinein. Hoch oben befand sich die Tür des Lichts, die nach Osten gerichtet war. Dort hatte auch der Herr des Himmels sein Heim. An den Hängen des Kunluns befand sich der Palast von Xi Wang Mu, der Mutter und Königin des Westens. Aber auch der Herr des Regens hatte hier seine Heimstatt gefunden. Beide Berge waren von besonderer mythischer Bedeutung.
Nach älteren chinesischen Überlieferungen rotiert die umgestürzte Schale des Himmels um den Polarstern, die anderen Sterne haften an der Unterseite der Schale. Die Erde war quadratisch und bewegungslos und an allen vier Seiten von einem Meer umspült.
Die Erschaffung der Menschen I
Die Göttin Nu Gua wanderte nach der Entstehung von Himmel und Erde über das Land. Vielen Tieren begegnete sie, dennoch fühlte sie sich einsam, denn es fehlte ihr an Gefährten. Da kam ihr der Gedanke, Wesen nach ihrem Ebenbild zu schaffen. Sie nahm eine Handvoll Schlamm vom Ufer eines Teichs und formte daraus Körper mit Armen und Beinen. Als sie diese auf den Boden stellte, erwachten sie zum Leben. Es gefiel ihr, was sie sah, und so erschuf sie noch viele mehr bis die Sonne unterging. Dann legte sie sich zum Schlafen nieder. Am nächsten Morgen erschuf die Göttin weitere Hunderte von diesen Wesen. Doch schon bald sah sie ein, dass sie mit dieser Vorgehensweise es niemals schaffen würde, die ganze Welt mit ihnen zu bevölkern.
Da nahm sie ein Seil, zog es durch den Schlamm und wirbelte es über ihren Kopf. In alle Richtungen fielen kleine Klumpen auf den Boden, und sobald sie diesen berührten, verwandelten sie sich in Menschen. Auf diese Weise gelang es ihr, unzählige Menschen zu erschaffen.
Die Wesen, die sie mit eigener Hand geformt hatte, stellten Aristokraten und Herrscher dar. Diejenigen, die aus dem herumwirbelnden Seil entstanden waren, stellten die Bauern dar.
Viele Jahre erfreute sie sich an ihren Geschöpfen. Doch dann kam es zu einem Streit zwischen dem Geist des Wassers Lei Gong und dem Geist des Feuers Jurong. Nach ihrem erbitterten Kampf erlitt der Himmel Schaden und ein Teil fiel zur Erde herab. Risse entstanden im Boden. Sonne, Mond und die Sterne wurden in eine Umlaufbahn gestürzt, die sich bis heute nicht mehr geändert hat. Fluten bedeckten die Ebenen und Feuer wütete in den Wäldern. Die Menschen befanden sich in großer Angst.
Nu Gua sah ihre Not und handelte schnell. Zunächst schmolz sie Steine aus den Flüssen, um das Loch im Himmel zu reparieren. Dann nahm sie eine Schildkröte, schnitt ihr die vier Beine ab und stellte sie an den vier Ecken der quadratischen Erde auf, um das Himmelsgewölbe zu stützen. Dann baute sie Dämme, um das Hochwasser in die Schranken zu weisen. So kehrte die Ordnung auf die Erde zurück und die Menschen lebten wieder in Frieden.
Die Erschaffung der Menschen II
Nachdem Pan Gu Himmel und Erde getrennt hatte, erschuf er Pflanzen und Tiere. Sein Werk jedoch erschien ihm unvollständig, denn keines seiner Wesen besaß Verstand. So beschloss er ein Geschöpf zu erschaffen, das sich um alle anderen sorgen und sie beherrschen sollte. Aus Lehm formte er die ersten Menschen. Ein Teil von ihnen gab er die weibliche Eigenschaft Yin und dem anderen Teil die männliche Eigenschaft Yang. Und so entstanden Mann und Frau.
Er arbeitete den ganzen Tag. Schließlich legte er die letzten von ihnen auf einen Felsen und reckte seinen schmerzenden Rücken. Da sah er dunkle Wolken am Horizont aufziehen und fürchtete, dass seine Arbeit durch ein Unwetter zunichte gemacht werden konnte. Denn alle Lehmmenschen waren noch nicht in der Sonne getrocknet. Schnell trug er die Figuren in eine Höhle. Ein Sturm brauste mit Blitz und Donner über das Land und Regen prasselte auf ihn nieder. Jene Figuren aber, die durch den Regen beschädigt wurden, waren die Vorfahren von den Menschen mit Missbildungen und Behinderungen.
Die drei Erhabenen
Nach Pan Gu wurde China nacheinander von drei Erhabenen Herrschern regiert, die den Menschen wichtige Fertigkeiten beibrachten. Der erste von ihnen war Fu Xi, der Herr des Himmels. Im mythischen Land Huaxu lebten die Menschen in einem irdischen Paradies. Eines Tages wanderte ein Mädchen durch das Laize-Moor und entdeckte die Fußspuren des Donnergottes. Als sie diese neugierig betrachtete, spürte sie Wärme in ihrem Leib aufflammen und merkte alsbald, dass sie schwanger war. Sie gebar einen Knaben, der Fu Xi genannt wurde. Dieser besaß die Eigenschaften eines Gottes und konnte sich zwischen Himmel und Erde bewegen. Er brachte den Menschen die Fischerei und die Aufzucht von Seidenraupen bei. Außerdem erfand er den Kalender und die Orakel-Trigramme.
Der zweite Herrscher war Shen Nong, der Herr der Erde. Er erfand den Pflug und lehrte die Menschen, Getreide anzubauen und die Heilkräuter zu verstehen. Der Dritte war Huang Di, der Herr der Menschheit und legendäre "Gelbe Kaiser". Er brachte den Menschen bei, Straßen zu bauen, das Töpferhandwerk und die Kunst der Musik. Außerdem erfand er die Schrift und das Rad.
Der gelbe Kaiser und die schwarze Perle
Hoch oben im Kunlun-Gebirge lebte Huang Di in seinem Palast mit Arkaden und Balkonen aus weißer Jade. Herrliche Gärten umgaben die Mauern mit Bäumen, die niemals verblühten und als Früchte kostbare Perlen, Jaspis und Jade trugen. Eines Tages kehrte Huang Di aus seinem Palast in das himmlische Reich zurück und musste feststellen, dass er am Ufer des Flusses Chishui seine schwarze Lieblingsperle verloren hatte. Darüber war der Kaiser sehr unglücklich und er bat mehrere Götter, ihm bei der Suche nach der Perle zu helfen.
Zunächst schickte er Zhi, das Wissen, los, weil er einer der intelligentesten Götter war. Dieser lief alle Wege am Rande des Flusses ab, konnte die geliebte Perle des Kaisers jedoch nicht finden. Daraufhin schickte der Gelbe Kaiser den dreiköpfigen Li Zhu los, weil er hoffte, dass dieser die Perle mit seinen sechs leuchtenden Augen finden würde. Doch auch Li Zhu hatte keinen Erfolg. Dann begab sich Chi Gou auf die Suche, der die Fähigkeit besaß, zu diskutieren und gepflegt zu sprechen. Aber auch dieser konnte die Perle nicht finden.
In seiner Verzweiflung bat er Xiang Wang, ihm bei der Suche zu helfen. Obwohl er wenig Hoffnung hatte, denn Xiang Wang folgte nur seinen Gefühlen und verlor dabei immer die Richtung.
Gedankenverloren spazierte Xiang Wang am Ufer des Chishui entlang, als er tatsächlich die Perle in einem Strauch liegen sah. Huang Di freute sich sehr, endlich seinen verloren geglaubten Schatz wieder zu haben. Aber er war auch verwirrt, dass es Xiang Wang gelungen war, die Perle zu finden, wo alle anderen Fähigkeiten versagt hatten. So kam er zu dem Schluss, dass neben Erfahrung und Bildung der Instinkt eine ebenso wertvolle Eigenschaft ist, und er gab die Perle in Xiang Wangs Obhut.
Doch Xiang Wang war auch voller Sorglosigkeit. Und so geschah es, dass eine übermütige Göttin ihm die Perle entwenden konnte. Als Huang Di von dem Diebstahl erfuhr, tobte er vor Zorn, und ließ die Göttin verfolgen. Angsterfüllt schluckte die junge Göttin die Perle und sprang in den Fluss Wenchuan. Kaum hatte sie das Wasser berührt, da verwandelte sich ihre Haut zu Drachenschuppen und ihre Gestalt zu einem Pferd. Fortan war sie Qi Xiang, die Flussgöttin des Wenchuan.
Die Schlacht der Elemente
Die Halbbrüder Huang Di und Yan Di beschlossen, das Kriegsglück entscheiden zu lassen, wer die Macht im Universum haben sollte. Der Herrscher des Feuers prallte auf den Herrn des Wassers. Das Wasser siegte über das Feuer und so nahm Huang Di die Position des Gottes der Mitte ein, der von den vier Göttern der Himmelsrichtungen flankiert wird.