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Dieses Taschenbuch beschreibt Märchen und Sagen von Drachen. Drachen sind seit Jahrhunderten faszinierende Wesen in Mythen und Geschichten, die in vielen Kulturen auf der ganzen Welt verehrt wurden. Der Inhalt wird aus alten Quellen bezogen und neu veröffentlicht. Mit dem vorliegenden Buch lernt man mit den Sagen und die eigene Heimat besser kennen
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Seitenzahl: 218
Veröffentlichungsjahr: 2025
Herausgeber
Erik Schreiber
Märchen Sagen und Legenden
Dietrich von Bern
Saphir im Stahl
Märchen Sagen und Legenden 7
e-book: 285
Titel: Dietrich von Bern
Erscheinungstermin: 01.03.2025
© Saphir im Stahl Verlag
Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Franziska Wenzel
Lektorat: Peter Heller
Vertrieb neobook
Herausgeber
Erik Schreiber
Märchen Sagen und Legenden
Dietrich von Bern
Saphir im Stahl
Dietrich von Bern, seine Gesellen und Taten
Dietrich und Hildebrand
Dietmar, der zweite Sohn Hugdieterichs, erhielt seine Herrschaft zu Bern mit starker Hand aufrecht und duldete keine Abhängigkeit von seinem älteren Bruder Ermenrich, noch von irgendeinem anderen König. Sein Arm war stark und sein Schwert scharf. Daher schlug er mit siegender Gewalt alle Angriffe zurück, woher sie auch kamen. Er war furchtbar im Kampf, sodass ihm bald kein feindlicher Recke ins Angesicht zu blicken wagte. Wenn er aber in der heimischen Burg war, bewies er sich gar sanft und liebreich, besonders gegen seine Hausfrau Odilia, die Tochter Elsungs. Besondere Freude hatte er an seinem ältesten Sohn Dietrich; denn er wuchs gar kräftig heran, sodass er in seinem zwölften Jahr schon die Kraft eines starken Recken hatte. Blondes Haar fiel ihm in Locken auf die Schultern herab; ein mächtiger Nacken, Arme, hart und stark wie ein Eichenstamm, ein regelmäßiges Angesicht, das aber, wenn er zornig wurde, grimmig und schrecklich erschien, das alles verriet früh den löwenmutigen Helden, der im Streit unbezwinglich war. Man sagte sogar, sein Atem sei wie Feuerglut, wenn er in heftigen Zorn geriet, und man schrieb es seiner dämonischen Abkunft zu, von der mancherlei Mären im Volksmunde umgingen.
Als der Knabe fünf Jahre alt war, kam an seines Vaters Hof ein schon durch manche kühne Tat rühmlich bekannter Held, nämlich Hildebrand, der Sohn Herbrands und Enkel des treuen Berchtung; Herbrand besaß zu Lehen die schöne Burg Garden. Er hatte seinen Sohn wohl gepflegt und ihm schon in seinem fünfzehnten Jahr Schwert und Rüstung gegeben. Jetzt war derselbe ein vollendeter Recke und ebenso durch Einsicht und klugen Rat wie durch Mut und schlagfertige Faust ausgezeichnet. Dietmar nahm ihn daher mit großen Ehren auf und ernannte ihn zum Pfleger seines Sohnes. Einen treueren hätte er nicht finden können, denn zwischen dem Meister und seinem Pflegling entstand ein Liebes- und Freundschaftsbund, der erst mit dem Tod sich löste.
Schwert Nagelring
Viel Unfug geschah in Dietmars Land, Raub, Mord und Plünderung, ohne dass er Hilfe schaffen konnte. Die Räuber brachen wie Feuerflammen hervor und waren nach verübten Gräueltaten alsbald wieder verschwunden. Der König zog mit seinen Mannen vergeblich aus, denn er fand wohl niedergebrannte Wohnungen und erschlagene Menschen, sowohl wehrloses Landvolk als auch gerüstete Recken, nicht aber die, welche solche Untaten verübten. Indessen erfuhr man durch Flüchtlinge, dass zwei Riesen, ein Mann und ein Weib, die frechen Übeltäter seien; allein wie sehr man auch auf sie fahndete, ihre Raubhöhle fand man nicht. Gleichwie der König selbst, so grämten sich auch der junge Dietrich und sein Meister. Sie brannten vor Begierde, die Bösewichter zu bekämpfen; sie durchstreiften die wilden Berge, doch war alles nur verlorene Mühe. Einstmals ritten die beiden Genossen mit Habichten und Hunden auf die Jagd. Sie kamen in einen großen Wald und fanden einen grünen Anger, wo sie viel Wild im hohen Gras vermuteten. Nachdem die Hunde gelöst waren, ritten sie, der eine rechts, der andere links, um den Wiesengrund und hielten ihre Geschosse in Bereitschaft. Wie nun Dietrich sorgsam spähend dahintrabte, sprang ein Zwerg dicht vor ihm über den Weg. Er haschte ihn im Sprung und setzte das Männlein vor sich auf den Hals des Rosses. Der Gefangene zeterte so laut und kläglich, dass ihn Meister Hildebrand auf der anderen Seite hörte und quer über den Anger heransprengte.
„He, holla“, rief er dem jungen Recken zu, „halte den Wicht fest! Er kennt alle Wege auf und unter der Erde; es ist Elbegast, der Meisterdieb, und er steht sicherlich mit den Räubern im Bunde.“ Da jammerte der Zwerg noch lauter als zuvor und versicherte, er habe von dem Riesen Grim und dessen Schwester Hilde, die all die schrecklichen Gräuel im Lande verübt, große Drangsal erduldet; er habe ihnen das gute Schwert Nagelring und den stahlfesten Helm Hildegrim schmieden und die verborgenen Wege zu Raub und Mord zeigen und bahnen müssen; er wolle den Recken behilflich sein, die unholden Geschwister zu bekämpfen.
Auf diese Zusicherung ward das Männlein in Freiheit gesetzt. Es atmete tief auf und sagte: „Nun könntet ihr mich nicht wieder greifen, wenn ich entwischen wollte; aber ich gedenke, euch treulich beizustehen, um von der schlimmen Dienstbarkeit loszukommen. Seid morgen vor Tagesgrauen wieder an dieser Stelle; da übergebe ich euch das Schwert Nagelring, ohne das der schreckliche Riese nicht überwunden werden kann. Ich entwende es ihm, so wahr ich Elbegast, der Meisterdieb, bin. Dann zeige ich euch seine Spur im tauigen Gras, dass ihr in seinen hohlen Berg gelangt, wo ihr, wenn es euch gelingt, den Grim samt seiner unholden Schwester totzuschlagen, großen Reichtum finden werdet.“ Als der Zwerg diese Worte gesprochen hatte, verschwand er vor den Augen der Männer, die vergebens mit den Händen nach ihm tasteten.
Ein schwach gerötetes Wölkchen verriet, dass sich der strahlende Sonnengott den Armen der Mutter Nacht entzogen habe; da standen der Meister und sein Pflegling wiederum am Saum des grünen Angers. Sie sprachen hin und her von der Falschheit der Bergkobolde und meinten, der diebische Elbegast werde wohl sein Wort nicht halten. Ein helles Klingen und Klirren unterbrach ihr Gespräch, und – es war der Zwerg, der mühsam das gewaltige Schwert herbeischleppte. Dietrich ergriff es freudig, zog es aus der Scheide und schwang es so leicht wie ein Schulmeister seine Birkenrute.
„Hei“, rief Elbegast, „du hast Zwölfmännerstärke, du bist dem Unhold an Kräften gleich. Nun seht ihr hier im Tau die Spuren von seinen Schuhen eingedrückt; ich musste sie ihm von Eisen anfertigen, weil er geizig und heuer das Leder teuer ist. Wenn ihr der Spur nachgeht, so werdet ihr an den Eingang zu des Riesen Höhle gelangen. Ich aber kann euch nicht weiter begleiten.“
Er verschwand wieder vor den Augen der Helden; diese aber verfolgten des Riesen Fährte, wie der Zwerg geraten hatte.
Sie gelangten auch in der Tat an eine mächtige Steinwand, aber da war nirgends eine Pforte zu sehen. Nur einzelne Risse und Spalten waren sichtbar, durch welche wohl Eidechsen und etwa Zwerge schlüpfen konnten, nicht aber gerüstete Männer, noch weniger Riesen. Indessen meinte der vielerfahrene Hildebrand, es möge vielleicht ein Felsstück als Tür eingefügt sein. Er fing an, da und dort mit aller Kraft zu rütteln, und nicht vergebens; ein ungeheurer Felsblock geriet in Bewegung und stürzte, als Dietrich zu Hilfe kam, polternd ins Tal. Die Strahlen der aufgehenden Sonne leuchteten in eine tiefe Kluft, in deren Hintergrund ein großes Feuer brannte. Da ruhte Grim auf einem Lager von Bären- und Wolfsfellen. Aufgeweckt durch den stürzenden Felsen hatte er sich halb emporgerichtet; als er nun die Schritte der Bewaffneten hörte, erhob er sich in seiner ganzen Länge, tastete nach seinem Schwert und ergriff, da er es nicht fand, einen brennenden Holzkloben. Mit dieser Waffe stürzte er sich auf Dietrich, der voranschritt. Seine Streiche schallten wie Donnerschläge; sie fielen hageldicht, und nur ungemeine Gewandtheit rettete dem jungen Recken das Leben. Derselbe sprang bald rechts, bald links, um den Keulenschlägen auszuweichen, während ihn zugleich Dampf und sprühende Funken in Gefahr brachten.
„Ehrlich Spiel! Einer gegen einen!“, rief der Held seinem Pfleger zu, der ihm zu Hilfe kommen wollte; allein dieser geriet auch selbst in Bedrängnis, denn aus einer Seitenkluft stürzte die entsetzliche Schwester des Riesen hervor und schloss den Meister Hildebrand kräftig in die Arme. Es war aber nicht Liebesumarmung, sondern eine Umarmung auf Leben und Tod. Der Recke konnte schier nicht mehr atmen; er rang umsonst, sich aus der Umstrickung loszumachen oder Schwert oder Dolchmesser zu zücken; er stürzte rücklings zu Boden und die Unholdin presste seine Arme und Hände wie mit Zangen oder Daumenschrauben, dass Blut aus den Nägeln sprang. Sie sah sich nach einem Strick um, womit sie ihn knebeln und aufhängen wollte; in dieser Not rief Hildebrand seinen Gesellen um Hilfe an. Dietrich, der die Bedrängnis seines lieben Meisters sah, tat einen verzweifelten Sprung über die niederschmetternde Keule weg und führte zugleich, mit beiden Händen das Schwert fassend, einen furchtbaren Streich, der dem Riesen den Kopf bis auf den Halsknochen spaltete. Hildebrand war dem Ersticken nahe, da die Riesin ihm in Ermangelung eines Strickes mit den eisenfesten Händen die Kehle zuschnürte. Jetzt schaffte ihm Dietrich Luft, indem er die Unholdin mit dem Schwert zu Tode traf und ihrem Bruder in die Hölle nachsandte.
Meister Hildebrand richtete sich mühsam auf; er war rot vom Blut des teuflischen Weibes und von dem eigenen, das ihm aus Mund und Nase und aus den Fingerspitzen floss.
„Jungherr“, sagte er darauf, „heute bist du mein Meister gewesen; denn die Teufelin hat mir übler mitgespielt als irgendein Recke oder Riese in allen meinen Kämpfen. Nun fort aus dem Höllenloch, aber zuvor wollen wir aufpacken, was die Brut hier gestohlen hat.“
Auf Dietrich gestützt, hinkte er in eine Seitenkluft, wo viel Gold und Silber und manches köstliche Geschmeide aufgehäuft waren. Diese Schätze nahmen die Recken als Siegesbeute mit und führten sie nach Bern.
König Dietmar hatte große Freude am Ruhm seines heldenmütigen Sohnes, dessen Name in allen Landen mit Bewunderung genannt wurde. Jedoch war ihm nicht mehr lange Zeit vergönnt, des Sohnes und der Herrschaft sich zu freuen. Nach kurzem Siechtum ward er zu seinen Vätern versammelt und die Sorge für das Reich und für einen noch ganz unmündigen Bruder ging auf Dietrich über. Meister Hildebrand nahm auch den Knaben Diether in Pflege, um ihn zu einem Helden zu erziehen, der einst dem älteren Zögling an Mut und Ehren ebenbürtig zur Seite stehen sollte.
Sigenot
Bald, nachdem Grim und Hilde in ihrer Höhle dem Schwert Dietrichs erlegen waren, schritt durch den finsteren Tann ihr Neffe, der gewaltige Sigenot, ein Riese, der im westlichen Hochgebirge über viele dienstbare Zwerge herrschte. Er wollte seine Verwandten besuchen, aber er fand nur ihre zerschlagenen Leichen. Er heulte vor Wut und Zorn und schwor Rache gegen ihre Mörder. Als ihm ein herbeigerufener vielkundiger Zwerg von dem Kampf der nahen Sippen mit Dietrich und Hildebrand erzählte, maß er dem Bericht keinen Glauben bei, er beharrte vielmehr auf der Meinung, die Recken hätten beide Riesen im Schlaf überfallen und meuchelmörderisch erschlagen, um sich ihres Hortes zu bemächtigen. Seitdem lauerte er nun auf Wegen und Stegen, denn er hoffte, die Recken würden ihm wohl einmal begegnen. Er zog auch nicht, wie seine Magen, auf Mord und Raub aus, da die Zwerge ihm nicht nur Gold und Silber, sondern auch zahlreiches Wild zum Schmause und edlen Wein zum Trunke in Fülle liefern mussten. Kamen sie seinem Gebot nicht nach, so schlug er auch wohl ein Zwerglein tot und röstete es am Feuer.
Jahre waren vergangen, da saßen die Helden in der Halle zu Bern bei vollem Becher.
„Meister“, sagte König Dietrich, „niemals habe ich ein liebendes Weib einen Recken so brünstig umarmen sehen, als dort in Grims Felskluft geschah. Mich dünkt, Frau Ute würde dir nimmer wieder hold werden, wenn sie gesehen hätte, wie Hilde, die wundersame Maid, dich küsste. Sie hätte dir schier Arme und Beine zerbrochen.“
„Eine Unholdin, wie nur jemals ein Scheusal aus der Hölle hervorgegangen ist“, sagte Hildebrand schaudernd, „aber du hast mich mit starkem Arm von ihr befreit.“
„Freilich“, versetzte der König, „ich vergalt nicht Gleiches mit Gleichem. Manchen Rutenschlag musste ich in jungen Jahren von dir erdulden, und doch überließ ich dich nicht den Liebesschlägen der Frau Hilde, sondern ich löste ihre Umarmung mit dem Schwert. Gestehe, dass ich großmütig bin!“
„Das tue ich gern“, versicherte der Meister, „aber sei nicht hochmütig, denn in den Bergen lauert seitdem der Riese Sigenot als Grims Rächer auf uns, und den kann kein sterblicher Mensch bezwingen, ja nicht einmal ganze Kriegsheere.“
„Hei, das ist eine neue Mär!“, rief der Berner. „Der Rächer Grims hält sich in unseren Bergen auf? Und niemand hat mir von ihm gesagt? Morgen ziehe ich aus, mein Reich von dem neuen Unhold zu befreien.“
„Um Gott!“
„Gegen den Riesen!“
„Den mordgewohnten Sigenot!“, riefen die Gäste durcheinander.
„Höre mich, Sohn Dietmars, mein Pflegling“, sprach Hildebrand feierlich, „der ist nicht ein Held, sondern ein Waghals, der Unmögliches unternimmt, und es ist unmöglich, den eisenfesten Riesen zu bewältigen.“
„Höre, lieber Meister, mein Pfleger“, erwiderte Dietrich, „was du mich selbst gelehrt hast: Der ist ein Held, der scheinbar Unmögliches unternimmt, weil er auf seine Kraft und auf die Gerechtigkeit seiner Sache vertraut. Er ist ein Held, mag ihm der Sieg oder der Tod den Ehrenkranz reichen. Meine Sache aber ist gerecht, denn ich will mein Reich, mein Volk gegen den Unhold sicherstellen.“
„König“, rief Hildebrand, „du bist nicht mehr mein Pflegling, du bist mein Geselle, und als dein Geselle ziehe ich mit dir in den entsetzlichen Streit.“ Nach kurzem Bedenken sagte der kühne Degen: „Mein Pfleger sprach dereinst zu mir: Einer gegen einen, das ist die Weise der Recken; zwei gegen einen ist der Feiglinge Brauch. Daher gedenke ich, allein die Fahrt zu unternehmen.“
„Kehrst du aber nicht heim binnen acht Tagen“, sagte der Meister, „so fahre ich dir nach und werde dein Befreier oder dein Rächer oder dein Geselle im Tode.“
„Wozu das Weinen und Winseln!“, rief Wolfhart. „Der Berner schlägt den Langbein tot oder es tut Ohm Hildebrand, und wenn es den beiden misslingt, so komme ich selbst als dritter Mann, und, ich setze mein Haupt zum Pfande, ich führe ihn am Strick wie einen Bären, hierher in die Burg und hänge ihn an eine Mauerzinne; da mag er baumeln, bis ihn sein Gevatter aus der Hölle heimholt.“
Dietrich ritt drei Tage des Weges, den ihm Hildebrand beim Abschied beschrieben hatte. Er schlief des Nachts unter Bäumen und speiste und trank von den reichlichen Vorräten, womit er versehen war, während sein edles Ross im saftigen Grase sich gütlich tat. Am dritten Tage lagerte er im Angesicht des Hochgebirges.
Es war ihm so wohl zumute, er fühlte sich so kräftig, dass er mit allen Riesen der Welt den Kampf gewagt hätte. Wie er noch wachend in glückliche Träume versunken war, trabte ein stattlicher Elch vorbei.
„Hallo! Falke, mein edles Ross“, rief er, „lass sehen, ob du den wilden Elch einholst!“ Sofort sprang er auf den Hengst und spornte dem Edelwild in stürmischer Eile nach; Falke griff mächtig aus und fort brauste die wilde Jagd über Berg und Tal. Er kam dem Elch näher und näher, als aber dieser den Verfolger dicht hinter sich merkte, jagte er windschnell voran; doch auch Falke bot nun alle Kraft auf, den Siegespreis zu gewinnen, und endlich war der Jäger in gleicher Linie mit dem Wild. Da stieß er demselben von oben herab das gezückte Schwert gerade in den Nacken, sodass es nach wenigen Sprüngen verendet niederstürzte. Dietrich sprang von dem schäumenden Hengst, der freudig wieherte, und klopfte ihm den Hals, indem er sagte:
„Schön, edler Falke, nun sollst du mich in ernster Feldschlacht tragen und weder ein Recke noch ein Riese wird flüchtigen Fußes uns entrinnen.“ Er zündete ein Feuer an, schnitt ein fettes Stück von seiner Jagdbeute, briet und verzehrte es mit Wohlbehagen, indem er zugleich einen Becher feurigen Weins aus einem mitgeführten Schlauch füllte und leerte. Ein Zetergeschrei störte ihn in solch löblichem Tun. Er sah auf und erblickte einen ungeschlachten, nackten und mit Borsten bedeckten Mann von riesenhafter Größe, der an seiner Eisenkeule ein Zwerglein angebunden trug. Das Männlein flehte, als es den Recken erblickte, kläglich dessen Hilfe an.
„Hilf mir, tapferer Held“, jammerte es, „hilf mir von dem Unhold, der mich bei lebendigem Leibe verspeisen will!“ Dietrich trat sogleich dem wilden Mann in den Weg und bot ihm einen Tausch an. Er solle den Elch für den Zwerg nehmen, sagte er, da er daran einen fetteren Bissen habe als an dem mageren Grubenmann.
„Aus dem Weg, Hundeknecht!“, brüllte der Wilde. „Aus dem Weg oder ich röste dich selbst an deinem Feuer und verspeise dich samt deinen Eisenringen!“ Da entbrannte der Zorn des Helden; er zückte Nagelring, während der Riese das Wichtlein von seiner Keule wie eine Schneeflocke abstreifte. Die Kämpfer stoben beide aufeinander, dass es schallte, als ob hundert Holzhauer einen Wald fällten. Hildegrim deckte den Recken gut, aber auch dessen wuchtige Streiche glitten an den hornfesten Borsten des Unholds ab, ohne ihn im Mindesten zu verletzen.
Das Gefecht währte lange Zeit, bis beide Kämpen ermüdet ihre Waffen senkten. Während des Waffenstillstandes geiferte der Wilde immer fort, wie er dennoch den geharnischten Wicht erschlagen und seinem Gebieter Sigenot, dem Herrn des Gebirges, den Schädel des Hundesohnes als Trinkbecher überbringen werde. Da bot ihm der König nochmals Frieden an, weil er ausgezogen sei, nicht mit dem Knecht, sondern mit dem Herrn zu kämpfen. Ein Hohngelächter war die Antwort.
„Krötenbein“, rief er und die Bäume zitterten, „Eidechsenschwanz! Mit Sigenot willst du anbinden? Der knüpft dich an seine Stange, wie ich das Wichtlein, und lässt dich zu Tode zappeln!“ Der Kampf begann von Neuem. Mittlerweile hatte der Zwerg die Riemen, mit welchen er gebunden war, gelöst und stand immer hinter dem Helden, indem er ihm, als ob er des Gegners Schläge errate, die Wendungen angab, durch welche er sie vermeiden konnte.
„Triff ihn mit dem Schwertknauf ans Ohr“, raunte er, „gegen die Schneide und Spitze ist er fest.“
Dietrich folgte dem guten Rat. Als des Riesen mächtige Stange bei einem Fehlschlag in die Erde fuhr, unterlief er ihn und stieß ihm hoch aufgerichtet den Knauf an das Gehörorgan. Der Unhold fiel sogleich zappelnd zur Erde, denn der Knauf war tief in seinen Schädel eingedrungen. Ein zweiter und ein dritter Stoß machten seinem Leben ein Ende.
Die Leiche gewährte einen schrecklichen Anblick, denn sie ward ganz schwarz und ging sogleich in Verwesung über. „Nun fort!“, rief der Zwerg, „ehe Sigenot, der Herr des Gebirges, kommt, sonst sind wir beide verloren.“
Stolz ob seines Sieges erklärte ihm Dietrich, wie zuvor dem Wilden, den Zweck seiner Heldenfahrt.
„Edler Herr“, sagte das Männlein, „du wirst deinem Schicksal nicht entrinnen; aber wenn du durch ein Wunder glücklich bist, so sind wir armen bedrückten Grubenleute mit all unserer Kunst und Habe dir zu eigen. Unser Vater Alberich hinterließ mir, seinem ältesten Sohn, Waldung, und dem jüngeren, Egerich, die Herrschaft hier über Tausende von kunstverständigen Zwergen; aber der furchtbare Sigenot hat uns trotz unserer Tarnkappen und Zauberkunst gänzlich unterjocht und zu so schwerem Dienst gezwungen, dass schon viele Hunderte in der harten Fron umgekommen, andere aber von seinem borstigen Knecht verzehrt worden sind.“
„Wohlan“, sprach der Berner, „erweise dich dankbar, indem du mir den Weg zu Sigenot zeigst!“
„Dort siehst du den Berg mit dem Scheitel von Schnee“, versetzte Waldung, „kommst du dahin, so brauchst du nicht zu suchen, denn da lauert der entsetzliche Mann schon lange auf dich und Hildebrand, um Rache zu nehmen für den Tod seiner Magen Grim und Hilde. Verleiht dir ein Gott den Sieg, so gebiete über alle unsere Schätze; Geschmeide, Streitgewand, nichts sei dir versagt!“
Als er diese Worte gesprochen hatte, zog er die Tarnkappe über und war verschwunden. Dietrich sah den weiß glänzenden Berg vor sich, aber der Weg schien ihm sehr weit; er blieb daher die Nacht über auf seinem behaglichen Ruheplatz, aß des Morgens noch von seinem Elchziemer und trank den Rest seines Schlauches. Darauf bestieg er sein Pferd und trabte in der bezeichneten Richtung wohlgemut durch den wilden Tann. Gegen Mittag kam er auf eine Lichtung, wo er den Berggipfel nahe vor sich sah. Ein Gletscher zog sich von der Höhe in den Talgrund herab, Gestein und Felsen starrten überall empor, wie der Recke in jener Richtung weitertrabte. Die Tannen, nicht mehr hoch emporstrebend, senkten hier ihre Äste herab; langes Moos hing daran, das ihre Stämme bis zur Wurzel verhüllte. Ein dichter Nebel stieg auf, der dem Helden Berg und Gletscher verbarg. Plötzlich teilte sich der Nebel, die grauen Massen schoben sich wie ein Vorhang auseinander und vor dem Berner stand eine Lichterscheinung, ein wundersames Frauenbild in schneeweißem Gewand, das Haupt umschlossen von einem funkelnden, mit Edelsteinen verzierten Goldreif, die Brust geschmückt mit Geschmeide, das wie die Sterne des Himmels leuchtete. Sie erhob warnend den Finger und sagte:
„Sporne dein Ross eilends zurück, Berner Held, oder du bist verloren! Der Verderber lauert auf dich!“
Sie glitt unhörbar vorüber; der Held sah, wie sie nach dem Gletscher schwebte, in welchem sie vor seinen Augen verschwand.
„Ist die himmlische Freia zur Erde herabgestiegen?“, rief er überrascht. „Will sie einen sterblichen Menschen beglücken? Aber warum sucht sie mich in meinem Vorhaben zu beirren? Oder ist es die Elfenkönigin Virginal, von der die Sage geht, dass sie verborgene Schätze hüte?“
Er konnte sich die schöne Erscheinung nicht aus dem Sinn schlagen, bis ihn ein schallendes Jauchzen aufschreckte. Es war ein Krieger von riesenhafter Gestalt, der durch den Tann auf ihn zustürmte. Er war wie ein Recke mit Helm, Brünne und Schild gerüstet, aber statt des Schwertes schwang er nach Riesenart eine mächtige Eisenkeule. „Endlich kommst du, mir dein Haupt zu bieten für den Mord, den du an Grim und Hilde hinterlistig verübtest“, so rief er dem Berner zu, indem er ihn sogleich angriff.
Sie wurden sofort handgemein und die schmetternden Streiche der Keule schallten wie Wetterschläge. Der Held deckte sich mit dem Schild und benutzte auch die Bäume zur Deckung. Er führte mit großer Kraft gewaltige Hiebe auf den Gegner; allein dessen Rüstung war fest wie Hildegrim. Er erkannte wohl, dass er den furchtbaren Sigenot vor sich habe.
Eine Schlange, die des Riesen Fuß verletzte, schnellte auf, aber ihr giftiger Biss drang nicht durch die Brünnenringe und der Kämpfer zerschlug ihr den Kopf mit dem Knauf der Keule. Diesen Augenblick benutzte Dietrich zu einem verzweifelten Streich mit beiden Händen; Nagelring schwirrte durch die Luft, allein die Klinge traf einen überhängenden Ast und haftete darin. Wie sie der Held mit Macht herauszureißen suchte, zerbrach der spröde Stahl. Ein Keulenschlag streckte den königlichen Degen zu Boden. Der gute Helm war zwar unverletzt, allein die Wucht des Streiches war so gewaltig, dass der mutige Kämpfer die Besinnung verlor. Sogleich fiel der Riese über ihn her, knebelte ihm Hände und Füße und schleppte ihn fort in seine finstere Behausung.
Meister Hildebrand wartete mit Ungeduld acht Tage, wie verabredet war, dann aber war sein Bleiben nicht mehr zu Bern. Frau Ute musste ihm das Streitgewand festschnüren und das Schwert umgürten. Sie brach nicht in Klagen aus, aber manche Träne fiel auf die blanken Ringe und beim Abschiedskuss auf die Wangen des Gatten.
„Bist mein liebes Weib“, sagte er, auf den Hengst steigend, „kehre ich nicht wieder, so denke, dass ich tat, was ich als ehrlicher Geselle meines königlichen Herrn tun musste.“ Er sprengte fort und nun weinte sie viel und lange.
Der Meister ritt getrosten Mutes die ihm bekannten Wege, wie ein Mann, ein Krieger, der entschlossen ist, seine Pflicht zu tun, und der in diesem Bewusstsein kühn dem Tod ins bleiche Antlitz blickt. Er wusste gut Bescheid, er fand den Anger, wo der modernde Elch an der Feuerstätte und unfern davon, der borstige Knecht lag. Das waren deutliche Spuren von seinem Herrn. Er trabte durch den Tann, dem silberglänzenden Berg zu. Er gelangte über die Waldblöße; da weidete Falke; er rief den Hengst und der rannte eilends herbei und sah ihn mit seinen klaren Augen so traurig an, als wolle er ihm Kunde von dem Schicksal seines Herrn geben. Weiterhin fand der Recke die Bruchstücke des Schwertes und er konnte nun nicht mehr am Tod des Königs zweifeln; ihm blieb nur die Rache, nicht mehr die Rettung übrig. Ein Zwerg lief über den Weg, blieb aber stehen, als er ihn sah. Es war Waldung; er winkte dem Meister umzukehren und rief ihm zu, als er nicht darauf achtete:
„Zurück, Meister Hildebrand, oder es ergeht dir wie dem guten Dietrich!“ Der unverzagte Meister spornte sein Ross vorwärts.
„Und wenn es in die Hölle ginge“, sagte er, „so will ich meinen König rächen oder sterben.“
Jetzt sah er den Riesen daherstürmen, sprang vom Roß und machte sich kampffertig. Er vermied klug und gewandt die Keulenschläge, doch ward ihm der Schildrand zerschmettert und er zog sich tiefer in den Tann zurück. Hier gewährten ihm allerdings die Bäume einigen Schutz; allein Sigenot, des langen, vergeblichen Kampfes müde, riss Dornhecken, Sträucher und selbst Bäume aus und warf sie auf und um den Helden. Wie derselbe einen Ausweg suchte, traf ihn, wie früher seinen Herrn, ein Keulenschlag, der ihn niederstreckte.
Jauchzend rief Sigenot: „Nun haben wir den anderen Mörder und Hilde und Grim sind gerächt. Fort, Langbart, in das Wurmverlies!“
Er schnürte dem gefällten Recken Hände und Füße zusammen, ergriff ihn bei seinem Bart, warf ihn über die Schultern und schritt mit seiner Last singend und pfeifend dem hohlen Berg zu, wo er hauste.
Es war ein weiter, hochgewölbter Raum, der dem schrecklichen Sigenot zur Wohnung diente. Mächtige Steinpfeiler stützten die Decke, ein strahlender Karfunkel hing an der Wölbung und verbreitete ein angenehmes Dämmerlicht, im Hintergrund herrschte tiefes, schauerliches Dunkel. Der Riese warf am Eingang seine Bürde so schonungslos auf den Felsboden, dass der Meister meinte, alle Glieder seien ihm gebrochen. Darauf ging er in eine Seitenhalle, um eiserne Fesseln zu holen.
„Ruhe dich aus, armer Knirps“, rief er ihm höhnisch zu, „gleich kommst du in das Wurmverlies, wo du im Schlangenbauch mit deinem Herrn wieder zusammentreffen wirst.“ Er ging, und der Gefangene blieb eine kurze Zeit sich selbst überlassen.