Angriff aus dem All - Erik Schreiber - E-Book

Angriff aus dem All E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

Das Raumschiff näherte sich mit Unterlichtfahrt der mächtigen Sonne. Der Stern war dreihundertachtzig Parsek von der Erde entfernt und hatte nur einen einzigen Begleiter: Rhea. Von allen Kleinplaneten, die den Pionierkommandos Terras bekannt waren, schien Rhea die gefährlichste, nutzloseste und aufregendste Welt zu sein – ein Planet mit doppelter Erdmasse im Urzustand. Das Schwerefeld war stärker, und die Mesonenstürme in den obersten atmosphärischen Grenzen machten eine Landung unmöglich. Das sind die ersten Zeilen des Kultbuches zur Serien Raumpatrouille Orion.

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Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Hanns Kneifel

Raumpatrouille Orion 1

Angriff aus dem All

Saphir im Stahl

Raumpatrouille Orion 1

Hanns Kneifel - Angriff aus dem All

e-book Nr: 275

Erste Auflage 01.02.2025

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Crossvalley Smith

Lektorat: Peter Heller

Vertrieb: neobooks

Hanns Kneifel

Raumpatrouille Orion 1

Angriff aus dem All

Saphir im Stahl

EINS

Das Raumschiff näherte sich mit Unterlichtfahrt der mächtigen Sonne. Der Stern war dreihundertachtzig Parsek von der Erde entfernt und hatte nur einen einzigen Begleiter: Rhea. Von allen Kleinplaneten, die den Pionierkommandos Terras bekannt waren, schien Rhea die gefährlichste, nutzloseste und aufregendste Welt zu sein – ein Planet mit doppelter Erdmasse im Urzustand. Das Schwerefeld war stärker, und die Mesonenstürme in den obersten atmosphärischen Grenzen machten eine Landung unmöglich. Das Gasgemisch, das anstelle einer normalen Sauerstoffhülle die zerklüfteten Schründe der Oberfläche umgab, leuchtete auf wie ein starker Blitz, wenn sich Meteoriten dem Boden entgegenstürzten. Ein immerwährender, planetenweiter Hurrikan scheuchte die Gasmassen mit Geschwindigkeiten von über fünfhundert Stundenkilometern vor sich her, wirbelte sie herum, schuf Zonen aus Turbulenzen und fast windstillen Augen und riss Ozeane mit sich. Rhea war eine Herausforderung für jeden Raumfahrer. Heute, im Zeitalter der schweren Triebwerke und der sicheren Schiffshüllen, war vieles möglich, was vor zwei Jahrhunderten noch ins Reich der Fabel verwiesen worden war: Geschwindigkeiten, Ausweitung des Herrschaftsgebietes der Erde, Kolonien und die Verbände der Terrestrischen Raumaufklärung ... das alles und viel mehr war heute nichts Außergewöhnliches mehr. Nur Rhea war außergewöhnlich, und aus diesem Grund war sie Commander Cliff Allistair McLane ein Dorn im Auge.

Er kehrte mit seinem Kreuzer von einer Inspektionsfahrt zurück, die ihn bis an die Grenzen des kugelförmigen Raumbezirks gebracht hatte, den Terra kontrollierte. Hier, siebzig Parsek – also 228,2 Lichtjahre – vom Außenrand der Raumkugel entfernt, näherte sich der Kreuzer McLanes dem Planeten Rhea. Lautlos, mit 229700 km/sek, also eine Winzigkeit unterhalb der Lichtgeschwindigkeit fliegend, näherte sich der Diskus dem Zentralgestirn des kleinen Systems. Das Schiff trat aus der Anonymität der strahlenden Punkte im All hervor, wurde größer und heller, schimmerte dann auf und zeigte sein wahres Aussehen.

McLanes Schiff, die ORION VII, war einer jener flachen, diskusförmigen Kreuzer, wie sie die Raumaufklärungsverbände flogen, ein silbern schimmerndes Gebilde aus Stahl, Kunststoff und Glas. Schnell und wendig, sicher und zuverlässig, und mit einer Crew besetzt, die unter McLane eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte.

Im Innern des Schiffes herrschte nur ein einziges Geräusch. Das Singen der Antriebsmaschinen. Es war hoch und leise; fast unhörbar. Es begann, wenn der Kreuzer startete, überdauerte den gesamten Flug und hörte erst auf, nachdem das Schiff sicher auf den Magnetkissen ruhte.

„Noch fünfzehn Lichtminuten bis zur Rhea“, sagte eine nüchterne Stimme in der Kommandokanzel.

„Danke, Atan“, erwiderte McLane. Das Raumschiff jagte weiter. In Hunderten von Lichtjahren Umgebung gab es nichts, das an Terra erinnerte. Hier, im östlichen Quadranten der zweidimensionalen Projektion des terranischen Herrschaftsgebietes, fand man nur Relaisstationen, Planeten mit winzigen Testkolonien oder mit Gruppen, die nach dem Krieg zurückgeblieben waren. Es lohnte sich nicht, so weit von Terra entfernt zu siedeln.

Der Diskus raste heran. In der Kommandokanzel herrschte eine unbestimmte Gespanntheit; man brauchte nur die Gesichter der Menschen anzusehen. McLane saß vorgebeugt in seinem Sessel und betrachtete den riesigen Schirm vor sich, der eine Menge Sterne, einen Abschnitt der Milchstraße und die leuchtende Sonne des Planeten Rhea zeigte. Niemand sprach. Alle wussten, worum es ging. Cliff Allistair McLane wollte wieder einmal beweisen, dass es für ihn das Wort unmöglich nicht gab.

Jedes Mal, wenn er dies vorhatte, riskierte er fast alles und – gewann. Er hatte vor, das Gesetz dieser Serie auch heute zu beweisen. Commander McLane ... Ingenieur Sigbjörnson ... Astrogator Shubashi ... Funktechnikerin Legrelle ... Erster Offizier de Monti ...

Das war die Crew des schnellen Raumkreuzers ORION VII. Angeführt von ihrem Kommandanten gingen die vier Leute durch jedes Feuer und waren bereit, sich großzügig über Dienstvorschriften und andere Dinge hinwegzusetzen, nur um ihren Ruf zu wahren. Dieser Ruf wurde in den Gesprächen an der Bar des Starlight-Casinos diskutiert, er erfüllte Kadetten mit Neid und Freunde mit Furcht, denn sie kannten die Gefahren, in denen sich McLane wohlzufühlen schien wie ein Vogel die Luft.

Dieser einzigartige Ruf drang aber auch bis in die Büros der Vorgesetzten und in die Ohren von Wamsler, dem Chef der terrestrischen Aufklärungsverbände. Und dies war die größte Gefahr für McLane und seine Crew.

„Entfernung?“, fragte er, ohne die Augen von der runden Scheibe zu nehmen.

„Elf Lichtminuten, Cliff.“

„Danke.“ Jetzt zeichnete sich die Sonne als strahlender Punkt auf dem Schirm ab. Von der Ebene der Radarortungsgeräte aus betrachtet, lag Rhea in dieser Fluglage rechts des Sterns. Die Geräte sandten ihre Strahlen aus und machten das schwache Echo durch einen Satz Verstärker sichtbar. Ein Filter schob sich in Schirmmitte über die stechende Sonne, rechts davon erschien ein winziger Schatten.

Helga Legrelle sagte halblaut: „Ich habe Funkkontakt über Erdaußenstation IV.“

McLane schaltete den Lautsprecher links von der Sichtscheibe an und sagte leise: „Funkspruch umlegen auf Gerät Kommandant.“ In den schweren Lautsprechern knackte es. Dann hörten die fünf Menschen das heulende Zischen der Statik, überlagert von den Störungen der Sonne. Helga Legrelle schaltete die Filter vor; die Worte wurden deutlicher und lauter.

„Erdaußenstation IV ruft Raumkreuzer ORION ... ORION VII, melden Sie sich!“

McLane blickte hinüber zu seinem gut aussehenden weiblichen Offizier der Raumüberwachung und grinste. Der Commander machte ein Zeichen, das bedeutete, dass Helga den Empfang nicht bestätigen sollte. Die Robotstimme redete ununterbrochen weiter.

„... ORION VII, melden Sie sich ... Sie werden aufgefordert, Ihre Koordinaten bekanntzugeben ... Station IV ruft ORION! ... Ihre Koordinaten bitte ... ORION. ORION ... ORION ...“

Die Blicke der Besatzungsmitglieder hingen an dem Gesicht des Commanders. Sie waren vor zwei Stunden von ihm über die bevorstehenden Ereignisse verständigt worden und von McLanes Vorhaben begeistert. Die Landung auf Rhea stand, wenn nicht das Schiff in der Gashülle verglühte, kurz bevor. Daran konnte ein einfacher Funkspruch, der über ein verwirrendes Netz von Relaisstationen gesendet und durch Benutzung einer Raumfalte schneller gemacht wurde, nichts mehr ändern.

Cliffs Augen schienen die Scheibe vor ihm durchbohren zu wollen. Auf dem runden Schirm, der Zentralen Bildplatte, zwei Meter im Durchmesser, zeichneten sich die Sterne der Milchstraße ab, darinnen eine glühende, lodernde Sonne und das Echo eines großen Planeten, umgeben von einer dunkelvioletten Aura. Noch immer wiederholte die Robotstimme die Aufforderung.

„ORION ... bitte melden! ...“ McLane schüttelte den Kopf.

Das Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht, und die Anspannung der fünf Menschen nahm zu.

„Hasso!“, sagte der Commander leise, aber sehr deutlich.

„Ja?“, fragte Sigbjörnson zurück.

„Zusatzmaschinen anfahren!“

„In Ordnung.“

Die noch stillliegenden Maschinen des Kreuzers begannen zu arbeiten, man würde ihre Energien für die Landung brauchen. Noch wurden sie nicht eingesetzt. Sie liefen leer, und Hasso, der Ingenieur, saß konzentriert vor seinen Instrumenten und Schaltern.

„Helga, errichte eine Verbindung.“ Der Offizier der Raumüberwachung betätigte eine Serie verschiedenfarbiger Schalter und beobachtete die Kurven, die über den Schirm eines Oszillographen liefen. Ein Punkt huschte über eine Skala und blieb auf der geforderten Frequenz stehen.

„Verbindung steht, Cliff!“, sagte Helga und drehte an einem Lautstärkeregler. Plötzlich tobte eine akustische Hölle in der Kommandokanzel. Drei verschiedene Relaisstationen strahlten Funksprüche an die ORION ab. Offensichtlich hatte die vollautomatische Ortungsstation der fünften Entfernungszone und des betreffenden Sektorenausschnitts das Schiff geortet.

Erdaußenstation IV schrie: „... Ausnahmebefehl: ORION VII – sofortige Rückkehr zur Erde befohlen. Dies ist eine Alphaorder der Obersten Raumbehörde! Ich wiederhole ... Kurskoordinaten bekanntgeben und Anflug zur Erde einleiten ... dies ist eine Alphaorder!“

Das Grinsen wich jetzt aus dem Gesicht des Kommandanten. Er machte eine komplizierte Geste, und Helga verstand augenblicklich. Die Mannschaft flog schon lange mit McLane. Jupiters Außenstation, die Verbindungsstation von Wamslers Büro zu seinen Schiffen, sendete auf der gleichen Frequenz einen ähnlichen Spruch.

„Jupiter Außenstation an Schnellen Raumkreuzer ORION VII: Sie werden aufgefordert, unverzüglich Erdkurs einzuleiten und diese Meldung zu bestätigen. Ich wiederhole ...“

Das schrille Stakkato einer unverschlüsselten Ortermeldung mischte sich in die einander überlagernden Texte.

„Orter Fünf/Ost Zwei meldet: ORION VII fliegt in Unterlichtgeschwindigkeit soeben den Raumsektor Fünf an. Zielsonne scheint Rheas Begleiter zu sein ... Nummer Delta 33987 im Handbuch.“

„Achtung ... ORION VII ... Alphaorder!“

„Kursänderung!“

„Bestätigen Sie augenblicklich den Empfang unseres Spruches!“

In der Kommandokanzel schwirrten die Worte, das Rauschen und die Störungen, das grelle, metallische Krachen und Prasseln aus den Lautsprechern. Die Ohren der Mannschaft wurden strapaziert, aber Cliff McLane machte keine Anstalten, seinen Entschluss zu ändern. Er wusste, dass zwischen dem Mikrofon seines Kommandopultes und dem nächsten Relaissatelliten eine Funkverbindung bestand.

Das dünne Summen des Antriebs verschwand völlig in dem wilden Sturm der Geräusche und Töne. Die Robotstimmen aus verschiedenen Maschinen schrien sich gegenseitig in drei verschiedenen Tonhöhen und Lautstärken nieder. Helga Legrelle drehte den Schalter für die Lautstärke zurück. Auf Cliffs Pult leuchtete ein Signalpfeil auf. Der Verstärkersatz für den Sprechfunk.

Plötzlich rief Helga laut: „Cliff!“

„Ja? Verdammt“, sagte McLane grimmig, „sie haben uns tatsächlich geortet. Geben wir ihnen also Antwort.“

Er näherte sein Kinn dem Mikrofon, das sich auf einem biegsamen Stiel wie eine metallische Blume aus dem Pult hervorreckte. Sein Finger drückte den Kontaktschalter. Dann sagte McLane deutlich und ziemlich laut: „Hier ist die ORION VII unter Commander Cliff Allistair McLane. An Oberste Raumbehörde, Sektion Zwölf. Abteilung Raumforschung. Um meine Behauptung zu erhärten, dass eine Landung auf Rhea, Planet der Sonne Delta Dreiunddreißig NeunAchtSieben, grundsätzlich möglich ist, fliege ich Rhea an. In einigen Minuten werden wir die Landemanöver einleiten. Zum Beweis hinterlasse ich einen Funkroboter auf dem Planeten. Das war die ORION VII; ich schalte ab.“

Er ließ den Kontaktknopf los. Gleichzeitig hob Helga die Verbindung auf. Der schimmernde Diskus war von sämtlichen Funkkontakten abgeschnitten. Die misshandelten Gehörnerven erholten sich langsam. Mit einem Male war das dünne Singen des Antriebs wieder zu hören und die Stimme Atan Shubashis.

Er sagte: „Noch zehn Lichtsekunden bis zum Planeten!“

„Fertig zur Landung!“, rief Cliff, und das alte Grinsen erschien wieder in seinem Gesicht. Er wusste, dass er seinen Rang aufs Spiel setzte, aber er wusste auch, dass seine Mannschaft und sein Schiff die Landung auf Rhea durchführen würden, koste es, was es wolle. Hasso Sigbjörnson stand auf und ging zum Lift.

*

Bedächtig schlossen die breiten Hände de Montis die Schnalle des Gurtes. Er, sein Commander und die anderen zwei Besatzungsmitglieder in der Kommandokanzel schnallten sich in den hochlehnigen Sesseln fest. Hasso stellte sich in den Lift und fuhr zwei Ebenen tiefer; mit einigen schnellen Schritten stand der große, weißhaarige Mann vor seinem Pult im Maschinenraum. Direkt vor ihm leuchtete die viereckige Scheibe des Videophons und zeigte ihm den Ausschnitt des Kommandopultes und den Oberkörper des Kommandanten.

Hasso setzte sich, ließ seinen Blick über die Kontrollen und Anzeigen gleiten und schnallte sich ebenfalls fest.

„Alles klar, Hasso?“, fragte Cliff vom Schirm.

Hasso blickte schnell hoch und nickte dann, während seine Finger die Zusatzmaschine schalteten. Jetzt wirkten vier Triebwerke gegen das Schwerefeld Rheas, das den Diskus zu sich herunterziehen wollte in den Mahlstrom der entfesselten Gewalten einer jungen, stürmischen Natur des Präkambriums. Der Planet lag unter dem Schiff. Hasso schaltete einen Zusatzschirm an; rechts von dem Videophon erhellte sich ein leuchtender Kreis und zeigte den Planeten Rhea.

Die Kugel füllte den Schirm fast aus, und sie strahlte in unerträglicher Helligkeit und in vier starken Farben. Stechendes Gelb: Es waren die weiten Ebenen, von denen man wusste, dass sie noch kein Leben hatten; nicht einmal kümmerliche Moose wucherten auf Rhea. Der gelbe Sand erstreckte sich in seltsamen, genau abgegrenzten Flächen über den einzigen Großkontinent.

Stumpfes Blauschwarz: die Gebirgszüge, die ein Netz von schwarzen Adern über den halben Planeten zogen. Es war Urgestein, Basalt, aufgetürmt zu wuchtigen und unerhört scharfkantigen Formen, an denen die Jahrtausende noch nicht lange genug genagt hatten, um die Kanten abzuschleifen. Auch kannte diese Welt keine Kälte.

Helles Rot: Die Kegel der Vulkane schleuderten ununterbrochen Asche, Flammen und Rauch in die Gase der Atmosphäre. Über dem gelbschwarzen Bild lagen die dahinziehenden Rauchwolken, meist in runden Formen, in die sie von den Hurrikanen gerissen wurden.

Dunkles Grün: Das Meer des Planeten war an den Ufern kilometerweit weiß und aufgewühlt. Die Stürme rissen das Wasser mit sich und schmetterten es Tausende von Kilometern weiter zurück auf die Ebenen und die Berge, in die Vulkane und zurück ins Meer.

Dampf, Rauch, Flammen, Farben und ein unvorstellbarer Aufruhr der Gewalten ... das war Rhea.

Die ORION fiel der Planetenoberfläche entgegen, während sich ihre Geschwindigkeit verringerte. Die Andruckabsorber und die Retarder verhinderten, dass der Diskus auseinanderbrach; die künstliche Schwerkraft an Bord betrug ständig knapp ein g.

„Geschwindigkeit?“, fragte Cliff McLane. Das Schiff befand sich zweitausend Kilometer über der Gesteinskruste des nördlichen Kontinentrandes. Rapide fiel die Geschwindigkeit. Wie ein riesiger Teller senkte sich die ORION den äußersten Schichten der Lufthülle entgegen und wurde immer noch langsamer.

„Geschwindigkeit siebenhundert Stundenkilometer “, sagte Hasso und betrachtete das grelle Dreieck, das mit einer Spitze nach außen auf einer runden Skala von rechts nach links glitt.

„Danke. Antigravstrahlen?“

Augenblicklich antwortete Hasso dem Commander. „Noch nicht in den Maximalwerten.“

Hasso schaltete die Maschinen auf Leistung und fühlte, wie sich eine neue Kraft zwischen den Eigenimpuls des Schiffes und die Anziehungskraft des Planeten schob. Lautlos und ruhig sank die ORION.

„Fünfhundert Stundenkilometer effektive Sinkgeschwindigkeit.“

„Abstand: eintausendachthundert Kilometer.“ Die Instrumente, deren elektronische Fühler pausenlos den Planeten abtasteten, zeigten, dass nennenswerte Gaskonzentration erst ab hundert Kilometern Abstand von der Oberfläche bestand. Cliff winkte auf dem Schirm Hasso zu und ordnete dann laut an: „Wir machen einen Sprung von tausendsechshundert Kilometern, Hasso. Ich schalte die Instrumente auf deinen Nebenschirm hinunter in den Maschinenraum. Einverstanden?“

„Klar, Cliff“, sagte Hasso und drehte den Regler der Geschwindigkeit auf. Plötzlich beschleunigte der silberne Diskus und kippte über die Kante nach unten. Wie ein abkippendes Flugzeug schnitt das Projektil durch das Vakuum des Alls, fiel einige Sekunden lang mit erhöhter Geschwindigkeit und schwang dann wieder in die Normallage zurück.

Die Dreiecke des Abstandanzeigers verharrten zitternd auf der Marke elf: Einhundertzehn Kilometer. Fallgeschwindigkeit: Einhundert Meter pro Sekunde. In achtzehneinhalb Minuten würde die ORION den Boden berühren. Eine Minute später flimmerten die ersten Luftpartikel gegen den Schirm, der um den Diskus lag.

Die ORION sank noch immer senkrecht hinunter, und das Farbenspiel der bewegten Ionen nahm zu. Die Gashülle wurde dichter, und die Instrumente verzeichneten die schwache Eigenbewegung der Atmosphäre. Der riesige Zeiger des Bordchronometers tickte und zerhackte die Zeit, die Digitalziffern wechselten in rasender Geschwindigkeit. Die Spannung hatte nun gleichmäßig alle fünf Mitglieder der Crew ergriffen.

Auf Cliffs Stirn standen winzige Schweißperlen und seine Hände umklammerten die manuelle Steuerung, die in wenigen Minuten gebraucht wurde. Von ihm allein hing es ab, ob die Hurrikane das Schiff mit sich rissen oder ob die ORION ihre Funksonde absetzen konnte. Zehn Minuten später war es soweit: Cliff griff nach den Hebeln.

Die ORION wurde von einem Ausläufer einer gigantischen Windhose ergriffen und mitgerissen. Die Bewegung verlief von links nach rechts. Cliff erhöhte die Geschwindigkeit, stellte die Sinkbewegung nahezu ab und ließ sich von dem Strom mitreißen. In einer riesigen Spirale, deren Durchmesser mehrere Tausend Kilometer betrug, jagte der Diskus dem Kern, dem Auge des Hurrikans, entgegen.

Das tobende Gas rüttelte an dem Projektil und versuchte es zu kippen; die Magnetstrahlen sicherten die ruhige Fluglage. Nur eine Folge von kleinen, scharfen Stößen erschütterte das Raumschiff und ließ es vibrieren. Ein Vulkan tauchte auf. Eine flammende Feuersäule, mehr als zwanzigtausend Meter hoch, reckte sich vor der ORION in die Wolken hinein. Unter dem Schiff raste die gelbe und schwarzgeäderte Oberfläche des Kontinents vorbei.

Das Schiff fegte wie ein Phantom durch die Feuersäule, setzte sekundenlang sämtliche Retarderkräfte ein und stellte sich schräg. Die Andruckkräfte, die während des Kreiskurses auftraten, wurden abgefangen. Die ORION näherte sich dem Endpunkt. Sie brach aus der graugelben Mauer der Wolken hervor, flog eine enge Kurve und ging tiefer.

„Eintausend Meter, Cliff!“, sagte de Monti warnend.

Cliff schien ihn nicht zu hören; dann aber nickte er schweigend. Er zwang in dem windstillen Auge des Sturmes die ORION weiter hinunter und aktivierte die gesamte Kraft des Antigravtriebwerks. Wie ein Pilz aus Metall hing Sekunden später die ORION über einer Sandfläche von stechendem Gelb, aus der die harten Formen spitzer, blauschwarzer Felsen hervorstachen.

„Hasso?“, fragte Cliff erschöpft.

„Hier. Ich habe die Robotsonde aktiviert.“

Cliff nickte Hasso Sigbjörnson zu. „Ausklinken!“

In der unteren Schale des Diskus öffnete sich lautlos eine Schleuse, deren Elemente sich wie ein Zentralverschluss einer Kamera bewegten. Ein magnetischer Strahl ließ einen schwarzen, kugelförmigen Gegenstand zu Boden gleiten; er hing an einem mechanischen Anker. Auf einem kleinen Schirm dicht über seinem Handgelenk sah Cliff die Signale, die Helga optisch sichtbar gemacht hatte.

Eine Signallampe erlosch – die Schleuse war wieder geschlossen. „Wir starten durch das Auge dieses Zyklons senkrecht nach oben“, sagte Cliff und zog den Hebel des Antigravs zu sich heran. Der Diskus hob sich wieder und erhöhte seine Geschwindigkeit. Dann setzten Cliff und Hasso sämtliche Kräfte der Triebwerke ein, steuerten das Raumschiff aus und erreichten, nur hin und wieder von Ausläufern des Sturms durchgeschüttelt, den freien Raum.

Wieder zweitausend Kilometer von Rhea entfernt, leitete Cliff den ersten einer Reihe von Transitionssprüngen ein, die die ORION zurück zur Erde bringen sollten.

Ein paar Stunden später ...

Die Besatzungsmitglieder umstanden den Sessel des Commanders. Cliff McLane saß erschöpft darin und betrachtete die vertrauten Konstellationen auf dem gewaltigen Schirm; sie waren in der Nähe des Solsystems.

„Wir haben immerhin bewiesen, dass es lediglich eine Sache des gesunden Menschenverstands ist, auf diesem merkwürdigen Planeten zu landen. Wenn man natürlich mitten in einen Hurrikan einfliegt, kann es schiefgehen“, sagte Cliff zufrieden.

„Eine weitere Voraussetzung sind einwandfreie Maschinen“, erwiderte Hasso und stieß sich von einem geschwungenen Träger ab, an dem er gelehnt hatte.

„Und ein Chef, der für gewisse Extratouren Verständnis hat“, sagte Helga Legrelle zweideutig. „Sollte Wamsler dir den Kopf abreißen wollen, weißt du wenigstens, warum das geschieht.“

„Winston Woodrov Wamsler bellt nur, aber er beißt niemals“, sagte Cliff, und es war deutlich zu spüren, dass seine Laune ausgezeichnet war. Hätte er geahnt, dass dies ein entscheidender Irrtum seines gesamten Lebens sein würde, wäre Cliff Allistair McLane mit der schwärzesten aller schwarzen Stimmungen der Erde entgegengeflogen, der Erde und der Raumschiffbasis 104.

„Radioecho!“, sagte Helga.

„Die Erde hat uns wieder“, stellte Cliff fest und stand auf.

*

Der gewaltige Raum, den die Erde kontrollierte, durchmaß neunhundert Parsek, also neunhundertmal 3,26 Lichtjahre. Man hatte den kugelförmigen Raum in zehn Entfernungsabschnitte eingeteilt. Diese Schalen, konzentrisch um die Erde als absolutem Mittelpunkt angeordnet, trugen die Nummern Eins bis Zehn. Dazu kamen die vier allgemeinen Richtungen: Sie hießen Ost, Nord, West und Süd. Es war, als zerschneide man einen Apfel in vier Teile. Jeder dieser Teile war eingeteilt in Raumkuben, deren Kanten teilweise gekrümmt und zum anderen Teil gerade waren; jeder Kadett hatte sämtliche Bezeichnungen im Kopf und konnte sie im Schlaf identifizieren.

Innerhalb dieser Zone befand sich das Gebiet, das die Raumaufklärungsverbände kontrollierten. Diesen Verbänden stand Raummarschall W. W. Wamsler vor. Und im Augenblick begann er zu toben ...

ZWEI

Der Raum war groß und besaß geschwungene Wände; Wamslers Büro war mit sachlicher Zweckmäßigkeit und in jener großzügigen Innenarchitektur eingerichtet, die sämtliche Anlagen der terrestrischen Raumaufklärungsverbände kennzeichnete. Hinter der spiegelnden Platte des Schreibtisches saß Raummarschall Wamsler – die Stille in dem Raum schien förmlich auf eine Explosion zu warten. Unter der Tischplatte drang ein leises Summen hervor. Wamsler, massiv und schwarzgekleidet, studierte die Texte, die ein Robotgerät auf eine Sichtplatte projizierte.

Neben der rechten Hand des Marschalls, die auf der hochpolierten Platte ruhte, lag eine dünne, biegsame Mappe aus genarbtem Plastik. Die Finger Wamslers schlugen nervös kleine, abgehackte Wirbel. Drei tiefe Runzeln zogen quer über die breite Stirn Wamslers, in die spitz ein Rest Haar hineinfrisiert war. Immer neue Zeilen bildeten sich auf dem Sichtschirm; es waren die Kurzberichte von Einsätzen der Verbände.

Wamsler sah auf, als ein spitzer, dünner Ton zu hören war. Auf dem Schirm des Videophons, schräg gegenüber dem Schreibtisch, war ein Gesicht zu sehen. Eine Stimme sagte in geschäftsmäßigem Ton: „Marschall Wamsler?“

„Ja bitte, Spring-Brauner?“ Der Adjutant lächelte knapp und verbindlich.

„Der Chef der Schnellen Raumverbände ist da.“

Wamslers dunkle Augen verschwanden für einen Augenblick hinter den schweren, schläfrigen Lidern. Dann sagte er langsam, mit einer dunklen Stimme: „Ich lasse bitten.“

Das Bild auf dem Schirm erlosch.

Winston Woodrov Wamsler war eine düstere Erscheinung, von Jahren des Dienstes und von der Schwere der Verantwortung geprägt. Alles an ihm war schwarz: die Uniform mit dem breiten Metallverschluss der Jacke, das stark gelichtete Haar mit dem Stirndreieck, die buschigen Brauen und die Augen. Sie besaßen die durchdringende Schärfe eines Röntgengerätes.

Ein Knopfdruck ließ die Zeilen von dem Betrachterschirm verschwinden. Der Marschall holte tief Atem und lehnte sich zurück, den kühlen Blick auf die Barriere gerichtet. Etwas fauchte halblaut auf. Neben der mächtigen Kartenwand leuchtete und flimmerte ein halbtransparentes Viereck; eine Kaskade aus verschiedenfarbigen Lichtstrahlen, wie es schien. Sie war tödlich – derjenige, der in diesen Vorhang tobender Elektronen geriet, war verloren. Wie eine zusammensinkende Wasserwand fiel die Barriere in die Projektionsleiste des Bodens zurück. Ordonnanzleutnant Spring-Brauner betrat das Büro, neben ihm ging mit energischen Schritten eine ungewöhnliche Erscheinung bis dicht an den Schreibtisch Wamslers heran.

„Guten Abend“, sagte Winston Wamsler halblaut.

Die Stimme van Dykes war unendlich kühl und gelassen, als sie antwortete.

„Guten Abend, Marschall Wamsler.“

Regungslos blieb Spring-Brauner neben der fünfunddreißigjährigen Frau mit dem dunklen Haar stehen. Lydia van Dyke trug die Uniform der Schnellen Raumverbände mit dem Identifikationsschild auf der linken Brustseite. Hinter den beiden Personen stach die Barriere wieder senkrecht nach oben und verschloss das Büro. Wamsler eröffnete die Unterhaltung, die alles andere als angenehm zu werden versprach.

„General van Dyke, Sie wissen vermutlich, warum ich Sie zu mir gebeten habe.“