Die Methoden von Moris Klaw - Erik Schreiber - E-Book

Die Methoden von Moris Klaw E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

Wann erschien Morris Klaw zum ersten Mal in London? Das werde ich hin und wieder gefragt und ich antworte darauf: "Soviel ich weiß, kurz bevor die seltsamen Vorgänge im Menzies Museum begannen." Was ich von ihm weiß, habe ich aus verschiedenen Quellen. Und mit dem vorliegenden Buch, das einen Versuch darstellen soll, die Methoden von jemandem zu rechtfertigen, der immer wieder als verrückter Wissenschaftler bezeichnet wird, möchte ich alle Fakten erzählen, die mir bekannt sind.

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Seitenzahl: 329

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Herausgeber

Erik Schreiber

Übersinnliche Detektive 11

Sax Rohmer

Die Methoden von Morris Klaw

Saphir im Stahl

Übersinnliche Detektive 11

e-book 254

Sax Rohmer - Die Methoden von Morris Klaw

Erstveröffentlichung: the methods of Morris Klaw (1914)

Erscheinungstermin: 01.07.2024

© Verlag Saphir im Stahl

Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

[email protected]

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Simon Faulhaber

Lektorat: Peter Heller

Übersetzung: Tanya Bröse-Kronz

Vertrieb: neobooks

Herausgeber

Erik Schreiber

Übersinnliche Detektive 11

Sax Rohmer

Die Methoden von Morris Klaw

Saphir im Stahl

Der Fall der Tragödien im Griechischen Zimmer

I

Wann erschien Morris Klaw zum ersten Mal in London? Das werde ich hin und wieder gefragt und ich antworte darauf: „Soviel ich weiß, kurz bevor die seltsamen Vorgänge im Menzies Museum begannen.“

Was ich von ihm weiß, habe ich aus verschiedenen Quellen. Und mit dem vorliegenden Buch, das einen Versuch darstellen soll, die Methoden von jemandem zu rechtfertigen, der immer wieder als verrückter Wissenschaftler bezeichnet wird, möchte ich alle Fakten erzählen, die mir bekannt sind. In einigen der Fälle war ich persönlich, wenn auch nur am Rande, betroffen. Aber sehen Sie mich mehr als den Historiker und keineswegs als Hauptfigur, noch nicht mal als Nebenfigur in der Geschichte. Meine Freundschaft mit Martin Coram führte zu dem ersten Treffen mit Morris Klaw – ein Treffen, das dazu führte, dass ich sein Biograf wurde.

Es war etwa drei Monate nach der Ernennung von Coram zum Kurator des Menzies Museum, dass der Erste von einer Reihe eigenartiger Vorgänge stattfand.

Es geschah in einer Augustnacht und Coram berichtete mir höchstpersönlich am darauffolgenden Morgen davon. Ich hatte gerade am Frühstückstisch Platz genommen, als er unerwartet hereinkam und in einen Sessel sank. Seine dunklen, scharf geschnittenen Gesichtszüge sahen noch eingefallener aus als sonst, und als er sich eine Zigarette anzündete, die ich ihm angeboten hatte, sah ich, dass seine Hand nervös zitterte.

„Es gibt Ärger im Museum!“, sagte er abrupt. „Ich möchte, dass Sie sofort mit dorthin kommen.“

Ich schaute ihn für einen Moment an, ohne zu antworten, und über die Verantwortung seiner Position wissend fürchtete ich, dass er von einem Kunstdieb sprach.

„Fehlt etwas?“, fragte ich.

„Nein. Schlimmer!“, war die Antwort.

„Was meinen Sie, Coram?“

Er warf die Zigarette ungeraucht in den Ofen. „Kennen Sie Conway?“, fragte er. „Conway, den Nachtwächter? Nun – er ist tot!

Ich erhob mich vom Tisch – das Frühstück war vergessen – und starrte ihn ungläubig an. „Sie meinen, er ist diese Nacht gestorben?“, fragte ich nach.

„Ja. Dafür wurde gesorgt. Der arme Teufel!“

„Was! Ermordet?“

„Ohne Zweifel, Searles! Ihm wurde das Genick gebrochen!“

Ich wartete keine weiteren Erklärungen ab, aber zog mich hastig an und begleitete Coram zum Museum. Ich sollte erwähnen, dass es aus vier langen, rechteckigen Räumen besteht, die Fenster von Zweien gehen zum South Grafton Square hinaus, die vom Dritten blicken auf den Hof, der zum privaten Eingang des Kurators führt, und die vom vierten Raum führen zu einem geschlossenen Garten, der sich dem Gebäude anschließt. Dieser vierte Raum liegt im Erdgeschoss und wird von der Eingangshalle vom Grafton Square aus betreten. Die anderen drei, die die wichtigeren und wertvolleren Ausstellungsstücke enthielten, lagen im ersten Stock und konnten über eine Treppe von der Eingangshalle aus erreicht werden. Der Rest des Gebäudes wird von einem Büro eingenommen und der Privatwohnung des Kurators und ist komplett vom öffentlichen Bereich abgeschlossen. Die einzige Verbindungstür – aus Eisen – blieb abgeschlossen.

Der Raum, der im Katalog als ‚Griechisches Zimmer‘ beschrieben wird, war der Schauort der Tragödie. Der Raum ist einer der beiden, die zum Square hinauszeigen, und enthält einige der wertvollsten Teile der Sammlung. Das Museum öffnet nicht vor zehn Uhr für die Öffentlichkeit, und als ich eintraf, fand ich in dem Raum nur den diensthabenden Portier, zwei Wachtmeister und einen Inspektor vor – das heißt, wenn man von der Leiche des armen Conway absieht.

Er war nicht angerührt worden, sondern lag noch genauso da, wie er von Beale, dem Portier, aufgefunden wurde, als er seinen Dienst an diesem Tag für die oberen Räume antrat, und es war offensichtlich, dass jede medizinische Hilfe zu spät kam. Allerdings war die Position der Leiche so außergewöhnlich, dass es fast jeder Beschreibung trotzte.

Es gab drei Fenster im Griechischen Zimmer jeweils mit einem hervorstehenden Wandblock dazwischen. In der Nische zum Ostfenster, nahe an der Verbindungstür zum nächsten Raum, steht ein Stuhl für den Aufseher. Conway lag nach vorne übergekippt auf dem polierten Boden, mit seinen Beinen teilweise unter seinem Stuhl und die Arme mit geballten Fäusten nach vorne ausgestreckt. Sein Kopf, halb zur Seite gedreht, war umgeknickt und in entsetzlicher Weise unter seiner Brust eingeklemmt, unanfechtbar auf ein gebrochenes Genick hinweisend, und seine Aufseherkappe lag in einiger Entfernung unter einem Tisch mit einem schweren Schaukasten voller Vasen.

So viel war auf den ersten Blick zu erkennen und ich wandte mich Coram zu.

„Was ist Ihre Einschätzung?“, fragte er.

Ich schüttelte stumm meinen Kopf. Ich konnte die Sache kaum fassen. Tatsächlich starrte ich immer noch auf den gekrümmten Körper am Boden, als der Arzt eintraf. Auf seine Bitte legten wir den Toten flach auf den Boden, um die Untersuchung zu erleichtern, und da sahen wir, dass er an Kopf und im Gesicht viele Schnitte und Hämatome hatte, und dass seine Züge in höchst außergewöhnlicher Weise verzerrt waren, fast, als wäre er erstickt.

Dem Doktor entging dieser Ausdruck nicht. „Er muss sich tüchtig gewehrt haben!“, sagte er. „Er muss völlig erschöpft gewesen sein, als sein Genick gebrochen wurde!“

„Mein armer Kollege!“, jammerte Coram etwas irritierend. „Was meinen Sie, wenn Sie sagen, er hat sich gewehrt? Es kann niemand anders letzte Nacht in diesen Räumen gewesen sein!“

„Entschuldigen Sie, mein Herr“, sagte der Inspektor, „aber hier ist auf jeden Fall etwas passiert. Haben Sie die Glasvitrine im nächsten Raum gesehen?“

„Glasvitrine?“, murmelte Coram, während er sich mit der Hand zerstreut durch das dichte schwarze Haar fuhr. „Nein, was ist mit der Glasvitrine?“

„Hier lang, mein Herr“, erklärte der Inspektor, indem er in den angrenzenden Raum vorging.

Wir folgten auf seine Worte hin und fanden heraus, dass er die Glasfront einer Wandvitrine gemeint hatte, die kleine Statuen und Bilder von ägyptischen Göttinnen enthielt. Die mittlere Scheibe war in tausend Teile zersplittert und Glasscherben zerstreuten sich überall auf dem Fußboden und den Einlegeböden des Regals.

„Das sieht nach Kampf aus, oder?“, sagte der Inspektor.

„Himmel hilf! Was bedeutet das?“, stöhnte der arme Coram. „Wer hätte sich nachts Zugang zum Gebäude verschaffen können und dann wieder hinausgelangen, wenn alle Türen abgeschlossen blieben?“

„Das müssen wir versuchen herauszufinden!“, antwortete der Inspektor. „Inzwischen sind hier erst einmal seine Schlüssel. Sie lagen in einer Ecke des Griechischen Zimmers.“

Coram nahm sie mechanisch entgegen. „Beale“, sagte er zu dem Aufseher, „sehen Sie nach, ob alle Vitrinen abgeschlossen sind.“

Der Mann begann einen Rundgang durch die Räume. Aber er war noch nicht weiter als bis zum Griechischen Zimmer gelangt, als er eine Entdeckung machte. „Hier, der Deckel ist unverschlossen, Sir!“, rief er plötzlich aufgeregt.

Wir hasteten zu ihm. Er stand vor einem Marmorpodest, auf dem ein dicker Glaskasten ruhte, der, wie Coram mir mehrfach versicherte, den Schatz der Sammlung enthielt – die Harfe der Athene.

Sie war angeblich von sehr alter griechischer Handwerkskunst und aus reinem Gold mit eingelagerten Edelsteinen gefertigt. Der Rahmen bestand aus zwei zurückgebeugten weiblichen Figuren, die ihre Arme über den Kopf gehoben hatten, wo sich ihre Hände trafen. Und die Saiten, von denen einige immer noch intakt waren, bestanden aus unglaublich feinen Golddrähten. Dem Instrument wurde nachgesagt, dass es vor langer Zeit zum Tempel der Pallas gehörte, und dass zu der Zeit, als es entdeckt wurde, seine Echtheit heiß diskutiert wurde. Diverse Experten behaupteten, sie wäre das Werk eines berühmten Goldschmieds des mittelalterlichen Florenz und nichts als eine clevere Schmiedekunst. Aber egal, ob Griechenland oder Florenz, uralt oder vergleichsweise modern, es war ein wundervolles Stück Kunsthandwerk und von großem ideellen Wert, abgesehen von der kunstvollen Arbeit und dem einzigartigen Charakter.

„Ich dachte an einen cleveren Museumsdieb!“, sagte der in Zivil gekleidete Mann.

Coram seufzte müde. „Mein lieber Freund“, antwortete er, „können Sie mir logisch erklären, wie ein Mann des Nachts in diese Räume gelangen und sie wieder verlassen kann?“

„Diesbezüglich, Sir“, merkte der Ermittler an, „gibt es ein paar Fragen, die ich Ihnen stellen möchte. Zunächst, um wie viel Uhr schließt das Museum?“

„Im Sommer um sechs Uhr.“

„Was tun Sie, wenn der letzte Besucher gegangen ist?“

„Wenn die Eingangstür abgeschlossen ist, untersucht Beale alle Räume, um sicherzustellen, dass sich niemand irgendwo versteckt hat. Als Nächstes verschließt er die Verbindungstüren und kommt hinunter in die Eingangshalle, wo er mir dann üblicherweise die Schlüssel übergibt. Ich gab sie in die Hände des armen Conways, als er um halb sieben zum Dienst kam, und jede Stunde ging er durch das Museum, die Türen hinter sich wieder verschließend.“

„Sehe ich das richtig, dass es in jedem Raum eine Überwachungsuhr gibt?“

„Ja. Die im Griechischen Zimmer zeigte 4 a.m., es muss also zu dieser Zeit gewesen sein, dass er den Tod gefunden hat. Er hatte offensichtlich die Verbindungstür zum nächsten Raum geöffnet – den mit der zerbrochenen Glasvitrine. Aber er hat den Sensor nicht berührt und die Tür wurde diesen Morgen offen vorgefunden!“

„Jemand muss sich darin versteckt haben und hat ihn angegriffen, als er hineinkam.“

„Unmöglich! Es gibt keine andere Art von Eingang oder Ausgang. Die drei Fenster besitzen Eisengitter, die nicht verbogen wurden. Und mehr noch, die Uhr zeigt, dass er um drei Uhr dort war, und nichts Größeres als eine Maus kann sich dort verbergen. Es gibt kein Versteck für einen ausgewachsenen Mann.“

„Dann folgte ihm der Mörder in das Griechische Zimmer.“

„Darf ich den Punkt erwähnen, dass, wenn es so gewesen wäre, er immer noch da gewesen wäre, als Beale diesen Morgen ankam? Die Tür des Griechischen Zimmers war verschlossen und die Schlüssel wurden im Inneren auf dem Boden gefunden!“

„Der Dieb könnte einen nachgemachten Satz besitzen.“

„Quasi unmöglich. Aber mal das Unmögliche angenommen, wie wäre er hereingekommen? Die Eingangstür war mit Bolzen und Balken verriegelt.“

„Wir müssen annehmen, dass es ihm gelungen ist, sich im Museum zu verbergen, bevor es schloss.“

„Diese Annahme ist nicht haltbar in Anbetracht der Tatsache, dass sowohl Beale als auch ich letzte Nacht alle Räume untersucht haben, bevor ich die Schlüssel an Conway weitergab. Aber wenn doch, wie ist er dann hinausgekommen?“

Der Mann von Scotland Yard nahm seine Kappe ab und wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. „Ich muss sagen, Sir, das ist eine wirklich seltsame Sache“, sagte er. „Was ist mit dieser Eisentür hier?“

„Sie führt in meine Wohnung. Ich allein habe den Schlüssel. Sie war verschlossen.“

Eine kurze Untersuchung reichte, um zu zeigen, dass ein Entkommen durch eins der vergitterten Fenster unmöglich war.

„Nur, Sir“, sagte der Wachmann, „wenn der Mann Schlüssel hatte, hätte er in den unteren Raum gelangen können.“

„Gehen Sie hinunter und schauen sie nach“, bot Coram an.

Die Fenster des Raumes im Erdgeschoss waren ebenso massiv geschützt und es war leicht zu erkennen, dass sie niemand geöffnet hatte.

„Das ist unheimlich“, erklärte der Inspektor, „er konnte nicht zur Eingangstür hinaus, da Sie sagen, sie war von innen mit Balken und Bolzen verriegelt.“

„Das war sie“, antwortete Coram.

„Einen Moment mal, Sir“, unterbrach der Mann in Zivilkleidung. „Wenn dem so war, wie sind Sie diesen Morgen hereingekommen?“

„Beale kam wie gewöhnlich außen rum zum Privateingang meiner Wohnung“, sagte Coram. „Wir gingen dann zusammen durch die Eisentür ins Griechische Zimmer, wo wir Conway von den Schlüsseln befreiten. Es gibt viele verschiedene kleine Dinge, die wir morgens erledigen müssen, bevor wir die Besucher einlassen, und die andere Tür wird niemals vor zehn Uhr aufgeschlossen.“

„Haben Sie die Tür hinter sich verschlossen, als sie diesen Morgen durch die Tür kamen?“

„Unmittelbar, nachdem wir den armen Conway gefunden hatten.“

Hätte jemand nachts durch diese Tür kommen können, vorausgesetzt, er hatte einen Nachschlüssel?“

„Nein. Es gibt einen Bolzen auf der Wohnungsseite.“

„Und Sie waren die ganze letzte Nacht in Ihren Räumen?“

„Ab Mitternacht, ja.“

Die Polizisten schauten sich schweigend an. Dann lachte der Inspektor etwas verschämt. „Ganz offen, Sir“, sagte er, „ich stehe vor einem Rätsel!“

Wir gingen wieder nach oben und Coram wandte sich an den Arzt. „Haben Sie noch etwas über den armen Conway herausgefunden?“, fragte er.

„Sein Gesicht ist von Glasscherben zerschnitten worden und er scheint einen verzweifelten Kampf geführt zu haben, obwohl sein Körper seltsamerweise keine anderen Zeichen von Gewalt aufzeigt. Die eigentliche Todesursache war natürlich das gebrochene Genick.“

„Und wie, denken Sie, ist ihm das zugestoßen?“

„Ich würde sagen, er wurde von seinem Gegner, der mehr als gewöhnliche Stärke besaß, über den Boden geschleift!“

Damit wandte sich der Arzt schon zum Gehen, als es der Eisentür klopfte.

„Das ist Hilda“, sagte Coram den Schlüssel ins Schloss steckend. „Meine Tochter“, fügte er an den Wachmann gewandt zu.

II

Die schwere Tür schwang auf und herein kam Hilda Coram, eine schmale klassische Gestalt mit den regelmäßigen Zügen ihres Vaters und dem blassgoldenen Haar ihrer toten Mutter. Sie sah unwohl aus und schaute ängstlich an sich herunter.

„Guten Morgen, Mr. Searles“, begrüßte sie mich. „Ist es nicht furchtbar, was mit dem armen Conway passiert ist!“ – und dann schaute sie zu Coram. Ich sah, dass sie eine Karte in ihrer Hand hielt. „Vater, da ist ein eigenartiger alter Mann, der nach dir fragt.“

Sie gab Coram die Karte, der sie wiederum an mich weitergab. Es war die von Douglas Glade vom Daily Cable und darauf stand in Glades Handschrift. „Um Mr. Morris Klaw vorzustellen.“

„Ich denke, es ist in Ordnung, wenn Mr. Glade für ihn bürgt“, sagte Coram. „Kenn jemand hier Morris Klaw?“

„Ich“, antwortete der Mann von Scotland Yard mit einem kurzen Lächeln. „Er ist ein Antiquitätenhändler oder so etwas. Er hat einen baufälligen alten Laden bei Wapping Old Stairs – eine Art Mischung aus Kuriositätenhandel und Ramschladen. Er hing die letzte Zeit viel beim Zentralen Strafgericht herum. Er scheint sein Glück als Amateurermittler versuchen zu wollen. Er ist bestimmt clever“, fügte er grummelig hinzu, „aber schrullig.“

„Bitte Mr. Klaw herein, Hilda“, sagte Coram.

Kurze Zeit später betrat eine seltsame Gestalt den Raum. Es war die eines hochgewachsenen Mannes, der gebeugt ging, sodass er kleiner wirkte, als er eigentlich war – ein sehr alter Mann, der seine vielen Jahre leicht wegsteckte, oder ein junger Mann, der vorzeitig gealtert war, keiner konnte sagen, was zutraf. Seine Haut hatte die Farbe von schmutzigem Pergament und seine Haare, die buschigen Brauen und sein spärlicher Bart waren in der Farbe nicht bestimmbar. Er trug eine altmodische braune Melone, einen goldenen Zwicker und einen schwarzen Seidenschal. Ein langer schwarzer Umhang mit Kapuze umhüllte die gebeugte Figur komplett. Darunter schauten unter dem matschbespritzten Rand Stiefel mit lang gezogener Spitze heraus.

Er nahm seinen Hut ab.

„Guten Morgen, Mr. Coram“, sagte er. Seine Stimme erinnerte mich entfernt an das Rappeln leerer Fässer. Sein Akzent war überhaupt nicht zu beschreiben. „Guten Morgen“ (zu den Polizisten), „Mr. Grimsby. Guten Morgen, Mr. Searles. Ihr Freund, Mr. Glade, teilte mir mit, dass ich Sie hier finden würde. Guten Morgen, Inspektor. Miss Coram habe ich bereits einen guten Morgen gewünscht.“

Er zog eines dieser kleinen, zylindrischen Duftsprays aus der Hutkrempe und versprühte dessen Inhalt. Der Duft von Eisenkraut erfüllte die Luft. Er steckte das Spray zurück in den Hut, den er auf sein spärlich bewachsenes Haupt setzte.

„Hier riecht es nach totem Körper!“, erklärte er.

Ich drehte mich zur Seite, um mein Lächeln zu verbergen, so grotesk war mein erster Eindruck dieses wundersamen Wesens bekannt als Morris Klaw.

„Mr. Coram“, fuhr er fort, „ich bin ein alter Narr, der manchmal weise Träume hat. Verbrechen war immer schon das Hobby meines geschäftigen Lebens. Ich habe Verbrechen an der Goldküste gesehen, wo das Schwarze Fieber in der Luft über dem Ermordeten lag wie eine schwebende Seele, und ich habe Blut fließen sehen im arktischen Lappland, wo es zu rotem Eis gefror, bevor es die Adern verließ. Habe ich Ihre Erlaubnis zu sehen, ob ich Ihnen helfen kann?“

Wir alle, die Polizei eingeschlossen, waren auf seltsame Weise beeindruckt.

„Natürlich“, sagte Coram, „wenn Sie möchten.“

Morris Klaw beugte sich über den Toten.

„Sie haben ihn bewegt!“, sagte er scharf.

Wir erklärten ihm, dass dies dem Zweck der medizinischen Untersuchung gedient hatte. Er nickte geistesabwesend. Mit der Hilfe einer großen Lupe musterte er den armen Conway. Er untersuchte seine Haare, seine Augen, seine Hände, seine Fingernägel. Er fuhr mit seinen langen biegsamen Fingern über den Boden neben der Leiche – und roch an dem Staub.

„Wäre jemand so freundlich, mir alles zu erzählen“, sagte er, die Hosentaschen des Toten umstülpend.

Coram erzählte kurz das Wichtigste und beantwortete die seltsam gewählten Fragen, die Morris Klaw ihm von Zeit zu Zeit stellte. Während des Zwiegesprächs unterzog der eigenartige alte Mann gefühlt jeden Quadratzentimeter des Griechischen Zimmers einer Untersuchung. Vor der Vitrine, die die Harfe enthielt, blieb er starrend stehen.

„Von hier geht das Problem aus“, murmelte er. „Was weiß ich von solch einem griechischen Instrument? Lassen Sie mich nachdenken.“

Er warf den Kopf in den Nacken und schloss seine Augen.

„Solch wertvolle Kuriositäten“, sinnierte er, „haben Geschichte – und die Verbrechen, die sie verursachen, geschehen in Zyklen. Wenn ich nur die Geschichte dieser Harfe kennen würde!“

Er schaute zu meinem Freund.

„Gedanken sind Dinge, Mr. Coram. Wenn ich eine Nacht hier verbringen dürfte, genau auf dem Fleck Boden, auf dem der arme Conway niederfiel – ich könnte mir am Ende aus der umgebenden Atmosphäre ein Bild der Sache in meinem Geist formen.“ Er zeigte auf Conway.

Der Mann von Scotland Yard schnaubte durch die Nase.

„Sie schnauben, mein Freund“, sagte Morris Klaw sich ihm zuwendend. „Das würden Sie nicht mehr tun, wenn Sie mal schreiend in der Wüste aufgewacht wären. Schreiend vor Angst vor den hackenden Schnäbeln der Geier – die letzte grässliche Angst, die der Geist desjenigen kennt, der an diesem vermaledeiten Ort verdurstet!“

Die Worte und die Art, in der sie gesprochen wurden, ließen uns alle erschaudern.

„Was ist es anderes“, fuhr der schräge alte Mann fort, „als die epische Macht des Äthers – oder nennen Sie es, wie sie wollen – die die kabellose Nachricht schickt, der Blitz? Es ist wie eine riesige, subtile, empfindliche Fotoplatte. Inspiration, was sie Pech und Glück nennen – das alles sind nur Reflexionen auf ihr. Der letzte Gedanke vor dem Tod wird wie ein Foto in die umliegende Atmosphäre geprägt. Ich habe trainiert“, er tippte sich an die Braue, „diese Fotos zu reproduzieren! Darf ich heute Nacht hier schlafen, Mr. Coram?“

Irgendwo unter dem klapprigen Äußeren hatten wir einen Blick auf einen Mann mit gewissen Kräften erhaschen können. Hinter den dicken Brillengläsern hatte für einen Moment das Licht eines enormen und originellen Geists herausgeschienen.

„Ich würde mich sehr über Ihre Hilfe freuen“, antwortete mein Freund.

„Niemand von der Polizei darf diese Nacht hier sein“, grummelte Morris Klaw. „Kein trampeliger Wachmann, der den Raum mit Gedanken von wichtigen Kleinigkeiten und unwichtigen Großartigkeiten füllt, darf meine Negative vernebeln!“

„Kann das arrangiert werden?“, fragte Coram den Inspektor.

„Die diensthabenden Männer können in der Eingangshalle bleiben, wenn Sie wünschen, Sir.“

„Gut!“, polterte Morris Klaw.

Er befeuchtete seine Braue mit Eisenkrautspray, verbeugte sich ungelenk und schlurfte aus dem Griechischen Zimmer.

III

Morris Klaw erschien am Abend wieder, begleitet von einer fesselnd schönen Brünetten.

Der Wandel im Gesichtsausdruck von Mr. Grimsby von Scotland Yard, als sein Blick auf sie fiel, war eigenartig.

„Meine Tochter – Isis“, erklärte Morris Klaw. „Sie hilft mir, meine Negative zu entwickeln.“

Grimsby wurde aufmerksam. Wir ließen die beiden diensthabenden Männer in der Eingangshalle zurück und Morris Klaw, seine Tochter, Grimsby und ich gingen hinauf zum Griechischen Zimmer. Dessen Dunkelheit wurde nur von einer einzigen Lampe verdrängt.

„Ich habe die Steine in der Harfe der Athene von einem Juwelier untersuchen lassen“, sagte Coram. „Mir kam der Gedanke, dass sie vielleicht entfernt und durch Imitate ersetzt worden wären. Allerdings war dem nicht so.“

„Nein“, polterte Klaw. „Ich habe auch daran gedacht. Es gab keine Besucher am heutigen Tag?“

„Das Griechische Zimmer war geschlossen.“

„Das ist gut, Mr. Coram. Lassen Sie mich durch niemanden stören, bis meine Tochter am Morgen kommt.“

Isis Klaw legte ein rotes Kissen auf den Platz, wo der Tote gelegen hatte.

„Einige Kissen und eine Decke, Mr. Klaw?“, schlug der plötzlich aufmerksame Mr. Grimsby vor.

„Danke, nein“, war die Antwort. „Sie wären in fremde Eindrücke getränkt. Mein Kissen ist sozusagen sterilisiert! Der ‚Äthersturm‘, der durch Conways letzte mentale Emotion erzeugt wurde, wird meinen Geist unverschmutzt erreichen. Gute Nacht, Gentlemen. Gute Nacht, Isis!“

Wir zogen uns zurück und überließen Morris Klaw seiner Geisterwache.

„Ich nehme an, Mr. Klaw ist vertrauenswürdig?“, flüsterte Coram zu dem Kriminalbeamten.

„Oh, zweifellos!“, war die Antwort. „Auf jeden Fall kann er nicht schaden. Meine Männer werden die ganze Nacht unten Dienst schieben.“

„Sprechen Sie von meinem Vater, Mr. Grimsby?“, kam eine sanfte, reizvolle Stimme.

Grimsby drehte sich rum und sah in die blitzenden schwarzen Augen von Isis Klaw.

„Ich versicherte Mr. Coram gerade“, antwortete er bereitwillig, „dass Mr. Klaws Methoden sich verschiedene Male als erfolgreich herausgestellt haben!“

„Verschiedene Male!“, rief sie verärgert. „Was! Hat er jemals versagt?“

Ihr Akzent war auf jeden Fall Französisch, stellte ich fest. Ihre Stimme, die ganze Person war überaus charmant – wie das Verhalten des Ermittlers bewies.

„Ich fürchte, ich bin nicht mit allen seinen Fällen vertraut, Miss“, sagte er. „Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?“

„Vielen Dank, aber nein.“ Sie bedachte ihn mit einem betörenden Lächeln. „Gute Nacht.“

Coram öffnete die Museumstüren und sie ging hinaus. Die Wachmänner in der Eingangshalle zurücklassend verließen auch Coram und ich kurz darauf das Museum durch den Haupteingang, um zu vermeiden, Morris Klaw durch das Benutzen der Privattür des Kurators zu stören.

Hilda Coram servierte uns Kaffee im Arbeitszimmer meines Freundes. Sie war unnatürlich blass und ihre Augen glühten wie im Fieber. Ich schloss, dass die Tragödie der Grund dafür war.

„Vielleicht zu einem gewissen Anteil“, sagte Coram, „aber sie studiert Musik und ich fürchte, sie überarbeitet sich, um ein gutes Examen zu schaffen.“

Coram und ich nahmen das Problem des Griechischen Zimmers von allen Seiten unter die Lupe, aber wir konnten nicht nachvollziehen, wie der Dieb hinein- und hinausgelangt war und warum er keine Beute mitgenommen hatte.

„Ich gebe offen zu“, sagte Coram, „die Sache macht mich etwas krank. Wir haben nicht die leiseste Idee, wie der Mörder in das Griechische Zimmer eingedrungen ist oder wie er wieder herauskam. Bolzen und Balken, das ist offensichtlich, halten ihn nicht auf, sodass wir jederzeit eine Wiederholung der Ereignisse erwarten müssen!“

„Welche Vorkehrungen schlagen Sie vor?“

„Nun, das Museum steht für die nächste Woche oder vielleicht auch länger unter Polizeibewachung und danach sollten wir auf einen Sicherheitsmann für nachts zurückgreifen. Die Mittel erlauben nur vier Aufseher: Drei für den Tag und einen für die Nachtschicht.“

„Denken Sie, es wird schwierig, jemanden zu finden?“

„Nein“, antwortete Coram. „Ich weiß einen soliden Mann, der kommen wird, sobald wir ihn anfordern.“

Ich schlief nicht viel diese Nacht und war sehr früh auf den Beinen und auf dem Weg zum Museum. Isis Klaw war vor mir da, sie trug das rote Kissen und ihr Vater war ins Gespräch mit Coram vertieft.

Inspektor Grimsby näherte sich mir.

„Sie schauen auf das Kissen, Sir!“, sagte er lächelnd. „Aber es ist keine ‚Beute‘. Er ist kein neuer Einbrecher. Es fehlt nichts!“

„Dessen brauchen Sie mich nicht extra zu versichern“, antwortete ich. „Ich bezweifle Mr. Klaws Aufrichtigkeit keineswegs.“

„Warten Sie, bis Sie seine verrückte Theorie hören!“, sagte er mit einem Seitenblick auf das Mädchen.

„Mr. Coram“, sagte Morris Klaw gerade in seinem seltsamen polternden Tonfall, „meine psychologische Fotografie zeigt eine Frau! Eine Frau ganz in Weiß gekleidet!“

Grimsby hustete – dann errötete er, als er Isis’ Blick erhaschte.

„Des armen Conways Verstand“, fuhr Klaw fort, „wurde mit dem Bild angefüllt, als er die letzten Atemzüge nahm – die große Verwunderung, die er über die weiße Frau hatte, und die riesige Angst vor der Harfe der Athene, die sie in den Händen hielt!“

„Die sie in den Händen hielt?“, rief Coram aus.

„Eine Frau nahm die Harfe aus der Vitrine, wenige Minuten, bevor Conway starb!“, bestätigte Morris Klaw. „Ich muss nun viele Nachforschungen anstellen, und mit der Hilfe von Isis sollte ich mein Negativ entwickeln können! Gestern erfuhr ich von dem Polizisten, der in der Nacht an der Ecke vom Square Dienst hatte, dass ein schwerer Möbelwagen gegen vier Uhr vorbeifuhr. Und es war kurz nach vier, als die Tragödie passierte. Der Fahrer wusste nicht, dass es eine Sackgasse ist, verstehen Sie? Ob es wichtig ist, kann ich nicht sagen. Es sind oft solche Kleinigkeiten, die eine Rolle spielen. Wir dürfen jedenfalls keine Zeit verlieren. Bis Sie wieder von mir hören, streuen Sie bitte jede Nacht trockenen Gips rund um den Tisch mit der Harfe aus. Guten Morgen, Gentlemen!“

Arm in Arm mit seiner Tochter verließ er das Museum.

IV

Einige Wochen nach diesem mysteriösen Vorfall verlief alles normal am Menzies Museum. Der neue Nachtwächter, ein großer Schotte namens John Macalister, schien seine Pflichten sehr genau zu nehmen und alles lief reibungslos. Es hatte sich kein weiterer Hinweis auf den vorherigen Fall ergeben, die Polizeiermittlungen verliefen ins Leere. Von Morris Klaw hatte man kein Wort mehr gehört. Aber Macalister schien nicht nervös zu sein, er meinte, er sei stark genug, um sich selbst zu schützen.

Armer Macalister! Seine Masse rettete ihn nicht vor einem furchtbaren Schicksal. Er wurde an einem schönen Morgen auf dem Boden des Griechischen Zimmers gefunden – tot!

Wie im Fall Conway zeigte der Tatort unmissverständliche Zeichen eines Kampfes auf. Der Stuhl des Aufsehers war mit solcher Wucht auf den Boden geschleudert worden, dass drei seiner Beine zerbrochen waren. Eine Büste von Pallas, die auf einem Marmorsockel in der Ecke gestanden hatte, fand man heruntergestoßen vor. Und der Deckel der Vitrine, die normalerweise die Harfe der Athene enthielt, war unverschlossen und die unschätzbar wertvolle Antiquität lag daneben auf dem Boden!

In Macalisters Fall war die Todesursache Herzversagen, eine unerwartete Schwäche des Organs, die bei der pathologischen Untersuchung entdeckt wurde. Aber laut dem medizinischen Bericht musste der Verstorbene unnatürliche Gewalt erfahren haben, damit es zu diesem Tode kam. Mit anderen Worten, die Umstände der beiden Fälle waren fast identisch. Die Tür zum Griechischen Zimmer war von innen verschlossen und die Schlüssel wurden auf dem Boden gefunden. Von der Überwachungsuhr konnte man ablesen, dass sein Tod etwa um drei Uhr eingetreten sein musste. Nichts fehlte und die Edelsteine in der Harfe wurden nicht manipuliert.

Aber der erstaunlichste Umstand von allen war, dass in dem Gips, der auf Anweisung des mysteriösen Morris Klaw jede Nacht um die Vitrine mit der Harfe ausgestreut worden war, die Abdrücke kleiner, nackter Füße zu sehen waren!

Mr. Grimsby erklärte sich bereit, eine Nachricht an den alten Kuriositätenhändler zu überbringen. Es stellte sich heraus, dass er im Ausland war, aber seine Tochter berichtete, dass sie einen Brief von ihrem Vater erhalten hatte, der folgende Worte enthielt:

„Mr. Coram soll den Schlüssel für die Vitrine, die die Harfe der Athene enthält, nachts unter sein Kopfkissen legen.“

„Was meint er?“, fragte Coram. „Soll ich diesen einen Schlüssel vom Bund nehmen oder dass alle komplett unter meinem Kissen platzieren?“

Grimsby zuckte die Schultern.

„Ich sage Ihnen nur, was sie mir gesagt hat, Sir.“

„Ich würde annehmen, dass der Mann ein Betrüger ist“, sagte Coram, „wenn es da nicht die außerordentliche Bestätigung seiner Theorie aufgrund der Fußabdrücke gäbe. Sie sind mit Gewissheit die einer Frau!“

Morris Klaws Vorgehensweise im Kopf suchte ich den Polizisten auf, der an der Ecke vom South Grafton Square in der Nacht der zweiten Tragödie Dienst gehabt hatte. Von ihm bekam ich einen Hinweis, der, wenn auch für sich genommen unbedeutend, in Verbindung mit einem anderen Umstand gewiss eigenartig war.

Eine Pick-up-Zugmaschine mit zwei schweren Hängern fuhr gegen 3 a.m. über den Platz, und der Fahrer dachte, er könnte auf der anderen Seite weiterfahren.

Das war alles, was ich von dem Wachmann erfuhr, aber es reichte, um mich nachdenken zu lassen. War es nur ein Zufall, dass fast zur genauen Tatzeit der vorherigen Tragödie ein schwerer Möbelwagen an dem Museum vorbeifuhr?

„Es kommt knapp einmal im Halbjahr vor, dass ein anderes Fahrzeug als ein Händlerkarren über den Platz fährt“, versicherte mir der Mann. Sehen Sie, er führt nirgendwohin, aber dieser Pick-up-Truck ratterte vorbei, bevor ich ihn stoppen konnte, und obwohl ich ihm hinterherrief, konnte er mich nicht hören. Der Motor war zu laut, und so ließ ich ihn halt fahren und es selbst herausfinden.“

Ich komme zu dem Vorfall, der diesen außergewöhnlichen Fall abschließt, und zum klareren Verständnis muss ich die Positionen erklären, die wir in den nächsten Wochen bei Nacht einnahmen. Denn Coram hatte mich gebeten, eine Nachtwache zusammen mit ihm selbst, Grimsby und Beale im Museum zu verbringen.

Beale, der Aufseher, blieb in der Eingangshalle und dem unteren Raum – er wurde als Bronzezimmer bezeichnet. Coram kontrollierte den Raum direkt oberhalb der Treppe, Grimsby den nächsten Raum – das Griechische Zimmer – und ich das Ägyptische Zimmer. Keine der Türen war verschlossen und Grimsby behielt die Schlüssel für die Vitrinen im Griechischen Zimmer.

Wir begannen unsere Wache am Samstag und für mich war es eine düstere Tätigkeit. Für gewöhnlich wurde ein Lämpchen pro Raum über Nacht brennen gelassen, und ich saß so nah wie möglich daran im Ägyptischen Zimmer und versuchte mich mit einem Bündel Schriften abzulenken, die ich mir mitgebracht hatte.

Im Nachbarzimmer konnte ich Grimsby ständig umherwandern hören und in regelmäßigen Intervallen das Ratschen eines Streichholzes, wenn er eine Zigarre anzündete. Er war ein unverbesserlicher Kettenraucher.

Unsere erste Nachtwache brachte keinerlei Ergebnisse und die nächsten fünf waren genauso langweilig.

Auf Grimsbys Verlangen hin wahrten wir Geheimhaltung über diese Aufgabe. Sogar Corams kleiner Haushalt wurde darüber in Unkenntnis gelassen. Grimsby, der einer eigenen Theorie folgte, entschied nun, dass im Griechischen Zimmer das Licht ganz ausbleiben würde.

Der Freitag war unendlich heiß, und wenn der Wind gelegentlich mal dunkle Gewitterwolken herantrieb, brachen diese nicht aus. Und zu der Zeit, zu der wir unsere Stellung im Museum bezogen, war noch kein Regen gefallen. Um etwa zwölf Uhr sah ich hinaus auf den South Grafton Square und sah, dass der Himmel von schwarzen Wolken bedeckt war, Vorboten eines heraufziehenden Sturms.

Zu meinem Stuhl unter der Lampe zurückgekehrt nahm ich ein Werk von Mark Twain zur Hand, dass ich als Gegenmittel für Melancholie oder Nervosität mitgebracht hatte. Als ich anfing, zum etwa zwanzigsten Mal „The Jumping Frog“ zu lesen, hörte ich das Ratschen von Grimsbys Streichholz im Nebenraum und ich wusste, er hatte seine fünfte Zigarre angezündet.

Es muss etwa ein Uhr gewesen sein, als es anfing zu regnen. Ich hörte die großen Tropfen auf dem Glasdach, gefolgt von einem ständigen Geprassel. Für vielleicht fünf Minuten regnete es, und dann hörte es genauso plötzlich auf, wie es begonnen hatte. Durch das Geräusch des Wassers, das durch die Regenrinnen aus Metall abfloss, hörte ich Grimsby ein weiteres Streichholz anzünden. Dann, mit einem gewaltigen Knall, kam der Donner.

Der Himmel schien sich direkt über dem Museum geöffnet zu haben und das Glasdach ratterte, als ob es Steine regnen würde. Das Echo hallte durch das ganze Gebäude.

Als ein blendend heller Blitz herniederfuhr, sprang ich vom Stuhl auf und stand atemlos da, alle Sinne in höchster Alarmbereitschaft. Denn in das Prasseln des Regens, der jetzt wieder begonnen hatte, mischte sich seltsamerweise ein leises Jammern, ungefähr wie die schwache Stimme eines Patienten, der in Narkose fällt. Es lag etwas unerklärlich Liebliches, aber auch unbeschreiblich Seltsames in der leisen und mysteriösen Musik.

Da ich nicht wusste, woher sie kam, war ich unschlüssig, was zu tun sei. Aber gerade, als der Donner wieder hallte, hörte ich ein wildes Heulen – und es kam unzweifelhaft aus dem Griechischen Zimmer! Ich sprang zur Tür und stieß sie auf.

Alles war dunkel, als ich eintrat, aber ein zuckender Blitz erhellte den Ort.

Ich werde diesen Anblick niemals vergessen. Grimsby lag bei der gegenüberliegenden Tür flach auf dem Boden. Aber bedrohlich, wie das Spektakel war, es erweckte kaum Aufmerksamkeit, genauso wenig wie die Harfe der Athene, die neben ihrer leeren Vitrine lag.

Denn die Gestalt einer Frau, in dünnen weißen Stoff gehüllt, lief durch das Griechische Zimmer!

Angst verschnürte mir den Hals, denn ich hatte keinen Zweifel, dass das, was ich sah, eine übernatürliche Erscheinung war. Dunkelheit folgte. Ich hörte ein lautes, klagendes Weinen und dann das Geräusch, als wenn jemand stürzte.

Dann kam Coram in das Griechische Zimmer gerannt.

Zitternd und bebend gesellte ich mich zu ihm. Und zusammen standen wir da und starrten auf Grimsby hinunter.

„Guter Gott!“, flüsterte Coram. „Das ist furchtbar. Das kann nicht das Werk sterblicher Hände sein! Der arme Grimsby ist tot!“

„Haben Sie … die Frau … gesehen?“, stotterte ich. Ich muss zugeben: Mein Mut hatte mich völlig verlassen.

Er schüttelte den Kopf. Aber als Beale zu uns gerannt kam, schaute er sich ängstlich im Griechischen Zimmer um. Das Gewitter schien sich verzogen zu haben, und als wir drei erschrockenen Männer um Grimsbys Leiche herumstanden, konnten wir fast den Herzschlag des jeweils anderen hören.

Plötzlich ergriff Coram meinen Arm. „Hören Sie!“, sagte er. „Was ist das?“

Ich hielt den Atem an und horchte. „Es ist der Donner aus der Entfernung“, sagte Beale.

„Nein“, antwortete ich. „Jemand klopft an die Eingangstür! Hören Sie, jetzt geht die Türglocke!“

Coram seufzte vor Erleichterung. „Himmel!“, sagte er. „Ich habe keine Nerven mehr. Kommen Sie und lassen Sie uns nachschauen, wer da ist.“

Wir drei blieben eng beisammen, gingen rasch durch den Griechischen Raum und nach unten in die Eingangshalle. Als das Läuten anhielt, entriegelte Coram die Tür – und dort auf den Stufen stand Morris Klaw!

Eine unbestimmte Idee seiner Mission ging mir durch den Kopf. „Sie sind zu spät!“, rief ich. „Grimsby ist tot!“

Ich sah etwas wie Ärger über seine großen, blassen Gesichtszüge zucken, und dann eilte er an uns vorbei und verschwand die Treppe hoch.

V

Nachdem die Tür wieder verriegelt war, gesellten wir uns zu Morris Klaw im Griechischen Zimmer. Er kniete im Dämmerlicht neben Grimsby – und Grimsby, sein Gesicht grässlich blass, saß aufrecht und nahm einen Schluck aus einem Flachmann!

„Ich bin noch rechtzeitig!“, sagte Morris Klaw. „Er war nur ohnmächtig!“

„Es war der Geist!“, flüsterte der Mann von Scotland Yard. „Mein Gott! Ich war auf alles Menschliche vorbereitet – aber als es blitzte und ich das weiße Ding sah – wie es auf der Harfe spielte …“

Coram wandte sich zur Seite und wollte die Harfe aufheben, die in der Nähe lag, als –

„Ah!“, schrie Morris Klaw, „Fassen Sie sie nicht an! Sie bringt den Tod!“

Coram sprang zurück, als wenn er gestochen worden wäre, und Grimsby kam sehr unsicher auf die Füße.

„Machen Sie das Licht an“, befahl Morris Klaw, „und ich werde es Ihnen zeigen!“

Der Kurator ging zum Lichtschalter und das Griechische Zimmer wurde hell erleuchtet. Die klapprige Gestalt von Morris Klaw hatte eine triumphierende Würde angenommen. Hinter den Zwicker-Gläsern strahlten seine Augen.

„Sehen Sie“, sagte er, „ich hebe die Harfe vom Boden auf. Das tat er auch. Und ich lebe. Warum? Weil ich sie nicht auf herkömmliche Weise halte – von oben! Ich halte sie an den Seiten! Conway und Macalister fassten sie oben an, und so sind die beiden …“

„Mr. Klaw“, sagte Coram, „ich zweifele nicht daran, dass diese dunklen Dinge Ihnen aufgrund Ihrer ungewöhnlichen Intelligenz bekannt sind. Aber für mich ist es ein Mysterium. Ich habe selbst in der Vergangenheit die Harfe auf die Art angefasst, die sie als tödlich bezeichnen, und bin ohne Verletzung …“

„Aber nicht unmittelbar, nachdem darauf gespielt wurde!“, unterbrach Morris Klaw.

„Darauf gespielt? Ich habe nie versucht, darauf zu spielen!“

„Selbst, wenn Sie es getan hätten, wären Sie davongekommen, vorausgesetzt, Sie hätten sie wieder abgesetzt, bevor Sie von oben angefasst hätten! Schauen Sie!“

Er fuhr mit seinen langen blassen Fingern über die goldenen Saiten. Sofort erklang diese eigenartige, klagende Musik in meinen Ohren, die die seltsamen Ereignisse in dieser Nacht eingeleitet hatte!

„Und jetzt“, fuhr unser Lehrer fort, „während ich sie schlauerweise halte, wo sich die Füße der goldenen Ladys treffen, beobachten Sie den oberen Teil, wo man sie gewöhnlicherweise hält.“

Wir versammelten uns um ihn herum.

„Eine Nadelspitze“, polterte er eindrücklich, „die hervorfährt! Der Spieler berührt sie nicht! Aber wer sie aus den Händen des Spielers nimmt, stirbt! Wenn man das Instrument wieder in seine Halterung stellt, zieht sich die Nadel zurück! Soll ich Ihnen sagen, was es mit dieser Nadelspitze auf sich hat, dass sie einen Mann wahnsinnig wie eine tollwütige Bestie macht, dass sie über Generationen wirksam bleibt? Ich kann es nicht. Es ist ein hässliches Geheimnis, begraben mit dem Körper von Cäsare Borgia!“

„Cäsare Borgia?“, riefen wir im Chor.

„Ah“, polterte Morris Klaw, „Ihre Harfe der Athene wurde in Wahrheit von Paduano Zelloni, dem Florentiner, gefertigt! Er war ein begabter Schmied! Ich war bis gestern in Rom. Sind Sie überrascht? Ich bedauere, dass der arme Macalister sterben musste. Als ich mit Isis’ Hilfe das mentale Foto der Dame, die die Harfe spielt, vervollständigt hatte, fuhr ich nach Rom, um die Geschichte um die Harfe zu vervollständigen. Warum? Zu Hause habe ich Berichte, aber die sind unvollständig und nutzlos. In Rom habe ich einen Freund aus einer alten Familie, deren Namen ich besser nicht nennen sollte!

Er hat Zutritt zu der großen Vatikan-Bibliothek – und zu den Annalen seiner Linie. Dort fand er für mich eine Aufzeichnung über eine Harfe. In diesem unschätzbaren Pergament wurde sie als ‚eine griechische Lyra aus Gold‘ aufgeführt. Die Beschreibung passt. Ich bin überzeugt. Ich bin sicher!

Einst spielte die wunderschöne Lucrezia Borgia auf dieser Harfe. Zu jemandem, der sich ihr gegenüber nicht benahm, sagte sie: ‚Stellen Sie meine Harfe zurück.‘ Er tat es und war ein toter Mann! Gott! Welch Klugheit!

Wo war sie gewesen, bis Ihr Sir Menzies sie gefunden hat? Niemand weiß es. Aber sie hat immer noch ihre Eigenschaft! Wie starb der arme Menzies? Er stürzte sich selbst aus dem Fenster, habe ich kürzlich erfahren. Die Harfe war mit Gewissheit in seinem Zimmer. Conway, nachdem er wahnsinnig geworden war, hat sich Kopf voran vom Stuhl gestürzt. Macalister starb an Erschöpfung und Krämpfen!“

Stille. Bis …

„Aber was hat die Harfe zum Spielen gebracht?“, fragte Coram.

Morris Klaw sah ihn scharf an. Dann rannte ein erneuter Schreckensschauer durch meine Adern. Ein leises Klagen kam von irgendwoher in der Nähe! Coram drehte sich blitzartig um!

„Meine Privattür steht offen!“, flüsterte er.

„Wo bewahren Sie ihre privaten Schlüssel auf?“, polterte Klaw.

„In meinem Arbeitszimmer.“ Coram starrte auf die offene Tür, aber schien sich zu fürchten, sich ihr zu nähern. „Wir haben des Nachts die Schlüssel des Aufsehers benutzt. Meine eigenen liegen auf dem Kaminsims im Arbeitszimmer.“

„Ich denke nicht“, fuhr die belegte Stimme fort. „Ihre Tochter hat sie!“

„Meine Tochter!“, rief Coram aus und sprang zur offenen Tür. „Himmel! Hilda! Hilda!“

„Sie ist Schlafwandlerin!“, flüsterte Morris Klaw in mein Ohr. „Wenn sie bestimmte ungewöhnliche Geräusche – zum Beispiel die von schweren Fahrzeugen in der Nacht – im Schlaf hört (ah! Wie wenig wissen wir über das Phänomen des Schlafes!), steht sie auf und handelt immer gleich. Das hat sie mit vielen Schlafwandlern gemeinsam. Im Fall von Miss Hilda hat sie die goldene Harfe angezogen …“

„Sie studiert Musik!“