Cops und Killer - Michael Connelly - E-Book

Cops und Killer E-Book

Michael Connelly

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Beschreibung

Seine ersten Berührungspunkte mit dem Verbrechen hatte Michael Connelly schon als Jugendlicher: Mit sechzehn Jahren beobachtet er einen Mann bei dem Versuch, seine Waffe verschwinden zu lassen. Wie er später erfährt, hatte er gerade einen brutalen Raubüberfall begangen. Connelly sagt als Zeuge aus, doch der Fall bleibt ungelöst. Ein Erlebnis, das seine Faszination für Kriminalfälle und Polizeiarbeit weckt. Einige Jahre später beginnt er, als Journalist über diese Themen zu berichten, zunächst für die South Florida Sun Sentinel, später für die Los Angeles Times. In den hier versammelten Reportagen aus den 80er- und 90er-Jahren beleuchtet der Autor Verbrechen von allen Seiten: Er begleitet Ermittler*innen, verfolgt Gerichtsprozesse, spricht mit Mördern und mit Hinterbliebenen. Michael Connelly erzählt von arroganten Mafiabossen, von Betrügern, deren Doppelleben nach Jahrzehnten auffliegt, und von Tätern, die einfach spurlos verschwinden. Mal unterhaltsam, mal informativ, mal kritisch berichtet er von tollpatschigen Möchtegern-Auftragskillern, von der zerstörerischen Macht der Drogen, von Hass und Habgier und von hitzigen Debatten um Polizeigewalt. Außerdem erzählt Connelly, wie die Begegnungen aus dieser Zeit seine fiktionalen Figuren inspiriert und ihn zu dem Krimiautor gemacht haben, der er heute ist.

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Seitenzahl: 369

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Michael Connelly

Cops und Killer

Wahre Fälle aus L.A.

Aus dem amerikanischen Englisch von Sepp Leeb

Kampa

»Der Tod ist mein Revier. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit ihm. Ich schmiede meine berufliche Reputation an ihm. Ich behandle ihn mit der Leidenschaft und Korrektheit eines Bestattungsunternehmers – ernst und mitfühlend im Beisein der Hinterbliebenen, ein versierter Handwerker, wenn ich allein bin. Ich bin seit jeher der Überzeugung, das Geheimnis des Umgangs mit dem Tod ist, ihn nicht zu nahe an sich heranzulassen. Vor allem darauf kommt es an. Man darf sich von ihm nicht ins Gesicht hauchen lassen.«

 

aus Der Poet

Die Detectives beobachten

Vorwort

Momente. Einzelne Momente entscheiden alles. Ich beobachte Detectives seit über dreißig Jahren. Angefangen hat alles mit einem einzigen Moment. Die besten Dinge, die ich gesehen, in meine Vorstellungskraft aufgenommen und dann in meine Romane eingepflanzt habe, kamen mir in Momenten. Manchmal plagt mich die Frage nach dem Was-wäre-wenn. Was wäre, wenn ich an diesem Abend, als ich sechzehn war, nicht aus meinem Autofenster geschaut hätte? Was wäre, wenn ich den Detective nicht seine Brille hätte abnehmen sehen? Was wäre, wenn ich erst einen Tag später zum ersten Mal nach L.A. gefahren oder nicht ans Telefon gegangen wäre, als mein Redakteur anrief und mich den Hügel hinaufschickte, damit ich einen Mord recherchiere?

Lassen Sie es mich erklären. Lassen Sie mich von einigen dieser Momente erzählen.

Als ich sechzehn Jahre alt war, arbeitete ich in Fort Lauderdale, Florida, nachts als Tellerwäscher im Restaurant eines Strandhotels. Das Lokal hatte lange geöffnet, und die Töpfe und Pfannen, die den ganzen Tag zum Kochen verwendet wurden, mussten eingeweicht und geschrubbt werden. Oft wurde ich mit meiner Arbeit erst sehr spät fertig.

Eines Nachts fuhr ich mit meinem Beetle von der Arbeit nach Hause. Die Straßen waren fast völlig verlassen. An einer roten Ampel hielt ich an. Ich war müde und wollte nur noch nach Hause. An der Kreuzung standen keine anderen Autos, und es näherten sich auch keine. Ich wollte bei Rot über die Kreuzung fahren und hielt Ausschau nach einem Polizeiauto. Als ich nach links schaute, nahm ich auf dem Bürgersteig eine Bewegung wahr.

Ein rennender Mann. Er rannte, so schnell er konnte, zum Strand, in die Richtung, aus der ich gerade kam. Er war groß und kräftig, hatte einen Bart und schulterlanges buschiges Haar. Ein Jogger war er nicht. Entweder rannte er auf etwas zu oder von etwas weg. Er trug Jeans, ein Holzfällerhemd und Stiefel, keine Laufschuhe. Statt auf die Ampel zu achten, beobachtete ich jetzt den Mann. Er zog im Laufen sein Hemd aus, sodass darunter ein bedrucktes T-Shirt zum Vorschein kam. Er schlang das Hemd um etwas, das er in der Hand hielt. Ohne langsamer zu werden, warf er das Hemd in die Hecke neben dem Bürgersteig und rannte weiter.

Als die Ampel auf Grün schaltete, wendete ich. Der Mann war ein paar Straßen vor mir. Ich folgte ihm langsam und beobachtete ihn. Ich sah, wie er sich in den Eingang einer Bar namens The Parrot drückte. Die Bar kannte ich. Nicht, weil ich jemals drin gewesen war – dafür war ich zu jung. Ich kannte sie deshalb, weil ich oft eine Reihe von Motorrädern davor hatte stehen sehen. Ich hatte große Kerle dort reingehen sehen. Es war eine Kneipe, die mir nicht geheuer war.

Ich fuhr am Parrot vorbei, wendete erneut und hielt bei der Hecke an. Ich schaute mich um, dann stieg ich rasch aus. Ich tastete in der Hecke nach dem Bündel. Es fühlte sich schwer an. Ich öffnete es. In das Hemd war eine Pistole eingewickelt.

Angst und Adrenalin schossen durch meinen Körper. Ich schlug die Pistole hastig wieder in das Hemd ein und steckte alles in die Hecke zurück. Dann lief ich zu meinem Beetle und fuhr weg.

An einer Telefonzelle hielt ich, rief meinen Vater an und erzählte ihm alles. Er sagte, ich solle ihn abholen. Wir würden die Polizei verständigen und zu der Hecke zurückfahren.

Fünfzehn Minuten später warteten mein Vater und ich an der Hecke, und zwei Polizeiautos kamen mit Blaulicht angefahren. Ich erzählte den Polizisten, was ich gesehen und was ich getan hatte. Ich führte sie zu der Pistole. Sie sagten, in der Nähe habe es einen Raubüberfall gegeben. Jemand hatte dem Opfer in den Kopf geschossen. Meine Beschreibung des Mannes höre sich ganz nach dem Kerl an, den sie suchten.

Die nächsten vier Stunden verbrachte ich im Detective Bureau. Ich wurde von mehreren Detectives immer wieder vernommen, insbesondere von einem, der etwas mürrisch Strenges hatte. Er sagte, das Opfer würde vielleicht nicht überleben. Dann wäre ich möglicherweise der einzige Zeuge. Aufgrund meiner Beschreibung waren mehrere Männer mit langen Haaren, Bärten und bedruckten T-Shirts aus dem Parrot ins Police Department gebracht worden, wo sie sich zur Gegenüberstellung aufreihen mussten. Ich war derjenige, der durch einen Einwegspiegel zu ihnen hineinschaute. Ich war der einzige Zeuge. Ich sollte den Täter identifizieren.

Die Sache hatte nur einen Haken. Der Kerl war nicht dabei. Es war zwar dunkel gewesen, aber die Straße war beleuchtet. Ich hatte den Mann, der die Pistole versteckte, deutlich gesehen und wusste, er stand nicht in dieser Reihe. Der Täter musste entkommen sein, und zwar irgendwann zwischen dem Zeitpunkt, als ich ihn im Parrot verschwinden sah, und dem Moment, als die Polizei kam, um die Gäste abzuführen, auf die meine Beschreibung zutraf.

Das kam bei den Detectives nicht gut an. Sie glaubten, sie hätten den Kerl. Sie glaubten, ich hätte nur zu viel Angst, um den Täter zu identifizieren. Ich konnte sie nicht überzeugen, und nach langem Hin und Her mit dem mürrischen Detective nahm die Sache ein unerfreuliches Ende. Ich verließ die Station, aber dieser Detective dachte noch immer, ich hätte den Täter aus Angst nicht identifiziert. Ich wusste zwar, dass das nicht stimmte, fühlte mich deswegen aber kein Stück besser. Obwohl ich ehrlich gewesen war, wusste ich, dass ich ihn enttäuscht hatte.

Nach dieser Nacht fing ich an, Zeitung zu lesen. Sehr gründlich. Anfangs, um nach Meldungen über den Überfall zu suchen. Das Opfer überlebte, aber von den Detectives hörte ich nichts mehr, und ich fragte mich, was aus der Sache geworden war. Wurde der Täter identifiziert? Wurde er gefasst? Ich entwickelte ein ausgeprägtes Interesse an Nachrichten über Verbrechen und an den Polizisten, die in solchen Fällen ermittelten. Der Süden von Florida war eine seltsame Gegend. Eine Flut von Drogengeld überschwemmte die Küste. Schnelle Boote und Autos. Schmuggler zogen in die besten Wohngegenden. Gewaltverbrechen passierten überall und jederzeit. Die Zeitungen waren immer voll von Verbrechen.

Ich hatte Feuer gefangen. Bald las ich True-Crime-Bücher und dann Kriminalromane. In den folgenden Jahren entdeckte ich die Bücher von Joseph Wambaugh und Raymond Chandler. Und schließlich beschloss ich, selbst zu schreiben. Ich wollte für eine Zeitung über Kriminalfälle berichten. Ich wollte Detectives beobachten, ihre Arbeit kennenlernen und eines Tages Romane über sie schreiben. Alles wegen eines Moments, alles nur, weil ich aus dem Autofenster geschaut hatte.

 

Viele Jahre später kehrte ich in das Detective Bureau zurück, in dem ich diese vielen Stunden verbracht und die Detectives enttäuscht hatte, diesmal als Reporter. Ich berichtete über Verbrechen. Der mürrische Detective war immer noch da. Die Jahre hatten seine Kanten etwas abgeschliffen. Zunächst ignorierte ich ihn, und er erkannte mich nicht mehr. Irgendwann erzählte ich ihm jedoch, wer ich war, erinnerte ihn an besagte Nacht und legte ihm erneut meinen Standpunkt dar: dass sie den Täter nicht gehabt hatten und der Mann entkommen war. Er glaubte mir immer noch nicht. Er bestand weiterhin darauf, ich hätte in dieser Nacht Angst gehabt, Farbe zu bekennen.

Im Lauf der Jahre war ich oft in diesem Detective Bureau, aber es gelang mir nie, den Detective zu überzeugen. Das schmerzte mich, schreckte mich aber nicht ab. Genau in diesem Detective Bureau ereignete sich übrigens auch der nächste wichtige Moment.

Es war eine Kleinigkeit, aber möglicherweise das wichtigste Detail, das ich als Krimiautor je gesehen habe. Ich berichte in der ersten Geschichte dieser Sammlung davon.

Nach zahllosen Anträgen und langen Verhandlungen, die bis hinauf zum Polizeichef reichten, erhielt ich eine Woche lang Zugang zur Homicide Squad. Uneingeschränkten Zugang. Ich bekam einen Pager, und wenn Detectives an einen Tatort gerufen wurden, wurde ich das auch. Mein Auftrag war, über das Leben im Morddezernat zu schreiben, aus der Sicht eines Insiders.

Das Ironische am Polizeijournalismus ist, dass die besten Meldungen in Wirklichkeit die schlimmsten sind. Ein Journalist lebt für die Meldungen über Unheil und Katastrophen. Sie lassen das Adrenalin durch die Adern schießen, aber sie können einen rasch auslaugen. Der beste Tag für uns ist ihr schlimmster.

Das bewahrheitete sich in meiner Woche mit den Detectives der Homicide Squad. Für mich war es eine tolle Sache – aber nicht für die drei Menschen, die in dieser Zeit ermordet wurden.

Der Moment, der mein Schreiben mehr als jeder andere beeinflusst hat, kam am Ende der Woche, in der letzten Stunde meines einwöchigen Aufenthalts im Morddezernat. Ich saß im Büro des Dezernatleiters, um ein paar letzte Fragen und Formalitäten zu klären, um meinen Pager abzugeben, in die Redaktion zurückzukehren und meinen Artikel zu schreiben.

Sergeant George Hurt war müde – er und seine Detectives hatten in fünf Tagen nach drei Mördern gefahndet. Er saß am Schreibtisch und nahm seine Brille ab, um sich die Augen zu reiben. Als er die Brille auf den Schreibtisch legte, fiel mir in einem Bügel eine tiefe Kerbe auf. Es war, als entdeckte ich einen Diamanten im Sand, denn ich wusste genau, wie diese Kerbe dort hineingekommen war.

In der Woche, in der ich den Detectives bei der Arbeit zugesehen hatte, hatte ich immer wieder beobachtet, wie Sergeant Hurt seine Brille abnahm. Um die Hände frei zu haben, nahm er den Bügel dann unweigerlich zwischen die Zähne. Ich hatte an drei verschiedenen Tatorten gesehen, wie er sich der Leiche näherte, die Brille abnahm und sich zwischen die Zähne steckte. Das waren ernste Momente. Er betrachtete das Opfer als Polizist, aber zugleich schien noch etwas anderes in ihm vorzugehen. Eine Art Austausch oder ein geheimes Versprechen. Es war etwas, worüber er nicht mit mir reden wollte, als ich ihn danach fragte.

Aber jetzt sah ich den Bügel seiner Brille, und mir wurde etwas klar. Mir wurde klar, dass er so fest auf den Bügel biss, dass sich seine Zähne in das harte Plastik gruben. Das verriet mir etwas über den Mann, über den Job, über die Welt. Es war ein Schlüsseldetail, das mir ein Fenster in das Leben dieses Mannes öffnete. Es offenbarte alles, was über sein Engagement, seine Motivation und sein Verhältnis zu seinem Beruf gesagt werden musste. Es war das Wichtigste, was ich in dieser Woche gesehen hatte.

Das war, wonach ich als Autor Ausschau halten musste, das wurde mir instinktiv klar. Von diesem Moment an wollte ich bei all den Menschen, über die ich schrieb, das Schlüsseldetail finden, egal, ob das nun ein Zeitungsbericht war oder ein Roman über einen Polizisten. Im Mittelpunkt meines Daseins als Schriftsteller musste die Suche nach dem Schlüsseldetail stehen. Wenn ich erfolgreich sein wollte, musste ich in meinen Geschichten Sergeant Hurts Brille immer wieder von Neuem finden.

Ich begann zu diesem Zeitpunkt gerade, fiktive Geschichten zu schreiben. Ich arbeitete nachts, ohne jemandem etwas davon zu erzählen. Ich experimentierte und lernte. Es sollte fünf Jahre dauern, bis etwas von mir veröffentlicht wurde. Aber die Lektion, die ich in Sergeant Hurts Büro gelernt hatte, half mir, diese Phase durchzustehen. Jahre zuvor hatte ich das Detective Bureau mit dem Gefühl verlassen, dass mir Unrecht getan worden war. Jetzt fühlte ich mich wie ein Mann mit einer Mission und einem klaren Weg zum Ziel.

 

Das sollte noch nicht der letzte bedeutende Moment für mich sein. Ich hatte Glück. Diese Momente fielen mir in den Schoß. Ich beschloss, etwas zu verändern und dreitausend Meilen weit weg an einen Ort zu ziehen, über den meine literarischen Vorbilder geschrieben hatten. Am selben Tag, an dem ich in Los Angeles ankam, saß ich bereits im Büro eines Zeitungsredakteurs, der mit mir über eine Stelle als Polizeireporter sprach. Er warf mir die aktuelle Ausgabe der Zeitung hin. Am Tag zuvor hatte sich eine große Sache ereignet, ein Bankraub, bei dem die Räuber durch das Labyrinth aus unterirdischen Flutwasserkanälen direkt unter die Bank vorgedrungen waren und dann nach oben gegraben hatten. Der Redakteur fragte mich, wie ich zu dieser Meldung einen Folgeartikel machen würde. Meine Antwort genügte den Anforderungen und ich bekam die Stelle. Ein paar Jahre später antwortete ich mit meinem ersten veröffentlichten Roman, der den Bankraub und die unterirdischen Kanäle aufgriff und alles in Fiktion umwandelte.

Momente. Sie kamen weiterhin. In Los Angeles macht man sich als Reporter nicht bei jedem Mord auf den Weg – dafür gibt es zu viele und die Stadt ist zu groß. Man pickt sich die Rosinen raus. Manchmal werden sie für einen rausgepickt. Eines Morgens rief mich ein Redakteur zu Hause an und sagte mir, ich solle auf dem Weg in die Redaktion an einem Tatort vorbeischauen. Einfach so, als sollte ich ihm nur einen Kaffee mitbringen. Der Mord habe sich im Woodrow Wilson Drive in den Hollywood Hills ereignet. Ich fuhr also hin und machte die Story. So fand ich den Ort, wo ich das Zuhause des fiktiven Detectives ansiedeln würde, über den ich insgeheim zu schreiben begonnen hatte. Ein Ort, wo er wohnen konnte und einen Blick über die Stadt hatte, die er zu schützen half. Ein Ort, an dem er auf die Terrasse hinausgehen konnte, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, um den Puls von L.A. zu fühlen.

 

Nichts war umsonst. Alle Erlebnisse wanderten in den kreativen Mixer und wurden schließlich in meinen Romanen zu etwas Neuem verarbeitet. Ein Artikel über einen Mann, der tot im Kofferraum seines Rolls-Royce gefunden wurde, wurde zu einem Roman über einen Mann, der tot im Kofferraum seines Rolls-Royce gefunden wurde. Artikel über Polizisten, die vor Gericht gestellt wurden, wurden zu einem Roman über einen Polizisten, der vor Gericht gestellt wurde.

Es waren nicht nur die Cops, von denen ich mich inspirieren ließ. Es waren auch die Mörder. Über den ersten Mord berichtete ich für das Daytona Beach News-Journal. 1981 war das zunächst eine Nullachtfünfzehn-Meldung über eine im Wald gefundene Leiche. Später wurde diese Leiche jedoch mit einem von Floridas berüchtigtsten Serienmördern in Verbindung gebracht und das weckte mein Interesse an dem, was die Polizisten, die ich kannte, als den Inbegriff des Bösen betrachteten.

Christopher Wilder war ein weiterer Serienmörder. Ich schrieb sehr ausführlich über ihn, und eine Weile schien es, als hätte er von meinem Leben Besitz ergriffen. Als er im verzweifelten Versuch, sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen, kreuz und quer durchs Land zog, empfand ich die gleiche Mischung aus Dringlichkeit und Furcht wie diejenigen, die ihn jagten. Es schien, als würde jeden Tag eine neue Frau entführt und eine weitere Leiche gefunden. Es war eine Riesenstory, vielleicht die größte meiner Karriere, aber es war trotzdem eine fürchterliche Story.

Manchmal riefen die Mörder bei mir an. Der Pseudoprofikiller, der schuldig gesprochen wurde, seine Frau ermordet und vergraben zu haben, rief mich aus dem Gefängnis an und beschwerte sich, ich sei zu hart mit ihm ins Gericht gegangen. Und dann war da Jonathan Lundh, von dem die Polizei fürchtete, er könnte sich als Serienkiller herausstellen. Er war klug, eloquent und ein hervorragender Manipulator. Außerdem hatte er etwas gegen Frauen. Die Polizei setzte alles daran, dass er für den einen Mord verurteilt wurde, bei dem sie sich seiner Täterschaft sicher waren. Lundh rief mich ständig aus dem Gefängnis an. Nicht nur, um seine Unschuld zu beteuern, sondern auch, um mich zu manipulieren und aus mir herauszubekommen, was ich von den Cops wusste und von welchen anderen Morden sie mir erzählten. Ich erinnere mich, dass ich mich jedes Mal, wenn ich auflegt hatte, glücklich schätzte, dass wir nicht nur durch die Telefonleitung getrennt waren, sondern auch durch den Beton und den Stahl der Gefängnismauern. In meinem ganzen Leben habe ich mit niemandem gesprochen, der unheimlicher war als Jonathan Lundh.

Jeder dieser Momente war nötig, um tun zu können, was ich jetzt tue. Meine Erlebnisse mit Cops und Mördern und meine Tage als Polizeireporter waren für mich als Romanautor von unschätzbarem Wert. Den Romanautor gäbe es nicht ohne den Polizeireporter. Ich könnte nicht über meinen fiktiven Detective Harry Bosch schreiben, hätte ich nicht zuerst die realen Detectives erlebt. Ich könnte meine Mörder nicht erfinden, hätte ich vorher nicht mit ein paar richtigen gesprochen.

Nicht alle diese Momente sind in der Zeitung oder in dieser Sammlung erschienen. Nicht über alle konnte geschrieben werden. Ich erinnere mich an eine Nacht an einem Tatort in Los Angeles, von dem ich nur durch einen anderen Polizeireporter erfahren hatte. Es war seine Story, und ich war nur da, um auszuhelfen, falls es sich als eine richtig große Sache herausstellte. Wir standen an der Absperrung aus gelbem Flatterband und warteten mit vielen anderen Reportern, dass die Detectives aus dem Haus kämen, in dem vier Menschen tot aufgefunden worden waren. Das war alles, was wir wussten. Vier Tote. Darunter Kinder. Wir warteten darauf zu erfahren, in welche Richtung die Sache sich entwickeln würde.

Ich ging an der Absperrung entlang, weg von den anderen Reportern. Ich hoffte auf eine Privataudienz, denn ich kannte einige der Detectives in dem Haus. Das haben Reporter so an sich: Sie versuchen immer einen Happen für sich allein zu schnappen, etwas, was sonst niemand hat. Wenn man lange genug als Polizeireporter arbeitet, lernt man die Detectives kennen. Das verschafft einem einen gewissen Vorteil.

Als die Detectives endlich herauskamen, winkte ich dem zu, den ich am besten kannte. Er kam zu mir, und wir unterhielten uns, während sich die anderen Reporter um die übrigen Detectives drängten. Mit diesem Detective hatte ich in früheren Fällen Hunderte von Malen gesprochen. Meiner Meinung nach war er ein guter und harter Detective. Ich hatte ihn nie viel Emotionen zeigen sehen, nicht einmal bei Polizeibeerdigungen. Einen seiner Charakterzüge verwendete ich damals bereits für meinen eigenen Detective Harry Bosch.

»Das ist ein wirklich schlimmer Fall«, flüsterte mir der Detective zu.

Er erzählte mir, die vier Toten seien eine Mutter und ihre drei kleinen Kinder, alle mit einem Kopfschuss, alle im selben Bett. Er schüttelte den Kopf, als könnte er die Tat nicht begreifen. Ich fragte, ob es schon irgendwelche Hinweise gebe, wer so etwas Schreckliches getan habe.

Er nickte.

»Ja«, sagte er. »Sie war’s. Die Mutter. Sie hat alle erschossen und einen Abschiedsbrief hinterlassen.«

Danach musste er von mir weggehen, und ich sah, wie er sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. In diesem Moment verstand ich etwas von der Härte, der Gefahr und der Noblesse dieses Berufs. Und ich wusste, ich hatte ein weiteres Element, das Harry Bosch vervollständigen würde.

Teil einsDie Cops

Der Anruf

Homicide Squad Lauderdale

Chaos und Frustration prägen die Stimmung während einer Woche an vorderster Front im Kampf gegen die Gewalt.

South Florida Sun-Sentinel

25. Oktober 1987

Es ist jetzt vier Tage her, seit jemand etwas von Walter Moody gehört oder gesehen hat, und allmählich fangen die Leute an zu befürchten, dass da etwas nicht stimmt. Laut Aussagen der Bewohner des Apartmenthauses in der South Andrews Avenue, in dem er als Hausmeister arbeitet, öffnet er seit Donnerstag nicht mehr die Tür. Seine Eltern können ihn telefonisch nicht erreichen. Und auch als er am Samstag nicht zu seinem Teilzeitjob als Ausfahrer erschienen ist, hat er sich nicht krankgemeldet.

Das sieht Walter gar nicht ähnlich, lautet die einhellige Meinung.

Inzwischen haben wir Montag, den 29. Juni, 13.40 Uhr. Nachdem von allen Seiten Besorgnis über den Verbleib Walter Moodys laut geworden ist, haben sich zwei Officers der Polizei von Fort Lauderdale und der Mitarbeiter eines Schlüsseldiensts vor seiner Wohnungstür eingefunden. Ein kleiner Auflauf von Hausbewohnern hat sich gebildet, die dem Geschehen aufmerksam folgen.

Das dreigeschossige Apartmenthaus erinnert an ein spanisches Kastell: weiße Wände, ein rotes Ziegeldach, an der Ecke ein runder Turm mit kleinen Bogenfenstern. Der gepflegte Innenhof des U-förmigen Gebäudes wird von einem bis zum Dach reichenden Baum beherrscht und ist zudem mit Büschen und Sträuchern bepflanzt, die alle vom Hausmeister, Walter Moody, gestutzt und gepflegt werden. Die Hausbewohner sitzen auf einer Bank unter dem großen, Schatten spendenden Baum und sehen zu dem offenen Gang im ersten Stock hinauf, wo der Mann vom Schlüsseldienst gerade die Tür zu Walter Moodys Wohnung geöffnet hat. Die Polizisten gehen hinein. Die Wohnung ist verwüstet, die Tür zum Schlafzimmer abgeschlossen. Sie rufen nach dem Mann vom Schlüsseldienst. Nachdem der auch die Schlafzimmertür geöffnet hat, verständigen sie die Homicide Squad.

 

George Hurt hat früh Feierabend gemacht. Seine Nebenhöhlen machen ihm zu schaffen, und in den letzten paar Tagen war wenig los. Er glaubt, sich diese kleine Verschnaufpause gönnen zu können. Gerade hat er es sich mit der Zeitung auf der Couch bequem gemacht, als er den Anruf erhält.

Wieder ein Mord. Ein Hausmeister. Kein Smoking-Gun-Fall. So viel Glück hat er leider nicht.

Er bekommt gesagt, wo. Er bekommt gesagt, wann. Das Wie ist noch nicht bekannt. Es ist Detective Vicki Russo, die ihm das alles mitteilt. Sie nehme sich der Sache an, sagt sie. Und das tun auch die anderen – alle verfügbaren Homicide Detectives. George Hurt, der Leiter des Dezernats, sagt ebenfalls, er nehme sich der Sache an. Eine typische Woche im Morddezernat hat begonnen. Hurt legt auf und flucht leise vor sich hin. Das ist bereits Nummer 38.

Mord gibt es in Fort Lauderdale in allen erdenklichen Arten, zu allen Zeiten, an allen Orten und unter allen möglichen Umständen. Es ist eine Straftat, deren einziger gemeinsamer Nenner das Endergebnis ist: das Auslöschen eines Menschenlebens. Für George Hurt und den Homicide Squad ist nur eines sicher: Es nimmt nie ein Ende. Heute ist Montag, der 29. Juni und in diesem Jahr sind schon 38 Morde passiert. 1986 waren es im ganzen Jahr 42. Der bisherige Rekord sind 52 und das war 1981. Wenn das so weitergeht, denkt George Hurt, wird er eine neue Falltabelle für die Wand im Bereitschaftsraum brauchen. Dieses Jahr könnten es in Fort Lauderdale 60 oder 70 Morde werden. Ziemlich beängstigend. Und deshalb flucht er jedes Mal, wenn er den Anruf bekommt.

Einen Grund für die hohe Zahl der Morde zu finden ist schwer. Die wirtschaftliche Lage, Drogen, die Hitze, der Vollmond, irgendwas. Hurt und sein Team hatten drei Leute, die an einem Samstagvormittag bei einem Überfall auf ein Fast-Food-Restaurant erschossen wurden; einen prominenten Scheidungsanwalt, der wenige Schritte vom Aufzug zu seiner Kanzlei ermordet wurde; einen Rock-’n’-Roll-Sänger, der erschlagen wurde, weil er schwul war. In mehr als einem Dutzend Fällen waren die Opfer Käufer oder Verkäufer von Drogen, bevor etwas schieflief. Es gibt die unspektakulären Fälle, die nur für ein paar Zeilen in der Zeitung gut sind, und die aufsehenerregenden Fälle, die jede Menge Aufnahmewagen mit Satellitenschüsseln anlocken.

Das summiert sich in sechs Monaten zu 37 Malen, bei denen sich die Truppe an einem Schauplatz einfindet, der die gängige Auffassung von menschlichem Zusammenleben, wie es Norman Rockwell auf den Punkt gebracht hat, Lügen straft. Und jetzt ist es wieder einmal der Zeitpunkt gekommen, sich zusammenzufinden. Nummer 38, Walter Moody, liegt kalt im Bett, und sein Blut, vier Tage alt, wartet über Laken und Kissen verteilt auf die Detectives.

 

»Riechen Sie das?«, fragt George Hurt. »Gerade haben sie da drinnen die Leiche umgedreht.«

Captain Al Van Zandt, einer der Leiter der Detective Division, pafft an seiner Zigarre. Der Tabakgeruch soll den abstoßenden Geruch des Todes überdecken.

Die beiden stehen vor der Tür von Walter Moodys Wohnung. Hurt muss nicht reingehen, um zu wissen, was der Geruch bedeutet; er hat jahrelange Erfahrung damit. Wenn er an die Zeit als Leiter der Spurensicherung zurückdenkt, wo er vor seiner Beförderung zum Morddezernat war, oder noch weiter zurück an seinen Militärdienst in Vietnam, kommt es ihm beinahe so vor, als hätte er die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht Leichen umzudrehen.

Diesmal bleibt er mit Van Zandt die meiste Zeit vor der Wohnung und überlässt alles Weitere den Technikern der Spurensicherung und dem Gerichtsmediziner.

In den ersten Stunden befassen sich fünf Homicide Detectives mit dem Fall Walter Moody. Einer der Ersten am Tatort ist Phil Mundy, der dienstälteste Detective. Nachdem er sich jedoch den Tatort angesehen und dabei festgestellt hat, dass es eher ein Whodunit ist als ein Smoking Gun, kehrt Mundy ins Police Bureau zurück, um die Archive nach Angaben über Moody zu durchforsten und die Anfragen zu koordinieren, die von den Detectives am Tatort eingehen werden. Sein Partner Pete Melwid ist noch in dem Apartmenthaus in der South Andrews Avenue und befragt die Bewohner. Damit sind gegenwärtig auch die Detectives Mike Walley, Gary Ciani und Vicki Russo beschäftigt. Russos Partner, Kevin Allen, ist noch unterwegs zum Tatort. Er hat heute einen freien Tag. Wann wurde Walter Moody zum letzten Mal gesehen? Wer waren seine Freunde? Wer seine Feinde? Das sind die Fragen, die die Detectives stellen. In der Anfangsphase eines Ermittlungsverfahrens sind Informationen das einzige Werkzeug, das ihnen zur Verfügung steht.

Bei Ermittlungen in einem Mordfall gibt es eine Grundregel: Je mehr Zeit vergeht, desto geringer werden die Chancen, den Fall zu lösen. Wenn möglich, mobilisiert Hurt deshalb in der Anfangsphase alle verfügbaren Kräfte, soweit dies zeitliche Beschränkungen, Überstundenbudget, Müdigkeit und dergleichen zulassen. »Man versucht einfach rauszufinden, was Sache ist, und macht von da aus weiter«, sagt er.

Das Dezernat verteilt die Fälle nach dem Rotationsprinzip an die Detectives. Diesmal sind die Partner Russo und Allen an der Reihe. Sie sind von Anfang bis Ende für den Fall zuständig. Wird er in den nächsten Stunden nicht durch die vereinten Bemühungen des Dezernats gelöst, müssen sie sich im Weiteren allein damit befassen.

»Dieses Jahr hatte ich noch keinen einzigen Smoking-Gun- Fall«, sagt Russo, während sie alle Informationen in einem Notizblock zusammenstellt. »Kann ich nicht auch mal Glück haben? Dass ich zur Tür reinkomme, und da liegt das Opfer und da drüben steht der Täter.«

Aber so ein Glück haben Russo und die anderen Detectives nur selten.

 

Während die Detectives die Bewohner und den Eigentümer des Apartmenthauses vernehmen, suchen in der Wohnung drei Techniker der Spurensicherung nach Fingerabdrücken und sammeln und fotografieren Beweisstücke. Dr. Felipe Domínguez, der Gerichtsmediziner, ist bei der Leiche im Schlafzimmer.

Moody liegt auf dem Rücken auf dem Bett und sieht fast so aus, als schliefe er. Aber nur fast. Am Unterarm hat er eine Stichwunde und verschiedene Schnitte, aber es ist deutlich zu erkennen, dass keine davon tödlich war. Auf den Laken und auf dem Kissen ist Blut, und der Verwesungsgeruch ist auch für all diejenigen wahrnehmbar, die nicht Hurts Nase dafür haben. Der Mörder hat die Klimaanlage angelassen, was den Verwesungsprozess verzögerte.

Das Telefon in der Wohnung klingelt, aber die Detectives gehen nicht dran, weil Blut und möglicherweise auch Fingerabdrücke darauf sein könnten. Nach mehrmaligem Läuten ertönt Walter Moodys Stimme und bittet den Anrufer, eine Nachricht zu hinterlassen. Er werde zurückrufen. Die Anruferin ist Walter Moodys Mutter. Sie ist völlig aufgelöst und will wissen, was los ist.

»Könnte uns bitte jemand anrufen, sobald feststeht, was eigentlich los ist«, fleht sie nach dem Piepton. Ein Detective fragt bei den Nachbarn, ob er das Telefon benutzen darf, um sie zurückzurufen.

Von den Hausbewohnern haben die Detectives inzwischen drei Anhaltspunkte, die die Ermittlungen voranbringen könnten: Walter hat Mietern die Wohnung gekündigt. Walter sollte bei einem Prozess in Zusammenhang mit einem Raubüberfall als Zeuge aussagen. Und Walter ließ immer wieder junge Männer in seiner Wohnung übernachten, als Gegenleistung für Arbeiten, die sie im und um das Haus verrichteten.

Ihre Erfahrung sagt den Detectives, dass sie beim dritten Punkt ansetzen sollten. Die Nachbarn haben einen jungen Mann namens Troy beschrieben, der noch am Freitagnachmittag in der Nähe der Wohnung gesehen wurde. Versuchen wir diesen Troy ausfindig zu machen, beschließen die Detectives.

Inzwischen kommt Dr. Domínguez aus der Wohnung und teilt Hurt mit, dass die Leiche jetzt zur Obduktion in die Gerichtsmedizin geschafft werden kann. Hurt fragt nach der Todesursache.

»Stichwunde im Rücken, zwischen den Schulterblättern«, sagt Domínguez.

»Großes Messer? Kleines Messer?«

»Ein großes«, antwortet Domínguez. »Ein Küchenmesser.«

 

Vor dem Apartmenthaus hält ein weißer Lieferwagen mit drei Männern. Sie laden eine Bahre aus. Das sind die Leichenträger, von einer Firma namens Professional. Alle drei tragen Anzug und Krawatte, die Hemdkragen zugeknöpft. Sie sind mit Abstand die bestgekleideten Personen am Tatort. Feierlich schreiten sie hintereinander in Walter Moodys Wohnung, um ihn zu seiner letzten Fahrt abzuholen.

Währenddessen zerstreut sich der Menschenauflauf am Tatort. Die Detectives fahren in alle Richtungen los: Melwid zu einem Fast-Food-Restaurant, um einem Hinweis auf Troy nachzugehen, Ciani und Walley zurück auf die Station, wohin sie von drei Nachbarn begleitet werden, die ihnen helfen, ein Phantombild des Verdächtigen zu erstellen. Auch Van Zandt fährt zurück. Hurt, Russo und Allen klären letzte Einzelheiten, bevor sie den Tatort verlassen. Und die Techniker von der Spurensicherung, die in der Wohnung beschäftigt sind, gehen essen. Sie werden später in die Wohnung zurückkommen müssen und bis in die Nacht hinein eine gründliche und langwierige Suche nach Beweisstücken und Indizien durchführen.

Als Walter Moody zum letzten Mal aus seiner Wohnung kommt, steht nur ein Hausbewohner immer noch unter einem Baum und verfolgt das Geschehen mit einem Bier in der Hand. Moody liegt unter einem weißen Tuch. Zwei der Professionals – einer hat inzwischen Blut an Ärmel und Hosenbein seines hellblauen Anzugs – haben schwer an der Last der Bahre zu tragen. Ihre Absätze schleifen über den Beton. Am Fuß der Treppe wird die Leiche behutsam auf eine fahrbare Bahre gelegt, mit einer grünen Samtdecke zugedeckt und zum Lieferwagen geschoben. Einer der Leichenträger hat blaue Tränen in die Augenwinkel tätowiert. Irgendwie scheint das passend. Die Leute hier dürfen nicht zulassen, dass ihnen bei der Arbeit echtes Mitgefühl in die Quere kommt.

Um 19 Uhr wird die Absperrung aus gelbem Band vor dem Apartmenthaus entfernt. Der weiße Lieferwagen fährt weg. Die letzten Polizisten verlassen den Schauplatz des Verbrechens. Auf dem Laubengang vor der Wohnung des Mordopfers haben die Polizisten fünf leere Kaffeebecher zurückgelassen. Und 36 Kippen sind auf dem Beton ausgedrückt oder in den Mulch um die Sträucher geworfen worden, die Walter Moody einmal gepflanzt und gepflegt hat.

 

Es ist fast 21 Uhr, bis die Detectives mithilfe der Zeugen ein Phantombild von Troy erstellt haben und das gesamte zusammengetragene Material Russo und Allen aushändigen, den für den Fall zuständigen Detectives.

Russo und Allen haben verschiedene Anhaltspunkte. Als Erstes muss ein Name überprüft werden, den Mundy aus dem Polizeicomputer gezogen hat: ein Mann, der im Bezirksgefängnis eine Haftstrafe verbüßt und als Wohnsitz Walter Moodys Adresse angegeben hat. Er könnte ein ehemaliger Mitbewohner sein und somit jemand, der Troy vielleicht kennt. Als Hurt und die anderen Detectives Feierabend machen, fahren Russo und Allen ins Gefängnis, um mit dem Häftling zu sprechen. Vorher ruft Russo noch ihre Tochter an, um ihr zu sagen, dass sie erst spät nach Hause kommen wird.

Daheim sieht sich George Hurt im Fernsehen die erste Hälfte eines Baseballspiels zwischen den New York Mets und den St. Louis Cardinals an, bevor er einschläft. Aber um 0.30 Uhr reißt ihn das Telefon aus dem Schlaf. Der Anruf. Fünfzehn Minuten später ist er in der Southwest 12th Avenue 600, an der Ecke Riverside Park, und sieht auf die bäuchlings auf dem Boden liegende Männerleiche mit einem Einschussloch im Rücken hinab. Nummer 39.

Walley und Ciani sind auch da. Sie sind nach dem Rotationsprinzip an der Reihe. Außerdem Van Zandt, Zigarre in der Hand, Domínguez und die Tatort-Detectives. Jemand fragt, ob die Mets eigentlich gewonnen hätten. Jemand anders wirft einen Stromgenerator an, und ein Scheinwerfer taucht die Leiche in grellweißes Licht. Über der gespenstischen Szene ziehen Gewitterwolken auf. Es wird bald regnen. Die Detectives beeilen sich.

Sie sprechen mit Zeugen und mit den beiden Männern, die mit dem Toten zusammen waren, als er wenige Minuten zuvor noch am Leben war. Sie können sich allmählich ein Bild davon machen, was passiert ist.

Michael Connable, 31, ging mit zwei Freunden auf der Sixth Street zum Riverside Pub. Es war Mitternacht und dunkel, und eine andere Gruppe von drei Männern kam ihnen entgegen. Als sie aneinander vorbeigingen, eröffnete einer der Männer das Feuer. Die drei Freunde rannten los. Fünfzig Meter weiter brach Connable tot zusammen, wenige Schritte vom Eingang des Riverside Pub. Sein Blut floss langsam eine Böschung des Parkplatzes hinab in einen Abflussgraben.

Die erste Gruppe kannte die zweite nicht. Die erste Gruppe sagte nichts zur zweiten. Die erste Gruppe bestand aus drei schwulen Weißen, die zweite aus drei Schwarzen. Was hatte das alles zu bedeuten? Was war das Motiv? War es ein willkürlicher Gewaltausbruch? Hatte er rassistische Ursachen? Lag es daran, dass die Männer der ersten Gruppe schwul waren? Wie konnte das der Todesschütze angesichts der Stille und der Dunkelheit überhaupt gewusst haben?

»Unsere einzige Hoffnung ist, dass wir einen Informanten finden«, sagt Walley.

In den letzten zwölf Stunden haben sich Hurt und seine Leute zwei Morde und null Erfolgserlebnisse eingehandelt. Sie haben zwei Whodunits und so gut wie keine Hinweise auf die Täter. Hurt meint, er könne wirklich mal einen Smoking-Gun-Fall vertragen. Oder wenigstens ein bisschen Schlaf.

Als Connable auf die Bahre gelegt und zu dem wartenden Wagen getragen wird, beginnt es zu regnen. Die Detectives verabschieden sich und fahren nach Hause. Connables Blut wird in den Gully gespült. Und auf das Gesicht des Leichenträgers mit den tätowierten Tränen fallen Regentropfen.

 

An der Wand von George Hurts Büro hängt ein Schild: Arsch hochkriegen und Klinken putzen. Der Verfasser könnte an einen Vertreter gedacht haben, aber der Spruch gilt genauso für einen Homicide Detective.

Im Bereitschaftsraum vor Hurts Büro ist in den Tagen nach den Morden an Moody und Connable nicht viel los. Es passieren keine weiteren Morde, und die Detectives sind unterwegs, Klinken putzen.

Dienstag ist Autopsietag. Doch in diesen Fällen wird bei den Obduktionen nichts herauskommen, was für die Aufklärung von Bedeutung ist. Deshalb bekommen Walley und Ciani und Russo und Allen die Einzelheiten von Connables und Moodys Todesursache telefonisch mitgeteilt. Es ist nicht nötig, in dem gefliesten Raum rumzustehen und bei der Leichenöffnung zuzuschauen, wie man das aus Fernsehkrimis kennt.

 

Was dagegen nötig ist, ist die fast immer langweilige Kleinarbeit, die in den Filmen nicht gezeigt wird. Walley und Ciani verbringen den Rest der Woche damit, nach Zeugen im Connable-Fall zu suchen, in Riverside Hausbesuche zu machen, mit den Stammgästen im Riverside Pub zu sprechen und den wenigen Hinweisen nachzugehen, die telefonisch eingegangen sind. Sie kommen nicht voran.

Außerdem versuchen es die Detectives mit Informanten. Sie bringen in der Unterwelt, in Umlauf, dass für den Namen des Todesschützen bis zu 1000 Dollar Belohnung herausspringen.

Dass man bei Mordermittlungen auf Informanten angewiesen ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Informanten sind häufig selbst Kriminelle; in der Unterwelt werden Informationen von denen gesammelt, die selbst dort aktiv sind – darunter auch Drogendealer und Diebe. Manche haben sogar Pager, um nur ja keinen Anruf eines Kunden oder der Polizei zu versäumen. Cops verachten sie, sind aber gleichzeitig von ihnen abhängig. Im Augenblick ist jedoch das Problem, dass niemand anruft, der irgendwelche Angaben zum Fall Michael Connable machen kann.

»Bisher haben wir rein gar nichts«, sagt Walley, ein großer Mann, der mehr an seinem Schreibtisch im Bereitschaftsraum kauert, als daran zu sitzen.

Russo und Allen haben ähnliche Schwierigkeiten. Ihre Bemühungen, Troy aufzuspüren, bleiben erfolglos. Der Häftling, mit dem sie gesprochen haben, kannte keinen Troy und war keine Hilfe. Der in einem Fast-Food-Laden beschäftigte Troy, mit dem Melwid ankam, ist nicht aufzufinden und muss auch nicht unbedingt der Gesuchte sein. Auf seinem Personalbogen im Restaurant hat er eine falsche Adresse angegeben. Sie haben Hinweise auf drei weitere Männer, die Troy sein könnten, aber bisher sind sie noch nicht weitergekommen.

Am Dienstag steht nur eins fest. Die zwei Fälle dieser Woche werden immer älter und schwerer zu lösen.

 

George Hurt sitzt kopfschüttelnd an seinem Schreibtisch. Er hat die Lesebrille abgenommen, die er für den Papierkram normalerweise trägt, und das Ende eines Bügels zwischen die Zähne geklemmt. Der Plastiküberzug ist eingekerbt, weil er oft so fest zubeißt. Es ist diese Art von Job.

Hurt schüttelt den Kopf, weil er amüsiert, verwirrt und verärgert zugleich ist. Nach den zwei Morden dieser Woche hat er die Augen offengehalten und von zwei Vorkommnissen gelesen, die ihn etwas erstaunt haben. Infolge des Connable-Mordes wurde eine Bürgerversammlung mit Polizeivertretern und Bewohnern von Riverside einberufen, und Homosexuelle haben die Befürchtung geäußert, Gewalttäter könnten es auf Schwule aus dem Viertel abgesehen haben. Presse und Fernsehen haben zwar bereits ausführlich über den Fall berichtet, aber niemand hat mit Hurt oder mit Walley und Ciani, den für den Fall zuständigen Detectives, gesprochen. Und ihrer Meinung nach sind diese Befürchtungen unbegründet.

»Soweit wir es an diesem Punkt beurteilen können, spielt die sexuelle Orientierung in diesem Fall keine Rolle«, sagt Hurt. »Wir betrachten es als willkürliche Gewalttat. Irgendein Kerl mit einer Knarre wollte jemanden abknallen. Und das hat er getan.«

Für zusätzliche Verwirrung in dem Fall sorgte laut Hurt ein lokaler Fernsehsender in Miami, der am Abend zuvor ein Phantombild von Troy aus dem Moody-Fall gezeigt und ihn als den Mann bezeichnet hat, den die Polizei in Zusammenhang mit dem Connable-Mord sucht. Troy ist weiß. Der Connable-Verdächtige ist schwarz.

»Unglaublich, was da manchmal herauskommt«, sagt Hurt.

 

Am Donnerstag, dem 2. Juli, kurz vor Mitternacht, wird Johnnie Eddines zur Nummer 40. Die Detectives Phil Mundy und Pete Melwid werden ebenso wie Hurt zu Hause verständigt.

Diesmal müssen sie jedoch keinen Tatort aufsuchen. Eddines ist im Krankenhaus gestorben. Er wurde in der Northwest 16th Avenue aus mehreren Schusswunden blutend in seinem Auto gefunden. Er war noch am Leben, als der Krankenwagen eintraf und ihn ins Broward General Medical Center brachte. Weiter schaffte er es nicht.

Bei dem Fall zeigt sich eine weitere Ironie, wie sie bei Mordermittlungen manchmal auftritt. Die Bemühungen, Johnnie Eddines zu retten, waren intensiv, aber am Ende vergeblich. Und wie in den meisten Fällen haben diese Bemühungen den Tatort mehr oder weniger zerstört, das heißt, wegen der Rettungsversuche in Eddines’ Auto konnten keine Beweise gesichert werden. Die Versuche, jemanden zu retten, können also den Versuchen zuwiderlaufen, die Täter zu überführen.

Außerdem bedeutet es, dass die Homicide Detectives sich nicht unbedingt am Tatort versammeln müssen. Melwid fährt ins Krankenhaus, um Informationen über Eddines zu sammeln. Mundy schaut kurz am Tatort vorbei und fährt dann ins Detective Bureau. Hurt ist ebenfalls dorthin unterwegs.

Streifenpolizisten und ein Detective der Nachtschicht haben Zeugen der Schüsse gefunden und bringen sie auf die Police Station. Das Auto des Opfers wird von einem Abschleppwagen ebenfalls dorthin gebracht. Um Mitternacht beginnen die Ermittlungen.

 

Alle Tage sollten wie dieser Freitag sein. Alle Wochen sollten so enden wie diese.

Um zwei Uhr morgens haben Mundy, Melwid und Hurt den Eddines-Mord aufgeklärt, den ersten in dieser Woche, der zu den Akten gelegt werden kann.

Von den Zeugen hatten sie erfahren, dass es sich mehr oder weniger um einen Smoking-Gun-Fall handelte; um eine ziemlich klare Sache. Eddines hatte seiner Schwester Schmuck gestohlen, und der Mann, der ihn ihr geschenkt hatte, hat ihn sich vorgeknöpft – zusammen mit zwei Freunden und einer Pistole. Die Detectives verbrachten die frühen Morgenstunden damit, die Zeugenaussagen aufzunehmen und sich Haftbefehle für die drei Verdächtigen ausstellen zu lassen. Jetzt geht es nur noch darum, sie zu fassen. Als sie nach Hause fahren, ist der Fall so gut wie gelöst.

Die Glückssträhne reißt mit dem Eddines-Fall nicht ab. Als Vicki Russo ihren Dienst antritt, erfüllt sich der Wunsch, den sie vier Tage zuvor vor Walter Moodys Wohnung geäußert hat: der Wunsch nach einem glücklichen Zufall.

Ein Freund des gesuchten Troy ist am Telefon und sagt, Troy wolle vorbeikommen und über Moody sprechen. Russo sagt, klar, gern, sie warte. Ein Durchbruch ist ein Durchbruch, selbst wenn er erst nach einer Woche erfolgloser Bemühungen kommt.

Als Troy aufkreuzt, bringen ihn Russo und Allen in eins der Vernehmungszimmer. Es ist gerade groß genug für einen Verdächtigen und zwei Detectives. Die einzige Beleuchtung ist eine Neonlampe an der Decke, das einzige Fenster, klein, quadratisch und verspiegelt, in der Tür.

Der 18-jährige Verdächtige, dessen vollständiger Name Troy Tetreault ist, fängt damit an, dass er zwar dabei war, als Moody ermordet wurde, es aber nicht war. Am Ende gibt er zu, dass er Moody getötet hat, aber nur, weil er sich wehren musste. Moody hat mich angegriffen, behauptet er.

Aber keine von Troys Geschichten kann erklären, wie jemand, der in Notwehr handelt, seinen Angreifer zwischen die Schulterblätter stechen kann und warum er anschließend dessen Wohnung durchsucht und ausraubt. Troy wird wegen Mord ersten Grades angeklagt. Jetzt gilt auch Fall Nummer 38 als gelöst.

 

Die anfänglich schlimme Woche hat inzwischen für die Detectives ein gutes Ende genommen. Zwei von drei Mordfällen sind aufgeklärt. Der Mord an Moody ist der 31., der in diesem Jahr gelöst werden konnte, eine Quote von über 75 Prozent.

In den kommenden Wochen beschäftigten sich Walley und Ciani weiter mit dem Connable-Fall, aber er blieb ungelöst. Die Detectives kamen den drei Männern der Gruppe nicht näher auf die Spur als in der Nacht, in der einer von ihnen das Feuer auf die auf die anderen drei Männer eröffnete. Mitte August quittierte Ciani den Polizeidienst, um für eine private Ermittlungsfirma zu arbeiten. Die Connable-Akte würde offen auf Walleys Schreibtisch liegen bleiben, und dem Detective blieb nichts anderes übrig, als auf einen Durchbruch zu warten, einen Namen oder einen Hinweis, der ihn auf die Spur des Todesschützen führen würde. Aber dazu kam es nicht, und er musste sich um andere Fälle kümmern.

In Fort Lauderdale passierten weiter Morde, und die Stadt übertraf die Zahl des Vorjahres von 42 Morden bereits Ende Juli und steuerte unaufhaltsam auf einen Rekord von 53 zu. Um dem Arbeitspensum Herr zu werden, wurden vorübergehend zwei weitere Homicide Detectives abgestellt.

Als George Hurt nicht lange nach der letzten Juniwoche an seinem Schreibtisch saß, fragte er sich, ob es bei dieser Häufung bliebe, ob drei Morde pro Woche in Fort Lauderdale in Zukunft keine Ausnahmeerscheinung mehr sein würden.

»Glauben Sie mir, über diese Frage habe ich lange nachgedacht«, sagt er. »Aber das lässt sich nicht vorhersagen. Ich hoffe schon die ganze Zeit, dass das nur ein Ausnahmejahr ist. Es ist noch nicht lange her, dass vier, fünf Morde im Monat als extrem hart galten. Inzwischen wirkt das in meinen Augen gar nicht mehr so schlimm.«

Aber egal, wie es weitergeht, sagt Hurt, der Homicide Squad ist bereit.

»Egal, ob 45 oder 75 Morde begangen werden«, sagt er. »Wir sind hier. Ich könnte den alten Spruch anbringen: Es ist eine Drecksarbeit, aber irgendjemand muss sie schließlich tun, nur sehe ich es nicht so. Ich sehe es als eine Drecksarbeit, aber irgendjemand muss wissen, wie man sie tut. Wir wissen, wie. Wir leisten hier gute Arbeit.«

Das Open Territory

Die Mafia-Einheit

Sie sind die verdecktesten aller verdeckten Ermittler. Sie agieren im Dunkeln und beobachten die Unterwelt. Sie ziehen das Netz um das Open Territory zu.

South Florida Sun-Sentinel

20. März 1987

Little Nicky war in Fort Lauderdale auf dem Commercial Boulevard zu irgendeinem Abendessen unterwegs, als er im Rückspiegel seines weißen Rolls-Royce das Blaulicht sah. Er fuhr an den Straßenrand.

Nicky erkannte den Polizisten sofort, der an sein Seitenfenster kam. Es war einer der Detectives von hier, der ihn von Zeit zu Zeit anhielt, um ihm zu sagen, er solle hier unten auf der Hut sein.

»Wie gehts, Mr. Drago?«, fragte Nicky, nachdem er das Fenster heruntergelassen hatte.

»Bestens, Nicky«, sagte der Detective. »Haben Sie Ihren Führerschein dabei?«

»Sollte ich wohl besser, stimmt’s, Mr. Drago?«

»Allerdings, Nicky, sollten Sie besser.«

Nicodemo Scarfo, mutmaßlicher Oberboss über die Mafia-Aktivitäten in Philadelphia und Atlantic City und häufiger Besucher von Fort Lauderdale, reichte Detective Chuck Drago seinen Führerschein. Alles war in Ordnung – nicht wie bei einem früheren Zwischenfall, als Little Nickys hundertvierzig Kilo schwerer Chauffeur und Bodyguard Drago einen gefälschten Führerschein vorgezeigt hatte und verhaftet worden war.

Dieses Mal unterhielten sich Drago und Scarfo fast wie alte Bekannte. Scarfo sagte, er werde noch an diesem Abend aus Florida abreisen und zum Pomono Airport bei Atlantic City fliegen. Erst mal habe er genug von der Sonne Floridas.

»Ich mag Ihre Art«, sagte Scarfo. »Sie schnüffeln mir nicht hinterher, belauern mich nicht, versuchen nicht in Restaurants in meiner Nähe zu sitzen, mir überallhin zu folgen. Sie kommen ganz direkt auf mich zu, von Mann zu Mann. Das gefällt mir.«

Drago lächelte. Nicky Scarfo hatte ihm gerade, ohne es zu wissen, das denkbar größte Kompliment gemacht.