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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Grüß dich, Florian. Wie schaut's aus?« Der junge Knecht zuckte die Schultern. »Na ja, Hochwürden, ich kann net klagen«, antwortete er. »Die Arbeit geht recht gut von der Hand, nur abends ist's ein bissel einsam hier oben.« Sebastian Trenker nickte verstehend. »Ich hoff', daß sich dieser Zustand bald ändert«, sagte er zuversichtlich. Florian Brandtner sah ihn erwartungsvoll an. »Haben S' denn etwas über die Tochter des Bauern herausgefunden?« »Ich steh' mit einer Münchner Anwaltskanzlei in Verbindung«, erklärte er. »Dr. Remmler, so heißt der Anwalt, geht den Hinweisen nach. Viel ist's ja net, was wir über den Verbleib der Katharina Ahringer wissen, aber er hat mir doch Hoffnung gemacht, daß er herausfinden könnt', wohin sie seinerzeit verschwunden ist.« Der Knecht machte eine einladende Handbewegung. »Kommen S' doch ins Haus«, sagte er. »Ich koch' uns einen Kaffee und einen Kuchen hab' ich auch gebacken.«
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Seitenzahl: 125
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»Grüß dich, Florian. Wie schaut’s aus?«
Der junge Knecht zuckte die Schultern.
»Na ja, Hochwürden, ich kann net klagen«, antwortete er. »Die Arbeit geht recht gut von der Hand, nur abends ist’s ein bissel einsam hier oben.«
Sebastian Trenker nickte verstehend.
»Ich hoff’, daß sich dieser Zustand bald ändert«, sagte er zuversichtlich.
Florian Brandtner sah ihn erwartungsvoll an.
»Haben S’ denn etwas über die Tochter des Bauern herausgefunden?«
»Ich steh’ mit einer Münchner Anwaltskanzlei in Verbindung«, erklärte er. »Dr. Remmler, so heißt der Anwalt, geht den Hinweisen nach. Viel ist’s ja net, was wir über den Verbleib der Katharina Ahringer wissen, aber er hat mir doch Hoffnung gemacht, daß er herausfinden könnt’, wohin sie seinerzeit verschwunden ist.«
Der Knecht machte eine einladende Handbewegung.
»Kommen S’ doch ins Haus«, sagte er. »Ich koch’ uns einen Kaffee und einen Kuchen hab’ ich auch gebacken.«
Der Geistliche folgte der Einladung und trat ein. Dabei kam er nicht umhin, zu bewundern, wie gut Florian Brandtner den Hof und das Bauernhaus in Schuß hielt. Überall sah es aufgeräumt aus, und der Boden der Diele glänzte.
»Du bist ja ein richtiger Hausmann«, lobte er den Burschen.
Florian errötete.
»Ach, wissen S’, so schwer ist’s auch wieder net, Ordnung zu halten«, meinte er. »Und wenn man ein bissel was vom Haushalt versteht, dann macht’s sogar Spaß.«
»Also davon verstehst’ jedenfalls ’was!«
Der Bergpfarrer folgte dem Knecht in die Küche. Auch hier herrschte peinliche Sauberkeit. Während Sebastian sich setzte, schaltete Florian die Kaffeemaschine ein und schnitt den Kuchen an.
»Sehr gut«, sagte Sebastian nach dem ersten Bissen. »Der könnt’ ja glatt von meiner Frau Tappert sein.«
»Glauben S’ denn, daß die Katharina Ahringer überhaupt zurückkommen will?« fragte Florian.
»Ich hoff’ es sehr. Aber natürlich weiß ich’s net.«
Der gute Hirte von St. Johann trank nachdenklich einen Schluck Kaffee. Die Frage, die der Knecht ihm eben gestellt hatte, beschäftigte ihn seit dem Tag, vor drei Wochen, an dem Urban Ahringer, der Besitzer des Hofes, verstarb.
Noch auf dem Sterbebett flehte er Pfarrer Trenker an, nach seiner Tochter zu suchen, die vor vielen Jahren davongelaufen, und bis zum heutigen Tag nicht zurückgekehrt war.
Selbstverständlich schlug der Seelsorger dem Sterbenden diese Bitte nicht ab. Im Nachlaß des Bauern fanden sich ein paar Briefe, die Urban an Katharinas neue Adresse geschrieben hatte. Sie waren sämtlich mit dem Vermerk »Annahme verweigert« zurückgekommen.
Sebastian las die Briefe nicht, aber er nahm sie mit ins Pfarrhaus, wo sie nun auf die Empfängerin warteten. Die Anschrift auf den Umschlägen war jedenfalls ein wertvoller Hinweis auf den möglichen Aufenthaltsort der Verschwundenen. Sofern sie immer noch in München wohnte. Erste Versuche, die Tochter des Ahringerbauern dort zu finden, scheiterten indes. Ein an diese Adresse gerichteter Brief kam zurück. Der Zusteller hatte darauf vermerkt, daß die Empfängerin dort nicht bekannt sei.
Pfarrer Trenker nahm daraufhin Kontakt zu einem Münchner Rechtsanwalt und Notar auf, und beauftragte Dr. Remmler, nach Katharina Ahringer zu suchen.
»Ich freu’ mich jedenfalls, daß du dich entschieden hast, auf dem Hof zu bleiben«, sagte Sebastian zu dem jungen Knecht. »Ich bin sicher, daß Katharina Ahringer dich behalten wird, wenn sie erst einmal da ist.«
Florian Brandtner nickte.
»Das tät’ mich freuen. Ich bin gern hier. Die Arbeit macht Spaß, und mit einer neuen Herrin kommt vielleicht auch ein bissel neuer Schwung ins Haus.«
»Hoffen wir also, daß es net mehr all zu lang’ dauert, bis wir von dem Rechtsanwalt hören«, meinte er und reichte Florian Brandtner die Hand zum Abschied.
Während er ins Tal hinunterging, dachte er, wie so oft in den letzten Wochen, an Kathie Ahringer. Fünfundzwanzig Jahre war es jetzt her, daß sie damals verschwand. Wie so oft, waren Vater und Tochter verschiedener Meinung über das Leben auf einem Berghof gewesen. Nach dem Tod seiner Frau hatte sich Urban Ahringer in ein Schneckenhaus verkrochen. Es schien, als käme er niemals über diesen schweren Verlust hinweg. Kathie mußte die Arbeitskraft der Mutter in Haus und Hof ersetzen und wenn sie einmal aufbegehrte, hagelte es Vorwürfe vom Vater. Die beiden lebten sich immer mehr auseinander, bis das Madel schließlich die Konsequenzen zog und einfach fortging.
Lange Zeit hörte der alte Urban nichts über den Verbleib seiner Tochter, bis eines Tages durch einen Zufall ans Licht kam, daß Kathie in München wohnte. Eine junge Frau aus dem Wachnertal, Christel Hirchler, die mit Bekannten zum Oktoberfest nach München gefahren war, erkannte in einer der Bedienungen im großen Festzelt, Katharina Ahringer wieder. Sie schlug sich eher schlecht als recht durch und schien nicht das große Glück gefunden zu haben.
Indes war sie mit ihrem jetzigen Leben zufriedener, als sie es auf dem väterlichen Hof gewesen war, und zurückkehren wollte sie auf keinen Fall, wie Christel in St. Johann berichtete.
Kathie hatte ihr die Anschrift verraten, und die beiden Frauen schrieben sich eine ganze Weile, bis der Kontakt schließlich wieder abbrach. Jedenfalls erfuhr Urban Ahringer so doch noch etwas über seine Tochter und versuchte seinerseits, mit ihr in Verbindung zu treten.
Dies alles hatte Sebastian Trenker in der letzten Stunde, die der Bauer noch auf Erden weilte, erfahren. Leider konnte er damit nichts mehr anfangen, denn Katharina Ahringer wohnte nicht mehr unter dieser Adresse.
Als der Bergpfarrer zu Hause ankam, erwartete ihn eine Nachricht aus München.
»Dr. Remmler hat sich gemeldet, Hochwürden«, berichtete Sophie Tappert. »Sie möchten so bald wie möglich zurückrufen.«
Sebastian nickte und ging in sein Arbeitszimmer. Die Telefonnummer der Kanzlei stand auf einem Zettel, der neben dem Apparat lag. Der Geistliche wählte und wartete, bis jemand am anderen Ende abnahm. Endlich hörte er die Stimme einer Mitarbeiterin des Anwalts und bat darum, mit Dr. Remmler verbunden zu werden. Der meldete sich gleich darauf.
»Ich grüße Sie, Pfarrer Trenker«, rief er durch das Telefon.
»Ich grüße Sie ebenfalls, Herr Doktor. Meine Haushälterin sagte mir, daß Sie um einen Rückruf baten. Haben S’ was herausgefunden?«
»Ja, das hab’ ich in der Tat«, erwiderte der Anwalt. »Allerdings ist’s keine gute Nachricht. Frau Katharina Ahringer lebt net mehr. Sie ist vor vier Jahren, hier in München, verstorben.«
*
Sebastian schluckte. Das war wirklich alles andere als eine gute Nachricht.
Was sollte jetzt aus dem Hof werden? Und aus Florian Brandtner, dem Knecht, der sich so aufopfernd darum gekümmert hatte, seit der Bauer verstorben war?
»Wissen Sie Genaueres?« erkundigte sich der Geistliche. »Gibt’s vielleicht Kinder, die sie hatte? Oder einen Mann?«
»Ja, es gibt schon einiges, was wir über die Verstorbene in Erfahrung bringen konnten«, hörte er Dr. Remmler sagen. »Sie war wirklich verheiratet und hieß zuletzt Hofmeister. Das war der Name ihres Mannes, der aber leider auch net mehr lebt. Außerdem gibt es Hinweise darauf, daß die Eheleute Hofmeister eine Tochter hatten, von der aber niemand weiß, wo sie jetzt lebt.«
»Eine Tochter? Glauben S’, daß man herausfinden könnt’, was aus ihr geworden ist? Wissen S’ vielleicht einen Namen?«
»In der Tat. Das Mädchen soll Angela heißen«, antwortete der Anwalt. »Wir arbeiten jetzt daran, etwas über den Aufenthaltsort herauszufinden. Jedenfalls steht’s fest, daß sie net in München gemeldet ist.
Aber machen S’ sich jetzt darüber noch keine Gedanken, Hochwürden. Heut’ abend treff’ ich mich in meinem Klub mit dem Chefarzt des Krankenhauses, in dem die Katharina Ahringer – oder vielmehr Hofmeister – verstarb. Ich werd’ die Angelegenheit dringend machen und ihn bitten, in den Unterlagen nachsehen zu lassen, wo die Frau zuletzt gemeldet war. Vielleicht kommen wir über diesen Weg weiter. Ich halt’ Sie auf jeden fall auf dem laufenden.«
»Dafür dank’ ich Ihnen jetzt schon, Herr Dr. Remmler«, sagte Sebastian und beendete das Gespräch.
Nachdenklich lehnte er sich in seinem Sessel zurück.
Die Tatsache, daß Katharina Ahringer nicht mehr lebte, veränderte die Situation natürlich gänzlich. Noch immer hatte er dieses hübsche junge Madl vor Augen, als das Kathie seinerzeit fortgegangen war. Jetzt mußte er sich an den Gedanken gewöhnen, daß er sein einstiges Pfarrkind niemals wiedersehen würde.
Warum mochte sie wohl so jung – sie war ja kaum älter als Mitte vierzig – verstorben sein? War sie krank gewesen oder hatte sie einen Unfall?
Darüber würde er bestimmt mehr erfahren, wenn der Anwalt mit dem Arzt gesprochen hatte. Indes gab es ein neues Problem. Kathie soll eine Tochter hinterlassen haben, die nun ihrerseits spurlos verschwunden war.
Wo sollte man nach ihr suchen?
Auf den ersten Blick war es eine schier unlösbare Aufgabe. Doch Sebastian Trenker wäre nicht der Mann gewesen, als den seine Schäfchen ihn kannten, wenn er gleich die Flinte ins Korn geworfen hätte.
Probleme sind dazu da, angepackt und gelöst zu werden, war seine Devise. Und bisher hatte der gute Hirte von St. Johann es immer noch geschafft, auch wenn die Situation so aussichtslos war, wie jetzt gerade.
Sophie Tappert rief zum Abendessen, und Sebastian begrüßte seinen Bruder, der gleich nach Dienstschluß herübergekommen war. Während sie am Küchentisch saßen, wo die Woche über immer gegessen wurde, war die Geschichte um den verwaisten Ahringerhof natürlich Hauptthema der Unterhaltung.
»Du liebe Zeit«, rief Max aus, »da gibt’s ja unzählige Möglichkeiten, wo das Madl stecken könnt’. Wie will der Dr. Remmler das bloß herausfinden?«
»Natürlich ist die Sache net einfach«, gab Sebastian zu. »Aber warten wir erst einmal ab, was die Recherchen des Anwalts ergeben. Noch hab’ ich die Hoffnung, daß das Madl gefunden wird.«
»Und dann? Was ist, wenn die Angela Hofmeister den Bauernhof ihres Großvater gar net haben will?« fragte der Polizeibeamte. »Schließlich hat sie ja auch nie den Kontakt zum Urban gesucht. Genauso wenig wie ihre Mutter. Weder zu deren Lebzeiten, noch nachdem die Kathie gestorben war.«
»Ich weiß«, nickte der Geistliche. »Darüber hab’ ich mir auch schon meine Gedanken gemacht. Möglicherweise ahnt sie gar net, daß es da noch Verwandtschaft mütterlicherseits gab. Immerhin hat die Kathie sich nie wieder bei ihrem Vater gemeldet. Vielleicht hat sie der Tochter verheimlicht, daß er noch lebt. Über die Gründe wissen wir nix, aber ich bin sicher, sie wird welche gehabt haben.«
Sebastian legte sein Besteck aus der Hand.
»Ich hab’ mir da was überlegt«, erklärte er. »Wenn Dr. Remmler über diesen Arzt etwas herausfindet, werd’ ich nach München fahren und die Sache selbst in die Hand nehmen. Ich möcht’ net, daß das Madl über einen Anwalt etwas von der ganzen Angelegenheit hört. Das ist so schrecklich formell, dabei gibt’s doch wahrlich Dinge zu bereden, die man net in einem anwaltlichen Schreiben abhandeln kann.«
»Kannst’ denn fort?« fragte Max.
»Ich denk’ schon, daß ich’s einrichten kann«, nickte sein Bruder. »In den nächsten Tagen steht net so viel an, außerdem kann Vikar Moser einspringen.«
Die Idee, nach München zu fahren, war Sebastian Trenker nach dem Telefonat gekommen. Sollte der Anwalt wirklich einen Anhaltspunkt bekommen, würde er natürlich einen Brief aufsetzen, sobald er die Anschrift von Angela Hofmeister herausgefunden hatte. Während seiner Überlegungen war der Geistliche mehr und mehr zu der Ansicht gelangt, daß es in der Angelegenheit doch um mehr, als die nüchterne Mitteilung ging, die junge Frau habe geerbt. Schließlich gab es hier ein Familiendrama, dessen Ursache bis heute nicht ganz geklärt war, und für Angela Hofmeister mußte es einem Schock gleichkommen, so plötzlich zu erfahren, daß bis vor kurzem noch ein Verwandter ihrer Mutter lebte, von dem sie nichts geahnt hatte, weil niemand mit ihr darüber gesprochen hatte.
Es war kurz nach dreiundzwanzig Uhr, als Dr. Remmler sich noch einmal meldete.
»Entschuldigen S’ die späte Störung, Hochwürden«, bat er. »Aber ich komm’ jetzt erst nach Haus’. Wissen S’, die Sitzungen im Klub dauern immer recht lang’, und ich bin anschließend gleich mit Dr. Granzinger ins Krankenhaus gefahren.«
»Das macht gar nix, Herr Doktor«, erwiderte Sebastian. »Im Gegenteil, ich hab’ auf Ihren Anruf gewartet. Aber jetzt spannen S’ mich net länger auf die Folter. Haben S’ etwas erfahren können?«
»Ja. Wie gesagt, sind mein Klubkollege und ich noch am Abend im Krankenhaus gewesen. Die Angelegenheit hat dem alten Granzinger keine Ruhe gelassen, nachdem ich ihm davon erzählte. Ich hab’ jetzt die Adresse, unter der Katharina Hofmeister zuletzt gemeldet war, und morgen früh laß ich gleich nachforschen, ob ihre Tochter dort noch wohnt oder ob uns jemand etwas über deren Verbleib sagen kann.«
»Genau dies net zu tun, möcht’ ich Sie bitten, Dr. Remmler«, sagte Sebastian. »Ich komm’ morgen selbst nach München und werd’ Sie am Nachmittag in Ihrer Kanzlei aufsuchen. Ich erklär’ Ihnen dann, warum ich mich persönlich darum kümmern will.«
»Das soll mir recht sein, Hochwürden«, erwiderte der Anwalt. »Bis morgen dann. Ich freu’ mich darauf, Sie persönlich kennenzulernen.«
»Gute Nacht«, sagte Sebastian und legte auf.
*
»Wer ist da?« fragte Richard Anzinger verblüfft, als seine Sekretärin ihm den Besucher ankündigte. »Herein mit ihm!«
Der Münchner Kaufmann sprang auf und eilte zur Tür seines Büros, die sich im selben Moment öffnete.
»Hochwürden, das ist aber eine Freud’!« sagte er strahlend. »Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?«
»Grüß Sie Gott, Richard«, erwiderte Sebastian Trenker und schüttelte die dargebotene Hand. »Entschuldigen S’ den Überfall. Ich bin in aller Frühe losgefahren und konnt’ vorher net mehr anrufen.«
Richard Anzinger deutete auf die gemütliche Besucherecke, in der ein kleiner Tisch und bequeme Sessel standen.
»Setzen S’ sich erst einmal. Was darf ich Ihnen anbieten? Kaffee vielleicht?«
»Ein Kaffee wäre jetzt wunderbar«, nickte der Seelsorger und nahm Platz.
Der Kaufmann ging an seinen Schreibtisch und drückte die Taste der Gegensprechanlage.
»Bringen S’ uns bitt’ schön zwei Kaffee«, bat er seine Sekretärin. »Und dann bin ich erstmal net mehr zu sprechen.«
»Wie geht’s Maria?« erkundigte sich Sebastian, bevor er auf den Grund seines Besuches zu sprechen kam.
Richard hatte sich ihm gegenüber gesetzt.
»Danke gut«, antwortete er. »Sie ist übrigens daheim. Sie haben doch Zeit, heut’ mittag mit uns zu essen? Maria wird sich riesig freuen, Sie zu sehen.«
Er schmunzelte.
»Eine Ablehnung der Einladung wird net akzeptiert«, fuhr er fort. »Maria würd’s mir nie verzeih’n, wenn ich ihr erzähl’, daß Sie in München sind, und ich Sie net mit nach Haus gebracht hab’.«
Die bekannte Sängerin Maria Devei und Richard Anzinger waren seit ein paar Jahren verheiratet. Daß es zu dieser glücklichen Verbindung kam, war ein Stückweit das Verdienst des guten Hirten von St. Johann.
Richard hatte während einer Zugfahrt im selben Abteil wie die attraktive Sängerin gesessen. Ohne zu wissen, wer diese Frau ist, hatte er sich in sie verliebt und war ihr bis in das kleine Alpendorf gefolgt wohin Maria sich, in dem Glauben todkrank zu sein, zurückgezogen hatte.
Die Krankheit stellte sich zum Glück als fataler Irrtum heraus, der durch Sebastian Trenker und Toni Wiesinger, dem Dorfarzt, aufgeklärt werden konnte. Seit jener Zeit verband diese Menschen eine herzliche Freundschaft. Es geschah nicht oft, daß man sich sah, doch wenn es geschah, waren diese Treffen immer ein Anlaß zur besonderen Freude.
Besonders dann, wenn auch Wolfgang Winkler daran teilnehmen konnte, der als gefragter Fotograf in der Welt umherreiste.
»Also, was führt Sie nach München, Hochwürden?« fragte Richard Anzinger.
»Ich bin auf der Suche nach einer jungen Frau«, erklärte Sebastian. »Aber das ist eine längere Geschichte.«
Die Sekretärin hatte mittlerweile den Kaffee gebracht, und die beiden Männer waren ungestört.