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Grausame GrenzeDan Oakland stößt auf Siedler, die mitten im Blackfoot-Gebiet eine Stadt errichtet haben. Die Indianer planen den Tod aller Bewohner. Die Stadt soll zerstört werden.HalbblutIndianerfrauen werden entführt, um sie als Sklavinnen in den Städten der Weißen zu verkaufen. Dan Oakland nimmt den Kampf gegen die Sklavenjäger auf.
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Seitenzahl: 259
Dan Oakland Story
In dieser Reihe bisher erschienen
4301 U. H. Wilken Lockruf der Wildnis
4302 U. H. Wilken Teufelsbrigade
4303 U. H. Wilken Die Feuertaufe
4304 U. H. Wilken Der weiße Büffel
4305 U. H. Wilken Das Aufgebot des Bösen
4306 U. H. Wilken Grausame Grenze
4307 U. H. Wilken Omaha-Marter
4308 U. H. Wilken Blutige Säbel
U. H. Wilken
Grausame Grenze
Der Text wurde anhand der Originalmanuskripte des Autors sorgfältig überarbeitetet und um bisher unveröffentlichte Textpassagen ergänzt. Der Abdruck erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung von Detlef Wilken.
Dieses Buch enthält die Einzelromane:
Grausame GrenzeHalbblut
Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Alfred WallonTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerVignette: Wiktoria Matynia/123RF.comSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-085-7Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!
Dan Oakland war vom Zauber der Prärie gefangen. In weichen Wellen wogte das grüne Grasmeer gen Westen, wo es in das Türkisblau des Himmels mündete.
Die Sonne stand tief und war goldgelb gefärbt.
Der Mann der rauen Berge genoss den abendlichen Frieden.
Dahinein peitschten Schüsse. Schrille Schreie antworteten.
Indianer! durchfuhr es Dan.
Mit einem Satz war er im Sattel und gab dem Pferd die Sporen. Es preschte nach Westen in das Abendrot hinein.
Schüsse und Schreie kamen von halbrechts. Dort schlossen dunkelblaue Höhenzüge die Prärie ab.
Dan beugte sich weit im Sattel vor. Das Pferd streckte sich und hämmerte im rasenden Galopp das Grasland. Es hinterließ im weiten Bogen eine schmale Spur.
Hier war irgendwo die Frontier Line, die Siedlungsgrenze. Auf dem Papier war es ein dicker Strich, der zwischen Weiß und Rot ausgehandelt worden war. Aber hier in der Prärie war die Grenze unsichtbar. Und sie wanderte immer weiter nach Westen. Die weißen Siedler schoben sie vor sich her. Die Indianer wollten sie aufhalten. Aber die Weißen waren zahlreicher und besser bewaffnet.
Dan Oakland hielt an. Schüsse und Schreie waren verstummt.
Seine Augen suchten die Konturen der Höhenzüge ab. Sie fanden kein Zeichen, das erkennen ließ, woher vor Minuten noch der Kampflärm gekommen war.
Da kringelte hinter einem Berggrat ein dunkler Faden empor, der bald zu einer dunklen Wolke wuchs. Dan ritt darauf zu.
Dick und schwarz schob sich der Rauch vor den nun flammenden Abendhimmel. Dabei blieb es totenstill.
Dan lenkte das Pferd zu einem Wildpfad, der im Zickzack nach oben führte.
Auf dem Grat hielt er an und sah in das Tal hinab, aus dem die schwarze Rauchwolke aufquoll.
Da unten war einmal eine Siedlung gewesen. Dan Oakland hatte sie noch nie besucht. Sie musste ziemlich neu sein. Zwischen Fichten waren Blockhäuser aufgebaut worden. Sie waren im Rauch kaum noch zu ahnen. In den Fichten loderten hie und da noch Flammen. Die Häuser waren nur noch glosende Trümmer.
Dan horchte auf. Da war doch eine Stimme gewesen, hoch und weinerlich. Eine Frau? Ein Kind?
Es musste noch etwas zu retten geben. Dan trieb das Pferd an und überließ es ihm, über Stock und Stein einen Weg ins Tal zu finden.
Als er die Talsohle erreichte, war die Sonne untergegangen. Am dunklen Himmel zeigten sich schon die ersten Sterne.
In verkohlten Wagenwracks knackte noch verglühendes Holz. Dan lauschte. Keine Menschenstimme. Er zwang das Pferd in die Rauchwand hinein.
Als sich der Rauch lichtete, sah Dan drei erschlagene Kinder. Ein kleines Mädchen hielt seine Stoffpuppe noch im Arm.
Die Männer waren ausnahmslos skalpiert worden. Den Toten waren die Kleidungsstücke vom Leib gerissen worden. Viele Tote waren verstümmelt.
In den Fensterlöchern einer Blockhütte, deren Dach niedergebrannt war, hingen tote Männer. Einer hielt auch noch im Tod seine Flinte umklammert. Wenn Dan nur flüchtig hinsah, konnte er glauben, dass sie noch lebten. Die Indianer hatten drei Männern die Filzhüte wieder auf die skalpierten Schädel gestülpt.
Überall gab es abgebrochene Pfeile und zersplitterte Lanzen, nirgendwo aber tote Indianer. Die Krieger hatten ihre Gefallenen mitgenommen.
Der Nachtwind blätterte in den versengten Seiten einer Bibel. Das Geräusch des raschelnden Papiers vermischte sich mit dem leisen Knacken und Fauchen der Flammen in den schwelenden Trümmerhaufen der Hütten.
Reglos stand das Pferd unter Dan.
Aus verkniffenen steingrauen Augen blickte er umher. Er atmete schwer. Er kannte keinen einzigen Mann unter den Toten.
Steif stieg er aus dem Sattel und beugte sich über einen der Skalpierten. Der Körper des Mannes war mit Pfeilen gespickt.
Blackfeet hatten den Tod gebracht.
Dan ging mit schweren Schritten weiter und zog das Pferd am Zügel hinter sich her.
An einem Baum stand ein verkohlter männlicher Körper. Lederfesseln hingen verschmort um seine Lenden.
An den stark hervortretenden Backenknochen erkannte Dan, dass der Tote ein Indianer war. Vor dem Baum lagen Wolfszähne, die der Indianer an einer Lederschnur am Hals getragen hatte.
Die Siedler hatten einen Späher hingerichtet. Die Blackfeet hatten sich grausam gerächt.
Das Gras war schwarz geworden, die kleinen Felder abseits der Siedlung verwüstet. Noch immer glühten manche Fichten. Aus den Baumstümpfen der Laubbäume stiegen glühende Funken.
Dan Oakland ritt davon.
Warm strich der Nachtwind über die Prärie.
In einer Mulde kauerte zu einem Lagerfeuer der Trapper Dan Oakland.
Dösend stand sein Pferd abseits. Die Mähne flatterte im Wind. Das Tier ließ die Unterlippe hängen und hielt den Kopf fast waagerecht ausgestreckt. Es schlief im Stehen.
Plötzlich zuckten die Halssehnen des Tieres. Es hob den Kopf und witterte in den Wind.
Es schnaubte leise.
Sofort griff Dan nach der Long Rifle.
Er konnte nichts hören, was auf eine Gefahr hindeutete.
Geduckt glitt er aus der Mulde und blieb hinter einem dichten Strauch stehen, spähte über die Prärie und entdeckte weitab drei Feuer, die wie rote Augen durch die Nacht glühten.
Indianerfeuer.
Dan schlich gegen den Wind über die Prärie. Das hohe Gras gab ihm Deckung.
Er wusste nur zu gut, was er von den Blackfeet zu erwarten hatte.
Sie waren wegen ihrer Blutrünstigkeit gefürchtet. Sie schwärmten ständig durch den weiten Westen und fielen über jeden Weißen her. Ihr Leben war ein einziger Kampf gegen die Weißen und die Rothäute, die den Frieden suchten.
Jeder Krieger dieses Stammes wollte im Kampf sterben. Ihre geheimnisvollen Riten steigerten sich in nächtlichen Stunden zu mordgierigen Racheschwüren.
Dunkle, kehlige Laute drangen Dan entgegen.
Er ließ sich im Gras nieder und kroch näher.
Schließlich lag er still und flach auf der Erde und konnte alle Indianer sehen. Ihre Gesichter waren mit Kriegsfarben bemalt. In den dunklen Augen spiegelte sich die Glut der Feuer. Bläulich glänzten die langen schwarzen Haare, die glatt auf die bloßen Schultern fielen. Die Körper, nur mit Lendenschurz und Mokassins bekleidet, glänzten vom Büffelfett.
Die Krieger sprachen miteinander.
Dan Oakland konnte manches Wort verstehen. Er hatte schnell gelernt. In der Wildnis war es lebensnotwendig, die Sprache der Menschen und Tiere zu beherrschen.
Der Anführer der Gruppe war ein junger Blackfoot.
Seine hohe Stirn verriet die Intelligenz. In den tiefliegenden Augen glühte ein starker Wille. Eine riesige, breite Narbe führte quer über die Brust. Sie musste von einem Säbelhieb herrühren. Wahrscheinlich war er einem Kavallerieoffizier zu nahegekommen. Sicher lebte dieser Offizier nicht mehr, da der Blackfoot hier saß und nicht irgendwo entseelt auf einem Schlachtfeld lag.
Die Krieger sprachen ihn mit einem langen Namen an. Die Algonkin-Sprache war nicht leicht zu verstehen.
Sie nannten ihn „Tapferer Bruder mit den Augen des Adlers, der alle Bleichgesichter tötet“.
Töter des weißen Mannes.
White Man Killer.
Der junge Häuptling sprach zu ihnen und bewegte dabei nur knapp und genau abgezirkelt die Hände, unterstrich damit seine Worte. Er verkündete den Tod aller Weißen auf der Prärie, in den Flussniederungen, an den großen Strömen und in den Tälern der Rocky Mountains.
Dan lauschte angespannt.
„Wir werden aufbrechen und einen weiten Weg zurücklegen“, verkündete White Man Killer. „Meine Brüder werden mir folgen bis dorthin, wo der Tag endet, und das Licht schwindet. Bleichgesichter bauen Wigwams aus Holz. Sie werden sterben.“
Zustimmend murmelten die Krieger.
Abseits standen die Ponys mit flatternden Mähnen. Manche trugen sattelähnliche Gestelle, andere nur Decken oder Feile.
Die Indianer sprachen weiter. Dan verstand sehr viel.
Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er wagte nicht, noch länger hier auszuharren und zu lauschen. Vorsichtig schob er sich zurück, richtete vor sich das Gras wieder auf und verwischte so seine Spur.
In der Mulde angekommen, nahm er einen großen Schluck Wasser aus der Flasche und atmete erleichtert auf.
Er musste weiter und die Siedler warnen, die irgendwo im Westen Blockhäuser bauten.
Als er aufbrechen wollte, hörte er im Wind Hufgetrappel.
Sofort zwang er sein Pferd, sich hinzulegen, rannte zur Glut und zerstampfte sie. Er starrte über die weite Prärie.
Noch immer glühten die Feuer.
Und noch immer hoben sich die Indianer als Silhouetten vor dem Feuerschein ab.
Drei Krieger kamen auf Ponys näher.
White Man Killer hatte sie als Späher vorausgeschickt.
Dan musste befürchten, entdeckt zu werden. Sie kamen genau auf ihn zu.
Er atmete ganz ruhig. Immer wenn die Gefahr am größten war, wurde er kalt wie Eis.
Die doppelläufige Hawken Rifle hatte zwei Schuss. Den dritten Indianer konnte er mit dem Messer oder seinem Tomahawk überwältigen. Doch die Schüsse würden die Blackfeet an den Lagerfeuern hochjagen, und alle wären hinter ihm her wie losgelassene Bluthunde.
Kehlige Stimmen wehten heran.
Deutlich zeichneten sich die drei Indianer vor dem Nachthimmel ab. Die Federn im Haar wippten im Reitwind.
Zum Glück hatte der Wind den letzten schwachen Rauch von Dans Lagerfeuer weggetrieben, damit auch den verräterischen Brandgeruch. Die Blackfeet konnten nichts riechen, denn sie kamen mit dem Wind.
Manchmal dachte Dan, dass es vielleicht doch besser für ihn wäre, einmal für längere Zeit in einer Stadt zu leben, um nicht ständig auf der Hut sein zu müssen.
Aber jedes Mal sagte er sich auch, dass er dieses freie Leben in der Wildnis zu sehr liebte, die Gefahr und die Bewährung in harten und einsamen Stunden geradezu suchte.
Dan hielt die Hawken bereit.
Die Reiter lachten leise.
Geschmeidig saßen sie auf den Ponys, bewaffnet mit Pfeil und Bogen, lautlosen Waffen, gefährlich für jeden Weißen.
Plötzlich verhielten sie.
Hatten sie ihn entdeckt?
Still sahen sie herüber. Dan hatte das Gefühl, dass sie ihm genau ins Gesicht starrten.
Einer stieß einen dumpfen Laut aus. Die anderen beiden ließen leise Grunztöne hören.
Dan legte den Finger an den Abzug und hob die Long Rifle hoch. Der Lauf war auf einen der Blackfeet gerichtet. Zu jeder Sekunde konnten Feuer und Blei den Lauf verlassen. Peinlich genau hatte Dan darauf geachtet, dass der Tau an den Gräsern nicht das Pulver nässte. Ein Gewehr, das versagte, war nur so viel wert wie ein Knüppel.
Noch immer starrten die Späher zu ihm herüber, aber sie zeigten keinen Hass und keine Feindschaft.
Sie konnten ihn unmöglich entdeckt haben.
Sonst würden sie mit schrillen Schreien entweder davonjagen oder angreifen.
Sie schienen verzückt zu sein.
Vorsichtig drehte Dan sich etwas zur Seite und spähte in die Prärie hinaus.
Da sah er, was die drei Indianer so sehr verzückte.
In der Ferne zog eine riesige Büffelherde langsam über die Prärie, mehr als viertausend massige Tiere.
Ein einziger Büffel konnte eine Familie durch den Winter bringen. Sieben Indianer konnten sich vier Monate vom Fleisch und Fett eines Büffels ernähren.
Langsam ritten die drei Späher an und beobachteten die Büffelherde. Sie konnten nicht den Blick von den großen Tieren lösen, ritten an der Mulde vorbei und entdeckten Dans Pferd dort unten nicht.
Dan sah ihnen erleichtert nach.
Sie verschwanden in der Ferne.
Die anderen Krieger lagerten immer noch.
Im Morgengrauen, als der Tau zu Nebel wurde, zog Dan sich zurück und folgte der Spur der Späher.
Sie führte ihn über die Prärie auf die Mountains zu.
Die Sonne hatte den Zenit schon längst überschritten, und die drei Schwarzfußindianer hatten immer noch keine Spur von dem Lager der Bleichgesichter gefunden, das ihr Häuptling in diesen Bergen vermutete.
Die Ponys trabten auf den schmalen Pfaden, die das Wild ausgetreten hatte. Ihre Reiter ließen sie vor sich hinlaufen. Sie hatten alle Sinne angespannt, damit ihnen auch der leiseste Hauch einer Spur nicht entging.
Endlich hob der vorderste Reiter die Hand. Sie hielten und lauschten.
Zwischen den Bergen hallte das Echo von Axtschlägen wider.
Die Späher saßen ab und zogen die Ponys hinter sich her.
Die Geräusche wurden lauter. Stimmen mischten sich ein.
Die Blackfeet brachten die Pferde in ein Versteck.
Lautlos krochen sie durch das dichte Unterholz und bekamen bald die Männer zu sehen, die Bäume fällten und schälten.
Andere griffen die Stämme auf und zerrten sie über einen Abhang zu Tal.
Die drei Späher folgten ihnen, bis sie auf einem vorspringenden Felsen eine Aussichtsplatte fanden, von der aus sie das Treiben im Tal beobachten konnten.
Da unten entstand eine neue Siedlung. Die Zelte, in denen die Siedler die erste Zeit gehaust hatten, waren schon fast alle verschwunden. Eine Hütte nach der anderen wurde unter Dach gebracht. Aus manchem Kamin stieg schon Rauch auf.
Auf den freien Hängen zogen Ochsen schon die Pflüge.
Inmitten der Hütten war ein freier Platz ausgespart. Wagen wurden herangebracht und hielten an vor einem größeren Holzhaus. Das hatte eine breite Tür, über der sich ein Turm erhob mit einem spitzen Dach und einem Kreuz. Die Blackfeet wussten, dass das etwas mit dem Manitu der Weißen zu tun hatte.
Auf einem der Wagen stand ein eiserner Topf. Die Rothäute begriffen nicht, warum die Weiber und Kinder zusammenliefen und den Wagen mit dem Topf umdrängten. Ein Mann in einem dunklen Rock und mit einem schwarzen Hut stieg auf den Wagen, stellte sich neben den Topf und redete laut. Dann fing er an zu singen, und die Frauen und Kinder stimmten mit ein.
Einer der Blackfeet gab seinen Begleitern ein Zeichen, sich zurückzuziehen. Er selber robbte noch weiter vor, um alles genau beobachten zu können.
Er begriff zwar nicht, was da unten geschah. Er wusste nicht, was eine Glocke war und was die Weißen mit so einem Topf machen. Aber er war dankbar, dass sie alle daran interessiert waren. Denn jetzt kamen aus den Häusern und von den Feldern auch die Männer hinzu. Damit hatte der Blackfoot die beste Gelegenheit, die Zahl der Siedler genau festzustellen.
Er zog ein weiches Stück Antilopenleder hervor und breitete es vor sich am Boden aus. Dann griff er nach hinten, wo auf dem Rücken der Köcher mit den Pfeilen hing, packte einen Pfeil und stieß mit der Spitze kleine Löcher in das Leder. Dabei starrte er unentwegt auf die Bleichgesichter im Tal.
Jedes Loch, das er in das Leder stieß, bedeutete ein Leben. So zählte der Indianer die weißen Männer.
Es dauerte lange, bis er die Zählung beendete.
Endlich konnte er den Pfeil in den Köcher zurückschieben. Er barg das Leder wieder im Mokassin, flüsterte ein paar Worte und zog sich lautlos zurück.
Die beiden anderen blieben liegen und spähten weiterhin in das Tal, wo sich der Abenddunst mit dem Herdrauch vermischte.
Geduckt schnellte der Blackfoot zurück und erreichte die drei Ponys, schwang sich auf sein Pferd und ritt davon, um seinem Häuptling die Nachricht zu überbringen.
Dan Oakland hatte die Spur der drei Späher bald gefunden. Er hoffte, sie würden ihn zum Lager der Blackfeet bringen. Nur wenn er die Stärke des Stamms kannte, konnte er entscheiden, was zum Schutz der Siedler zu unternehmen war.
Nach den Gesprächen, die er in der Nacht am Lager des Häuptlings White Man Killer belauscht hatte, war es sehr gut möglich, dass es sich nur um eine kleine Gruppe von Kriegern handelte.
Dan war den Spähern ins Gebirge gefolgt. Er hatte sich sorgfältig zurückgehalten. Er wollte das Lager auch nicht vor Abend erreichen. In der Dämmerung würde er es ungestörter erkunden können als bei hellem Tageslicht, wenn alles auf den Beinen war.
Schon eine ganze Weile war es Dan so, als ob er von weither Arbeitslärm hörte. Irgendwer musste da Holz schlagen.
Er stieg aus dem alten brüchigen Sattel.
Unter den Bäumen war es schon so dunkel, dass Dan die Spur der Blackfeet nur mühsam erkennen konnte.
Der Arbeitslärm konnte nur zu einem Siedlerlager gehören. Indianer schlugen nicht so ausdauernd Holz. Sie hatten ihre Zelte und brauchten höchstens Zweige für das Lagerfeuer.
Dan war sich nicht klar darüber, wo er sich befand. War er noch auf der Spur der Späher? Oder befand er sich in der Nähe einer Siedlung?
Er wollte lagern, um sich Klarheit zu verschaffen.
Das Pferd stand gesattelt unter den Bäumen.
Reglos saß Dan mit untergeschlagenen Beinen wie ein Indianer am Rand der kleinen Lichtung.
Da hörte er das dumpfe und leise Trappeln eines Ponys.
Sofort riss er die Hawken an sich und schnellte zwischen die Bäume.
Das Hufgetrappel verstummte.
Wahrscheinlich hatte das Pony Dans Pferd gewittert und den Indianer gewarnt.
Dan musste sich auf alles gefasst machen.
Er konnte nicht sehen, wie der Blackfoot vom Pony glitt, wie er einen Pfeil aus dem Köcher zog und den Bogen von der Schulter nahm.
Schon bewegte der Indianer sich zu Fuß weiter, ließ das Pony zurück und schlich um die Bäume. Der Pfeil lag bereits auf dem Bogen.
Über den Bergen, Tälern und Ebenen stieg bleich der Vollmond empor und erhellte das Land. Unter den Bäumen herrschte Zwielicht, das alles unwirklich erscheinen ließ und die Konturen verzerrte.
Immer wieder glaubte Dan, einen Indianer entdeckt zu haben, doch jedes Mal war es eine Täuschung. Der Wind trieb sein Spiel mit den grauen Nebelschwaden, die aus dem weichen feuchten Waldboden aufstiegen.
Irgendwo schlugen die Schwingen eines Goldadlers durch die Dämmerung. Der Raubvogel strich hart über die Baumkronen hinweg.
Völlig reglos wartete Dan auf den Feind.
Am Hufschlag hatte er erkannt, dass es nur ein Pony und damit ein einzelner Indianer war, der sich näherte.
Doch auch ein einzelner Blackfoot konnte zur tödlichen Gefahr werden. Die Indianer waren Meister im lautlosen Heranschleichen. Sie konnten selbst mit verbundenen Augen lautlos und sicher ein Waldgebiet durchqueren, ohne irgendwo anzustoßen.
Die Zeit verging.
Dan wusste nicht, wie lange er schon wartete.
Seine Augen schmerzten vor Anstrengung. Die Anspannung zerrte in seinen Schultern.
Der Blackfoot musste schon in seiner Nähe sein, vielleicht hinter dem nächsten Baum oder Strauch.
Und dann schnellte der Indianer aus dem Dunkel hervor und ließ den Pfeil losschwirren.
Dan ließ sich fallen. Der Pfeil sirrte über ihn hinweg. Sekunden später spürte er den Indianer auf sich. Eine Hand krallte sich in sein Haar, ein Messer traf den Kolben der Hawken, die Dan vor den Körper hielt. Über Dan war das verzerrte Gesicht.
Mit ganzer Kraft ruckte er hoch.
Der Indianer riss ihm ein Büschel Haare aus und flog zur Seite. Wie eine Raubkatze wirbelte er herum und warf sich wieder auf Dan. Hart schlug Dan mit der Rifle zu. Der Blackfoot rutschte weg. Dan schob sich keuchend zur Seite und richtete sich auf, taumelte rücklings gegen einen Bum und atmete schwer.
Da griff der Indianer erneut an. Er wollte Dan das Messer in den Bauch jagen.
Dan machte einen Sprung zur Seite und entging knapp dem mörderischen Stoß. Knirschend bohrte sich das Messer in den Baumstamm. Hart riss der Blackfoot am Messer, zog es aus dem Holz und stand dann geduckt vor Dan.
Jetzt hätte Dan schießen können.
Doch er drückte nicht ab. Ein Schuss musste die beiden anderen Späher warnen und in die Flucht jagen.
Dan musste den Indianer bluffen. So wich er zurück, tat so, als würde er stolpern, ließ die Hawken fallen und stürzte auf den Rücken.
Der Blackfoot setzte sofort nach. Er wollte Dan mit dem Messer töten.
Im Nu schleuderte Dan den Tomahawk dem Indianer entgegen.
Leblos sank der Späher zu Boden.
Wenig später entdeckte Dan im Mokassin das Stück Leder. Er schob es unter seine lederne Fransenjacke. Dann begrub er den Indianer, verwischte die Spuren des Kampfes und suchte das Pony. Hart trieb er es davon. Langsam verlor sich der Hufschlag im Waldgebiet.
Zu Fuß setzte Dan den Weg fort und zog sein Pferd hinter sich her.
Eine halbe Meile von seinem alten Lagerplatz entfernt, legte er sich auf den Moosboden und schloss die Augen, entspannte sich im Halbschlaf. Jedes fremde Geräusch würde ihn sofort aufwecken.
Drei Stunden vor Tagesanbruch erhob er sich und ging weiter.
Die Spur des Ponys führte ihn durch die Wildnis.
Er wollte die Siedler warnen.
Die Morgensonne rötete den Himmel.
Dan Oakland hatte sein Pferd zurückgelassen. Mit angeschlagener Hawken schlich er um die Bäume. Durch die Kronen sickerte der Schein der aufsteigenden Sonne. Moos dämpfte seine Schritte.
Hallende Axtschläge zeigten ihm an, dass die Siedlung vor ihm lag. Wenn die beiden Blackfoot-Späher nicht einen anderen Weg genommen hatten, mussten sie noch vor ihm sein und die Weißen beobachten.
Damit rechnete er.
Darum war er so lautlos wie die Windstille und so wachsam wie der Leithengst eines Rudels wilder Pferde.
Die Axtschläge wurden lauter. Dan konnte sogar Stimmen hören. Das Tal war wie ein Schalltrichter, der alle Geräusche verstärkte.
Wie leichtfertig von den Siedlern!
Oder fühlten sie sich so stark und allen Indianern überlegen?
Das konnte für sie gefährlich werden. Noch waren nicht alle Hütten fertig. Noch hatten sie nicht genug Deckung. Überall lagen Baumstämme haufenweise herum und konnten heranschleichenden Indianern Deckung geben.
Dan verließ die Spur und schlug einen Bogen; er wollte nicht vom Wind verraten werden. Die Ponys sollten ihn nicht wittern können.
Wenig später hatte er das Tal vor sich. Bäume ragten am abfallenden Hang empor. Rot schimmerten die Stämme der Fichten. Überall im Unterholz konnten sich die Späher verborgen halten.
Ihre Ponys aber würden sie verraten.
Darum suchte Dan nach den Pferden, kroch über den Hang und entdeckte sie oberhalb zwischen den Bäumen.
Nun bewegte er sich gegen den Wind zurück und näherte sich den beiden Schwarzfußindianern.
Er wollte nicht töten. Es hatte auch keinen Sinn, die beiden unschädlich zu machen. Wo ein Indianer aufgetaucht war, tauchten gewöhnlich wenig später auch viele andere auf.
Wenn es ihm gelang, die Späher zu überrumpeln und gefangen zu nehmen, hatte er Zeit gewonnen, die Siedler auf einen Angriff vorzubereiten, oder mit ihnen aufzubrechen und den Schutz des Forts aufzusuchen.
Er brauchte viel Zeit, um an sie heranzukommen.
Sie kauerten nebeneinander im Schatten dichter Sträucher und belauerten das Tal.
Ihre nackten gekrümmten Rücken glänzten fettig. Insekten schwirrten über den Indianern, doch die Ausdünstung des Büffelfetts hielt sie von den Leibern ab.
Dieser Insektenschwarm verriet die beiden Blackfeet.
Dans Hände hielten die Rifle hart gepackt. Der Ausdruck der Gutmütigkeit war aus seinem Gesicht gewichen. Was Dan jetzt tat, konnte über Leben und Tod vieler Menschen entscheiden.
Zwei Schritte neben den Sträuchern richtete er sich auf.
Die beiden bemerkten ihn noch immer nicht.
Sie rechneten nicht mit einer Gefahr aus dem Hinterland. Dort streiften ja ihre Stammesbrüder und beherrschten nach dem Überfall auf die andere Siedlung das ganze Gebiet.
Dan zögerte nicht länger.
Wie ein Gewitter brach er über die beiden Indianer herein.
Sie stießen noch japsende Laute aus, hatten nicht genug Atem zum Aufschreien und waren völlig überrascht.
Er wuchtete die Hawken auf den Kopf des einen und rammte die Faust gegen das Kinn des anderen.
Ohnmächtig lagen sie vor ihm.
Er fesselte sie routiniert. Dann schleppte er sie in ein Versteck zwischen Bäumen und Felsen abseits des Tals. Dorthin brachte er auch ihre Ponys.
Sie kamen zu sich, blickten ihn hasserfüllt an, spien aus und zeigten ihm ihre weißen kräftigen Zähne.
Er lächelte entspannt.
„Nur keine Panik, Freunde. Tapferer Bruder mit den Augen des Adlers, der alle Bleichgesichter tötet, wird lange auf eure Rückkehr warten müssen. Wenn ihr schreit, hören euch die Bleichgesichter.“
Sie zischten wie gereizte Klapperschlagen.
In den dunklen Augen funkte höllische Wut.
Dan ging davon.
Er ritt in das Tal.
Männer, Frauen und Kinder unterbrachen ihre Arbeit und blickten ihm entgegen.
Er war ein Fremder. Sein wettergebräuntes Gesicht, die Kleidung aus Leder und Ausrüstung und Bewaffnung wiesen ihn als einen Mann der Berge aus.
„Wohin, Fremder?“
Ein glatzköpfiger Mann mit schwerem Körperbau trat ihm in den Weg.
„Hierher und dann weiter“, antwortete Dan und stieg vom Pferd.
„Was willst du hier? Du siehst, dass wir Hütten bauen und Land urbar machen. Wir werden hierbleiben und brauchen keinen Scout mehr.“
„Das sehe ich.“ Dan spürte die Abneigung des Siedlers. Der Empfang war unfreundlich. „Baut nur schnell weiter.“
„Ich bin McCrea, Chadwick McCrea.“
„Daniel Oakland.“ Dan rückte die Biberfellmütze in die Stirn, weil die Sonne ihn blendete, und sah forschend in die Runde. Noch immer starrten alle zu ihm herüber. „Ich bin hier, euch zu warnen.“
„Vor den Indsmen?“ McCrea lachte rau auf, als hätte er einen Witz gemacht. „Mann, wir wissen, dass dies Indianerland ist. Wir haben keine Angst vor den Rothäuten. Sieh dich um! Jeder Mann hier ist bewaffnet. Die Holzfäller dort oben tragen selbst bei ihrer schweren Arbeit Gewehre auf dem Rücken.“
Langsam kamen mehrere Männer näher. Staub haftete an den derben Hosen und grauen Unterhemden.
„Nehmt meine Warnung nicht so selbstsicher hin, Siedler“, sagte Dan ruhig. „Vier Tagesritte von hier wurde eine Siedlung von Indianern überfallen und niedergemacht. Kein Mann, keine Frau und kein Kind sind dem Massaker entkommen.“
„Das muss Holdens Siedlung sein“, vermutete einer der herangekommenen Männer besorgt. „Wir haben doch immer geglaubt, dass sich kein Indsman an die Siedlung heranmachen würde.“
„Verfluchtes rothäutiges Pack!“, grollte McCrea und starrte Dan durchdringend an. „Komm mit in unseren Versammlungsraum.“
Dan folgte ihm und zog das Pferd hinter sich her. Hinter ihm stapften die Männer über den sandigen Platz. Neben der fast fertiggestellten Holzkirche stand die größere Blockhütte, die als Versammlungsstätte diente. Hier kamen die Männer zusammen, während Dan sein Pferd draußen anleinte.
Langsam trat er schließlich ein.
Murmelnd saßen die Männer auf Baumstümpfen, Kisten, Fässern und Holzeimern.
„Nun sag, was du uns zu sagen hast, Oakland.“
Dan sprach ruhig und bedächtig. Sie lauschten seinen Worten, stießen sich manchmal mit den Ellbogen an und atmeten schwer.
„Aber hierher kommen sie nicht“, behauptete McCrea. „Fort Good Luck schreckt die Wilden ab.“
„Nichts wird sie abschrecken, McCrea“, entgegnete Dan rau. „Die Indianer haben begriffen, dass sie um ihre Jagdgründe kämpfen müssen. Ihre Medizinmänner rufen ständig nach Krieg. Wenn sie ein Fort ungeschoren lassen, werden weitere Forts aus dem Boden gestampft. Dann wird ihr Gebiet immer weiter eingeengt. Das wissen sie. Darum wird auch Fort Good Luck sie nicht aufhalten. Sie werden das Fort angreifen.“
„Hör zu, Oakland.“ McCrea schritt wuchtig über die ausgelegten Planken eines Conestoga-Wagens und blieb dicht vor Dan stehen. „Du kannst uns viel erzählen. Vielleicht ist Holdens Siedlung wirklich erledigt worden. Vielleicht sind auch alle umgebracht und, wie du gesagt hast, skalpiert worden. Doch das kann uns hier nicht schrecken.“
„Du glaubst mir nicht, McCrea?“ Dan richtete sich auf und presste für Sekunden den Mund hart zusammen. „Dann kann ich ja gehen. Nur tun mir die Kinder und Frauen leid. Sie werden mit dem Leben zahlen müssen, weil du nicht auf mich gehört hast.“
„Unsinn, Oakland! Rede nicht solch einen Blödsinn! Beweise uns, dass Blackfeet in unserem Gebiet sind, dann werden wir ...“
McCrea verstummte und sah an Dan vorbei. Auch die anderen Männer blickten zur offenen Tür hinüber, durch die das helle Sonnenlicht fiel. Langsam drehte Dan sich halb um und gewahrte die düstere Erscheinung eines schwarzgekleideten Mannes, der in einem bleichen Gesicht einen schwarzen Vollbart trug.
„Ich habe vernommen, dass ein Fremder in die Siedlung unseres Herrn gekommen ist“, brach der Mann das Schweigen. „Lass mich hören, was du zu sagen hast, Bruder.“
Über das bleiche Gesicht huschte ein unbestimmbares Lächeln. Steif und würdevoll trat der Mann näher. Seine Haltung verriet Unduldsamkeit.
Dan war so einem Mann noch nie begegnet. Er wunderte sich über die plötzliche Unterwürfigkeit der übrigen Siedler.
Der bleichgesichtige Mann trat an Dans Seite und legte ihm väterlich die Hand auf die Schulter. Dan spürte, wie sich diese Hand wie eine Klaue sekundenlang in die Schulter krallte. Dann ging der Mann weiter, drehte sich um und sah ihn wieder an.
„Sprich, Bruder!“
„Ich habe schon alles gesagt“, entgegnete Dan ruhig. „Frag die anderen, sie haben alles gehört.“
Der Mann hob die rechte buschige Braue, lächelte scheinbar verständnisvoll und gab dann McCrea einen Wink.
McCrea berichtete.
„Holdens Siedlung?“ Der Schwarzgekleidete machte ein zorniges Gesicht. „Diese Ungläubigen, diese Heiden! Das Unglück ist über sie gekommen, weil sie mit dem Teufel im Bunde gewesen sind.“
„Auch die Kinder?“, fragte Dan leise.
Der Mann blieb ihm die Antwort schuldig. „Ich höre die Stimme unseres Herrn, Bruder. Ich weiß, warum es geschehen ist. Aber ich weiß auch, dass kein Wilder unsere Siedlung angreifen wird. Oder kannst du es beweisen?“
„Ja. Ich habe zwei Späher gefangengenommen.“
„Gut, mein Sohn. Hol sie in unser Tal, damit alle Brüder und Schwester sehen, dass die Gefahr in den Wäldern lauert.“
Nach diesen Worten verließ er die Blockhütte und entfernte sich.
McCrea schien über Dan erzürnt zu sein.
„Warum hast du ihn gefragt, Oakland? Was er sagt, ist richtig, das ist ein Gebot, ein Gesetz für uns. Hast du das Schild an der Kirche nicht gesehen? Darauf steht geschrieben, Methodist Episcopal Church. Er ist unser Prediger.“
„Hat er auch einen Namen?“
„William Boston.“
Dan wandte sich ab. „Ich werde jetzt die beiden Blackfeet holen, damit ihr mir glaubt.“ Ohne Eile verließ er den Raum, stieg in den Sattel und ritt aus dem Tal.
Hinter ihm läutete die Glocke und rief alle Siedler auf den großen Platz.
Schweigend standen sie alle in der prallen Sonne, die Männer durchschwitzt mit aufgerollten Hemdsärmeln, die Frauen und Mädchen in dunklen weiten Kleidern und weißen Hauben, die Kinder in ärmlicher, oftmals geflickter Kleidung.
Sie warteten über eine halbe Stunde.
Dann kam Dan den Hang heruntergeritten und zog die beiden Ponys mit den gefesselten Blackfeet hinter sich her.
Niemals hätte Dan die Indianer in das Tal gebracht, wenn er vorausgeahnt hätte, was geschehen würde.
Sie warteten alle so still und friedfertig auf ihn, dass er glaubte, gesittete Menschen vor sich zu haben.
Er hätte nicht vergessen dürfen, dass diese „gesitteten“ Menschen ohne Bedenken den Indianern gewaltsam ihr Land abgenommen hatten.
Dann wäre alles vielleicht anders gekommen.
So aber näherte er sich ihnen langsam und hielt im weiten Kreis der Siedler.
Schon die Anwesenheit der Frauen und Kinder täuschte Dan. Er meinte es gut mit diesen Menschen, die weiß waren wie er.
Er saß ab und hielt die drei Pferde an den Zügeln.
Niemand in der Runde bewegte sich.
Alle starrten auf die Indianer.
Dan fühlte sich auf einmal beunruhigt. Es war der Instinkt eines Mannes der Berge, der warnende Impulse aussandte.
Jetzt trat der Methodistenprediger William Boston feierlich näher. Die Sonne brannte auf seinem totenbleichen Gesicht. Unter den schwarzen Stiefeln wallte der Staub auf.
Boston gehörte zu den Männern des Westens, die als Sterndeuter und Wunderdoktoren, als Regenmacher und Teufelspriester herumzogen und den Kleingläubigen und Enttäuschten das Geld aus den Taschen holten.
Dan Oakland hatte hier zum ersten Mal mit so einem Mann zu tun. Er staunte.
Boston betrachtete die wehrlosen Blackfeet und fragte Dan: „Du hast von einem dritten Wilden gesprochen, Bruder.“
„Ich habe ihn in Notwehr töten müssen. Diese beiden Indianer will ich nach Fort Good Luck bringen.“
„Warum?“
„Vielleicht können sie später als Geiseln ausgetauscht werden.“
„Aber, aber“, meinte Boston, „dazu wird es nicht kommen, Bruder.“
„Und warum nicht?“
„Weil wir über sie richten werden. Sie sind in unserer Siedlung, sie unterliegen meinem Gesetz.“
„Nein, sie sind meine Gefangenen.“
William Boston starrte ihn erstaunt an.