Dann wusste sie, was Liebe ist - Patricia Vandenberg - E-Book

Dann wusste sie, was Liebe ist E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Es war achtzehn Uhr vorbei. Dr. Norden erwartete noch eine Patientin, für die er sich mehr Zeit nehmen wollte, da es bei Beate Oldenhoff auch um tiefgreifende seelische Probleme ging. Loni, seine nimmermüde Praxishelferin, betrat das Sprechzimmer. »Ist Frau Oldenhoff gekommen?«, fragte Dr. Norden. »Nein, noch nicht, aber Frau Harmsen. Sie wollte Ihnen nur kurz was sagen.« »Andrea Harmsen? Sie ist in München?«, staunte er. »Eigentlich …« »Ja, eigentlich sollten wir noch auf Gut Rechenbach sein«, sagte Andrea da schon von der Tür her, »aber mein Mann ist heimgerufen worden. Der Zustand seiner Mutter soll sich rapide verschlechtert haben. Ich habe ihn grad zum Flughafen gebracht. Und wenn es nicht zu vermessen ist, wollte ich Sie bitten, Dr. Grossmann doch zu fragen, wie es um sie steht.« »Das tue ich gern. Sie regen sich hoffentlich nicht auf.« Sie schüttelte den Kopf, und zu seiner Beruhigung machte sie einen sehr gefassten Eindruck. Sie erwartete ihr erstes Kind, und Andrea hatte den Ärzten vorher schon manche Sorgen bereitet, vor allem deshalb, weil es mit ihrer Schwiegermutter schwerwiegende Differenzen gegeben hatte. Theda Harmsen war nun allerdings schon seit Monaten krank, und da hatte sie noch intensiver versucht, die Ehe ihres Sohnes zu zerstören. Es war ihr glücklicherweise nicht gelungen, und Sönke Harmsen hatte es sich auch nicht nehmen lassen, den Weihnachtsmonat mit seiner jungen Frau zu verbringen. »Es wäre Heuchelei, wenn ich jetzt sagen würde, dass es mir nahegeht, dass sie so lange leiden musste«, erklärte Andrea leise. »Sie hat so vieles zerstört, sie hat auch sich selbst zerstört. Für Sönke ist es

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Dr. Norden Bestseller – 239–

Dann wusste sie, was Liebe ist

Es ist für Andrea ein schwerer Weg dorthin

Patricia Vandenberg

Es war achtzehn Uhr vorbei. Dr. Norden erwartete noch eine Patientin, für die er sich mehr Zeit nehmen wollte, da es bei Beate Oldenhoff auch um tiefgreifende seelische Probleme ging.

Loni, seine nimmermüde Praxishelferin, betrat das Sprechzimmer. »Ist Frau Oldenhoff gekommen?«, fragte Dr. Norden.

»Nein, noch nicht, aber Frau Harmsen. Sie wollte Ihnen nur kurz was sagen.«

»Andrea Harmsen? Sie ist in München?«, staunte er.

»Eigentlich …«

»Ja, eigentlich sollten wir noch auf Gut Rechenbach sein«, sagte Andrea da schon von der Tür her, »aber mein Mann ist heimgerufen worden. Der Zustand seiner Mutter soll sich rapide verschlechtert haben. Ich habe ihn grad zum Flughafen gebracht. Und wenn es nicht zu vermessen ist, wollte ich Sie bitten, Dr. Grossmann doch zu fragen, wie es um sie steht.«

»Das tue ich gern. Sie regen sich hoffentlich nicht auf.«

Sie schüttelte den Kopf, und zu seiner Beruhigung machte sie einen sehr gefassten Eindruck. Sie erwartete ihr erstes Kind, und Andrea hatte den Ärzten vorher schon manche Sorgen bereitet, vor allem deshalb, weil es mit ihrer Schwiegermutter schwerwiegende Differenzen gegeben hatte.

Theda Harmsen war nun allerdings schon seit Monaten krank, und da hatte sie noch intensiver versucht, die Ehe ihres Sohnes zu zerstören.

Es war ihr glücklicherweise nicht gelungen, und Sönke Harmsen hatte es sich auch nicht nehmen lassen, den Weihnachtsmonat mit seiner jungen Frau zu verbringen.

»Es wäre Heuchelei, wenn ich jetzt sagen würde, dass es mir nahegeht, dass sie so lange leiden musste«, erklärte Andrea leise. »Sie hat so vieles zerstört, sie hat auch sich selbst zerstört. Für Sönke ist es nur schwer, dass dies gerade jetzt kommt, da das Baby jeden Tag geboren werden könnte.«

»Für Sie wäre es besser, wenn Sie jetzt in der Stadt bleiben würden.«

»Ich bleibe ja. Melanie würde mich gar nicht weglassen. Es ist so beruhigend, wenn man gute Freunde hat und auch gute Ärzte. Wenn ich zurückdenke …«

»Das sollen Sie nicht, jetzt schon gar nicht. Es ist sicher nicht einfach für Ihren Mann, das nun durchzustehen, aber es wird wohl endlich Ruhe in Ihr Leben einkehren.«

Es war sicher traurig, so denken zu müssen, wenn ein Leben zu Ende ging, aber Theda Harmsen hatte wirklich alles getan, um Unfrieden zu stiften, und es war so schlimm gewesen, dass Andrea die Flucht ergriffen hatte und ihr Kind gar nicht zur Welt bringen wollte. Ja, sogar so weit, dass Andrea sich in tiefster Verzweiflung den Tod gewünscht hatte.

Nein, daran sollte sie jetzt nicht denken. Sie hatte Menschen gefunden, die ihr geholfen hatten in schwerer Zeit, und es waren Freunde geworden.

»Frau Oldenhoff ist jetzt gekommen«, ertönte Lonis Stimme aus der Sprechanlage.

»Auch ein sehr tragischer Fall«, sagte Dr. Norden gedankenvoll.

»Ich will nicht länger stören«, sagte Andrea hastig.

»Wir hören ja bald voneinander. Wenn ich mit Grossmann gesprochen habe, gebe ich Ihnen Nachricht.«

»Tausend Dank«, sagte sie leise.

»Schöne Grüße an Frau Rechenbach.«

Auch deren Schicksal hatte ihn vor noch gar nicht langer Zeit sehr beschäftigt, aber darüber konnte er jetzt nicht nachdenken. Er musste sich wieder einer verzweifelten jungen Frau widmen.

Andrea hatte Beate Oldenhoff kurz gesehen, und sie kam ihr bekannt vor, aber im Augenblick wusste sie nicht woher, und Beate betrat schnell das Sprechzimmer.

»Sonst alles in Ordnung, Frau Harmsen?«, fragte Loni noch.

»Ich bin zufrieden, und Dr. Leitner ist auch zufrieden.«

»Und Frau Rechenbach wird auch auf Sie aufpassen«, meinte Loni lächelnd.

Für sie hatte alles, was um Melanie Rechenbach und auch um Andrea Harmsen geschehen war, etwas Märchenhaftes, wie es auch ähnlich in Filmen gebracht wurde, die Loni gern sah. Für gewalttätige Krimis hatte sie nichts übrig, aber in Romanen und Filmen musste es auch böse Menschen geben, Intrigen und Eifersucht, aber es sollte eben auch ein gutes Ende geben, denn so schlecht, wie manche die Welt hinstellen wollten, war sie nach Lonis Meinung gewiss nicht.

Wenn man jetzt allerdings den Fall Beate Oldenhoff überdachte, konnte einen schon das Grauen packen. Loni schnürte es die Brust ein, wenn sie allein an die Vorgeschichte dachte.

Da war oft in den Gesellschaftsnachrichten von dem Ehepaar Oldenhoff geschrieben worden, vor zehn Jahren sogar von einer Traumhochzeit.

Die Geburten der beiden Kinder Kai, der jetzt sieben, und Kristina, die fünf war, hatten Illustriertenleserinnen auch miterleben können.

Dann war es plötzlich still geworden um dieses Traumpaar, und manchmal gab es süffisante Artikelchen, dass Eberhard Oldenhoff auf Hawaii oder in Andalusien weilte oder sich auf einer Kreuzfahrt befand, umgeben von Starlets oder auch mal einer Berühmtheit, und es sickerte dann durch, dass Beate Oldenhoff an einer unbekannten Krankheit leide.

Dr. Norden und auch Loni wuss­ten, dass dies nicht stimmte, und sie vermuteten genauso wie Beate und deren Eltern, dass solche Gerüchte gezielt in die Welt gesetzt wurden. Sie wussten auch, dass Beate die Scheidung einreichen wollte. Davon erfuhr die Öffentlichkeit allerdings nichts, und nach Beates Wunsch sollte auch alles ohne Skandal, ohne dass schmutzige Wäsche gewaschen wurde, über die Bühne gehen. Aber für Eberhard Oldenhoff hätte dies wohl das Aus bedeutet. Er hatte viel dazu beigetragen, dass es um seine Finanzen nicht mehr zum Besten bestellt war. Und es war schließlich Beate, die alles Geld herausziehen konnte. Ihr Vater hatte dafür schon bei der Heirat gesorgt, dass für sie Sicherheiten eingebaut wurden, und dann auch für die Kinder.

Dann kam es zu diesem schrecklichen Unfall. Loni dachte daran, und ein eisiger Schauer rann über ihren Rücken.

Bleich und zitternd saß indessen Beate Oldenhoff Dr. Norden gegenüber. Man konnte nur noch ahnen, dass sie einst eine hinreißend bezaubernde Frau gewesen war.

»Was ist nun wieder geschehen, Frau Oldenhoff?«, fragte Dr. Norden behutsam, nachdem sie sich halbwegs beruhigt hatte, obgleich Dr. Norden ihr wirklich ganz sanft und behutsam eröffnet hatte, dass sie sich doch noch einer zweiten Operation unterziehen müsse.

»Sie wollen mir die Kinder ganz entfremden«, flüsterte sie tonlos. »Sie wissen doch, was sie für Gerüchte in die Welt setzen. Jetzt wollen sie beweisen, dass ich am Steuer saß, dass ich nicht zurechnungsfähig bin. Ich habe gedacht, wenn Eberhard tot ist, wird endlich Ruhe einkehren, aber jetzt geht es ihnen wohl um die Lebensversicherung, nachdem vom Geschäftsvermögen nicht mehr viel geblieben ist. Ihnen wäre es freilich lieber gewesen, ich wäre gestorben. Zwei Millionen, dafür hätten sie dann auch nicht mehr das Theater um die Kinder gemacht.«

»Wo sind Kai und Kiki jetzt?«, fragte Dr. Norden.

»Mein Vater ist mit ihnen weg. Ich weiß nicht wohin, ich weiß es wirklich nicht. Er war ja selbst fast durchgedreht wegen diesem Gerangel, aber ganz bestimmt sind die Kinder in Sicherheit.«

»Und Ihre Mutter?«

»Sie ist bei mir geblieben. Sie lässt mich nicht im Stich. Sie weiß von nichts, sagt sie, und ich sage, dass niemand etwas von ihr herausbekommt. Aber ich werde wirklich verrückt, wenn das noch länger so weitergeht, Dr. Norden. Warum soll ich dafür bezahlen, was er uns angetan hat? Warum sind seine Eltern so gemein und wollen mir auch noch die Kinder nehmen?«

»Wohl eine Art der Erpressung, die nicht strafrechtlich verfolgt werden kann. Sie brauchen Schutz, Frau Oldenhoff.«

Sie hielt sich die Ohren zu und schluchzte wieder auf. »Ich kann diesen Namen nicht mehr hören. Ich glaube, ich leide wirklich schon an Verfolgungswahn.«

Das glaubte Dr. Norden nicht, aber er wusste jetzt, dass diese Frau systematisch restlos zerstört werden sollte.

»Ich möchte Ihnen helfen, aber das können wir nur, wenn die Polizei ein geschaltet wird und wirklich alles gesagt und auf den Tisch gelegt wird, wenn es auch einen schrecklichen Wirbel geben sollte.«

»Mir ist alles egal«, flüsterte sie tonlos, »ich will nur nicht, dass meine Eltern auch noch zugrunde gehen, und ich will meine Kinder behalten. Ich habe sie zur Welt gebracht. Und wenn sie auch solchen Vater hatten, wann hat er sich denn schon um sie gekümmert? Ich wollte ja alles von ihnen fernhalten, Dr. Norden, aber sie haben schon so viel mitgekriegt, und die Oldenhoffs haben sich ja nicht gescheut, ihnen zu sagen, ich hätte ihren Vater umgebracht. Warum habe ich nur so lange geschwiegen?«

Und jetzt begehrt sie endlich auf, dachte Dr. Norden, das ist doch schon ein Schritt voran.

*

Andrea war von Melanie Rechenbach schon an der Tür empfangen worden.

»Du warst lange unterwegs, Andrea. Ich habe mir schon Sorgen gemacht«, sagte Melanie und lächelte erleichtert.

»Ich war noch auf einen Sprung bei Dr. Norden und habe ihn gebeten, Dr. Grossmann anzurufen. Er tut es.«

»Natürlich tut er es. Meinst du, dass es wieder ein Schachzug von Theda Harmsen ist, um Sönke heimzubeordern.«

»Nein, das glaube ich nicht, aber, Gott möge mir verzeihen, wenn ich das sage, ich hoffe, dass es diesmal wirklich zu Ende geht, Melanie. Es ist für Sönke noch schrecklicher als für mich, dauernd in Trab gehalten zu werden. Ich weiß, dass ich hierbleiben kann, und ich bin euch dafür ja so unendlich dankbar, dass ich auch unser Kind hier zur Welt bringen kann, aber über Sönke hängt doch immer dieses Damoklesschwert. Es ist seine Mutter, er kann nicht sagen, es geht mich nichts an, und eigentlich musste ich ja bei ihm sein.«

»Nein, das wäre wirklich zu viel verlangt, Andrea. Du musst an dich und das Kind denken, und wir denken auch daran, dass dich diese Frau fast in den Tod getrieben hat.«

»Wir wollen daran nicht mehr denken, Melanie. Wenn sie tot ist, wird alles ausgelöscht sein. Ich werde bestimmt nicht daran rühren, was früher gewesen ist. Sie hat sich eben eine andere Schwiegertochter erhofft. Jetzt etwas anderes; kennst du eine Frau Oldenhoff?«

»Natürlich, wie kommst du jetzt darauf?«

»Weil sie zu Dr. Norden kam. Sie sah erbarmungswürdig aus.«

»Wundern tut mich das nicht, Andrea. Was diese Frau durchgemacht hat, da ist das, was du und ich mitmachen mussten, ein Klacks dagegen.«

»Aber mir kam sie auch bekannt vor.«

»Du hast sie vielleicht in der Behnisch-Klinik gesehen, da hat sie ja ewig gelegen. Es war ein entsetzlicher Unfall.«

»Erzählst du mir davon?«

»Das ist wirklich kein Thema für eine werdende Mutter«, lenkte Melanie ab.

»Sie sieht so zart und zerbrechlich aus. Sie muss aber eine sehr schöne Frau gewesen sein«, sagte Andrea gedankenverloren.

»Schön und reich, umschwärmt und viel beneidet. Aber hinter der glänzenden Fassade sah es dann ganz anders aus. Ich weiß so manches, auch dass Eberhard Oldenhoff sehr gut bekannt mit Ansgar war.«

Und mit Ansgar Rechenbach war Melanie verheiratet gewesen. Für die, die es nicht wussten, hatte das keine Bedeutung, da sie meinten, dass Philipp Rechenbach Melanies Mann sei, und das sollte er ja auch bald werden.

Er war Ansgars jüngerer Bruder und einst als das schwarze Schaf der Familie bezeichnet worden. Dass Ans­gar Rechenbach in jener Nacht durch einen Sturz vom Pferd ums Leben kam, in der seine Tochter Donata geboren wurde, wussten die wenigs­ten. Melanie hatte schon lange vor diesem Unglück so zurückgezogen gelebt, dass tatsächlich nur engste Freunde von der Geburt ihres Kindes erfahren hatten. Und diese freuten sich, dass Philipp und Melanie in tiefster, aufrichtiger Zuneigung verbunden waren. Ja, es war die große Liebe, die alles verstehende, alles umfassende, die sie entschlossen machten, ihr Leben gemeinsam zu verbringen, obgleich beide den Namen Rechenbach nicht mit ungeteilter Freude getragen hatten.

»Und mehr willst du mir nicht erzählen?«, fragte Andrea ihre Freundin.

»Ich weiß nicht, was da im Gange ist, aber es scheint so, dass Eberhard Oldenhoffs Eltern jetzt nach seinem Tod schwere Geschütze auffahren. Er lag neun Monate im Koma, vor zehn Tagen wurde er beerdigt. Aber was Beate durchgemacht hat in all den Monaten, kann und will ich mir nicht vorstellen.«

»Ihr wart befreundet?«, fragte Andrea.

»Nicht so direkt. Man kennt sich, man trifft sich auf Gesellschaften, auf lockeren Parties, im Club, und man duzt sich. Es ist so üblich, wenn man sich öfter sieht, aber es bleibt doch weitgehend unverbindlich. Eberhard meinte jedenfalls mal anzüglich, dass Beate und ich ein gutes, trotteliges Gespann abgeben würden als spießige Hausmütterchen, hochgeschlossen bis zum Hals. Meine Güte, wir mochten es eben nicht, bis zum Bauchnabel geschlitzt zu gehen, aber das wirkt auf die ehemüden Männer, da können die Frauen noch so dumm sein. Entschuldige, ich habe früher auch nicht so geredet, das hat mir Philipp beigebracht, aber es ist ehrlich, es ist wirklich so. Ansgar war in solchen Bemerkungen zurückhaltender. Er wusste den Schein besser zu wahren als Eberhard Oldenhoff. Man kann als Frau wirklich viel schlucken, wenn man sich jeden Tag sagt, dass man eben selbst so töricht gewesen war, das Jawort zu geben, aber dann gibt es doch mal einen gewaltigen Knick. Beate war länger verheiratet als ich, und sie hat zwei Kinder. Dann sind da auch noch ihre Eltern und seine Eltern. Sie ist jetzt finanziell im Vorteil, aber das muss den Oldenhoffs ein Dorn im Auge sein. Alles weiß ich auch nicht genau. Jedenfalls, damit du dir nicht den Kopf zerbrechen musst, das Ehepaar geriet mit dem Auto in eine Massenkarambolage, als Eberhard die Unfallstelle unüberlegt und rasant überholen wollte. Sie wurden beide schwer verletzt. Beate wurde zusammengeflickt und überlebte, und er ist nach langen Monaten elend gestorben. Das wäre es dann. Aber darüber mach dir bitte keine Gedanken mehr.«

»Ich denke jetzt nur, wie wichtig ich mich genommen habe, und so schlimm war es bei uns dann doch nicht.«

»Immerhin schlimm genug«, sagte Melanie. »Rede dir jetzt nicht ein, dass du etwas hättest ändern können. Es gibt immer einen starken Bösen in solchen Situationen. Und es gibt die Schwachen, die sich wehren wollen, aber nicht können und dann kapitulieren.«

»Du hast nicht kapituliert, Melanie.«

»Ich wollte die Konsequenzen ziehen. Mir nahm eine weise Vorsehung die Entscheidung ab. Aber ich bin ganz ehrlich zu dir. Als ich Ansgar geheiratet habe, dachte ich nicht, dass unsere Ehe solch ein Ende nehmen würde. Ich habe ihn nicht geliebt, das gebe ich zu, aber was weiß man letztlich, was Liebe ist, wenn man sehr jung heiratet.«

»Ich war überzeugt, dass wir uns lieben, als ich Sönke geheiratet habe«, sagte Andrea leise.

»Und es hat sich ja auch bewiesen, dass die Liebe euch zusammengehalten hat, trotz aller Widerstände. Ich finde das wundervoll, Andrea. Du kannst dich doch als eine beneidenswerte Frau fühlen, und gerade deshalb, weil du keine Gnade vor den Augen deiner Schwiegermutter gefunden hast.«

»Es ist nicht gut, wenn man einen Mann liebt und von seiner Mutter gehasst wird.«

»Vielleicht hasste sie dich deshalb, weil sie nie so geliebt wurde«, sagte Melanie sinnend.

*

Ähnliche Gedanken waren Sönke Harmsen auf dem Flug nach Bremen gekommen.

Wäre alles anders gekommen, fragte er sich, wenn sein Vater und sein Bruder Claas nicht von einer Sekunde zur andern durch einen einzigen tödlichen Blitz zu Tode gekommen wären? Wie hätte es denn kommen können, wenn Claas Wiebke Heisenbrink, die seiner Mutter als Schwiegertochter so willkommen gewesen wäre, vorher noch geheiratet hätte? Die Hochzeit war ja schon geplant gewesen.

Sönke klangen jetzt die damals schon so schwer begreiflichen Worte seiner Mutter in den Ohren, die sie gleich nach der Beerdigung aussprach, als Wiebke keine Anstalten machte, mit zu ihnen auf den Hof zu kommen.

»Wenn Claas doch wenigstens schon mit der Wiebke verheiratet gewesen wäre«, hatte sie gesagt, »aber gut wäre es jetzt auch, wenn du keine Frau am Halse hättest und um Wiebke werben könntest. Diese Mitgift – und du hast eine Frau, die nichts mitgebracht hat.«

Ja, so hatte sie es gesagt, und konnte man so etwas sagen, wenn man von tiefer, ehrlicher Trauer erfüllt war? Hatte sie denn jemals ihren Mann wirklich geliebt? Was hatte sie denn schon mitgebracht? Sie hatte sich in ein gemachtes, warmes Nest gesetzt. Das war auch geredet worden, aber er hatte da gar nicht hinhören wollen, und zuerst wollte er auch nicht hören, dass Andrea sich beklagte, von ihrer Schwiegermutter schikaniert zu werden. Es hatte schon recht lange gedauert, bis ihm ein Licht aufgegangen war, wie herzlos seine Mutter über Andrea sprach, obgleich sie da schon schwanger war. Jetzt wusste er, warum es so gewesen war. Andrea war gebildeter, klüger gewesen als Theda, sie kleidete sich hübsch und geschmackvoll, sie war überhaupt die hübscheste junge Frau weit und breit und dazu überhaupt nicht streitsüchtig, wie es Theda immer gewesen war. Es hatte niemand etwas an der »Städtischen« auszusetzen gehabt.