Das Auge des Kriegers 2: Gefangen und frei - Thomas Tippner - E-Book

Das Auge des Kriegers 2: Gefangen und frei E-Book

Thomas Tippner

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Beschreibung

Unheil braut sich über der Provinz Jo-Ko-Ho zusammen. Immer häufiger überschreiten die Krieger der „Freien Völker“ die Grenze, morden und plündern und bedrohen den bislang herrschenden Frieden. Und was planen die gefürchteten „Schwarzen Priester“ aus dem geheimnisvollen Kloster in den Kargländern? Und dann taucht auch noch ein schreckliches Ungeheuer auf, das offensichtlich große Lust auf Menschenfleisch hat. Dem stehen Fürst Joko Hiroshi und die Samurai seines Hofes zunächst macht- und ratlos gegenüber. „Gefangen und frei“ ist die Fortsetzung von „Wind kommt auf“ (Shogun Band 12) innerhalb der Miniserie „Das Auge des Kriegers.“

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Thomas Tippner

Das Auge des Kriegers 2: Gefangen und frei

Shogun Band 15

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Vorspann

Shogun – Band 15

Thomas Tippner – Gefangen und frei – Das Auge des Kriegers, Folge 2

1. eBook-Auflage – Februar 2015

© vss-verlag Hermann Schladt

Titelbild: Masayuki Otara

Lektorat: Armin Bappert

 

Das Auge des Kriegers

Folge2

Von Thomas Tippner

 

Gefangen und frei

 

 

1

 

Im Land der Yuroko – die Steppe:

 

Dachte man an die aufgehende Sonne, fiel einem so viel Schönes dazu ein. Die ersten, noch irgendwie schüchtern wirkenden Strahlen, die sich über die sanft ansteigenden Berghänge schoben, oder über einen im Morgennebel liegenden See sprangen, und das dunstige Grau zu vertreiben wussten.

Ja, man dachte sogar an einen im Herbst liegenden Morgen, wo man sich nur widerwillig unter seinem Fell hervor quälte, um den Tag zu begrüßen. Denn selbst an den Tagen, wo die Nacht vorher kalt gewesen war, und man das Gefühl hatte, Eis wäre einem in die Glieder gefahren, war ein morgendlicher Sonnenstrahl tausendmal mehr wert, als eine langsam heraufziehende Nacht, im Sommer.

Das alles ging Buraka durch den Kopf, während er verständnislos auf das in seiner Hand liegende Krummschwert schaute, das man ihm gereicht hatte. Eine schwere, klobige Waffe, die er in seinen schmalen Händen kaum gehalten bekam.

Er schluckte bitter, als er den ihm gegenüberstehenden Mann beobachtete, dessen sich unter seiner Haut abzeichnenden Muskelstränge mit Öl eingerieben worden waren. Er hingegen stand nur da, mit seinem Lendenschurz, den Fellschuhen und dem um die Oberarme gebundenen Stofftuch, das ihn als Anderswertigen, als Aussätzigen kennzeichnete. Ein Aussätziger, weil er nicht so war wie die anderen.

Weil in seinen Venen das Blut einen Mannes floss, der eine andere Hautfarbe hatte – von einer anderen Insel stammte.

Buraka war kein Mann, wie die Steppenbewohner. Er war das Kind zweier Welten und nur deswegen noch nicht erschlagen, weil seine Mutter, Yanka, die Schwester des Häuptlings war.

Eines Steppenhäuptlings, der viele der verstreut lebenden Stämme vereint hatte.

Nach der großen Niederlage vor über zwanzig Sommern, waren die damals starken und kaum zu besiegenden Verbände auseinandergefallen, wie ein schlecht genähtes Zelt. Es waren nur noch Einzelteile zurückgeblieben, die nun nach und nach wieder aufgesammelt wurden.

Obwohl die Zahl der sich zusammengehörig fühlenden Stämme die damalige Zahl nicht erreicht hatte, war ihre Stärke doch jetzt schon beachtlich.

Und ich soll nun dazu beitragen, dass die Zahl der zum Stamm der Yuroko zählenden Männer noch einmal wächst, dachte Buraka bitter, und hob den Säbel mit einem verzerrten Gesicht an.

Die ersten spöttischen Lacher hallten in dem großen Kampfzelt auf.

Die grobschlächtigen, dunkelhaarigen Männer, die sich um den aus Sand und Späne gestreuten Kampfkreis niedergelassen hatten, erwarteten einen kurzen, langweiligen Kampf – was Bukara daraus schloss, dass sich viele noch immer unterhielten, den Kopf nicht auf den Kampfplatz gerichtet hatten. Nein, einige standen im hintersten Teil des Zeltes, nah beim Feuer, oder bei den Kissenbergen, wo sich einige Sklavinnen rekelten, und in billiges Leder gekleidet lagen und darauf warteten, dass die Männer sich sie aussuchten.

Ein Sonnenstrahl…

Ja, er war verführerisch, er war schön, berauschend und tödlich.

Das hatte Buraka heute Morgen auf jeden Fall gedacht, als er die Augen öffnete und ihn der heiße, beinah Schmerz erzeugende Gedanke in den Kopf geschossen war, dass er hier und jetzt um sein Leben kämpfen musste.

Um das Leben einer Frau, verbesserte er sich mit einem grimmigen Gedanken, und umfasste den Schafft seines Krummsäbels fester.

Um das Leben einer Frau, um genau zu sein, die er bis heute nicht einmal gesehen hatte.

Der Vater der jungen Frau aber hatte entschieden, hatte ihm einen Säbel vor die Füße geworfen und gemeint: »Er soll meiner jüngsten Tochter einen Jungen machen. Nachdem er gegen ihren ersten Werber gekämpft hat.«

Eine Entscheidung, die Buraka mehr und mehr zu hassen begann. Mehr noch, als den ihn heute Morgen weckenden Sonnenstrahl. Denn der konnte nichts dafür, dass Buraka sich mit einem Mann bekämpfen musste, der die gleiche Frau heiraten wollte, wie Yankas Sohn.

Heiraten muss, verbesserte er sich, und schaute dann zu dem hochgewachsenen, gedrungen wirkenden Mann, der ohne mit der Wimper zu zucken, zu dem noch immer mit dem Säbel kämpfenden Buraka schaute. Es schien, als hätte der Mann keinerlei Angst davor sterben zu müssen.

Und schaute Buraka nur kurz zu dem auf einem Kissenberg sitzenden Häuptling Goron, war es ihm, als wartete der nur darauf, dass Yankas Sohn sich selber erschlug.

Seine Mutter hingegen, kleingewachsen, beinah zierlich, mit dunklem nachtschwarzen Haar, wirkte so zuversichtlich, so erhaben und selbstbewusst, dass Buraka sich wünschte, nur ein Körnchen ihres Mutes zu haben.

Oder was von ihrer Zuversicht.

Goron nickte kaum merklich. Aber es war genau das Nicken, das Burakas Kontrahent mit einem Schrei auf den Lippen vorwärts stürmen ließ. Er schlug mit dem Säbel zu, noch während er die ersten zwei Schritte auf den wie erstarrt dastehenden Buraka zumachte.

Aus einem Reflex heraus riss Burka den Krummsäbel in die Höhe.

Es war ihm, als hätte er einen Huftritt abbekommen.

Der Schmerz schoss aus seinen Handgelenken in den Ellenbogen, um sich von dort durch seine Muskeln zu graben, hin in die Schulter, um da als ein flammendes Inferno zu explodieren, dass Buraka glauben ließ, ohnmächtig werden zu müssen.

Den zweiten Schlag wehrte er nur deswegen ab, weil sein Gegenüber so ungestüm war, und noch einmal von oben auf ihn einschlug – genau auf die vor Buraka platzierte Klinge.

Eisen schabte über Eisen.

Die, die sich für den Kampf noch nicht interessiert hatten, verstummten allmählich. Und das spöttische Gelächter war zu einem Raunen verkommen, das davon kündete, dass sie hier eine Hinrichtung sehen würden.

Eine Hinrichtung, in der nicht viel von dem Delinquenten übrig bleiben würde – außer vielleicht das eine oder andere blutende Fleischstück, das mit viel Fantasie zu einem Menschen gehören konnte.

Buraka wollte nicht schreien, als die Klinge ein drittes Mal auf ihn zugeschossen kam.

Er wich zwar unbeholfen aus – rollte sich über die Schulter ab und merkte dabei, wie er sie sich prellte.

Es war ein erneuter dumpfer Schmerz, der ihm durch die Schulter fuhr – nur dass er diesmal dazu beitrug, dass Buraka allen Mut verlor. Den Mut vor seinen Gegner, den Mut den Krummsäbel zu halten – den Mut sich zu verteidigen.

Was sollte er auch schon mit einer verletzten Schulter ausrichten?

Was würde es ihm bringen, jetzt noch Widerstand zu leisten?

Nichts…

Alle würden glauben er wäre nichts weiter als eine feige Maus, die krampfhaft Ausschau nach ihrem Mäuseloch hielt, um den tödlichen und verspielten Pfoten der Katze zu entkommen.

Buraka entging dem nächsten Schlag, weil er aus einem Reflex heraus den Kopf beiseite nahm.

Und er reagierte ebenso aus einem Reflex heraus, als der Schatten über ihn fiel.

Er kam geschmeidig auf die Beine, erinnerte sich selber an einen Schneeleoparden, und wich einem weiteren Schlag aus.

Buraka keuchte.

Bisher hatte er nichts weiter getan, als den wütenden Angriffen seines Gegners auszuweichen. Und er war sich nicht ganz sicher, ob er jemals einen eigenen Schlag ansetzen konnte. Denn schon ging wieder ein Hieb auf ihn nieder, den er mit einer unbeholfen wirkenden Geste abwehrte.

Buraka biss die Zähne zusammen.

Sein Handgelenk schien in Flammen zu stehen, seine Ellenbogen – so glaubte er standen kurz davor zu zerbrechen und seine Schulter war so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass er sie nicht einmal mehr richtig bewegen – geschweige denn ein Schwert führen konnte.

Trotzdem aber tat er etwas, womit er niemals in seinem Leben gerechnet hätte.

Er wehrte sich.

Ja, es war ihm ein völlig unerklärbares Phänomen.

Da staute sich in ihm eine Art Wut auf, oder war es vielleicht auch Zorn, weil er sich nicht wehren konnte, und ließ seinen Angreifer in den hochgezogenen Fuß laufen. Schnaubend grub sich Bukaras Ferse in den Unterleib des Mannes, während sein Fußballen und die Zähne sich in den Magen bohrten.

Verwirrt und überrascht darüber, dass von dem sich unbeholfen über die Schulter abrollenden, und durch den Kampfkreis taumelnden Kämpfer Widerstand regte, begriff der Werber nicht, dass Buraka nun seinerseits versuchte ihn zu töten.

Ja, Buraka konnte förmlich sehen, wie die sonst zu Schlitzen geformten Augen sich weiteten.

Erst aus Unglauben, dann aus Überraschung.

Buraka stieß das Schwert vor; zu schwach dafür, einen tödlichen Stoß anzubringen.

Trotzdem aber setzte er noch einmal nach.

Er musste den verfluchten Gegner irgendwie ausschalten.

Der aber hatte sich soweit von Burakas Tritt und dem Stoß erholt, dass er nun seinerseits, beinah lässig, die noch einmal nach vorne stoßende Klinge mit der bloßen Hand beiseite wischte, und seinen Krummsäbel anhob, um ihn auf Buraka niedergehen zu lassen.

Der wich noch einmal aus und spürte dabei einen schneidenden, leise zischenden Lufthauch, der ihm das Blut im Körper gefrieren ließ.

Ich bin tot, dachte er und erstarrte, als er den harten Druck im Bauch spürte. Ein Druck, den er so nicht kannte – den er irgendwie am Morgen in ähnlicher Form spürte, als er erwachte – der aber nicht so intensiv, nicht so wie eine Faust wirkte, die man ihm in den Magen geschlagen hatte.

Der bringt mich um.

In dem Moment, wo Buraka den Gedanken dachte, sah er wie sich das Gesicht seines Gegenübers verzerrte. Wie es sich mit Wut, Hass und Abscheu füllte. In die braunen Augen des Werbers sickerte Mordlust.

»Fremdling«, schnaufte der Werber, und schlug erneut zu.

Buraka riss das Schwert seinerseits hoch, erinnerte sich - woher die Erinnerung auch immer kam – an einen Verteidigungsgriff, den er irgendwo einmal aufgeschnappt hatte. Bei seinem Onkel vielleicht? Bei einem seiner Cousins?

Die aber hatten nie mit ihm geübt – geschweige denn sich jemals mit ihm so eingelassen, wie es sich für einen von ihrem Blute gehörte.

Er war auch bei ihnen immer ein Aussätziger gewesen, ein Fremdling, der das Falsche Blut in seinen Venen und Arterien fließen hatte.

Aber gerade jetzt, wo der Krummsäbel auf ihn zugeschossen kam, schlug Buraka ihn nicht beiseite, um dann von der Wucht zur anderen Hälfte des Kampfkreises getrieben zu werden.

Nein, seine Klinge glitt an der Klinge entlang, schabte und kratzte, und verkeilte sich dann in der Parierstange des Säbels.

Buraka riss seinen Säbel herum.

Nicht dazu in der Lage den plötzlichen Druck auszuhalten, der auf seinen Unterarm ausgeübt wurde, musste der Angreifer den Säbel los lassen.

Als würde die Zeit für einen klitzekleinen Augenblick langsamer laufen, sah Buraka, wie sich die Hand öffnete. Wie jeder einzelne Finger seinen Griff löste, und den Säbel davon schnellen lassen musste.

Hatte er die Zuschauer bis eben vergessen, so drang ihr anerkennendes Gemurmel, ihr zweifelndes Flüstern und im Halse stecken gebliebenes Gelächter an seine Ohren.

Buraka schluckte.

Er hatte seinen Gegner entwaffnet.

Er… der Fremdling.

Er… den alle schon für tot gehalten hatten…

Dann lächelte er…

…und stach einfach zu.

 

*

 

Joko Hiroschi starrte noch immer auf den vor ihm knienden Tugara. Und die Worte, die er gesprochen hatte, klangen so kalt, so unauslöschlich Böse, dass er sich ernsthaft fragte, warum er sie gesprochen hatte.

Wäre es nicht schlauer gewesen, einfach den Mund zu halten, seinem alten Weggefährten zu erlauben sich zu erheben und ihm dann, freundlich aber bestimmt, zu sagen, er sollte mit seinen Männer das Weite suchen und auf anderen Schlachtfeldern ihr Unglück suchen?

Er aber hatte auf die spöttische Provokation: »Es hieß, der Tod sei ein Meister aus Jo-Ko-Ho«, geantwortet: »Er kann es wieder werden – einmal.«

Und daraufhin hatten die Männer ihre Katana umfasst – hatten die scharfen Klingen ein Stück weit aus den Scheiden gleiten lassen.