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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Wolfgang, wach' auf!« Kathie Ambacher hatte ihren Bruder an der Schulter gepackt und rüttelte ihn. Allerdings vergeblich. Er lag in seinem Bett und schnarchte, wie ein Bär im Winterschlaf. »Wolfgang!« rief das junge Madel laut und eindringlich. »Jetzt steh' endlich auf. Der Vater hat schon nach dir gefragt.« Endlich regte sich der Schlafende. Sein Kopf fuhr hoch, und er rieb sich die Augen. »Wie spät ist's denn?« fragte der Bauernsohn, während er sich ausgiebig reckte und gähnte. »Gleich fünf. Du solltest wirklich schau'n, daß du hinunter kommst. Du weißt doch, wie leicht der Vater grantig wird. Gib ihm doch net immer wieder einen Grund.« Der Bursche warf die Decke von sich und schwang die Beine aus dem Bett. »Der regt sich auch wieder ab«, meinte er leichthin und verschwand im Bad, draußen auf dem Flur. Kathie sah ihm kopfschüttelnd nach und eilte dann in die Küche hinunter.
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Seitenzahl: 107
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»Wolfgang, wach’ auf!«
Kathie Ambacher hatte ihren Bruder an der Schulter gepackt und rüttelte ihn. Allerdings vergeblich. Er lag in seinem Bett und schnarchte, wie ein Bär im Winterschlaf.
»Wolfgang!« rief das junge Madel laut und eindringlich. »Jetzt steh’ endlich auf. Der Vater hat schon nach dir gefragt.«
Endlich regte sich der Schlafende. Sein Kopf fuhr hoch, und er rieb sich die Augen.
»Wie spät ist’s denn?« fragte der Bauernsohn, während er sich ausgiebig reckte und gähnte.
»Gleich fünf. Du solltest wirklich schau’n, daß du hinunter kommst. Du weißt doch, wie leicht der Vater grantig wird. Gib ihm doch net immer wieder einen Grund.«
Der Bursche warf die Decke von sich und schwang die Beine aus dem Bett.
»Der regt sich auch wieder ab«, meinte er leichthin und verschwand im Bad, draußen auf dem Flur.
Kathie sah ihm kopfschüttelnd nach und eilte dann in die Küche hinunter. Sie deckte den Tisch für das Frühstück. Kurz darauf hörte sie polternde Schritte auf der Diele.
»Ist der Kerl immer noch net aufgestanden?« rief ihr Vater ärgerlich, noch bevor er die Küchentür geöffnet hatte.
»Doch, doch. Wolfgang ist im Bad. Er wird gleich da sein«, beruhigte sie ihn.
Joseph Ambacher funkelte sie an. Der Bauer war von gedrungener Statur, das Gesicht von Wind und Wetter gegerbt und das Haupthaar wurde immer weniger.
»Brauchst’ ihn gar net in Schutz nehmen, diesen nichtsnutzigen Kerl«, raunzte er seine Tochter an. »Er soll sich mehr um seine Arbeit kümmern und weniger im Wirtshaus herumlungern.«
»Das wirst’ mir kaum verbieten können«, ließ sich Wolfgang Ambacher vernehmen.
Er war, ohne daß sie es bemerkt hätten, die Treppe heruntergekommmen und stand in der Küchentür.
»Ich geh’ so oft ins Wirtshaus, wie ich will. Schließlich ist’s ja der einzige Trost, den man hier hat.«
Er ignorierte den warnenden Blick, den seine Schwester ihm zuwarf.
»Und wenn’s dir net paßt, dann geh’ ich, und zwar für immer!« setzte er noch eins drauf.
Der Ambacherbauer machte den Eindruck, als wolle er sich jeden Augenblick auf seinen Sohn stürzen, um ihn für diese freche Bemerkung mit einer Tracht Prügel zu strafen. Doch dann lockerten sich die Fäuste, und mit einer unwirschen Bewegung schob der Alte seinen Stuhl zurecht und setzte sich.
Wolfgang setzte sich ebenfalls und grinste stillvergnügt in sich hinein. Seine Drohung, fortzugehen, hatte wieder einmal gewirkt. So schnell würde ihn sein Vater nicht mehr zurechtweisen.
Vielleicht war es nicht richtig, ihm damit zu drohen, aber es schien ihm die einzige Möglichkeit zu sein, das Leben auf dem Berghof einigermaßen erträglich zu machen, wenn er sich derart gegen den alten Tyrannen zur Wehr setzte.
Das Frühstück verlief schweigend, und Joseph Ambacher beendete es schnell. Ohne ein weiteres Wort gesagt zu haben, stand er auf und ging hinaus. Wenig später hörten die Geschwister den Traktor vom Hof fahren.
»Hat das wirklich sein müssen?« fragte Kathie ihren Bruder.
Der Vorwurf in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
»Ja«, antwortete Wolfgang nachdrücklich, »das hat sein müssen. Vater muß endlich einsehen, daß er so net mit mir umspringen kann. Immerhin mach’ ich hier meine Arbeit auf dem Hof, und da wird er mir das bissel Vergnügen net verbieten können.«
Er stopfte sich den letzten Bissen Brot in den Mund.
»Gut, es ist wirklich ein bissel spät geworden, gestern abend«, räumte er ein. »Aber es kommt ja net immer vor, daß ich verschlaf.«
Der Bauernsohn trank seinen Kaffee aus und ging an seine Arbeit. Kathie räumte den Tisch ab und machte sich daran, das Geschirr vom Frühstück abzuwaschen.
Natürlich hat Wolfgang recht, überlegte sie. Er arbeitete wirklich hart, wie sie auch, und da war es nicht mehr als recht, wenn er sich zum Ausgleich mit seinen Spezis auf eine Maß traf. Früher ist Vater doch selber auch öfter ins Wirtshaus gegangen.
Das junge Madel erinnerte sich noch gut an die Zeit. Damals – da hatte die Mutter noch gelebt…
Einen Moment hielt sie in ihrer Arbeit inne und dachte an die Verstorbene. Sechs Jahre war es jetzt her, und wenn sie es recht bedachte, dann war es seit dieser Zeit, daß der Vater sich so sehr verändert hatte. Früher war er ein guter, liebenswerter Vater gewesen, immer für einen Scherz zu haben. Einer, zu dem man mit all seinen Problemen kommen konnte.
Doch heut’?
Heute war er ein ungerechter Tyrann, der nur seine Meinung gelten ließ, dem man nichts recht machen konnte und der an alles und jedem etwas auszusetzen hatte.
Kathie seufzte und wandte sich wieder dem Geschirr zu. Wahrscheinlich hat er Mutters Tod nie überwunden, dachte sie, während sie Tassen und Teller abtrocknete.
Aber er hat uns auch nie gefragt, ob wir damit fertig geworden sind…
*
»Hm, was duftet denn hier so gut?«
Max Trenker hatte die Küche des Pfarrhauses betreten und hob schnuppernd die Nase. Sophie Tappert stand am Herd und rührte in einem Topf.
»Krautwickel«, stellte der junge Polizist fest. »Wann sind s’ denn soweit?«
Die Haushälterin schmunzelte. Max war heute früher als
sonst herübergekommen. Offenbar hatte er großen Hunger.
»In einer Viertelstunde gibt’s Essen«, antwortete sie. »Wenn S’ mögen, dann können S’ schon den Tisch decken.«
»Das mach’ ich gern’. Wo steckt übrigens mein Bruder?«
»Hochwürden ist noch drüben in der Küche. Der Herr Kammeier wollt’ ihm da etwas zeigen.«
Der Polizist holte Teller und Bestecke aus dem Schrank und deckte den Tisch. Die Haushälterin hatte inzwischen die Sauce mit etwas Schwitze angedickt und einen Löffel saure Sahne hineingerührt. Sie schmeckte noch einmal ab und nickte zufrieden.
»Grüß’ euch, zusammen«, hörten sie Pfarrer Trenker kurz darauf im Flur rufen.
»Wird Zeit, daß du kommst«, rief Max zurück. »Das Essen ist fertig!«
Sebastian kam herein und lachte.
»Du Armer, hoffentlich bist noch net verhungert.«
»Es geht grad noch so«, meinte der Jüngere und setzte sich.
Die Haushälterin stellte zwei Schüsseln auf den Tisch. In der einen waren Kartoffeln, in der anderen die Krautwickel mit der köstlich duftenden Sauce.
»Das ist ein Gedicht«, schwärmte Max, nachdem er gekostet hatte. »Schad’, daß die Claudia net da ist. Da könnt’ sie noch was von Ihnen lernen, Frau Tappert.«
Sebastian wurde hellhörig.
»Was soll sie denn lernen? Etwa, wie man Krautwickel macht?«
»Warum net? Schaden kann’s gewiß net.«
Der Geistliche sah seinen Bruder mit großen Augen an.
Das hörte sich ja fast so an, als…
»Sag’ mal, ihr habt net etwa vor zu heiraten?«
Max, der gerade eine Gabel voll genommen hatte, hustete und verschluckte sich.
»Wie… wie kommst’ denn darauf?« fragte er.
»Ach, nur so.«
Max Trenker war früher einer der größten Herzensbrecher im Wachnertal gewesen, sehr zum Leidwesen seines Bruders. Doch seit er die attraktive Claudia Bachinger kennen- und liebengelernt hatte, gab es nur noch diese eine Frau in seinem Leben, und Sebastian hegte die leise Hoffnung, daß es ihr vielleicht gelingen würde, den eingefleischten Junggesellen vor den Traualter zu locken.
Zum Nachtisch hatte Frau Tappert eine Zitronencreme zubereitet, die locker und erfrischend war. Es war gar keine Frage, daß Max zwei Portionen davon verdrückte, aber damit hatte die Haushälterin ohnehin gerechnet und genügend davon vorbereitet.
»Die Claudia kommt übrigens am Wochenende«, sagte der Polizist noch, bevor er sich verabschiedete. »Und am Sonntag wollen wir vielleicht einen Ausflug hinüber nach Österreich machen. Hast’ vielleicht Lust, mitzukommen?«
Sebastian zuckte die Schulter.
»Es ist ja noch ein paar Tag’ Zeit, bis dahin«, antwortete er. »Vielleicht komm’ ich wirklich mit.«
Der Seelsorger zog sich mit einer Tasse Kaffee in sein Arbeitszimmer zurück, während die Haushälterin sich an den Abwasch machte.
Sebastian setzte sich an seinen Schreibtisch und schaute zufrieden auf den kleinen Stapel Akten und Papiere. Er hatte in der letzten Zeit viel aufholen können, und es waren längst nicht mehr soviele unerledigte Arbeiten, die auf ihn warteten. Schnell hatte er das meiste durchgesehen und abgelegt. Dann zog er seine Jacke über und verließ das Pfarrhaus. Im Garten gab es eine Pforte, durch die er auf den angrenzenden Kirchhof gelangte. Pfarrer Trenker hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, regelmäßig über den Gottesacker zu gehen, auf dem seit mehr als dreihundert Jahren die Verstorbenen aus St. Johann und Umgebung beigesetzt wurden.
Auf der Südseite lag das Feld, das relativ neu war. Man hatte es erst vor hundert Jahren angelegt, weil der Kirchhof zu klein geworden war. Sebastian sah dort eine Gestalt vor einem Grab stehen. Langsam ging er näher heran.
»Grüß dich, Kathie«, sagte er, nachdem das Madel sein Gebet beendet und sich umgedreht hatte.
»Grüß Gott, Hochwürden.«
»Es gibt kaum eine, die so oft das Grab ihrer Mutter besucht, wie du«, stellte der Bergpfarrer fest. »Ich hab’ dich schon öfter gesehen und wollt’ mich immer mal erkundigen, wie’s zu Haus geht.«
Kathie Ambacher schaute auf den Stein. Davor stand eine Vase, in die sie einen Blumenstrauß gestellt hatte.
»Sie fehlt uns, die Mutter. Überall…«, antwortete sie leise. »Auf dem Hof geht’s ganz gut. Aber Vater ist net mehr der alte, seit er Witwer ist. Ich glaub’, die Frau fehlt ihm genauso, wie dem Wolfgang und mir die Mutter. Nur, daß er net darüber spricht.«
Sebastian nickte verstehend. Er kannte den Ambacherbauern seit Jahren und wußte, daß ihm der Verlust der Frau bitter zugesetzt hatte.
»Wie geht’s denn zwischen ihm und deinem Bruder?« fragte er.
Kathie zuckte die Schultern.
»Es kommt immer wieder zum Streit zwischen ihnen«, antwortete sie. »Vater und Wolfgang sind eben unterschiedlicher Meinung darüber, wie der Hof geführt werden soll, und wenn der Vater dem Sohn verbietet, seine eigenen Ideen und Vorschläge einzubringen, dann kann’s auf Dauer net gut sein. Außerdem ist’s dem Vater ein Dorn im Auge, daß Wolfgang seine Freizeit mehr im Wirtshaus verbringt, als zu Haus’. Aber eigentlich ist’s kein Wunder, wenn er net so arbeiten darf, wie er’s möcht’, sondern sich dem Vater unterordnen soll.«
Der gute Hirte von St. Johann konnte beide Seiten verstehen. Joseph Ambacher wollte am Alten festhalten, hinzu kam, daß ihm, nach dem Tode seiner Frau, die Familie nicht eng genug zusammensein konnte.
Auf der andere Seite wollte Wolfgang zeigen, was in ihm steckt und natürlich, wie alle anderen Burschen in seinem Alter auch, seinen Spaß haben. Wenn Sebastian sich recht erinnerte, dann war Wolfgang Ambacher jetzt Ende zwanzig, also im besten heiratsfähigen Alter.
»Es wär’ doch für eine gute Lösung, wenn dein Bruder heiraten tät’, und euer Vater ihm den Hof überschreibt. Dann kann er sich auf’s Altenteil zurückziehen, und der Wolfgang wär’ endlich Herr im Haus. Ich bin mir sicher, daß er dann sehr viel weniger Zeit im Wirtshaus verbringen wird, als jetzt.«
»Das glaub’ ich auch«, meinte Kathie. »Allerdings dürfen S’ Vater mit so einem Vorschlag net kommen. Der denkt noch lang’ net an’s Aufhören.«
Sie waren beim Ausgang angekommen. Pfarrer Trenker reichte dem Madel die Hand.
»Ich wünsche’ euch alles Gute, Kathie«, sagte er. »Wenn ich in den nächsten Tagen Zeit hab’, werd ich bei euch vorbeischau’n. Das hab’ ich mir schon lang’ vorgenommen. Vielleicht kann ich dann das Thema mal zur Sprache bringen. Aber bis dahin brauchst’ zu Haus’ net sagen, daß wir darüber geredet haben.«
»Das wär schön, Hochwürden«, erwiderte sie mit einem Kopfnicken. »Kommen S’ nur recht bald. Ich fürcht’ nämlich, daß es net mehr lang’ dauert, bis es zum großen Streit zwischen Vater und Wolfgang kommt. Entweder wirft Vater ihn dann hinaus, oder Wolfgang macht seine Drohung, zu gehen, wahr. Wie’s dann weitergeh’n soll, daran wag’ ich net zu denken.«
»Kopf hoch«, munterte Sebastian sie auf. »Ich will seh’n, ob ich net zwischen den beiden Sturköpfen vermitteln kann.«
Der Bergpfarrer sah ihr noch lange nach. Kathie Ambacher war ein wunderhübsches Madel. Viel zu hübsch, um auf einem Berghof zu versauern. Sie hatte immer nur von ihrem Bruder gesprochen, aber Sebastian war überzeugt, daß ihr ein bissel Spaß am Leben genauso fehlte, wie Wolfgang. Nur, daß der sich diesen Spaß einfach nahm.
*
»Himmelherrgottsakra’ – bist’ jetzt ganz narrisch g’worden?«
Joseph Ambacher sah seinen Sohn mit wütenden Augen an. Wolfgang stand auf dem Anhänger des Traktors und warf die Heuballen auf den Boden der Scheune. Verständnislos schaute er auf seinen Vater.
»Was paßt dir denn jetzt schon wieder net?« fragte er ärgerlich.
»Was mir net paßt?« wiederholte der Bauer. »Daß du das Heu einfach so da hinwirfst, paßt mir net. Das gehört ordentlich aufgestapelt, da hinten, an seinen Platz, wo’s immer liegt. Ich hab’ gedacht, wenigstens das würdest mal richtig machen. Aber net einmal dazu bist’ in der Lage, du Nichtsnutz und Faulpelz!«
Empört sprang Wolfgang vom Hänger herunter.
»Was redest’ da für einen Unsinn?« blaffte er seinen Vater an. »Natürlich bleibt das Heu net hier liegen. Für wie dumm hältst’ mich eigentlich?«
Er hatte sich vor dem Alten aufgebaut, die Hände zu Fäusten geballt und in die Seite gestützt.
Joseph Ambacher begegnete seinem Blick mit einem geringschätzigen Lächeln.
»Für wie dumm? Das sag’ ich lieber net…«
Der Sohn riß eine Hand hoch.
»Vater«, rief er drohend, »reiß’ dich zusammen. Ich laß es mir net mehr länger gefallen, wie du mit mir umspringst!«