Das Mädchen aus Schweden - Patricia Vandenberg - E-Book

Das Mädchen aus Schweden E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. »Die Sonne scheint, die Sonne scheint«, jubelten Dr. Nordens Kinder, und nach den regenreichen Tagen war das ein Grund zur Freude. Besonders deshalb, weil es anscheinend doch mal wieder ein schönes Wochenende zu werden versprach. »Gell, Papi, da machen wir aber wieder mal eine Bergtour«, sagte Danny bittend. »Mit dem Kinderwagen wird das wohl ein bisschen schwierig«, erwiderte Daniel Norden. »Ich werde mit den Zwillingen auch mal allein fertig«, warf Lenni, der gute Hausgeist, rasch ein. Sie wusste genau, dass der Doktor ungern ohne seine Frau losziehen würde, und Lenni meinte, dass es Fee auch mal gut täte, ein paar Stunden zu wandern. Unter einer Bergtour verstanden die anderen drei Kinder vorerst die Hügelwanderungen im Vorgebirge. Und das lag ja nicht weit von München entfernt. So ganz einverstanden war Fee nicht, denn Lenni rackerte sich genug ab, aber gutes Zureden half, und da sich die nun halbjährigen Zwillinge recht friedlich zeigten, willigte Fee ein, eine Nachmittagstour zu machen. Das langte auch für die Kinder. Und so ganz traute Fee dem Wetter immer noch nicht. Nun, sie konnten beruhigt losziehen, denn auf Lenni war Verlass, und sie neigte eher dazu, den jüngsten Nachwuchs der Nordens zu verwöhnen, als die wonnigen Kleinen zu vernachlässigen. Danny, Felix und Anneka freuten sich, dass die Mami mit ihnen ging, denn ohne sie war doch alles nur halb so schön, da dann auch der Papi nicht so gut gelaunt war. Fröhlich ging es zu, als sie durch Wiesen und Wälder wanderten, aber als sie in einem Ausflugslokal Rast machten, bewölkte sich der Himmel

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Dr. Norden Bestseller – 206 –

Das Mädchen aus Schweden

Patricia Vandenberg

»Die Sonne scheint, die Sonne scheint«, jubelten Dr. Nordens Kinder, und nach den regenreichen Tagen war das ein Grund zur Freude. Besonders deshalb, weil es anscheinend doch mal wieder ein schönes Wochenende zu werden versprach.

»Gell, Papi, da machen wir aber wieder mal eine Bergtour«, sagte Danny bittend.

»Mit dem Kinderwagen wird das wohl ein bisschen schwierig«, erwiderte Daniel Norden.

»Ich werde mit den Zwillingen auch mal allein fertig«, warf Lenni, der gute Hausgeist, rasch ein. Sie wusste genau, dass der Doktor ungern ohne seine Frau losziehen würde, und Lenni meinte, dass es Fee auch mal gut täte, ein paar Stunden zu wandern. Unter einer Bergtour verstanden die anderen drei Kinder vorerst die Hügelwanderungen im Vorgebirge. Und das lag ja nicht weit von München entfernt.

So ganz einverstanden war Fee nicht, denn Lenni rackerte sich genug ab, aber gutes Zureden half, und da sich die nun halbjährigen Zwillinge recht friedlich zeigten, willigte Fee ein, eine Nachmittagstour zu machen. Das langte auch für die Kinder. Und so ganz traute Fee dem Wetter immer noch nicht.

Nun, sie konnten beruhigt losziehen, denn auf Lenni war Verlass, und sie neigte eher dazu, den jüngsten Nachwuchs der Nordens zu verwöhnen, als die wonnigen Kleinen zu vernachlässigen.

Danny, Felix und Anneka freuten sich, dass die Mami mit ihnen ging, denn ohne sie war doch alles nur halb so schön, da dann auch der Papi nicht so gut gelaunt war.

Fröhlich ging es zu, als sie durch Wiesen und Wälder wanderten, aber als sie in einem Ausflugslokal Rast machten, bewölkte sich der Himmel schon wieder.

»Weiter gehen wir nicht«, bestimmte Daniel. »Jetzt stärken wir uns und zum Wagen kommen wir von hier aus schnell zurück, falls es regnen sollte.«

»Ist einfach gemein, dass es nicht mal wieder ein paar Tage schön sein kann«, beschwerte sich Danny. Dann aber horchte er auf, denn fremde Stimmen tönten durch den Raum in einer Sprache, die sie noch nicht gehört hatten.

»Wie reden die Leute?«, fragte auch Anneka.

»Das ist schwedisch«, erklärte Fee.

Es waren acht junge Menschen, vier junge Männer und vier Mädchen, und einige Worte konnte Fee sogar verstehen, da sie mit einer Schwedin im Internat gewesen war und die Sprache gut beherrscht hatte. Aber das war schon Jahre her und so konnte sie nur ein paar Brocken übersetzen, aus denen zu entnehmen war, dass die Gruppe hier Urlaub machte und das unfreundliche Wetter unwillig kritisierte.

Alle trugen sie Jeans und bunte Jacken und da die Burschen auch langes Haar hatten, konnte man aus der Entfernung nicht feststellen, wer nun Männlein oder Weiblein sein sollte. Aber ein Mädchen fiel Fee auf. Sie war graziler als die andern und hatte ein feines Gesicht und riesengroße blaue Augen. Sie saß still in der Runde und ihr Blick schweifte in die Ferne.

»Gell, Mami, bei uns sind lange Haare für Buben gar nicht mehr modern«, raunte Anneka ihrer schönen Mutter zu. »Jedenfalls nicht so lange.«

Fee lächelte. »Bei uns tragen ja jetzt die Mädchen oft auch ganz kurzes Haar«, erwiderte sie. »Und gar so kurz sind die Haare von Danny und Felix auch nicht.«

»Aber schön gepflegt«, stellte die Kleine kritisch fest. »Gell, ihr würdet uns nicht so weit weg lassen von zu Hause?«

Fee wollte sich da nicht festlegen. Wenn die Kinder erwachsen wurden, hatten sie eigene Vorstellungen, und sie war recht froh, dass für ihre Kinder bis dahin noch einige Jahre ins Land gehen würden.

Jetzt aber blickte jenes Mädchen, das ihr gut gefiel, zu ihnen herüber, und Fee bemerkte, dass ein sehnsüchtiger Ausdruck in ihren Augen lag. Dann stand das Mädchen plötzlich auf und ging hinaus.

Die Nordens waren auch im Aufbruch begriffen. Die Kinder liefen hinaus. Fee und Daniel folgten langsamer und da sahen sie, wie jenes Mädchen sich zu Anneka herabbeugte und in gutem, fast akzentfreiem Deutsch fragte: »Sagst du mir, wie du heißt?«

»Anneka, und wie heißt du?«

»Brenda.«

Fee hörte es deutlich, und sie ahnte nicht, wie bedeutungsvoll es noch einmal werden sollte, dass dieses Mädchen den Namen genannt hatte.

Als Brenda die Nordens kommen sah, errötete sie. »Verzeihung«, sagte sie leise, »es ist ein so süßes Mädchen.« Und dann entfernte sie sich rasch.

»Sie ist doch nett, warum läuft sie weg?«, fragte Anneka. »Ihr seid doch auch nett mit Fremden.«

»Sie hat sicher eine gute Erziehung genossen und wollte uns wohl nicht belästigen«, erwiderte Fee.

»Aber das war doch nicht lästig«, meinte Anneka.

»Nein, das war es nicht, Anneka, aber da sie uns nicht kennt, dachte sie wohl so.«

»Sie heißt Brenda«, sagte Anneka. »Hatten wir schon mal eine Brenda?«

»Keine, die wir näher kennen lernten«, erklärte Fee.

»Aber die Brenda lernen wir nun auch nicht näher kennen«, sagte die kleine Anneka nachdenklich. »Sie ist sehr hübsch, gell, Mami?«

»Ja, sie ist sehr hübsch«, gab Fee ihrer kleinen Tochter recht.

Dann begann es schon zu tröpfeln und von fern grollte Donner. Im Laufschritt liefen sie zu ihrem Wagen zurück und erreichten ihn gerade noch, bevor wieder ein starker Gewitterregen niederging.

»So ein Mist, dauernd muss es regnen«, brummte Danny. »Und jetzt wird sich Lenni Sorgen machen.«

»Wir sind ja bald da«, meinte Daniel beruhigend.

Freilich machte sich Lenni Sorgen, aber als sie dann kamen, hellte sich ihre Miene gleich wieder auf, und sie war nur noch besorgt, dass niemand sich eine Erkältung geholt haben könnte. Die Zwillinge schliefen bereits, aber sie wurden nochmals munter, was ihren Eltern auch ganz recht war. Sie waren ja so niedlich in diesem Alter. Da dachte auch Fee nicht mehr an die junge Schwedin.

Danny hörte Radio, vor allem den Wetterbericht, denn am Dienstag sollten sie ihren Schulwandertag haben.

»Auch für die nächsten Tage werden Gewitter angesagt«, erklärte er unwillig. »Da fällt unser Wandertag bestimmt auch ins Wasser.«

»Besser, als wenn ihr durchnässt werdet«, meinte Daniel gelassen. »Gewitter in dieser Zeit sind außerdem gefährlich.«

»Wir wissen schon, dass man da nicht unter Bäume flüchten soll«, sagte nun auch Felix. »Das gilt nämlich gar nicht, was man früher so sagte. Meide die Weide, suche die Buche, weiche der Eiche, finde die Linde. Lenni sagt auch, dass das ein Schmarr’n ist.«

»Aber leider wird es zu wenig beachtet. Viele flüchten vor dem Regen und begeben sich in weitaus größere Gefahr«, sagte Daniel.

*

Die schwedische Studentengruppe war in die Pension zurückgekehrt. Es wurde debattiert, was man nun unternehmen wolle, da das Wetter ja höchst unerfreulich sei und wohl auch bleiben würde. Vier entschieden sich sofort, weiter nach Italien zu fahren. Sie wollten auch gleich am nächsten Morgen starten.

Brenda sagte gar nichts. »Was meinst du, Brenda?«, fragte Lars Halmstad.

»Merkst du nicht, dass sie Heimweh hat?«, fragte Merlind Mönken spöttisch.

Brenda blickte auf. »Ich habe kein Heimweh. Mir gefällt es hier. Bei uns scheint auch nicht immer die Sonne. Und jetzt bin ich müde.«

Sie erhob sich, wünschte eine gute Nacht und ging. Lars wollte ihr folgen, aber er wurde von den anderen zurückgehalten.

»Da hast du dir aber eine komische Type angelacht, Lars«, sagte Merlind anzüglich.

»Ich habe sie mir nicht angelacht«, widersprach er. »Sie hat sich angehängt, als ich sagte, dass wir nach Bayern fahren. Ihre Mutter stammt aus München.«

»Und sie ist ein ganz verwöhntes Mädchen«, sagte der junge Mann, der Carl gerufen wurde. »Geld hat sie auch und sie dachte wohl, dass wir nur in Nobelhotels wohnen.«

»Großer Gott, wenn sie ein Einzelzimmer zahlen kann, lasst es ihr doch«, sagte Lars.

»Und wo schläfst du?«, wurde er gefragt.

Seine Augenbrauen schoben sich zusammen. »Das wisst ihr ja. Jedenfalls nicht bei ihr.«

»Sie ist ein fremder Vogel in unserer Clique«, sagte Merlind Mönken. »Bring sie auf Vordermann oder bleibt allein hier. Diese eingebildete Pute langweilt mich.«

»Sie ist nicht eingebildet«, widersprach Lars. »Sie hat Kummer, weil es Krach zwischen ihren Eltern gegeben hat. Sie wollte einfach nur weg, und als ich mit ihr darüber sprach, dass wir nach Bayern fahren, hat sie sich schnell entschlossen mitzukommen.«

»Und sie hatte ein schickes Auto und Geld«, spottete Merlind.

»Ist das ein Nachteil?«, fragte Lars gereizt. »So viel Geld habe ich nicht, ein Mädchen mitzuziehen. Sie hat das Glück, einen stinkreichen Vater zu haben …«

»Dann halt dich nur ran«, sagte Merlind, »aber wenn sie weiterhin ihre Türe abschließt, wird sie unbeschadet und reumütig in den Schoß der Familie zurückkehren.«

Lars sprang auf. »Ihr seid ja nur neidisch«, stieß er gereizt hervor. »Macht doch, was ihr wollt.«

Wenig später klopfte er an Brendas Tür. »Ja, was ist?«, fragte sie.

»Ich muss mit dir sprechen, Brenda, mach doch bitte auf«, sagte Lars drängend.

Er war überrascht, als sie tatsächlich aufschloss. »Ja, wir müssen wohl miteinander sprechen«, sagte sie. »Mir gefallen deine Freunde nicht, Lars. Ich habe mir das anders vorgestellt. Ich dachte, dass man miteinander reden kann, diskutieren. Ich ahnte auch nicht, dass das eine Pärchenwirtschaft ist. Ich dachte, dass es alles ernsthafte Studenten sind, die Land und Leute kennen lernen wollen.«

»Wir haben doch Ferien, Brenda«, sagte er. »Sei nicht albern, ein bisschen Spass gehört auch dazu.«

»Aber nicht solcher Spass, wie ihr ihn versteht.«

Er lehnte sich an die Wand. »Ich weiß, dass du Probleme hast, aber du wolltest doch abschalten«, sagte er.

»Ich mag dieses Geblödel nicht. Meinst du, ich spüre nicht, dass es Merlind auf dich abgesehen hat und wütend auf mich ist?«

»Du brauchst doch nicht eifersüchtig zu sein. Du siehst doch, dass Merlind sich gut mit Carl versteht.«

»Sie hat mir gesagt, dass sie schon mit dir geschlafen hat«, meinte Brenda kühl.

Lars wurde blass. »Mein Gott, sei doch nicht so prüde, das kommt schon mal vor. Wenn du dich als eiserne Jungfrau gibst …«

»Geh«, fiel sie ihm heftig ins Wort. »Ich bleibe hier. Macht, was ihr wollt.«

Lars kniff die Augen zusammen. »Vergisst du jetzt auch, dass du uns großzügigerweise mit deinem Wagen mitgenommen hast?«, fragte er.

Ihr Gesicht wurde zur Maske. »Wenn es darum geht, fahrt doch los mit ihm«, sagte sie, »ich komme auch so zurecht.«

Er starrte sie an. »Du bist kindisch und arrogant zugleich«, zischte er. »Du kannst einen in Rage versetzen, Brenda, mit deinem Hochmut. Aber vielleicht sollte man nicht zu viel Rücksicht walten lassen. Wer A sagt muss auch B sagen.«

Er kam auf sie zu, aber bevor er nach ihr greifen konnte, stürzte sie an ihm vorbei, durch die Tür, die Treppe hinunter, und lief, lief, als würde sie von Furien gejagt.

Brenda wusste nicht, wohin sie lief. Es war dunkel, und sie wusste auch nicht, wie lange sie lief. Irgendwann, irgendwo sank sie erschöpft zusammen. Ihr war alles gleich. Ihre Sinne schwanden und zuletzt dachte sie nur an ihre Eltern. Warum wollt ihr euch trennen, stöhnte sie, warum habt ihr mir das angetan. Dann schwanden ihr die Sinne.

*

Lars hatte gar nicht den Versuch gemacht, ihr zu folgen. Er ging zu Merlind und Carl zurück.

»Manchmal spinnt sie wirklich«, sagte er. »Sie ist weggelaufen, aber sie wird schon wiederkommen. Gehen wir doch in die Disco.«

Da kamen die vier anderen, mit Sack und Pack. Sie hätten beschlossen, schon jetzt loszufahren, sagten sie. Morgen früh könnten sie dann schon an einem sonnigen Strand in Italien liegen. Sie waren sich einig und eine Brenda Kygeland interessierte sie überhaupt nicht.

»In Taormina bei Pepe können wir uns ja treffen«, sagten sie noch. »Da scheint bestimmt die Sonne.«

Dann fuhren sie weg. »Und wir sitzen hier fest, weil wir auf deine blöde Brenda angewiesen sind«, sagte Herlind.

»Wir sollten sie suchen und umstimmen«, meinte Carl.

»Ihr auch noch nachlaufen?«, empörte sich Merlind. »Wir gehen in die Disco und morgen fahren wir gen Süden, ob sie will oder nicht. Ich lasse mir schon was einfallen.«

Sie gingen zu Fuß. Es hatte aufgehört zu regnen. Es war nicht so, dass Lars sich keine Gedanken um Brenda machte, aber er war gekränkt und sie hatte ihn schon öfter sehr rigoros zurechtgewiesen. Er hatte sich diesen Urlaub auch ganz anders vorgestellt, und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, hätte er sich eingestanden, dass er sich von einer intimen Beziehung auch allerlei versprochen hatte. Er wusste ja, dass hinter Brenda der reiche Reeder Rasmus Kygeland stand. Freilich war sie anders, als die anderen Mädchen, nachdenklicher und kritischer. Nicht eine von denen, die nur aus Opposition Aggressionen zeigte. Sie war auch keine Angeberin, die immer ihren Vater ins Gespräch brachte. Sie suchte nach Selbstverwirklichung. Lars Halmstad ahnte nicht, dass er an diesem Abend, zum ersten Mal in seinem Leben kritisch mit sich zu Gericht gehend, keine Chance mehr haben sollte, gute Gedanken auch zu verwirklichen. Wieder grollte Donner, dann zuckten Blitze vom Himmel. Die drei jungen Leute flüchteten in eine Hütte, die unweit der Straße stand, doch schon wenige Minuten später wurde diese von einem Blitz getroffen.

*

So erschöpft Brenda auch gewesen war, von den gewaltigen Donnerschlägen wurde sie aus einem bewusstseinlosen Schlaf emporgeschreckt. Sie taumelte empor aus feuchtem kühlem Moos, sie spürte, wie der folgende prasselnde Regen sie schnell durchnäßte. Es war stockdunkel und nur die Blitze erhellten die Nacht. Blindlings stolperte sie weiter. Irgendwo heulte ein Hund. Sie folgte diesen Tönen, ohne zu wissen, ob es auch die richtige Richtung sein könnte, um Menschen zu treffen. Aber sie hatte keine Angst. In ihr herrschte völlige Leere. Ein fremder Wille schien sie voranzutreiben. Dann sah sie plötzlich ein erleuchtetes Haus vor sich und das Heulen des Hundes, ein klagendes Heulen, ging in ein Bellen über.

Eine dunkle Gestalt tauchte vor ihr auf. Sie schrie auf, als kräftige Hände nach ihr griffen, dann verlor sie wieder das Bewusstsein.

»Ein Mädchen; sie ist total erschöpft«, sagte eine raue Männerstimme, aber Brenda hörte diese nicht.

»Willst du dich wieder in Schwierigkeiten bringen, Rick?«, fragte eine Frauenstimme.

»Ich kann sie doch nicht liegenlassen«, erwiderte er. »Sie ist patschnaß.«

»Gut, aber du hast nichts damit zu tun«, sagte die Frau. »Ich habe sie gefunden, du warst gar nicht da. Ich werde nicht zulassen, dass man dir noch mal was anhängt. Die Weiber treiben sich herum und machen anderen nur Ärger.«

Patrick Greiner trug das Mädchen ins Haus. Maria Greiner, seine Tante betrachtete das Mädchen. Wie eine Herumtreiberin sähe sie nicht aus, meinte sie brummig.

»Ich bringe sie ins Bett«, sagte sie rau. »Sie muss aus den nassen Sachen heraus. Setz Wasser auf für einen Tee.«

»Soll ich nicht lieber den Doktor rufen?«, fragte er.

»Du hältst dich da raus«, sagte sie barsch. »Denk dran, was dir dieses kleine Luder eingebrockt hat.«

»Es hat sich doch aufgeklärt«, sagte Patrick unwillig.

»Aber es hat lange genug gedauert. Du mit deiner verdammten Gutmütigkeit.«

»Danke gleichfalls«, sagte er anzüglich, als sie das Mädchen emporhob und in ihren Schlafraum trug. Sie war stämmig und hatte Kraft, mehr Kraft als mancher Mann, und ihre fünfzig Jahre sah man ihr schon gar nicht an.

»Komm, Moritz«, sagte Patrick zu dem Hund, »wir gehen in die Küche.«

*

Maria hatte das Mädchen schnell entkleidet. Flink und geschickt war das gegangen. Sie hatte Übung darin. Sie war viele Jahre Operationsschwester gewesen, und sie hatte schon so manchen Verletzten erste Hilfe geleistet.

Sie stellte fest, dass die Kleidung des Mädchens, abgesehen von den Jeans, gut und gewiss nicht billig war. Und es war ein sehr hübsches Mädchen, das da nun in ihrem Bett lag.

Brenda schlug bald die Augen auf und als Maria in diese großen blauen Augen blickte, wurde sie weich. Solche reinen Augen konnten nicht lügen.

»Wo bin ich?«, fragte Brenda flüsternd.

»In einem warmen Bett und gleich gibt es einen Tee«, erwiderte Maria. »Wie heißen Sie?«

»Wie heiße ich«, murmelte Brenda und ein angstvoller Ausdruck war in ihrem Gesicht. »Ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern. Es war so schrecklich, die Blitze, der Donnerschlag, ich dachte, die Welt geht unter.«

»Daran können Sie sich aber erinnern«, sagte Maria nun doch mit leisem Misstrauen.

»Habe ich es nur geträumt?« Plötzlich sprach sie schwedisch und Maria stutzte.