Das unbeugsame Herz - Toni Waidacher - E-Book

Das unbeugsame Herz E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Grüß dich, Brandhuberbauer«, rief Lorenz Stiegler winkend herüber. »Wie schaut's aus?« Anton Brandhuber zuckte die Schultern. »Geht schon«, antwortete er einsilbig und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Während der Nachbar kopfschüttelnd weiterging, blickte Anton unwillig auf seine Uhr. Endlich sah er den Knecht über die Bergkuppe kommen und langsam über die Wiese gehen. »Ein bissel mehr Tempo könnt' net schaden!«, bemerkte er. Xaver Obermoser winkte ab. »Ein alter Mann ist kein D-Zug«, meinte er und griff nach Hammer und Nagel. Bis zum späten Vormittag waren die beiden Männer damit beschäftigt, den Weidezaun zu flicken, der an mehreren Stellen große Löcher aufgewiesen hatte. Als es vom Tal her die elfte Stunde schlug, packten sie ihre Sachen zusammen und gingen zum Hof zurück. »In einer Viertelstund' gibt's Mittag«, sagte der Bauer. »Ich muss die Suppe bloß noch aufwärmen.« »Ist recht«, nickte Xaver.

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Der Bergpfarrer – 246 –

Das unbeugsame Herz

Kehrt das Glück irgendwann zurück?

Toni Waidacher

»Grüß dich, Brandhuberbauer«, rief Lorenz Stiegler winkend herüber. »Wie schaut’s aus?«

Anton Brandhuber zuckte die Schultern.

»Geht schon«, antwortete er einsilbig und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

Während der Nachbar kopfschüttelnd weiterging, blickte Anton unwillig auf seine Uhr. Endlich sah er den Knecht über die Bergkuppe kommen und langsam über die Wiese gehen.

»Ein bissel mehr Tempo könnt’ net schaden!«, bemerkte er.

Xaver Obermoser winkte ab.

»Ein alter Mann ist kein D-Zug«, meinte er und griff nach Hammer und Nagel.

Bis zum späten Vormittag waren die beiden Männer damit beschäftigt, den Weidezaun zu flicken, der an mehreren Stellen große Löcher aufgewiesen hatte. Als es vom Tal her die elfte Stunde schlug, packten sie ihre Sachen zusammen und gingen zum Hof zurück.

»In einer Viertelstund’ gibt’s Mittag«, sagte der Bauer. »Ich muss die Suppe bloß noch aufwärmen.«

»Ist recht«, nickte Xaver. »Ich schau’ derweil nach der Wäsche. Bei dem Wetter muss sie ja längst trocken sein.«

Dass die beiden Männer nicht nur die landwirtschaftliche Arbeit auf dem Brandhuberhof erledigten, sondern sich darüber hinaus auch noch um den Haushalt und das Essenkochen kümmerten, hatte seinen Grund. Kathi Brandhuber, die Frau des Bauern, war vor über zehn Jahren verstorben, und Anton hatte nie wieder geheiratet. Eine Magd auf den Hof zu nehmen, hatte er nie in Erwägung gezogen, denn damals war da ja noch die Resi gewesen. Therese Brandhuber, die einzige Tochter und Hoferbin. Doch das war eine andere Geschichte …

Jetzt war es zu spät, um noch eine Magd einzustellen. Denn selbst wenn er gewollt hätte, wäre kein Madel, keine gestandene Frau, willens gewesen, bei dem Bauern eine Stelle anzunehmen. Viel zu weit hatte sich in den Jahren herumgesprochen, was für ein alter Grantler auf dem Brandhuberhof saß. Die Nachbarn grüßten gerade mal so im Vorbeigehen, ansonsten gab es keinen Kontakt. Zu Geburtstagen oder anderen Feiern wurde Anton schon gar nicht mehr eingeladen, er ging ohnehin nie hin, und im Dorf ließ sich der Bauer so selten sehen, dass die Leute dann erstaunt waren, dass er überhaupt noch lebte.

Nein, ein Menschenfreund und gutherziger Mann war Anton Brandhuber ganz gewiss nicht, und das wiederum hatte etwas mit seiner Tochter zu tun.

Und an die sollte Anton an diesem Nachmittag völlig unvorbereitet erinnert werden …

Die beiden Männer hatten sich nach dem Essen an den Rest der täglichen Arbeit gemacht und saßen nun auf der Bank vor dem Haus und tranken Kaffee. Xaver rauchte dabei seine Pfeife. Der Bauer hatte nie geraucht und konnte auch nicht verstehen, was ein Mensch an diesem Qualm finden konnte. Der Knecht hingegen schmauchte genüsslich und trank ab und an einen Schluck.

»Ich glaub’, wir bekommen Besuch«, bemerkte er und deutete mit der Pfeife zur Hofeinfahrt.

Anton Brandhuber blickte in die Richtung, und seine Miene verfinsterte sich, als er den Mann erkannte.

»Was will der denn hier?«, brummte er missgelaunt.

»Grüßt euch, ihr zwei«, nickte Pfarrer Trenker ihnen zu. »Ich hoff’, es geht euch gut?«

»Was geht Sie das an?«, gab der Bauer schroff zurück und erhob sich, um ins Haus zu gehen.

»Da bleibst’!«, sagte der Bergpfarrer im Befehlston. »Ich hab’ mit dir zu reden.«

Anton Brandhuber sah ihn beinahe empört an.

»Sie haben mir gar nix zu sagen!«, bellte er. »Und schon gar net auf meinem eignen Grund und Boden! Gehen S’ in Ihre Kirch’, da können S’ den Leuten die Leviten lesen, aber net hier.«

Sebastian Trenker schüttelte den Kopf. Wie ein Kampfhahn stand ihm der Bauer gegenüber, die Fäuste in die Hüften gestemmt.

»Ich denk’, es würd’ dir net schaden, wenn dir hin und wieder die Leviten gelesen würden«, sagte der gute Hirte von St. Johann gelassen. »Himmel, hör’ mir wenigstens zu. Es dauert ja net lang’, was ich dir zu sagen hab’.«

Die Augen des alten Mannes funkelten immer noch böse, während er scharf die Luft einsog.

»Also?«

»Die Resi hat mich gestern angerufen«, erklärte der Bergpfarrer den Grund seines Besuchs. »Sie will nach Haus’ kommen, und ich denk’ mir, es wär’ ganz gut, wenn du schon mal darüber Bescheid wüsstest. Immerhin ist deine Tochter …«

»Ich hab’ keine Tochter mehr!«, unterbrach Anton Brandhuber den Geistlichen grob. »Sie ist vor sieben Jahren gestorben, und Sie sind daran net unschuldig!«

Sebastian holte tief Luft.

»Ich weiß, was du mir vorwirfst«, antwortete er. »Und dass du net mehr in die Messe kommst, daran hab’ ich mich ja schon lang’ gewöhnt, auch wenn ich’s schad’ find’. Aber glaubst’ net auch, dass es langsam an der Zeit wär’, endlich Frieden zu schließen, mit mir und vor allem mit deiner Tochter?«

Anton Brandhuber maß ihn von oben bis unten, und sein Blick war ein einziger Vorwurf.

Mehr noch, eine Anklage!

»Sie sind schuld, dass sie fortgegangen ist!«, stieß der Bauer hervor. »Sie ganz allein! Das Madel ist net mehr meine Tochter, mehr ist dazu net zu sagen. Und jetzt verschwinden S’ und lassen S’ mir mei’ Rua!«

Damit drehte er sich um und verschwand im Haus.

Xaver Obermoser hatte die ganze Zeit stumm dagesessen und kein Wort gesagt.

Jetzt nahm er die Pfeife aus dem Mund.

»Es ist ihn hart angegangen«, meinte er. »Der Bauer hat’s nie verwunden, dass die Resi fortgegangen ist. Und Ihnen, Hochwürden, kann er’s net verzeihen, dass Sie das Madel noch dazu ermutigt haben.«

»Ich weiß«, erwiderte Sebastian Trenker. »Aber ich hab’ das getan, was ich für richtig gehalten hab’. Und dazu steh’ ich heut’ noch.«

*

Der Bergpfarrer stieg wieder ins Tal hinunter, wohl wissend, dass der Weg, den er gemacht hatte, vergebens gewesen war. Indes war Sebastian sich gegenüber ehrlich genug, um zuzugeben, dass er nicht wirklich daran geglaubt hatte, das verhärtete Herz des Bergbauern erweichen zu können. Mehr als einmal hatte Anton Brandhuber ihm zu verstehen gegeben, wem er letztendlich die Verantwortung dafür gab, dass seine einzige Tochter Haus und Hof verlassen hatte.

»Ihre Pflicht wär’s gewesen, das Madel daran zu hindern!«

Und mehr als einmal hatte sich der Geistliche diesen Vorwurf in Erinnerung gerufen. Dennoch wusste Sebastian, dass er immer wieder so handeln würde, wie er es auch in diesem Fall getan hatte.

»Ist der Brandhuberbauer eigentlich mit dem Loisl verwandt?«, erkundigte sich Max, als die beiden Brüder sich beim Essen über den Besuch auf dem Berghof unterhielten.

»Ganz sicher net«, schüttelte der Ältere den Kopf. »Eine rein zufällige Namensgleichheit.«

Max meinte nämlich den Brandhuber-Loisl, den selbst ernannten Wunderheiler von St. Johann, der mit seinen selbst gebrauten Kräutertees und Heilsalben den Leuten, vornehmlich den Urlaubern, das Geld aus der Tasche zog.

»Wär’ ja auch ein dolles Ding, wenn wir nun neben dem alten Quacksalber auch noch eine Frau Dr. Brandhuber hätten«, lachte der Polizist.

»Ich glaub’ net, dass die Resi für immer bleibt«, meinte Sebastian Trenker zweifelnd. »Schon gar net, wenn sie hört, wie der Vater auf ihre Besuchsankündigung reagiert hat.«

»Wer weiß«, winkte Max ab. »Auf der ›Nonnenhöhe‹ werden gute Ärzte gern genommen.«

»Da hast’ schon Recht. Ich weiß nur net, ob die Resi unter diesen Umständen wirklich hier leben will. Es würd’ ja schrecklich für sie, dem heimatlichen Hof so nah zu sein und ihn net betreten zu dürfen.«

»Eine Schand’ ist das!«, bemerkte die Haushälterin. »Schämen sollt’ er sich, der Anton, sein einziges Kind zu verstoßen!« Sophie Tappert war ansonsten eher schweigsam. Wenn sie sich wirklich mal in eine Unterhaltung einmischte, dann musste ihr das Thema schon sehr am Herzen liegen.

»Apropos«, bemerkte Max, »was geschieht eigentlich mit dem Hof, wenn der Anton mal net mehr ist?«

Er hob beschwörend die Hände.

»Also, ich wünsch’ ihm ein langes Leben!«, setzte er rasch hinzu. »Von mir aus soll er hundert Jahr’ alt werden. Aber nehmen wir mal an, der Herrgott beruft ihn doch eines Tages ab, wer erbt dann den Hof und all das Land dazu?«

Sebastian zuckte die Schultern. Diese Frage hatte er sich auch schon oft gestellt. Erst heute wieder, als er vergebens auf dem Brandhuberhof gewesen war.

»Wenn der Anton schlau ist, dann hat er ein Testament gemacht, in dem alles geregelt ist«, antwortete er. »Vielleicht gibt’s da auch noch andre Verwandte, von denen wir nix wissen. Die Brandhubers sind vor über hundert Jahren, aus dem Allgäu kommend, hier sesshaft geworden. Möglicherweise gibt’s da also noch jemanden, der erbberechtigt ist.«

»Und die Resi erbt nix?«, fragte Sophie Tappert mit weit aufgerissenen Augen.

»Net, wenn der Vater sie enterbt hat. Und ich fürcht’, genau das hat er seinerzeit getan. Angedroht hatte er’s ja zumindest.«

Max stand auf und reckte die Arme.

»Tja, ich muss dann mal wieder los«, meinte er bedauernd. »Vielen Dank fürs Essen. Bis später.«

Sebastian nickte und half seiner Haushälterin beim Abräumen.

»Wann genau kommt die Resi eigentlich?«, fragte Sophie Tappert, als sie sich an den Abwasch machte.

Der Geistliche sah auf die Uhr.

»Ich denk’, sie wird jeden Moment da sein.«

Im selben Augenblick klingelte es an der Tür des Pfarrhauses.

*

»Willkommen daheim!«, lächelte Sebastian die junge Frau an, die vor der Tür stand. »Lass dich anschau’n. Hübsch warst’ ja schon immer, aber jetzt bist’ eine richtige Schönheit!«

Resi Brandhuber errötete ob diesem Kompliment.

Die junge Frau war schlank und groß gewachsen.

Das schulterlange kastanienbraune Haar hatte sie mit einem Band gebändigt. Die Jeans sah zwar lässig aus, war aber bestimmt nicht billig gewesen, genau wie die karierte Bluse und die Jacke aus leichtem Velours. Die Ärztin wirkte nicht vornehm, zeigte aber doch eine gewisse Eleganz, die indes selbstverständlich an ihr wirkte und nicht zur Schau gestellt.

»Grüß Gott, Hochwürden«, sagte sie, vor Freude strahlend, »ich bin froh, wieder hier zu sein.«

Sie schüttelten sich die Hände, und der Bergpfarrer bat die Besucherin herein.

»Das Gästezimmer ist vorbereitet«, erklärte er.

Resi zuckte bedauernd die Schultern.

»Tut mir leid, wenn ich Ihnen Umstände mach’«, sagte sie. »Aber weder im Hotel, noch in einer der Pensionen, war ein Zimmer zu bekommen.«

»Ist schon recht«, winkte der Bergpfarrer ab. »Du machst uns gewiss keine Umstände, und Frau Tappert ist froh, jemanden zu haben, den sie zusätzlich verwöhnen kann.«

Resi begrüßte die Haushälterin herzlich.

»Schön, dass du heimgekommen bist«, sagte Sophie Tappert. »Jetzt hast’ gewiss Hunger. Ich hab’ noch ein bissel Ritschert da. Den hast’ doch früher immer so gern’ gegessen.«

Die Ärztin strahlte über das ganze Gesicht.

»Das wissen S’ noch?«

»Freilich«, lachte die Haushälterin. »Ich hab’ doch net vergessen, wie ihr, die Christel und du, immer nach der Messe hergekommen seid.«

In Ermangelung von Buben, hatte Pfarrer Trenker seinerzeit auch Madeln als Messdiener herangezogen. Zur Belohnung gab es immer ein leckeres Essen im Pfarrhaus, und Resi Brandhuber und Christel Oberlechner hatten mit Begeisterung den herrlichen Eintopf aus Kartoffeln, Gemüse, Fleisch und vor allen Dingen Graupen geschmaust.

Wenig später saßen sie in der Küche am Tisch. Resi ließ es sich schmecken, und Sebastian sah ihr vergnügt dabei zu.

Ja, wenn die Christel jetzt auch hier wäre, dann hätt’ man glauben können, die Zeit wär’ stehen geblieben!

»Wie geht’s Vater?«, erkundigte sich die Ärztin, nachdem sie gegessen hatte.

»Ich war erst heut’ Mittag bei ihm …«

Resi Brandhuber deutete die Miene des Geistlichen richtig.

»Ich kann mir vorstellen, wie es war«, meinte sie. »Er ist immer noch so stur wie damals. Er hat sich net ein bissel geändert!«

»Nein, das kann man wirklich net sagen«, stimmte Sebastian Trenker zu.

Die junge Ärztin lehnte sich zurück.

»Eigentlich hab’ ich auch net damit gerechnet«, sagte sie leise. »Zwar hab’ ich ihm bis vor ein paar Jahren immer wieder geschrieben, aber es ermüdet, wenn man die Briefe stets ungeöffnet zurückbekommt.«

»Mir hat er auch nie verziehen, dass ich dir zu diesem Schritt geraten hab’«, erzählte der Bergpfarrer. »Und seit damals ist dein Vater auch net mehr in die Kirche gekommen.«

Resi Brandhuber strich sich nachdenklich eine Locke aus der Stirn, die unter dem Band hervorlugte.

»Ich hab’s trotzdem net mehr ausgehalten. Sieben Jahre sind eine lange Zeit. Ich hatte so sehr gehofft, Vater würd’ sich besonnen haben. Ehrlich gesagt, weiß ich gar net, was ich jetzt tun soll. Bleiben oder wieder abreisen?«

Sebastian schüttelte energisch den Kopf.

»Freilich bleibst!«, sagte er bestimmt. »Und wenn’s nur dazu ist, hier ein bissel Urlaub zu machen und dich zu erholen. Was deinen Vater angeht, da müssen wir Geduld haben. Aber ich geb’ die Hoffnung net auf.«

Die braunhaarige Ärztin lächelte.

»Ihren Optimismus, den möcht’ ich gern’ haben!«

»Wart’s ab«, meinte der Geistliche. »Nix geschieht ohne Grund, und den hat’s auch, dass du wieder da bist. Aber jetzt erzähl’ doch mal, wie ist’s dir in all den Jahren ergangen?«

Sophie Tappert hatte Kaffee gekocht und den Kuchen angeschnitten, den sie am Morgen gebacken hatte. Nun setzte sie sich dazu, und Resi erzählte.

Es hatte einen fürchterlichen Streit gegeben, als sie damals ihrem Vater erklärte, sie würde nicht auf die Landwirtschaftsschule gehen, sondern in München Medizin studieren wollen.

»Medizin?«, hatte Anton Brandhuber gebrüllt. »Bist’ jetzt ganz und gar narrisch geworden? Wer soll denn mal den Hof übernehmen? Oder willst hier vielleicht eine Praxis eröffnen?«

Es folgte eine ganze Reihe weiterer Vorwürfe, wie undankbar die Tochter sei und dergleichen. Schließlich gipfelte der Streit darin, dass der Bauer androhte, Resi zu enterben, wenn sie nicht von ihrem Vorhaben abließe.

In ihrer Not hatte sich die Bauerntochter an den guten Hirten von St. Johann gewandt. Sebastian hatte sich besonders um Resi gekümmert, nachdem Katharina Brandhuber so früh und überraschend verstorben war. Er war zum Förderer des hübschen Madels geworden und freute sich beinahe noch mehr als Resi, als sie das Abitur mit der besten Note machte.

»Jetzt steh’n dir alle Wege offen«, sagte er, als sie sich über die Zukunft des Madels unterhielten.

Und diese lag für Resi Brandhuber schon ganz klar vor ihren Augen.

»Ich möcht’ Medizin studieren«, erwiderte sie. »Ich will Ärztin werden und andren Menschen helfen, wieder gesund zu werden. Mutter haben die Ärzte net helfen können, aber genau darum muss ich es tun. Vielleicht kann ich eines Tags Leben retten.«

»Das ist eine wunderbare Idee«, hatte Sebastian Trenker sie ermutigt.

Doch das darauf folgende Gespräch mit Resis Vater verlief genauso, wie viele andere später. Der Bauer war uneinsichtig und beharrte darauf, seine Tochter solle Bäuerin werden und einmal den Hof übernehmen.