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"Der arme Konrad" von Friedrich Wolf ist ein kraftvolles Drama, das die packende Geschichte des Bauernkriegs im Jahr 1514 erzählt. Inmitten von Rebellion, Unterdrückung und Freiheitskämpfen erheben sich die Bauern von Schwaben, angeführt von mutigen Anführern wie Konz, Geispeter und Bantelhans, um gegen die tyrannische Herrschaft von Herzog Ulrich zu kämpfen. Dieses E-Book lässt die dramatischen Ereignisse und leidenschaftlichen Reden lebendig werden und zeigt, wie die einfachen Menschen sich gegen die Ungerechtigkeit auflehnen. Ein zeitloser Appell für Gerechtigkeit und Freiheit, der auch heute noch aktueller denn je ist. Tauchen Sie ein in die Welt des Bauernkriegs und erleben Sie den unerschütterlichen Kampfgeist der Bauern, ihre Hoffnungen, Träume und die unermesslichen Opfer, die sie für ihre Freiheit bringen.
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Seitenzahl: 92
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Friedrich Wolf
Der Arme Konrad
Schauspiel aus dem Deutschen Bauernkrieg 1514
ISBN 978-3-68912-030-6 (E–Book)
Uraufführung 1924 in Stuttgart.
Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.
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KONZ, GEISPETER, SCHNECKENHERODES, BANTELHANS: Bauernhauptleute des Armen Konrad
SEBASTIAN: Fähnrich des Armen Konrad
BRUDER ARNOLD
BUCKENBEGK
ENTEMEYER
AUERHAHN
DER BLINDE ANDRES, FIDI: Bundschuher aus dem Breisgau
RES,Trommlerin
ANNA: Konzens Weib
HERZOG ULRICH
RITTER THUM
JÖRG VON WEILER
MOLINARIUS
JUDICA
BAUERN, DIENER, JÄGER, GEWAFFNETE
Ort: Das Schwabenland
Zeit: Das Jahr 1514
Geschrieben 1923 auf der Rauhen Alb
Waldnacht. Mondschein durch Stämme. – Fidi zieht den blinden Andres auf einem schmalen Bergpfad hinan.
fidi: Komm nur, komm noch übern Wald, dann sind wir in Schwaben.
andres tastend: Heiliger Josef, was führst du einen Blinden für Wege!
fidi: Wolltst wohl auf der Blutbank zu Lehen bleiben und vor dem Truchsess mit deinen zerbrochenen Lichtern Reverenz tun? Fort, dir haben sie die Augen gestochen, mir würd’s Nacken und Kutteln kosten und den andern die Freiheit.
andres: Sag mir’s noch einmal, Fidi: Hat keiner von den Bundschuhern die Namen genannt?
fidi: Keiner, sag ich.
andres: Gottslohn, so hat’s noch Männer!
fidi: Aber die besten sind hin! Den Rotthans brannten sie mit Eisen und quetschten ihm Daumen und Arm, bis kein Fleisch mehr am Knochen saß, dass er den Joß nenn; da spie er den Ratzen seine Zung vor die Füß, um im Jammer nit doch zu verraten.
andres: Still! Hörst die Kuh wieder lungen und plärren?
fidi: Was soll ein Kuh nit brüllen, wann’s auf Morgen geht; lass die sparrige Red!
andres erregt: Das ist kein sparrige Red, Fidi! Das ist ein ehrfürchtig und heilige Red, Fidi: Einst wird ein Kuh auf dem Schwanenberg stehn, so ist prophetet, die wird lungen und plarren, dass man’s drüben in der Schwyz wird hörn und durchs ganz Deutschland!
fidi: Das muss ein mächtig Kuhstück sein.
andres: Das wird ein riesengroß Stück sein! Gepackt. Hat nit der Schwyzer drüben die Herren geworfen, dass sie Sporen und Spieße ließen, hat nit der gemeine Mann ein groß Banner aufgesetzt vom Solothurn bis ins Etsch, sind die Vögt und großen Hansen nit kommen und han geschworen auf die Bauernsätz? Ich sag dir’s, Fidi, die Kuh wird brüllen und ganz Deutschland wird’s hören!
fidi: Hast noch immer nit genug, Andres?
andres: Willst du drum abstehn, Fidi? Die groß Sach stirbt nit an zwei Augen und nit an einem Bach von Blut; die groß Sach schläft nur! – Sind’s Leut?
fidizieht ihn zurück: Fort, hintern Busch!
Ulrich Entemeyer, der Schneckenherodes und Sebastian, drei Bauern, ziehen – eingeschirrt wie Gäule – einen Stamm den Wald hinauf.
schneckenherodes schnaufend: Himmelstugertsakrament, mein Blasbalg! Das schafft kein Ross!
entemeyer: Bist auch kein Ross; das Ross steht drunten beim Forst vorm Haferkotten, dass es fein blank und stichig ist beim Ausritt; aber der Bauer wird eingeschirrt wie ’n Ochs, die Stämm für die Jagdhütt den Berg naufzuziehn.
schneckenherodes: Kotzdonner, die großen Hansen; jetzt heißt’s, auch ’s Brot wird versteuert und der Most.
entemeyer: Fluch nit; kusch!
schneckenherodes: Kuschen! Ich?
entemeyer: Nun?
schneckenherodes: Wer hat denn aufgemuckt, da’s Schnecken und Eier sammeln hieß für die Plackschmeißer und Sammetzungen bei des Ulrich Hochzeit, he! Wie die Schulbuben, die man mit dem Stecken jagt, so seid ihr gerannt, die zehntausend Weinbergwürm für die fränkischen Herrlein zusammenzuklauben!
entemeyer: Prahlst auch noch, dass du wie ’n dampfiger Stier auf den Schneckenhauf sprangst und alles in Klump tratest, was für des Herzogs Tafel gehießen?
schnegkenherodes: Macht er’s denn anders? Tritt er nit auf uns Bauernvolk mit seiner Schatzung und Steuer, dass uns der Saft aus Nasen und Fingern spritzt?
Sebastian: Ich fron nit länger! Wirft die Siele ab.
entemeyer: Bist des Deixels? Rein ins Geschirr, sonst geht’s über uns all!
Sebastian: Nein, will erst wissen, ob’s wahr ist, was der Bruder Arnold verkunden, es ständ im Evangeli, dass alle Kreatur frei sei und erlöst durch unsern Herre Christus; auch der Mensch sei erlöst?
entemeyer: Schwatz kein Bohnenstroh, du grünes Volk; davon wird heut kein Maul satt! – Ran!
Forstmeister Jörg von Weiler mit Jäger.
Jörg von weiler zum Jäger: Zum letzten, wenn einmal noch vom Bauer ein Vogel im Weinberg geschossen wird oder ein Hirsch oder Sau im Feld, so seid Ihr selbst Bauernvolk wieder; gehört?
Jäger: Gehört.
Jörg von weiler zu den Bauern: Was schnaufen die Kerle, als geh’s aufs Verenden? Soll wohl heißen, das sei Schindarbeit, soll wohl heißen, dass euch die Knochen noch eingefrostet und rostet sind so früh, he? Kommt, sollt warm werden, hejepp! Schwingt über ihnen die Peitsche.
Sebastian: Nit schlagen!
Jörg von weiler: He? Was muckt?
entemeyer: Euer Gnaden, zugunsten, es ist ein Simplici, der Depp, er weiß nit, was er sagt.
Jörg von weiler: Welch Dorf hat das Maul?
Jäger: Die Leut drunten vom Narrendorf, dort, wo sie das Narrengericht aufziehn und der Konz seinen Possen treibt.
Jörg von weiler: Ist das nicht der alberne Mummenschanz, da zwei Ritter rauben und in den Brunnen geworfen werden?
Jäger: Dieses, Herr.
Jörg von weiler: Das Spiel ist aufgehoben, Kappen, Pritschen und Narrengewand werden arretiert, der Verricht wird gemeldet.
Jäger: Der Verricht wird gemeldet.
jörg von weiler: Es gibt andere Arbeit heut als mit dem Maul zu fechten! Es geht euch immer noch zu gut, ihr Kreatur, man muss die Leinen kürzer ziehen! Die Hütt soll in der Woch noch stehn, wenn der Herzog die Jagd abbläst; vorwärts drum, ho hejepp! Mit Bauern und Jäger ab.
Andres und Fidi hervor.
fidi: Hast du den Hetzhund gehört, den Schandvogt?
andres: Ja, Fidi, es ist überall derselbig Vers: die ganze Welt ist bis zum Rand voll von Knechtschaft und Feigheit, und die Männer sind übergeschäumt und am Boden zertreten.
fidi: Aber den Jungen, den sahst nit, den Schlaghengst?
andres: Schlagen oder nit, Fidi, das ist dort wie hier; was schleppst du mich übern Wald! Einer schlagt aus und die andern ducken, und der eine geht darüber zuschanden. Empor. Soll denn das ewig so sein in der Welt, Fidi? Soll’s denn nie einen Ruck tun nach vorn in der Welt, ist alles Blut in den Dreck geronnen? Fidi, dass auch hier die Peitsch pfeift über Männerbuckeln, dass sie niederducken wie die Hund vorm Stock, das han ich durch meine hohlen Augen gehört.
fidi: Und ich han auch was gehört, Andres!
andres: Noch argres?
fidi: Ich han auch was gehört, du alter Daniel, ich han auch was gehört, als der Forst knallte und die Fäuste knackten und den Geselln die Ader am Hals rauskam.
andres: Was hast gehört?
fidierregt: Die Kuh han ich gehört, Andres, das riesenhaft Kuhstück, das auf dem Schwanenberg steht und lungt und plärrt: M–u–h! M–u–h!, dass es rollen wird bis zur Schwyz und ins ganz Deutschland!
andres fasst Fidi beglückt: Das hast gehört, Fidi, das hast wirklich gehört; so müssen’s auch drüben die hören! – Fidi, auf, führ uns übern Wald nach Schwaben!
Bauernstube: Ärmlicher Hausrat. Es ist Nacht; die Fensterläden sind geschlossen; eine Lampe brennt. Konz im weißleinenen, gegürteten Bauernkittel, mit Narrenkappe auf dem Kopf, schreibt in einem Buch. Anna, sein Weib, perlt Erbsen.
anna: Bist noch nit am End?
konz: Mit jeder Seit bin ich am End, und mit jeder Seit, die ich umschlag, fang ich an. Heiliger, hat’s da viel Mäus im Remstal für eine Katzen!
anna: Schwatz nit so närrisch Zeug, Konz, man hört kein ernstes Wort mehr von dir.
konz: Bin dafür der Narrenvogt.
anna: Wärst besser was andres.
konz: Der Schorndorfvogt, der Jörg von Weiler? Oder gar der Herzog? Ei, so wärst du ja die Frau Herzogin und die Kullern da Perlen, die der Bauer mit Mostzins und Brotkrum zu zahlen hat.
annaauf: Gib Ruh! Hat der Weiler dem Geispeter sein Rind nit genommen wegen rottischer Reden und den Acker zerstampft; han die Wänd nit Ohren?
konz: Ist all’s ja bloß Spaß und Spiel, Narretei. Überm Buch. Jetzt kommen die Butzen in den schwarzen Hauben, die sollen den großen Räuber greifen, so will’s das ehrsam Narrengericht.
anna: So will’s dein Weib wegen der Possen! Schlägt das Buch zu.
konzfasst sie bei der Hand: Anna, das ist kein Spaß!
anna: Au! Ich dacht!
konz: Geh in dein Kammer!
anna: Was han ich denn tan?
konz: Du sollst Männerwerk Männersach sein lan!
anna: Und du sollst Frauenbitt auch recht sein lan!
konz: All’s zu seiner Zeit; geh!
anna: Nein, Konz, so schickst mich heut nit weg. Die ganzen Nächt sitzest und sinnierst und kritzelst in der Schwarten, als wär morgen der Jüngste Tag und gält’s ein dick Sünderlist noch niederzuschribseln für den großen Herrgott, und dabei rufst und kommandierst und schwingst ’s Wort, wie wann ein ganzer Hauf vor dir ständ von Leut und arm Seelen; da muss das Hirn ja wild und irrlichtig wern. – Konz, sag deim Weib, was dich druckt!
konz: Nix druckt mich … sehr, Anna.
anna schaut ihm über die Schulter: Warum hast denn da ein paar Schwert gemalt und dort ein Hufeisen unter dem Bantelhans?
konzschlägt das Buch zu: Du sollst nit spionen!
anna: Spionen … ich? Man könnt’s wern bei eurer Heimlichkeit und Versteckung, wann der Mann seim Weib nit traut.
konz: Sei gut, Anna; ich bin – Gottsmarter – spinnig und irrig; lass uns bei Nacht die Tag vergessen; die Tag sind herb genug.
anna: Das war ein lieb’s Wort; jetzt bist wieder mein Konz, gelt? Umarmt ihn. Schau, wir Weiber han sonst doch nix an Freud auf Erden als euch Mannen, ihr seid wie die hölzernen Stämm da draußen im Wald; wann ein Sturm kommt, so rasselt ihr mit euren Ästen zusammen, dass es kracht und splittert und all Frücht an Boden fallen, ’s ist eine herbe Zeit: Wer helfet mir Gesellin da früh und spat; auch mir helfet koan Deixel, auch mir helfet – ihn küssend – Koanrat!
konzaufgeschreckt: Wer … wer sagt’s?
anna: Ich, Narrle; darf man nit ein Narrenspruch sagen?
konz: Den nit!
anna: Was blickst wieder so gilb?
Es klopft leise ans Fenster.
stimme: Was hebets bei dir, Gesell, früh oder spat?
anna: Sei still, Konz; lass nix hörn!
konz: Es sind Schorndorfer Narrenleut, da hat’s ein dringlich Sach.
stimme lauter: Was hebets bei dir, Gesell, früh oder spat?
konz die Tür öffnend: Auch mir hebet koan Deixel, auch bei mir hebet koan Rat!
Durch die Tür treten in närrischer Vermummung – mit Narrenkappen, Strohzöpfen, Narrenpritschen – Bantelhans, Joß Buckenbeck, Geispeter und Bruder Arnold.
geispeter Narrenkappe und Nase abwerfend: Beim Geier, Konz, da hebet wahrlich koan Rat, jetzt nehmen sie den Zins schon vom lebendigen Fleisch; bald wern sie Würst aus unsern Kutteln machen!
konz: Gib Ruh; schmeiß mir die Brocken nit so ins Maul, wir sind kein Hund, wir sind eine rechtsam Narrenzunft; setzt euch, Geselln!
geispeter umher: Wer Sitzleder hat, mag sitzen oder auf dem Bauch rutschen, bei mir hebets nit mehr.
konzdrückt ihn auf die Bank: Sitzest! Schlägt mit einer großen Pritsche auf den Tisch.
Wir Narrenzunft sind jetzt beisamm,
Das Lamm ist Wolf, der Wolf ist Lamm,
Die Welt stoht wie ein Ei auf der Spitzen –
lasst uns zur Rechtung sitzen!
bantelhans: Die Rechtung ist rascher gar, als wir mochten, sie hangt wie ein überreif Apfel am Zweig; holen wir’s nit, so holt’s der Wind.
geispeter: Und uns der Deixel und seine Ratzen! Alles soll jetzt dem Herzog verpfändet sein, der Most, das Fleisch, das Korn, ja die Luft, die du schnaufest!
bantelhans: ’s ist kaum Platz mehr zum Krepieren!
geispeter: Und doch ist viel Platz, nur für den Bauer nit; doch ist viel Platz für den Herzog und seine siebentausend Zierbengels, die im Stuttgarter Schloss drei Wochen herumscharwenzten und turnierten, und doch ist viel Platz für die dreitausend Jäger und Vogt im Land, die wie Marder dem gemeinen Mann an der Ader sitzen, doch ist viel Platz …