Der Augenzeuge - Günter Dönges - E-Book

Der Augenzeuge E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Lady Agatha Simpson fühlte sich in ihrer Bewegungsfreiheit empfindlich eingeschränkt. Sie saß am Steuer ihres Land-Rover und war von parkenden Wagen restlos eingekeilt. Sie hatte keine Möglichkeit, sich in den Verkehr einzufädeln. Grimmig schaute sie auf den Fahrer des nächsten Wagens. Der Mann rührte sich nicht und reagierte keineswegs auf das gereizte Hupkonzert. »Was sagen Sie zu dieser Frechheit, Kindchen?« erkundigte sie sich bei ihrer Sekretärin und Gesellschafterin. »Vielleicht könnte man ein paar Zentimeter zurücksetzen, Mylady«, erwiderte Kathy Porter beruhigend. Ihr war sehr daran gelegen, Myladys Unmut ein wenig zu dämpfen. Sie kannte das Temperament der älteren Dame. »Worauf Sie sich verlassen können!« Agatha Simpson schaltete den Rückwärtsgang ein, was nicht ohne deutlich hörbare Schaltgeräusche vor sich ging. Die Lady ging mit der Technik stets rigoros um. Sie ließ die Kupplung kommen und setzte zurück. Ein knirschendes Geräusch des hinter ihr parkenden Wagens verriet, daß sie wohl doch etwas zu viel Gas gegeben hatte... »War da was?« fragte sie bei Kathy Porter an. »Wahrscheinlich sind die Scheinwerfer des hinter uns stehenden Wagens eingedrückt worden« vermutete Kathy ergeben. »Soll ich nachsehen, Mylady?« »Papperlapapp, Kindchen! Mit solchen Kleinigkeiten gebe ich mich nicht ab. Warten Sie, ich werde es nach vorn noch mal versuchen.« Sie schaltete und war ganz bei der Sache. Agatha Simpson, die sich vorgenommen hatte, es mit ihrer Geschicklichkeit zu schaffen, gab erneut Gas und lädierte auch prompt die Rückscheinwerfer des vor ihr parkenden Wagens. Glas splitterte, und dazu gab es erneut ein knirschendes, häßliches Geräusch von zerknautschtem Blech. »Was war das?« erkundigte sich die resolute Fahrerin noch mal.

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Butler Parker – 131 –

Der Augenzeuge

Günter Dönges

Lady Agatha Simpson fühlte sich in ihrer Bewegungsfreiheit empfindlich eingeschränkt.

Sie saß am Steuer ihres Land-Rover und war von parkenden Wagen restlos eingekeilt. Sie hatte keine Möglichkeit, sich in den Verkehr einzufädeln. Grimmig schaute sie auf den Fahrer des nächsten Wagens. Der Mann rührte sich nicht und reagierte keineswegs auf das gereizte Hupkonzert. »Was sagen Sie zu dieser Frechheit, Kindchen?« erkundigte sie sich bei ihrer Sekretärin und Gesellschafterin.

»Vielleicht könnte man ein paar Zentimeter zurücksetzen, Mylady«, erwiderte Kathy Porter beruhigend. Ihr war sehr daran gelegen, Myladys Unmut ein wenig zu dämpfen. Sie kannte das Temperament der älteren Dame. »Worauf Sie sich verlassen können!« Agatha Simpson schaltete den Rückwärtsgang ein, was nicht ohne deutlich hörbare Schaltgeräusche vor sich ging. Die Lady ging mit der Technik stets rigoros um. Sie ließ die Kupplung kommen und setzte zurück.

Ein knirschendes Geräusch des hinter ihr parkenden Wagens verriet, daß sie wohl doch etwas zu viel Gas gegeben hatte...

»War da was?« fragte sie bei Kathy Porter an.

»Wahrscheinlich sind die Scheinwerfer des hinter uns stehenden Wagens eingedrückt worden« vermutete Kathy ergeben. »Soll ich nachsehen, Mylady?«

»Papperlapapp, Kindchen! Mit solchen Kleinigkeiten gebe ich mich nicht ab. Warten Sie, ich werde es nach vorn noch mal versuchen.«

Sie schaltete und war ganz bei der Sache. Agatha Simpson, die sich vorgenommen hatte, es mit ihrer Geschicklichkeit zu schaffen, gab erneut Gas und lädierte auch prompt die Rückscheinwerfer des vor ihr parkenden Wagens.

Glas splitterte, und dazu gab es erneut ein knirschendes, häßliches Geräusch von zerknautschtem Blech.

»Was war das?« erkundigte sich die resolute Fahrerin noch mal. »Mir schien, als hätte ich was gehört.«

»Eigenartig«, wunderte sich Kathy halblaut und schüttelte den Kopf. »Der Fahrer reagiert überhaupt nicht. Er muß es doch auch gehört haben.«

»Tatsächlich.« Agatha Simpson richtete sich auf und straffte ihre majestätische Erscheinung. »Dieser Verkehrsrowdy scheint besonders schwerfällig zu sein.«

»Mylady, vielleicht sollten Sie nicht noch mal rammen«, schlug Kathy vor. Agatha Simpson aber ließ sich nicht beirren. Sie hatte bereits zurückgesetzt, sorgte dafür, daß die Scheinwerfer des hinter ihr stehenden Wagens restlos in die Brüche gingen, und fuhr dann wieder an.

Diesmal handelte es sich um einen echten Rammstoß.

Der vor dem Land Rover stehende Wagen wurde gehörig durchgeschüttelt und nach vorn getrieben. Kathy schloß für einen Moment die Augen. Jetzt mußten die Rückfahrscheinwerfer mit Sicherheit endgültig in ihre Bestandteile zerlegt worden sein.

»Sehen Sie doch, Kindchen!« Agatha Simpson deutete nach vorn. »Dieser phlegmatische Bursche scheint sich hingelegt zu haben.«

Myladys Beobachtung entsprach vollkommen der Tatsache.

Der Fahrer war verschwunden. Wahrscheinlich hatte er sich entsetzt zur Seite auf den Beifahrersitz geworfen. Doch er richtete sich nicht wieder auf, was normal gewesen wäre.

»Da stimmt doch was nicht.« Agatha Simpson drückte die Wagentür auf und stieg aus. Erst jetzt zeigte sich, wie erhaben sie wirkte. Sie trug ein Kostüm aus Tweed, das ihr ein wenig zu groß war. Die Schuhe waren derb und in jedem Fall unmodisch. Agatha Simpson liebte legere Kleidung, was sich auch in ihrer Kopfbedeckung ausdrückte. Der Hut glich einem sturmerprobten Südwester, wie er von Hochseefischern verwendet wird.

Ihr Gesicht erinnerte an das eines etwas angejahrten Rassepferdes. Es war faltenreich und verriet Energie. Lady Simpson hatte hellwache, graue Augen, die schnell im Zorn aufblitzten. Sie war eine durch und durch ungewöhnliche Frau, deren Alter schwer zu schätzen war. Sie selbst gab es stets mit »etwas über sechzig Jahre« an, woran zu erkennen war, daß sie nicht ganz frei von einer gewissen Eitelkeit war.

Diese ungewöhnliche Frau also marschierte auf ihren stämmigen Beinen zum vor ihr parkenden Wagen und schaute in das Innere. Sie hatte sich nicht getäuscht. Der Fahrer lag halb auf dem Nebensitz und rührte sich auch dann noch nicht, als die passionierte Detektivin energisch gegen die Scheibe klopfte.

Der Mann rührte sich immer noch nicht.

Lady Simpsons Temperament kam prompt zum Durchbruch. Sie öffnete die Wagentür und beugte sich über den auf den Polstern liegenden Mann.

»Haben Sie sich gefälligst nicht so«, schnauzte sie den Fahrer an. »Das bißchen Glas und Blech werden Sie ja wohl noch verschmerzen können, oder?«

Der Fahrer äußerte sich nicht zu dieser Frage. Er war nämlich tot!

*

»Er wurde vergiftet«, berichtete Lady Simpson und strahlte ihren Butler förmlich an. »Das muß man sich mal vorstellen, Mr. Parker. Er wurde vergiftet! Und wissen Sie auch, wo das geschehen sein muß?«

»Ich möchte mich nicht erkühnen, Mylady vorzugreifen«, antwortete Josuah Parker zurückhaltend und gemessen. Er hatte gleich nach Myladys Rückkehr den obligaten Tee serviert und stand abwartend vor dem kleinen Tisch. Er war bereit, Mylady zum Tee den ebenfalls obligaten Kreislaufbeschleuniger zu reichen. Dabei handelte es sich um einen erstklassigen alten Kognak, den die Hausherrin bevorzugte.

Parker trug eine schwarze Hose, eine gelb-schwarz gestreifte Weste und einen schwarzen Binder, der den altväterlich aussehenden Eckkragen zierte. Er war der Prototyp eines englischen Butlers, wie man ihn vielleicht nur noch in englischen Gesellschaftsfilmen zu sehen bekommt.

Butler Parker stand schon seit geraumer Zeit in Diensten der älteren Dame und fühlte sich hier außerordentlich wohl. Lady Simpson teilte seine Neigung und betätigte sich ebenfalls als Amateurdetektivin. Ihr unermeßlicher Reichtum gestattete es, dieser Laune zu frönen. Im Augenblick war sie von dem Mord sehr angetan. Sie witterte einen neuen Fall.

»Sie werden nicht erraten, wo er vergiftet worden ist«, vermutete Agatha Simpson.

»Mit einiger Sicherheit nicht, Mylady.«

»In der Kantine von New Scotland Yard«, sagte die Detektivin und lachte spöttisch. »Solch eine Blamage muß man sich mal vorstellen! Es ist einfach nicht zu fassen.«

»Wie Mylady meinen.« Parker sah den Zeitpunkt gekommen, den Kreislaufbeschleuniger zu reichen. Agatha Simpson ließ sich den Schwenker servieren und stärkte ihren Organismus nachhaltig.

»Haben Sie dazu sonst nichts zu sagen?« wunderte sich die resolute Dame, nachdem sie den Kognakschwenker abgesetzt hatte. Sie sah ihren Butler leicht verärgert an.

»Darf man erfahren, Mylady, wer der Tote ist?«

»Ralph Tainers, Mr. Parker. Das hier entdeckte ich in seinem Wagen, halb unter dem Sitz.«

Sie reichte Parker einen Zettel, der wohl aus einem größeren Notizbuch stammte. Auf diesem Zettel stand nichts anderes als eine Telefonnummer. Die Ziffern waren entweder in größter Eile oder vielleicht sogar mit schwindender Lebenskraft geschrieben worden. Sie sahen zittrig und leicht verwischt aus.

»Darf ich mir die Freiheit nehmen, Mylady zu fragen, woher Mylady den Namen des Toten in Erfahrung bringen konnte?« Parker drückte sich stets barock aus.

»Ich schnappte ihn von den Polizeidetektiven auf«, erwiderte sie. »Selbstverständlich verständigten Kathy und ich sofort die Polizei, nicht wahr, Kindchen?«

»Nachdem Sie den Toten durchsucht hatten, Mylady«, erwiderte Kathy und stellte die Dinge richtig.

»Halten wir uns nicht mit solchen Kleinigkeiten auf«, sagte die Detektivin ungerührt. »Was meinen Sie zu diesem Wisch, Mr. Parker?«

»Mylady haben sich bereits eine feste Meinung gebildet?« erkundigte sich Parker gemessen.

»Und ob ich das getan habe, Mr. Parker! Dieser Tainers hatte vor seinem Tod gerade noch die Kraft, die Telefonnummer seines Mörders niederzuschreiben. Für mich liegt das auf der Hand.«

»Mylady vergaßen wahrscheinlich, diese Telefonnummer den zuständigen Behörden zu übergeben?«

»Das ist vollkommen richtig, Mr. Parker.« Sie nickte. »Sie können sich ja vorstellen, wie durcheinander ich war.«

Parker konnte sich das zwar überhaupt nicht vorstellen, doch er hütete sich, dies zu sagen. Mylady hatte den Zettel mit der Telefonnummer ganz einfach unterschlagen.

»Sollte man dieses bedauerliche, aber verständliche Versäumnis möglicherweise nachholen, Mylady?«

»Unterstehen Sie sich!« Sie blitzte ihn gereizt an. »Ich würde mich ja unmöglich machen. Nein, nein, das muß ich jetzt durchstehen. Leider.«

Sie seufzte tragisch auf und tat so, als habe sich eine unsichtbare, aber schwere Last auf ihre Schultern gesenkt. Dann trank sie den Rest des Kognaks und stand auf. Sie machte einen sehr animierten Eindruck.

»Sie müssen zugeben, Mr. Parker, daß das hier ein neuer Fall für uns ist, oder?«

»Mylady haben sich bereits entschieden?«

»Mylady hat sich bereits entschieden«, schaltete sich Kathy Porter ein. »Mylady rief diese Nummer bereits an und nannte ihren Namen.«

»Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit bestürzt«, gab Josuah Parker zurück. »Darf man erfahren, wie die Gegenseite reagierte?«

»Überhaupt nicht«, erwiderte Agatha Simpson grimmig. »Sehr schlecht erzogene Leute unter diesem Anschluß. Es wurde einfach aufgelegt. Was sagen Sie dazu, Mr. Parker?«

»Die Manieren mancher Leute lassen in der Tat zu wünschen übrig, Mylady.«

»Es wurde einfach aufgelegt, Mr. Parker. Daraus geht doch hervor, daß man Dreck am Stecken hat. Ist Ihnen das nicht aufgegangen?«

»Durchaus, Mylady. Aber die Gegenseite dürfte jetzt wissen, wer da eine Spur aufgenommen zu haben scheint.«

»Das möchte ich doch sehr hoffen«, lautete die Antwort. »Ich habe meinen Namen schließlich laut und deutlich genannt. Sicherheitshalber zweimal! Sie müssen ihn genau verstanden haben.«

*

Er kam wieder mal zufällig vorbei, wie er behauptete.

Super-Intendent McWarden hatte sein bestes Sonntagsgesicht aufgesetzt und begrüßte Lady Simpson. Er schaffte es sogar, so etwas wie einen Kratzfuß anzudeuten, der allerdings leicht verunglückte. McWarden, seit einigen Wochen der berühmten »Flying Squadron« angehörend, war ein untersetzter, bullig aussehender Mann von etwa fünfzig Jahren. Er war ein ausgezeichneter Detektiv, der es überhaupt nicht schätzte, wenn Amateure seine Kreise störten. Zu seinem Pech und Leidwesen aber war es immer dieses Trio – Agatha Simpson, Butler Parker, Kathy Porter das ihm über den Dienstweg lief. Und nur zu oft schon hatte dieses Trio ihm fertig gelöste Kriminalfälle geliefert, während er noch nach den Tätern suchte.

An diesem frühen Nachmittag gab McWarden sich freundlich, was ihm allerdings schwerfiel. Er wiederholte noch mal, er sei wirklich zufällig vorbeigekommen.

»Natürlich war das ohne Absicht, McWarden«, meinte Agatha Simpson genußvoll. »Und rein zufällig wollen Sie herausbekommen, wie ich diesen Ralph Tainers entdeckte, nicht wahr?«

»Ich hörte davon«, meinte McWarden und nahm den angebotenen Platz in einem alten und schweren Ledersessel an.

»Aber diese Sache interessiert Sie nicht, wie ich vermute.«

»Nun, das möchte ich nicht unbedingt sagen«, erklärte der Superintendent gequält. »Tainers war ein interessanter und wichtiger Mann.«

»In der Tat, Sir«, schaltete sich Josuah Parker ein, der dem Gast einen Brandy servierte. »Mr. Ralph Tainers war ein wichtiger Augenzeuge im Fall Edward Healers.«

»Aha, Sie haben sich inzwischen schon informiert?«

»Man brauchte nur in den Zeitungen nachzulesen, Sir«, redete der Butler höflich und gemessen weiter. »Mr. Tainers wollte vor Gericht beschwören, daß Healers einen Mord begangen hat. Er war sich seiner Sache sicher und – wenn ich es so salopp ausdrücken darf – der wichtigste Zeuge der Anklage.«

»Das stimmt, Mr. Parker«, entgegnete McWarden.

»Warum wurde solch ein wichtiger Zeuge nicht besser beschützt?« grollte die ältere Dame ihren zufälligen Besucher an. »Wieso konnte Mr. Tainers in der Kantine von Scotland Yard vergiftet werden? Die Polizei ist längst nicht mehr das, was sie mal war.«

»Wir sind dabei, die Zusammenhänge aufzudecken«, entschuldigte sich McWarden grimmig. »Tainers wurde rund um die Uhr überwacht und abgesichert.«

»Mit bestem Erfolg, wie man sieht«, spottete die Hausherrin. »Die Zeitungen werden über die Polizei herfallen.«

»Und ein gewisser Edward Healers dürfte nun befreit aufatmen, Sir«, vermutete der Butler zurückhaltend. »Damit dürfte die Anklage gegen ihn zusammenbrechen, wenn ich es so ungeschminkt ausdrücken darf.«

»Vollkommen richtig.« McWarden nickte ergeben. »Healers ist aus dem Schneider.«

»Seine Leute haben Ralph Tainers umgebracht, nicht wahr?«

»Natürlich.« McWarden nickte erneut. »Aber wie soll man das beweisen? Ja, wenn Tainers uns noch einen Tip hätte geben können.«

»Einen Tip?« Agatha Simpson runzelte die an sich schon faltenreiche Stirn zusätzlich. »Ein Sterbender? Wie hat er es überhaupt geschafft, aus der Kantine in seinen Wagen zu kommen?«

»An der Giftbestimmung wird noch gearbeitet«, schickte McWarden voraus. »Es muß sich aber um einen Stoff gehandelt haben, der mit einer gewissen Spätzündung arbeitete. Der Mann war bereits tot, Mylady, als Sie ihn fanden?«

»Mausetot, McWarden«, bestätigte die Detektivin mit Nachdruck. »Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen! Er hat mir nichts mehr zuflüstern können.«

»Wie schade! Aber es hätte ja sein können, nicht wahr?«

»Er rührte sich nicht mehr, McWarden. Keiner bedauert das mehr als ich.«

»Sie werden sich um diesen Fall kümmern, Mylady?« McWarden fragte beiläufig.

»Werden wir, Mr. Parker?« Agatha Simpson wandte sich an ihren Butler und sah ihn fragend an.

»Wenn mein Rat erwünscht ist, Mylady«, sagte Parker, »würde ich mir erlauben zu sagen, daß dieser Fall ein Spiel mit dem organisierten Tod sein dürfte. Mr. Edward Healers war und ist noch der Chef einer sehr gut organisierten Verbrecherbande, die vor nichts zurückschreckt.«

»Das kann ich nur unterstreichen«, warnte McWarden prompt. »Die Healers-Bande ist die große Nuß, die selbst der Yard bisher nicht geknackt hat. Ich gebe Ihnen den Rat, die Finger davon zu lassen, Mylady. Ich sehne mich nicht gerade danach, an Ihrem vorzeitigen Begräbnis teilzunehmen.«

»Weil Sie ein Geizkragen sind, McWarden«, stellte Agatha Simpson grimmig klar. »Sie scheuen ja nur die Ausgabe für einen Kranz!«

*

Mylady scheinen verfolgt und beschattet zu werden«, meldete Josuah Parker nach hinten in den Wagen.

Er saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und fuhr durch die City von London. Man befand sich auf dem Weg zum Haus jenes Mannes, dem der Telefonanschluß gehörte. Parker hatte inzwischen herausgefunden, daß es sich um einen gewissen Mr. Brett Nichols handelte. Mr. Nichols war der Besitzer eines kleinen Dienstleistungsunternehmens. Er vermietete Papierhandtücher, die man nach Bedarf aus Kunststoff-Boxen ziehen konnte.

»Es werden doch nicht etwa schon die Ganoven sein?« hoffte die ältere Dame.

»Meiner bescheidenen Ansicht nach dürfte es sich um ein Fahrzeug der Polizei handeln«, erwiderte Butler Parker.

»Sie glauben, daß McWarden mich beschatten läßt?«

»Mit solch einer Möglichkeit sollte man durchaus rechnen, Mylady«, gab der Butler zurück. »Er scheint sich der Hoffnung hinzugeben, über Myladys Reaktionen neue Informationen gewinnen zu können.«

»Was werden Sie jetzt tun, Mr. Parker?«

»Man sollte die Verfolger abschütteln, Mylady.«

»Worauf warten Sie noch?« Agatha Simpson widerstand der Versuchung sich umzuwenden. Sie blieb zufrieden in der Wagenecke sitzen und freute sich auf das kommende kleine Intermezzo. Für Abwechslung war sie immer zu haben.

Parker hingegen sah noch mal genau in den Rückspiegel und nahm Maß. Die Verfolger saßen in einem unscheinbar aussehenden Zivilwagen der Marke Morris. Das Fahrzeug war ihnen bisher hartnäckig gefolgt, doch wahrscheinlich wurde er schon bald durch ein zweites, anderes Fahrzeug ersetzt, um Parker nicht mißtrauisch werden zu lassen. Der Butler kannte sich in den diversen Tricks der Polizei und auch der Gangster aus.

Er wußte, was zu tun war.

Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum in eine Hochgarage und war durchaus zufrieden, als der Morris ihm folgte, der inzwischen dichter aufgeschlossen hatte. Der Butler erkannte zwei Männer, die sich angeregt miteinander unterhielten und es darauf anlegten, einen unverdächtigen Eindruck zu machen.

Parker drückte den Knopf für den Parkschein, wartete, bis die automatisch arbeitende Sperrschranke sich hob und fuhr dann über die Wendelrampe hinauf zum zweiten Parkdeck.

Dann gab er allerdings sehr viel Gas, brauste durch das Deck und wischte über die zweite Wendel wieder nach unten.

»Darf ich Mylady zumuten, sich ein wenig abzuducken?« fragte er seine Herrin.

»Soll ich mich auf den Boden legen?« erkundigte sie sich.

»Die Sitzpolster dürften schon durchaus reichen, Mylady.«

»Wenn schon, denn schon!« Agatha Simpson rollte sich zur Seite und ging in volle Deckung. Als Parker am Kassenschalter stand und den Grundpreis bezahlte, erschien hinter dem hochbeinigen Monstrum ein Ford, in dem eine kinderreiche Familie saß. Erst dahinter war wieder der Morris zu sehen.

Der Beifahrer stieg aus.

Er war ganz eindeutig der Meinung, Parker habe Lady Simpson oben auf dem zweiten Parkdeck abgesetzt. Der Mann hastete zurück und zwängte sich an nachfolgenden Wagen vorbei zurück nach oben. Er wollte den Anschluß nicht verlieren und glaubte wohl, Mylady sei vom Parkdeck aus mit dem Fahrstuhl hinunter in das angrenzende Kaufhaus gefahren.

Vor Parker hob sich die Sperrschranke.

Er fuhr an und sah, daß die Schranke sich hinter ihm wieder senkte, wie es sich für solch eine Schranke eben gehörte. Der Fordfahrer mit der großen und kinderreichen Familie folgte.

Parker sorgte für eine Vollsperrung.

Er hatte das Wagenfenster auf seiner Seite heruntergekurbelt und griff in die Tasche seines schwarzen Zweireihers. Er holte eine Handvoll Münzen hervor und ließ sie auf die Betonrampe fallen.

Sie hüpften neckisch umher, rollten durcheinander und waren nicht zu übersehen.

Die Kinder im Ford reagierten wie erwartet.

Während ihr Vater noch zahlte, hüpften auch sie, nämlich aus dem Wagen. Sie rannten nach vorn und betätigten sich als Sammler. Sie spürten verbissen jeder Geldmünze nach und hielten den ganzen Betrieb auf.