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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Kathrin balancierte in der einen Hand den Einkauf, mit der anderen versuchte sie, den Briefkasten zu öffnen, was allerdings nicht so einfach war, mit voller Tasche und Blumenstrauß. Seufzend nahm sie den Stapel Briefe aus dem Fach und stieg die Treppe zum ersten Stock hinauf. »Ach, Kathrin, guten Abend«, begrüßte sie Norbert Achmann, der junge Mann, der das Apartment neben ihr bewohnte und eben aus der Tür trat. »Wart', ich helf dir.« Er nahm ihr die Tasche ab, und die junge Frau schloß die Wohnungstür auf. »Danke, Norbert«, sagte sie. »Mensch, ist das immer ein Streß, nach Feierabend noch einkaufen zu müssen. Und ehe man dann zu Hause ist!« Der Bursche lächelte. »Damit hab' ich zum Glück überhaupt nix zu tun«, meinte er. »Meine Mutter erledigt die Einkäufe für mich.« Er stellte ihr die Tasche in den Flur und winkte ihr zu. »Einen schönen Abend noch.« »Dir auch«, winkte Kathrin zurück und schloß kopfschüttelnd die Tür. Norbert und seine Mutter! Die beiden waren wirklich ein Kapitel für sich. Die verwitwete Besitzerin zweier Münchner Wirtshäuser umsorgte ihren Sohn immer noch, als wäre er dazu nicht selbst in der Lage. Und Norbert gefiel dieser Umstand recht gut. Er hielt sich für einen begnadeten Schriftsteller. Allerdings hatte Kathrin bisher nicht gehört, daß er eines von den Manuskripten, die sich in seinem Arbeitszimmer stapelten, an einen Verlag verkauft hätte. Er war ein bißchen versponnen, aber liebenswert auf seine Art. Die junge Frau, die als rechte Hand des Chefs eines Lebensmittelkonzerns arbeitete, brachte ihren Einkauf in die Küche. Joghurt, Butter und Milch kamen in den Kühlschrank,
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Kathrin balancierte in der einen Hand den Einkauf, mit der anderen versuchte sie, den Briefkasten zu öffnen, was allerdings nicht so einfach war, mit voller Tasche und Blumenstrauß. Seufzend nahm sie den Stapel Briefe aus dem Fach und stieg die Treppe zum ersten Stock hinauf.
»Ach, Kathrin, guten Abend«, begrüßte sie Norbert Achmann, der junge Mann, der das Apartment neben ihr bewohnte und eben aus der Tür trat. »Wart’, ich helf dir.«
Er nahm ihr die Tasche ab, und die junge Frau schloß die Wohnungstür auf.
»Danke, Norbert«, sagte sie. »Mensch, ist das immer ein Streß, nach Feierabend noch einkaufen zu müssen. Und ehe man dann zu Hause ist!«
Der Bursche lächelte.
»Damit hab’ ich zum Glück überhaupt nix zu tun«, meinte er. »Meine Mutter erledigt die Einkäufe für mich.«
Er stellte ihr die Tasche in den Flur und winkte ihr zu.
»Einen schönen Abend noch.«
»Dir auch«, winkte Kathrin zurück und schloß kopfschüttelnd die Tür.
Norbert und seine Mutter!
Die beiden waren wirklich ein Kapitel für sich. Die verwitwete Besitzerin zweier Münchner Wirtshäuser umsorgte ihren Sohn immer noch, als wäre er dazu nicht selbst in der Lage. Und Norbert gefiel dieser Umstand recht gut. Er hielt sich für einen begnadeten Schriftsteller. Allerdings hatte Kathrin bisher nicht gehört, daß er eines von den Manuskripten, die sich in seinem Arbeitszimmer stapelten, an einen Verlag verkauft hätte. Er war ein bißchen versponnen, aber liebenswert auf seine Art.
Die junge Frau, die als rechte Hand des Chefs eines Lebensmittelkonzerns arbeitete, brachte ihren Einkauf in die Küche. Joghurt, Butter und Milch kamen in den Kühlschrank, ebenso Käse und Tomaten. Das Brot legte sie in das Fach des Küchenschranks und drückte dann den Knopf der Kaffeemaschine, damit das Gerät aufheizte.
Während Kathrin darauf wartete, daß sie einen frischgebrühten Kaffee genießen konnte, schaute sie rasch die Post durch. Wirklich Wichtiges war nicht dabei.
Unglaublich, wieviel Geld die Leute für überflüssige Reklamesendungen aus dem Fenster warfen!
Kathrin ärgerte sich nicht nur darüber, daß sie das Papier ja auch wieder entsorgen mußte, das ihr da so ungebeten ins Haus geflattert war; es kostete ja auch Unsummen, so etwas herzustellen. Ganz zu schweigen von den Schäden für die Umwelt, die solche Produktionen immer mit sich brachten.
Ein Brief indes gehörte nicht in den Müll. Sie kannte die Handschrift nur zu gut, und den Absender erst recht. Allerdings wunderte sich Kathrin, daß das Kuvert ein anderes Format hatte, als die Briefe, die Christel ihr sonst schrieb. Sie schlitzte den Umschlag auf und entnahm ihm eine Karte.
›Einladung zur Hochzeit‹, stand ganz groß darauf.
Kathrin unterdrückte einen Schrei.
Das gibt’s doch net, dachte sie, haben sich die beiden endlich dazu durchgerungen!
Auf der Rückseite der Karte stand eine handschriftliche Notiz.
›Hallo Kathie‹, las die junge Frau, ›jetzt bist du überrascht, was? Bitte sei net bös, daß ich dir vorher nichts gesagt habe. Aber es sollte für alle eine Überraschung sein. Außer unseren Eltern, und natürlich Pfarrer Trenker, hatten wir sonst noch niemanden eingeweiht. Wir freuen uns auf dein Kommen und hoffen, daß du ein bissel Zeit mitbringst. Liebe Grüße, Christel und Tobias.‹
Kathrin nahm den Kalender, der neben der Tür hing und blätterte ihn durch. Das Datum paßte – genau in drei Wochen begann ihr Urlaub. Eigentlich hatte sie ihn, zusammen mit Christel, an der See verbringen wollen. Doch dann hatte die Freundin mit einer fadenscheinigen Begründung abgesagt. Kathrin hatte sich gewundert. Seit sie und Christel sich kannten, hatten sie jeden Urlaub zusammen verbracht, und dann plötzlich diese überraschende Absage. Sie vermutete, daß die Freundin diesmal zusammen mit dem Freund verreisen wollte. Daß sogar ihre Hochzeit dahinterstecken könnte, das war ihr allerdings nicht in den Sinn gekommen.
Drei Wochen, überlegte Kathrin, das war ja nicht mehr sehr lange. Bis dahin gab es noch allerhand zu überlegen. Ein Geschenk mußte gekauft werden, vielleicht sogar noch etwas zum Anziehen.
Während sie zu Abend aß, machte sie sich nebenbei eine Liste. Ein Glück nur, daß sie ihren Urlaub noch nicht gebucht hatte. Nachdem Christel verkündet hatte, nicht mit ihr fahren zu wollen, hatte Kathrin überlegt, alleine an die Ostsee zu fahren. Jetzt war sie froh, noch nichts in dieser Hinsicht unternommen zu haben.
Später saß sie in ihrem kleinen Wohnzimmer und schaute sich die Fotos in den Alben an. Die meisten davon stammten aus der gemeinsamen Zeit mit Christel. Sie hatten sich damals auf der Suche nach einem Zimmer kennengelernt. Beide waren frisch an der Uni eingeschrieben. Da sich keine passende Bleibe fand, beschlossen sie, den Versuch zu wagen und gemeinsam eine kleine Wohnung zu mieten. Aus diesen Anfängen entwickelte sich eine jahrelange Freundschaft, die auch noch hielt, als Christel später wieder in die Heimat zurückkehrte, Briefe wurde geschrieben, gegenseitige Besuche gemacht, und mindestens einmal in der Woche telefonierten sie miteinander.
Und jetzt freute sich Kathrin auf die Hochzeit der Freundin mit dem sympathischen Tobias Brenner, der auch ihr ein guter Freund geworden war.
Als sie an diesem Abend ins Bett ging, da kreisten ihre Gedanken noch sehr lange um das bevorstehende Ereignis. Und sie freute sich darauf, St. Johann wiederzusehen, wo sie schon einige Male bei der Familie Berger Urlaub gemacht hatte.
*
Auf dem Brennerhof ging noch alles seinen gewohnten Gang, auch wenn die Hochzeitsvorbereitungen einen Großteil der Zeit in Anspruch nahmen. Christel war jetzt beinahe jeden Tag bei ihrem Verlobten und den zukünftigen Schwiegereltern. Bis spät in den Abend saßen sie zusammen und beratschlagten, planten und verwarfen wieder.
Eine große Hochzeit sollte es werden, das stand fest, und wenn man jeden einlud, der auf der vorläufigen Liste stand, dann würden es wohl über hundert Gäste werden.
An diesem Abend hatte man sich geeinigt. Einhundertzwanzig Personen waren die Obergrenze, mehr hatten wahrscheinlich in der Scheune, die man für diesen Tag extra ausräumen und schmücken würde, auch gar keinen Platz.
»So«, sagte Hans Brenner und trank sein Glas aus, »jetzt geh’ ich schlafen. Morgen muß ich wieder früh raus.«
Tobias nickte, und Christel gab dem Bauern einen Kuß auf die Wange.
»Schlaf gut, Papa, und du auch, Mutter.«
Sie nannte Tobias’ Eltern schon lange Vater und Mutter, und nun würde es nur noch ein paar Tage dauern, bis die junge Betriebswirtin ganz in den Kreis der Familie aufgenommen wurde.
Christel und Tobias räumten die Gläser aus dem Wohnzimmer in die Küche und wuschen sie ab. Es war spät geworden, dennoch setzten sie sich einen Moment noch auf die Bank vor dem Haus und schauten zum sternenübersäten Himmel hinauf.
»Was glaubst’ denn, wie lang’s dauern wird, bis wir mit dem Bau anfangen können?« fragte Christel.
Eines Tages würde Tobias den Hof übernehmen, aber noch waren die Eltern gesund und tatkräftig. Bis sie sich auf das Altenteil zurückzogen, würde es noch ein paar Jahre dauern. Bis dahin wollte das junge Paar in den Anbau ziehen, der hinter dem Bauernhaus entstehen sollte. Die Pläne lagen schon fix und fertig beim Architekten.
»Ich denk’, spätestens nach der Ernte«, meinte Tobias.
Er war groß und schlank und sah sehr gut aus, auch wenn er Arbeitskleidung trug. Früher war er ein rechter Hallodri gewesen, der den Madln die Köpfe verdreht hatte. Doch seit er mit Christel Berger zusammen war, hatte er keine andere Frau mehr angeschaut.
Dabei hatte es früher überhaupt nicht danach ausgesehen, als wenn aus den beiden einmal ein Paar würde. Die Schulbank hatten sie zusammen gedrückt, und Tobias, der damals ein recht frecher Bub gewesen war, hatte der Christel immer an den blonden Zöpfen gezogen. Die fand Buben damals noch blöd und ärgerte sich über diese Dreistigkeit.
Jahrelang war sie dann aus dem Wachnertal verschwunden, als sie in München studiert hatte. Zwar kam sie ab und zu, in den Semesterferien, aber da trafen sie und Tobias nur selten aufeinander. Erst als es Christel wieder ganz in die Heimat zog, sahen sie sich öfters, besonders auf dem Tanzabend im Löwen. Und da funkte es dann auch zwischen ihnen.
Christel hatte eine Stelle in der Kreisstadt angenommen und, um nicht immer fahren zu müssen, dort eine kleine Wohnung gemietet. Aber an den Wochenenden kam sie nach Hause zu ihren Eltern, die ein Haus in St. Johann bewohnten.
»Ich kann’s gar net abwarten, bis wir endlich zusammen wohnen«, seufzte Christel.
»Ich auch net«, antwortete Tobias und zog sie an sich.
Sie küßten sich, und Christel löste sich nur widerwillig aus seinen Armen.
»Jetzt muß ich aber los«, sagte sie. »Morgen muß ich noch arbeiten, und dann hab’ ich erst mal Urlaub. Und morgen kommt auch Kathrin.«
Tobias begleitete sie zu ihrem Auto. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie sich trennen konnten. Als Christel über die Bergstraße hinunter ins Dorf fuhr, dachte sie an die Freundin und den Tischherrn, den sie für Kathrin ausgesucht hatte.
Es hatte lange Diskussionen gegeben, ob Ingo überhaupt eingeladen werden sollte. Er galt in der Familie ihres Verlobten als Außenseiter, irgendwie verschroben. Doch Christel hatte darauf bestanden, schließlich war er Tobias’ Cousin und gehörte einfach dazu. Außerdem mochte sie ihn. Ingo pfiff auf Konventionen und lebte so, wie es ihm gefiel. Seine große Leidenschaft war die Malerei, und wenn er auch den großen Durchbruch noch nicht geschafft hatte; Christel fand seine Bilder toll und war überzeugt, daß er eines Tages Erfolg haben würde.
Daß sie ihn ausgerechnet als Tischherrn für die Freundin auserkoren hatte, war nicht ohne Grund geschehen. Kathrin dachte ähnlich wie sie selbst. Sie kannte keine Vorurteile und betrachtete erst den Menschen genau, ehe sie ihre Meinung über ihn kundtat. Auf Äußerlichkeiten gab sie genauso wenig, wie Christel, und die junge Braut hoffte, daß Kathrin als seine Tischdame möglicherweise aufkommende Wogen glättete.
*
Die Zeit raste. Zwischen Arbeit und den Hochzeitsvorbereitungen merkte Kathrin gar nicht, wie rasch die Wochen vergingen, und ehe sie sich versah, war ihr letzter Arbeitstag da. Zu Hause standen schon die fertig gepackten Koffer, denn gleich am nächsten Tag sollte es losgehen. Sie verabschiedete sich von den Kolleginnen und setzte sich aufatmend in ihr Auto.
Kathrin wollte gerade von dem firmeneigenen Parkplatz fahren, als es an ihre Scheibe klopfte.
Draußen stand Matthias Wagner und bedeutete ihr, das Fenster zu öffnen.
»Ich wollt’ dir noch schnell einen schönen Urlaub wünschen«, sagte der dreißigjährige Leiter der Abteilung Produktentwicklung. »Schade, daß es mit meinem Urlaub net geklappt hat.«
Kathrin lächelte. Daß Matthias in sie verliebt war, das war kein Geheimnis. Mehr als einmal hatte er sie schon eingeladen, mit ihm ins Kino, Theater oder Restaurant zu gehen. Einige Male hatte sie zugestimmt. Sie mochte ihn zwar, auf eine Art, aber mehr empfand sie für ihn nicht. Als Matthias herausfand, daß Kathrin in diesem Jahr nicht mit ihrer Freundin verreisen würde, da hatte er sofort seine Chance gewittert. Doch leider klappte es, zu seinem Leidwesen, nicht mit der Urlaubsplanung. Ein neues Produkt sollte in ein paar Wochen auf den Markt kommen, und die Arbeiten daran liefen auf Hochtouren. Da war es unmöglich, daß der Leiter der Abteilung seinen Urlaub nahm.
»Ich wünsch’ dir eine schöne Zeit«, sagte Matthias. »Und bleib’ mir treu.«
Auch wenn die letzte Bemerkung scherzhaft klingen sollte, so wußte Kathrin doch, wie ernst sie ihm war. Sie lächelte.
»Paß auf, daß der Laden hier net abbrennt«, gab sie augenzwinkernd zurück und winkte ihm zu.
»Schreib’ mal«, rief Matthias und sah dem davonfahrenden Auto hinterher.
Himmel, was für eine Frau, ging es ihm durch den Kopf.
Dunkelrotes Haar, ein apartes Gesicht, mit zwei grünen Augen, die wie Smaragde funkeln konnten und dazu eine Figur, die jeden Mann ins Träumen brachte.
Was würde er darum geben, wenn sie ihn auch lieben würde!
Kathrin fuhr währenddessen so schnell wie möglich nach Hause. Abendessen, schnell unter die Dusche und dann ins Bett. Morgen sollte es in aller Herrgottsfrühe losgehen.
So sehr sie sich auf die Hochzeit freute, beinahe noch mehr freute sie sich auf drei Wochen Urlaub, die vor ihr lagen. Zwischendurch hatte sie natürlich mehrmals mit Christel telefoniert, und die Freundin hatte ihr versichert, daß Tobias und sie ihre Hochzeitsreise erst für den Herbst geplant hatten. Ihre Schwiegereltern besaßen einen Bauernhof, und da war Tobias um diese Jahreszeit unabkömmlich. Es sei ohnehin schon ein Wunder, daß es mit dem Hochzeitstermin gerade noch so gegangen sei. Christel würde also Zeit für die Freundin erübrigen können. Außerdem war da noch Pfarrer Trenker, der sich schon darauf freute, Kathrin wiederzusehen und mit ihr eine gemeinsame Bergtour zu unternehmen.
Am nächsten Morgen packte Kathrin ihr Kleid, das sie extra für die Feier gekauft hatte, zuletzt in das Auto. Vorsichtig hatte sie das gute Stück in einen Kleidersack gehängt, damit es nicht zerknitterte. Die Zweitschlüssel für Wohnung und Briefkasten legte sie unter die Fußmatte des Nachbarn. Norbert würde sich, wie er es immer tat, um Post und Blumen kümmern.
Schnell war sie aus München heraus, noch hatte der morgendliche Verkehr nicht eingesetzt, und als Kathrin schließlich den Zubringer auf die Autobahn erreichte, da war sie mit ihren Gedanken schon in St. Johann.
Himmel, wie freute sie sich, sie alle wiederzusehen. Den hübschen, kleinen Ort, Christel und ihre Familie, und vor allem freute sie sich auf die Hochzeit.
Allerdings war sie auch ein wenig skeptisch. Christel hatte nur Andeutungen gemacht, betreffend des Tischpartners, den sie für Kathrin ausgesucht hatte. Ein naher Verwandter Tobias’ sollte es sein, mehr wollte sie nicht verraten.
Aber der merkwürdige Unterton in der Stimme der Freundin, der wollte Kathrin nicht aus dem Kopf gehen…
Gegen Mittag erreichte sie St. Johann. Christels Eltern besaßen ein Haus, das am anderen Ende des Ortes lag. Als Kathrin durch das Dorf fuhr, fühlte sie sich gleich heimisch. Alles strahlte Ruhe und Gemütlichkeit aus, und der Anblick der Kirche weckte Erinnerungen an die vielen gemeinsamen Bergtouren, die sie und die Freundin mit Pfarrer Trenker unternommen hatten.
Da Christel heute ihren letzten Arbeitstag hatte, hatten sie vereinbart, daß Kathrin gleich zum Haus der Bergers fahren sollte. Maria stand schon erwartungsvoll an der Gartenpforte und winkte ihr entgegen. Kathrin stieg aus, und die beiden Frauen fielen sich in die Arme.
»Grüß dich«, sagte Christels Mutter herzlich. »Schön, daß du da bist. Bist du gut durchgekommen?«
Kathrin nickte.
»Es war eine ganz tolle Fahrt«, erwiderte sie. »Aber ich bin schon froh, da zu sein. Mensch, habt ihr ein herrliches Wetter hier. In München war alles grau und wolkenverhangen, als ich losgefahren bin.«
»Hochzeitswetter eben«, lachte Maria Berger. »Jetzt komm aber erst herein. Ich hab’ eine Suppe auf dem Herd stehen. Du hast doch bestimmt Hunger. Heut’ abend essen wir dann alle zusammen. Tobias kommt auch her.«
*
»Wie geht’s deinem Mann?« erkundigte sich Kathrin, während sie ins Haus gingen.
»Bestens«, antwortete Maria. »Er ist auch schon ganz aufgeregt. Na ja, die Christel ist ja unser einziges Kind. Ich glaub’, manchmal denkt Fritz, daß wir sie für immer verlieren.«