Der Bergpfarrer 106 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer 106 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 10 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jun"Liebling, du ißt einfach zu wenig", schüttelte Gerti Rheimann tadelnd den Kopf. "Tschüß, Anna. Schönen Urlaub!" brüllte die Horde hinter der jungen Frau her. Die hübsche dunkelhaarige Kindergärtnerin drehte sich an der Tür um und winkte den Kleinen zu. "Bis in vier Wochen", rief sie und nahm den Blumenstrauß, den Kinder und Kolleginnen ihr überreicht hatten, in die rechte Hand, um mit der linken nach dem Autoschlüssel zu suchen, der irgendwo in ihrer Jackentasche steckte. Vier Wochen Urlaub, das war genau das, was sie jetzt gebrauchen konnte. Auch die anderen Erzieherinnen waren froh, daß morgen die Ferien begannen und der Kindergarten für diesen Zeitraum schloß.

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Der Bergpfarrer –106–

Er brach ihr das Herz

Ein Hallodri gelobt Besserung

Roman von Toni Waidacher

»Tschüß, Anna. Schönen Urlaub!« brüllte die Horde hinter der jungen Frau her.

Die hübsche dunkelhaarige Kindergärtnerin drehte sich an der Tür um und winkte den Kleinen zu.

»Bis in vier Wochen«, rief sie und nahm den Blumenstrauß, den Kinder und Kolleginnen ihr überreicht hatten, in die rechte Hand, um mit der linken nach dem Autoschlüssel zu suchen, der irgendwo in ihrer Jackentasche steckte.

Vier Wochen Urlaub, das war genau das, was sie jetzt gebrauchen konnte. Auch die anderen Erzieherinnen waren froh, daß morgen die Ferien begannen und der Kindergarten für diesen Zeitraum schloß.

Zu Hause hatte ihre Mutter schon das Essen auf dem Tisch stehen, als Anna ankam. Hilde Gehrhoff lächelte ihre Tochter an, sie hatte ihr Lieblingsessen gekocht – Hühnerfrikassee mit Butterreis.

»Mama, du bist ein Schatz!« sagte Anna und gab ihr einen Kuß auf die Wange.

Meistens aß sie im Kindergarten zu Mittag, doch heut hatte sie eher Schluß gemacht, um noch ein paar dringende Einkäufe für den Urlaub erledigen zu können, schließlich würde sie ganze drei Wochen fort sein, und da galt es, allerhand zu bedenken.

Anna ließ für einen Moment das Besteck sinken. Dann schüttelte sie rasch den Kopf. Ihre Mutter wußte ja nicht, was sich damals auf dem Hochleitnerhof abgespielt hatte, auf dem sie ein Zimmer bewohnte.

»Diesmal habe ich ein Zimmer in der Pension Stubler«, erwiderte sie. »Direkt in St. Johann.«

Während sie weiteraß, mußte sie an Andreas denken, den Knecht auf dem Hochleitnerhof, der ihr Herz im Sturm erobert hatte und es dann brach…

Anna schüttelte innerlich den Kopf. Sie wollte nicht daran erinnert werden, zu weh hatte es damals getan, und ein bißchen schmerzte es auch heute immer noch.

Und trotzdem hatte sie sich entschlossen, auch in diesem Jahr nach St. Johann zu fahren. Als sie sich zum ersten Mal mit diesem Gedanken befaßte, wo sie ihren Jahresurlaub verbringen wollte, war ihr die Idee spontan gekommen. Zwischendurch dachte sie, daß es ein Irrsinn wäre. Schließlich war der Ort ein Dorf und keine Millionenstadt, und die Wahrscheinlichkeit, daß sie und der Knecht sich dort über den Weg liefen, war größer, als ein Sechser im Lotto.

Wenn Anna sich fragte, warum sie trotzdem dorthin fuhr, dann war die Antwort, daß es einfach sein mußte, wenn sie ihren Seelenfrieden wiederfinden wollte. In den vergangenen Monaten hatte sie mit ihrem Schicksal gehadert und war so manches Mal daran verzweifelt. Sie hatte Andreas Bernbacher mit der ganzen Kraft ihres Herzens geliebt, und die Enttäuschung, die er ihr bereitet hatte, war um so größer gewesen. Inzwischen meinte sie, es überwunden zu haben – oder vielleicht redete sie es sich auch nur ein. Wenn sie jetzt das Wagnis einging, ihn wiederzusehen, dann war es eine Herausforderung, der sie sich stellen wollte, um zu sehen, ob sie stark genug war.

»Kind, du ißt ja gar nichts«, unterbrach die Stimme der Mutter ihre Gedanken. »Schmeckt es dir nicht?«

Anna schreckte hoch.

»Entschuldige, Mama«, bat sie. »Doch, es schmeckt wunderbar.«

Sie lächelte.

»Ich glaube, es ist das Reisefieber«, setzte sie hinzu. »Du weißt doch, wie aufgeregt ich immer bin, wenn es losgeht.«

Sie schaffte es tatsächlich, ihren Teller zu leeren und aß hinterher sogar noch von dem Obstsalat, den Hilde Gehrhoff als Nachtisch vorbereitet hatte.

Nach dem Essen ging Anna auf ihr Zimmer und machte sich daran, ihre Reisetasche zu packen. Eigentlich waren es eine Tasche und ein Koffer. Für drei Wochen Urlaub brauchte man schon allerhand an Kleidung und Wäsche. Zwar hatte die Pensionswirtin ihr versichert, daß es eine Waschmaschine gäbe, die sie gerne benutzen dürfe, aber Anna wollte genug Sachen dabei haben, um ihre Zeit nicht mit Wäschewaschen verbringen zu müssen.

Nachdem Tasche und Koffer gepackt waren, schaute sie ihre Reiseunterlagen durch: Reservierungsbestätigung der Pension Stubler, Scheckkarte, Führerschein und Ausweis, das kleine Buch mit den Adressen der Freundinnen und Verwandten, die unbedingt einen Urlaubsgruß bekommen mußten.

Die Kindergärtnerin nickte zufrieden, als alles ordentlich auf dem Tisch lag, und räumte die Sachen in ihre Handtasche. Anschließend setzte sie sich zusammen mit ihrer Mutter in den Garten. Die beiden Frauen tranken Kaffee, plauderten und warteten auf den Ehemann und Vater. Heinz Gehrhoff arbeitete auf dem Sozialamt der Stadt. Er kam gegen fünf, und Anna verbrachte den Abend im Kreis der Familie.

Am nächsten Tag, einem Mittwoch, startete sie in aller Herrgottsfrühe ihre Fahrt von Ingolstadt nach St. Johann mit klopfendem Herzen.

*

»Grüß dich, Max«, sagte Sebastian Trenker, als sein Bruder ins Pfarrhaus kam. »Gibt’s schon was Neues?«

Max Trenker, der in St. Johann als Polizist für Ruhe und Ordnung sorgte, schüttelte bedauernd den Kopf.

»Nix, überhaupt nix!« erwiderte er. »Die Dame ist wie vom Erdboden verschwunden. Nirgendwo ist eine Nonne aufgetaucht, obwohl wir im ganzen Landkreis suchen.«

»Na ja, nach ihrem Coup in Engelsbach wird sie vorsichtig sein und ist erst einmal untergetaucht«, vermutete der gute Hirte von St. Johann.

Max hatte einen zweifelnden Gesichtsausdruck.

»Ich weiß net«, meinte er. »Eigentlich kann ein Mensch sich net so ohne weiteres versteckt halten. Selbst wenn sie irgendwo untergekrochen ist, eine Berghütte oder was weiß ich, einmal muß sie wieder hinaus und sich mit dem versorgen, was ein Mensch so zum Leben braucht.«

Der Bergpfarrer nickte.

»Da hast’ natürlich recht. Aber komm, setz’ dich erstmal. Frau Tappert wird gleich mit dem Mittagessen fertig sein.«

Die Angelegenheit, über die die beiden Brüder sprachen, betraf eine junge Frau, die sich unter dem Vorwand, eine Nonne zu sein, im Pfarrhaus der Gemeinde Engelsbach eingenistet und dort einen größeren Geldbetrag gestohlen hatte. Pfarrer Eggensteiner hatte den Diebstahl erst bemerkt, als die falsche Nonne längst über alle Berge war. Trotz der sofort von Max eingeleiteten Fahndung, war die Suche nach der Frau, die sich Schwester Klara nannte, bisher ergebnislos verlaufen.

»Ich fürcht’, die ist uns für immer entwischt«, orakelte der Polizist, nachdem er für seinen Bruder und sich Apfelschorle eingegossen hatte. »Wenn man in den ersten Stunden keinen Erfolg hat, wird die Wahrscheinlichkeit, daß der Täter entkommt, immer größer. Steht in jedem Polizeilehrbuch, und diese Hochstaplerin und Diebin ist jetzt schon seit drei Wochen auf der Flucht. Ich fürcht’, Bruder Blasius wird das Geld aus der eig’nen Tasche ersetzen müssen.«

»Das tut mir wirklich leid für ihn«, sagte Sebastian. »Über zweitausend Euro – das ist wahrlich kein Pappenstiel!«

Dieses Geld war an jenem bewußten Wochenende eingesammelt worden, um eine Fahrt der jungen Gemeindemitglieder zu finanzieren, bevor sie kommuniert wurden. Leider waren die letzten Beträge so spät eingegangen, daß keine Zeit mehr gewesen war, das Geld noch bei der Bank einzuzahlen. Wahrscheinlich würde Pfarrer Eggensteiner tatsächlich für den Schaden aufkommen müssen.

Sophie Tappert, die Haushälterin, brachte das Essen auf den Tisch. In einer Terrine dampfte ein leckerer Eintopf, dessen Zutaten fast alle aus dem Pfarrgarten stammten.

Nach dem Mittagessen verabschiedete Max sich rasch.

»Mal sehen«, meinte er, »vielleicht schnappen wir die Dame ja doch noch.«

Sebastian ging ins Arbeitszimmer hinüber und schaute in den Terminkalender. Am Abend stand ein Gespräch mit einem jungen Paar an, das sich in seiner Kirche das Jawort geben wollte, für morgen war ein Krankenbesuch eingetragen und Mittwoch war der Besuch im Altenheim in Waldeck vorgesehen.

Dieser Termin war dem Bergpfarrer eine liebgewordene Pflicht, und er genoß die Nachmittage im Kreis der alten Menschen, die sich freuten, wenn er sie besuchte. Es wurde zusammen Kaffee getrunken, und Sebastian Trenker erzählte von seinen Bergtouren und was er auf ihnen schon so alles erlebt hatte. Oft waren junge, hoffnungsvolle Nachwuchsmusiker eingeladen, die sich mit ihren Vorträgen erste Sporen verdienten, oder ein Autor oder Autorin las aus dem neuesten Werk. Leider hatte der Geistliche in den letzten Wochen keine Zeit gehabt, das Altenheim zu besuchen, doch zum Glück war sein Amtsbruder aus Engelsbach eingesprungen. Also freute sich Sebastian schon auf den übernächsten Tag und überlegte, welches seiner zahlreichen Erlebnisse er erzählen sollte.

Das Klingeln des Telefons riß ihn aus seinen Gedanken. Die Anruferin, eine Bäuerin aus der Umgebung, bat um seinen Besuch. Die Großmutter läge krank im Bett und könne nicht zur Beichte kommen. Sebastian versprach, sich gleich auf den Weg zu machen. Während er seine Tasche packte, lächelte er in sich hinein, als er sich an die vielen Entschuldigungen der Bäuerin, ihn womöglich in seiner Arbeit gestört zu haben, erinnerte. Solche unvorhergesehenen Ereignisse gehörten nun mal zu seinem Alltag, und sie gehörten mit zu dem, was den Beruf des Seelsorgers so abwechslungsreich machte.

*

Die Pensionswirtin begrüßte Anna mit einem strahlenden Lächeln.

»Herzlich Willkommen in St. Johann«, sagte Ria Stubler. »Ich hoff’, daß Sie sich bei mir wohl fühlen werden. Hatten S’ eine gute Fahrt?«

»Ja, danke schön«, erwiderte die dunkelhaarige Kindergärtnerin. »Es war net viel Verkehr.«

»Schön, dann zeig ich Ihnen erstmal das Zimmer.«

Ria nahm einen Schlüssel von dem Brett hinter der Rezeption und half der jungen Frau, das Gepäck hinaufzutragen. Anna schaute sich in dem gemütlich eingerichteten Zimmer um und nickte zufrieden. Nachdem sie erklärt hatte, wann es Frühstück gab, verließ Ria das Zimmer, und Anna packte ihre Sachen aus. Dann öffnete sie die große Glastür und stellte sich auf den Balkon. Von dort aus hatte sie einen herrlichen Blick zu den Bergen hinüber. Vor einem Jahr hatte sie zahlreiche Wanderungen und Bergtouren unternommen. Manchmal, wenn er Zeit hatte, war Andreas mitgekommen, und sie erinnerte sich an die versteckte Hütte, unterhalb des Koglers, in der er ihr den ersten Kuß gegeben hatte…

Anna riß sich von der Erinnerung los und ging wieder hinein. Sie mußte zu Hause anrufen und ihrer Mutter mitteilen, daß sie gut angekommen war. Hilde Gehrhoff hatte ausdrücklich darum gebeten.

Als sie ihr Mobiltelefon aus der Tasche gekramt hatte, mußte sie allerdings feststellen, daß der Akku leer war. Sie hatte tatsächlich vergessen, ihn über Nacht aufzuladen.

Zum Glück gab es Telefon in ihrem Zimmer, und so setzte sie sich in den bequemen Sessel, der gleich neben der Balkontür stand, und plauderte mit ihrer Mutter.

»Jetzt gehe ich erstmal in den Kaffeegarten«, sagte sie zum Abschied, »und dann will ich Pfarrer Trenker besuchen. Vielleicht hat er ja mal wieder Zeit, mich auf eine Bergtour mitzunehmen.«

Anna beendete das Gespräch und warf einen prüfenden Blick in den großen Spiegel, der seitlich am Kleiderschrank hing. Sie war knapp einssiebzig groß, hatte eine schlanke Figur, und das dunkelbraune Haar fiel weich auf ihre Schultern. In ihrem aparten Gesicht dominierte ein braunes Augenpaar, die Nase war klein und wohlgeformt, genau wie die Lippen.

Anna Gehrhoff nickte zufrieden und hängte sich ihre kleine Tasche um. Schon auf der Fahrt durch den Ort war ihr aufgefallen, daß St. Johann auch in diesem Jahr wieder von zahlreichen Urlaubern bevölkert war. Das Dorf war ein beliebter Ferienort, in dem man das fand, was es an den meisten Orten nicht gab – Ruhe und Erholung. Und das war genau das, was sie gesucht hatte.

Im Kaffeegarten des Hotels ›Zum Löwen‹ aß sie einen gemischten Salat und trank Mineralwasser dazu. Für die Fahrt hatte die Mutter ihr Proviant mitgegeben, den sie unterwegs verzehrt hatte. Anna genoß den Salat mit dem hausgemachten Dressing und schaute sich dabei um. Sie erwartete nicht wirklich, Andreas Bernbacher hier zu sehen, aber es war doch irgendwie merkwürdig, daß sie die männlichen Gäste genauer in Augenschein nahm und in ihren Gesichtern nach Ähnlichkeit mit dem Knecht suchte.

Wer weiß, dachte sie schließlich, vielleicht ist er ja gar nicht mehr auf dem Hochleitnerhof.

Diese Überlegung hatte sie auch schon zu Hause angestellt, es aber trotzdem nicht gewagt, dort wieder ein Zimmer zu buchen, obgleich es ihr auf dem Hof sehr gut gefallen hatte.

Der Hochleitnerbauer gehörte zu den Landwirten in Wachnertal, die den Trend der Zeit rechtzeitig erkannt hatten. Ferien auf dem Bauernhof waren immer beliebter geworden, und für die oft arg gebeutelten Bauern war die zusätzliche Zimmervermietung ein willkommenes Zubrot. So hatte auch Franz Hochleitner das alte Gesindehaus umgebaut. Dort, wo früher Knechte und Mägde wohnten, logierten nun die Gäste, während das Gesinde in dem großen Haupthaus untergebracht worden war.

Nachdem sie den Salat verzehrt hatte, bestellte Anna noch einen Milchkaffee und vertiefte sich dabei in die Tageszeitung, die vermutlich der Gast, der zuvor an dem Tisch saß, liegen gelassen hatte.

Unter der Rubrik ›Aus unserer Kirchengemeinde‹ fand sie eine Nachricht, die sie elektrisierte – zur kirchlichen Trauung waren Franziska Hochleitner und Andreas Bernbacher aufgeboten. Die Hochzeit sollte in vierzehn Tagen stattfinden!

Anna schluckte und spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.

War es das, weshalb sie, gegen jede Vernunft, doch wieder hergekommen war? Hatte sie wissen wollen, ob sie Andreas für immer verloren hatte?

Sie klappte die Zeitung zu und zahlte rasch. Dann eilte sie aus dem Kaffeegarten zurück in die Pension. Sie mußte jetzt alleine sein, konnte keinen Menschen um sich ertragen, überlegen, was sie anfangen sollte.

Sofort wieder abreisen, auch auf die Gefahr hin, für das dann nicht genutzte Zimmer trotzdem etwas bezahlen zu müssen? Oder sollte sie bleiben und somit Gefahr laufen, daß sie in zwei Wochen Zeugin wurde, wie der Mann, den sie über alles liebte, eine andere heiratete?

Es wurde schon beinahe Abend, als Anna immer noch darüber nachdachte. Sie saß auf dem Balkon ihres Zimmers und grübelte, doch eine Antwort bekam sie nicht.

*

Elfriede Hamann schaute freundlich lächelnd auf die junge Frau, die das Zimmer betrat.

»Ach, Christel, das ist aber lieb, daß Sie mir den Kaffee ans Bett bringen«, sagte die alte Dame. »Meine Knochen wollen heut’ net so recht.«

»Schon gut, Frau Hamann. Das mache ich doch gerne«, erwiderte die Altenpflegerin.

Sie zwinkerte ihr zu.

»Ich hab’ Ihnen auch ein Stückchen Kuchen mitgebracht.«

»Christel, Sie sind ein Engel! Wie gefällt’s Ihnen denn bei uns?« wollte die Heimbewohnerin wissen.

Die Pflegerin hatte das Tablett auf dem Nachtkästchen abgestellt und half der alten Frau, sich aufzurichten. »Gut«, antwortete sie. »Ich hätt’ net gedacht, daß ich so viel Freude haben würd’.«

Sie lächelte.

»Aber es ist ja auch ein schönes Gefühl zu wissen, daß man gebraucht wird und helfen kann.«

Sie strich die Bettdecke wieder glatt und richtete sich auf.

»Jetzt lassen S’s sich erst einmal schmecken. Milch und Süßstoff hab’ ich schon hineingetan.«

Die Altenpflegerin blickte Elfriede Hamann fragend an.

»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

»Ach ja, bitte, wenn S’ so freundlich sein würden, das Fenster ein bissel zu öffnen. Es ist so stickig hier drinnen.«

»Mach’ ich«, nickte Christel und stellte das breite Fenster auf Kippstellung. »Kommt Ihr Sohn denn wieder am Sonntag zu Besuch?«

Elfriede Hamann machte ein bekümmertes Gesicht.

»Ich glaub’ net«, entgegnete sie. »Der Herbert muß ja so viel arbeiten, seit er in der neuen Firma ist. Net einmal am Wochenend’ hat er frei.«

»Ach, das ist aber schade.«

Die Pflegerin ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um und nickte der alten Dame aufmunternd zu.

»Ich schau’ dann später noch mal nach Ihnen«, versprach sie und verließ das Zimmer.