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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Was wollen Sie?« Hermine Wollschläger sah die junge Frau, die vor der Tür des Pfarrhauses von St. Anna stand, beinahe empört an. Silke Brandner schien sich unter diesem Blick unwillkürlich zu ducken. »Das geht auf gar keinen Fall«, fuhr die Haushälterin in abwehrendem Ton fort. »Wir sind doch schließlich kein Hotel. Warum gehen S' net ins Wirtshaus? Die haben Fremdenzimmer.« Die Krankenschwester seufzte. Daß es im »Ochsen« Fremdenzimmer gab, war ihr nicht unbekannt. Sie kam ja gerade von dort. Allerdings sollte eine Übernachtung fünfundzwanzig Euro kosten. Zwar mit Frühstück, aber das war immer noch zu teuer. Nicht, wenn es für ein paar Übernachtungen wäre, aber Silke suchte eine ständige Bleibe. Als es endlich mit einer Anstellung geklappt hatte, war sie unendlich erleichtert gewesen, nach beinahe einem halben Jahr Arbeitslosigkeit. In und um Nürnberg herum gab es keine freien Plätze, und sie hatte sich die Finger wundgeschrieben. Über zwanzig Bewerbungen schickte sie los, und die einzige positive Antwort erhielt sie aus Engelsbach. Froh darüber, daß sie nicht weiter mit dem Arbeitslosengeld leben mußte, hatte Silke in der Heimat ihre Zelte abgebrochen, um hier als neue Gemeindeschwester zu arbeiten. Natürlich nicht, ohne sich um ein möbliertes Zimmer zu bemühen. Das reichte ihr fürs erste. In Nürnberg hatte sie eine kleine Zweizimmerwohnung gehabt, die natürlich gekündigt wurde. Ihre Sachen stellte sie bei einer Freundin unter, um sie später, wenn sie eine kleine Wohnung gefunden hatte, nachzuholen. Indes war es mit der Unterkunft nicht weniger aussichtslos als mit der Arbeit. Insgesamt sechs Annoncen hatte Silke aufgegeben. Es hätte ihr auch nichts
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»Was wollen Sie?«
Hermine Wollschläger sah die junge Frau, die vor der Tür des Pfarrhauses von St. Anna stand, beinahe empört an.
Silke Brandner schien sich unter diesem Blick unwillkürlich zu ducken.
»Das geht auf gar keinen Fall«, fuhr die Haushälterin in abwehrendem Ton fort. »Wir sind doch schließlich kein Hotel. Warum gehen S’ net ins Wirtshaus? Die haben Fremdenzimmer.«
Die Krankenschwester seufzte.
Daß es im »Ochsen« Fremdenzimmer gab, war ihr nicht unbekannt. Sie kam ja gerade von dort. Allerdings sollte eine Übernachtung fünfundzwanzig Euro kosten. Zwar mit Frühstück, aber das war immer noch zu teuer. Nicht, wenn es für ein paar Übernachtungen wäre, aber Silke suchte eine ständige Bleibe. Als es endlich mit einer Anstellung geklappt hatte, war sie unendlich erleichtert gewesen, nach beinahe einem halben Jahr Arbeitslosigkeit. In und um Nürnberg herum gab es keine freien Plätze, und sie hatte sich die Finger wundgeschrieben. Über zwanzig Bewerbungen schickte sie los, und die einzige positive Antwort erhielt sie aus Engelsbach. Froh darüber, daß sie nicht weiter mit dem Arbeitslosengeld leben mußte, hatte Silke in der Heimat ihre Zelte abgebrochen, um hier als neue Gemeindeschwester zu arbeiten.
Natürlich nicht, ohne sich um ein möbliertes Zimmer zu bemühen. Das reichte ihr fürs erste. In Nürnberg hatte sie eine kleine Zweizimmerwohnung gehabt, die natürlich gekündigt wurde. Ihre Sachen stellte sie bei einer Freundin unter, um sie später, wenn sie eine kleine Wohnung gefunden hatte, nachzuholen.
Indes war es mit der Unterkunft nicht weniger aussichtslos als mit der Arbeit. Insgesamt sechs Annoncen hatte Silke aufgegeben. Es hätte ihr auch nichts ausgemacht, in der Stadt zu wohnen und jeden Tag nach Engelsbach zu fahren. Allerdings erfüllte sich ihre Hoffnung nicht, sie bekam nicht eine einzige Antwort. So war die Krankenschwester aufgebrochen und in das Alpendorf gefahren, ohne zu wissen, wo sie die ersten Nächte verbringen würde.
»Es wär’ doch nur für den Anfang«, wagte sie einen letzten Versuch, die hagere Frau umzustimmen.
Hermine Wollschläger schüttelte den Kopf.
»Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt«, entgegnete sie mürrisch. »Überhaupt, wie stellen S’ sich das eigentlich vor? Das hier ist ein katholisches Pfarrhaus, der Herr Pfarrer kann doch net eine junge Frau unter seinem Dach beherbergen. Was glauben S’ wohl, was die Leut’ da reden!«
Silke Brandner gab auf. Sie sah ein, daß es keinen Zweck hatte. Diese Frau würde sich niemals umstimmen lassen.
Sie murmelte einen Gruß und ging zu ihrem Wagen zurück. Es war ein alter, kleiner und enger PKW, und die Aussicht, die nächsten Nächte vielleicht darin schlafen zu müssen, behagte Silke überhaupt nicht. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als es bei der Pension zu versuchen, an der sie vorhin vorbeigefahren war. Auch wenn es sie viel Geld kosten würde.
Sie hatte Glück; in der Pension »Bergblick« war ein Zimmer frei. Silke nahm es erst einmal für zwei Nächte. Vielleicht, so hoffte sie, würde sich ein Zimmer finden, wenn sie morgen ihre neue Stelle angetreten hatte. Möglicherweise wußte jemand der Angestellten auf der Gemeinde ja, wo eines frei war.
Nachdem sie ihre Tasche ausgepackt hatte, rief sie ihre Mutter an und anschließend Birgit.
»Bist du gut angekommen?« wollte die Freundin wissen.
»Ja, die Fahrt verlief ohne Probleme«, antwortete Silke. »Aber ich habe immer noch keine Bleibe. Jetzt wohne ich erst mal in einer Pension. Wenn ich sparsam bin, reicht’s vielleicht bis zur nächsten Woche mit dem Geld. Aber wie’s dann weitergehen soll, weiß ich noch net. Ich fürcht’, du mußt meinen Krempel noch ein bissel länger in deinem Keller beherbergen.«
»Mach’ dir mal deswegen keine Sorgen«, beruhigte Birgit sie. »Ich brauch’ den Platz ohnehin net. Aber, daß du kein Zimmer findest, das macht mir wirklich Sorge.«
Silke berichtete von ihrem erfolglosen Besuch im Pfarrhaus.
»Ich hatte gehofft, daß zumindest der Pfarrer mir helfen würd’«, erklärte sie. »Aber den hab’ ich gar net gesprochen. Bloß seine Haushälterin, aber die hat mich net mal hineingelassen. Stell’ dir vor, die hat getan, als wär’ ich eine sittliche Gefahr für Hochwürden.«
Trotz ihres Mißgeschicks bei der Zimmersuche mußte sie lachen.
»Schön, daß du deinen Humor net verloren hast«, sagte die Freundin. »Ich hoff’, daß es doch noch klappt, und du net dein ganzes Geld für die Pension ausgeben mußt. Übrigens, wie ist’s denn so in Engelsbach?«
»Eigentlich ganz nett«, erzählte Silke. »Das Dorf ist net sehr groß; ein paar Häuser, Bauernhöfe ringsum. Dazu eine Kirche, ein Gasthaus und ein paar Pensionen. Ich glaub’, sogar eine Diskothek, wenn ich recht gesehen hab’. Von meinem Fenster aus sehe ich die Berge. Ach ja, und dann ist da natürlich die Kirche. Ich freu’ mich schon darauf, endlich wieder arbeiten zu können.«
»Du, dann wünsch’ ich dir ganz viel Glück für deinen Start morgen«, sagte Birgit. »Und, daß du bald eine ständige Unterkunft findest. Ich drück’ dir die Daumen, und laß wieder von dir hören.«
»Mach’ ich«, versprach Silke und legte auf.
Dann schaute sie nachdenklich zum Fenster hinaus. Der Anblick der Berge machte einen sprachlos, so groß und mächtig – Silke fiel kein anderes Wort als majestätisch ein – sahen sie aus. Allerdings hatte sie jetzt alles andere als Lust auf eine Bergtour. Sie setzte ihre ganze Hoffnung auf den nächsten Tag, ob vielleicht in der Kirchengemeinde jemand ein freies Zimmer wußte.
So richtig glauben mochte sie allerdings nicht daran. Vielleicht, so überlegte sie, nützte es ja etwas, wenn sie in die Stadt fuhr. Bei der Zeitung vorbeischauen und noch eine Anzeige aufgeben. Es mußte doch möglich sein, hier in der Gegend eine Unterkunft zu bekommen.
Silke schaute auf die Uhr. Sie war am Morgen sehr zeitig losgefahren, jetzt war es früher Nachmittag. In der Anzeigenannahme würden sie bestimmt noch jemanden antreffen, wenn sie sich beeilte. Vielleicht konnte die Annonce sogar schon in der morgigen Ausgabe erscheinen.
Sie stand auf, nahm ihre Handtasche und verließ das Pensionszimmer.
Eigentlich hatte sie noch großes Glück gehabt, das Zimmer war zwar einfach, aber ganz hübsch eingerichtet, und die Wirtsleute hatten sich als freundlich und zuvorkommend herausgestellt. Wenn die finanzielle Seite nicht wäre, dann hätte es Silke Brandner in der Pension »Bergblick« gut gefallen können.
Aber leider…
*
Die Redaktion des »Landboten« befand sich in einem Haus, das in einer kleinen Seitenstraße stand. Silke hatte sich durchfragen müssen und fuhr erleichtert auf den Parkplatz. Sie hatte gerade den Motor abgestellt, nach ihrer Handtasche gegriffen und wollte aussteigen, als hinter ihr jemand laut und energisch hupte.
Irritiert öffnete die Kindergärtnerin die Autotür und schaute hinaus. Hinter dem Wagen stand ein anderer PKW, dessen Fahrer hektische Zeichen machte. Er kurbelte das Fenster herunter und steckte seinen Kopf hindurch.
»Können S’ net lesen?« rief er. »Der Platz ist reserviert.«
Silke blickte auf das Schild und schrak zusammen. Es stimmte tatsächlich.
Reserviert für Mitarbeiter des Landboten, stand auf einem Blechschild, das an der Hauswand angebracht war. Sie hatte es übersehen.
»Tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Ich fahre den Wagen sofort wieder weg.«
Der andere Fahrer war ausgestiegen. Mit einem gewinnenden Lächeln kam er näher.
»Sie wollen wohl in die Redaktion, was?« fragte er.
»Zur Anzeigenannahme«, erklärte die junge Frau.
Der Mann, er war kaum älter als Silke Brander, lächelte.
»Na, dann will ich mal ein Auge zudrücken«, meinte er. »Das ist nämlich mein Parkplatz. Aber die Zeitung lebt ja von Anzeigenkunden, und da ich meinen Arbeitsplatz net verlieren möcht’, will ich mal net so sein.«
»Das ist sehr freundlich«, antwortete Silke überrascht. »Ich beeile mich auch, Herr…«
»Stefan Brunner«, stellte er sich vor und betrachtete sie ungeniert. »Lassen S’ sich nur Zeit. Je später ich in die Redaktion komm’, um so weniger seh’ ich von meinem Chefredakteur… Der alte Grantler kann warten!«
Bei diesen Worten grinste er ein Lausbubenlächeln, das Silke ihn sofort für sich einnehmen ließ.
»Danke noch mal«, murmelte sie und nickte ihm zu.
»Schon gut«, erwiderte der Journalist und schaute ihr hinterher, wie sie das Redaktionsgebäude betrat.
Was er dabei sah, ließ Stefan anerkennend mit der Zunge schnalzen. Das hörte Silke allerdings nicht.
Sie hatte Glück. Die freundliche Mitarbeiterin, die ihre Anzeige aufnahm, versicherte ihr, daß die Annonce noch in der morgigen Ausgabe erscheinen würde. Silke hatte den Namen der Pension und deren Telefonnummer angegeben. Als sie wieder herauskam, stand Stefan Brunner an seinem Wagen gelehnt und schaute sie lächelnd an.
»Na, alles erledigt?« erkundigte er sich.
Silke nickte.
»Schön, dann kann’s ja losgehen.«
Sie sah ihn irritiert an.
»Was kann losgehen?« fragte sie.
»Na, unser gemeinsames Kaffeetrinken«, erwiderte er leichthin, als wäre es die selbstverständlichste Sache von der Welt.
»Wieso sollte ich mit Ihnen Kaffee trinken?«
Er grinste noch breiter.
»Was weiß ich? Wegen meines unwiderstehlichen Charmes vielleicht oder weil ich Ihnen meinen Parkplatz überlassen hab’. Im ersteren Fall würd’ ich Sie natürlich einladen. Im zweiten müßten Sie allerdings die Kosten übernehmen, Frau… Da fällt mir ein, ich weiß ja noch gar net, wie Sie heißen. Würden S’ die Güte haben und sich mir vorstellen? Meine Mutti hat nämlich gesagt, ich soll nie mit einer fremden Frau mitgehen. Sie sehen also, es ist unabdinglich, daß Sie mir Ihren Namen sagen, sonst wird leider nix aus unserer Verabredung.«
Silke sah ihn verblüfft an und mußte dann unwillkürlich lachen.
»Also, Sie sind mir ja einer!«
»Was für einer?« wollte er wissen.
Sie kniff ein Auge zusammen und schürzte die Lippen.
»Jedenfalls ein Netter…«
Stefan strahlte über das ganze Gesicht.
»Also…?«
»Silke Brandner«, nannte sie ihren Namen.
»Silke… ein schöner Name«, stellte er fest. »Er paßt richtig zu Ihnen.«
»Da bin ich aber froh, daß er Ihnen gefällt«, flachste die Krankenschwester, die Spaß an dieser Art Flirt fand.
Außerdem gefiel ihr der junge Mann ausnehmend gut. Seine fröhliche, fast freche Art lenkte sie ein wenig von ihrer Sorge wegen des Zimmers ab.
»Also, was ist denn jetzt mit dem Kaffeetrinken?«
Stefan nickte.
»Geht sofort los«, antwortete er. »Ich stelle mein Auto bloß da drüben ab, und dann können wir.«
Er stieg ein und fuhr seinen Wagen auf einen Platz, der vor ein paar Minuten freigeworden war.
»Sagen Sie, müssen Sie eigentlich net in die Redaktion?« fragte Silke, als sie wenig später gemeinsam durch die Fußgängerzone schlenderten. »Ich dachte, Ihr Redakteur wartet auf Sie.«
»Soll er«, grinste Stefan. »Ich werd’ ihm später erzählen, ich sei einer heißen Story auf der Spur gewesen…«
Die Krankenschwester nahm die Antwort mit einem Schulterzucken. Sie fragte sich nur, warum dieser unverschämt gutaussehende Bursche an ihrer Seite sie so intensiv dabei anschaute, als er von einer »heißen Story« sprach…
*
»Das müssen S’ sich mal vorstellen«, sagte Hermine Wollschläger zu dem Geistlichen. »Die wollt’ doch glatt hier einziehen!«
Blasius Eggensteiner schüttelte den Kopf.
Also, das ging ja nun wirklich nicht. Ein junges Madl, dazu noch unverheiratet!
Das war entschieden gegen seine moralische und sittliche Gesinnung. Außerdem hatte der rundliche Seelsorger von St. Anna erst einmal von weiblichen Personen, die sich im Pfarrhaus einnisten wollten, die Nase voll. Schließlich hatte er erst in jüngster Zeit unangenehme Erfahrungen damit gemacht.
»Es war doch richtig, daß ich sie net hereingelassen hab’?« vergewisserte sich die Haushälterin unsicher.
Hochwürden hatte ihr immer wieder erklärt, daß das Pfarrhaus für jedermann offen sei. Wer kam und nach einem Almosen fragte, durfte nicht abgewiesen werden. Sogar eine Mahlzeit hatte er zu erwarten. Aus dem Grund war Hermine Wollschläger nicht sicher, ob sie die junge Dame, die am Vormittag gefragt hatte, ob sie für ein paar Nächte hier wohnen könne, wirklich hatte abweisen dürfen.
»Freilich haben S’ richtig gehandelt«, antwortete Blasius Eggensteiner schnaufend. »Wenn ich an den Ärger denk’, den wir mit der falschen Nonne hatten, dann würd’ ich am liebsten niemanden mehr hereinlassen.«
Die falsche Nonne war eine Trickbetrügerin und Diebin gewesen, die sich in das Pfarrhaus eingeschlichen hatte. Hermine Wollschläger schöpfte damals keinen Verdacht, als die Frau im Habit vor ihr stand und ließ sie arglos herein.
Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellte. Als die Frau nach einigen Tagen plötzlich verschwunden war, fehlte im Pfarrhaus ein großer Geldbetrag, den die Diebin hatte mitgehen lassen.
Blasius Eggensteiner brach noch heute der Schweiß aus, wenn er an dieses Desaster dachte. Immerhin war das Geld dazu bestimmt gewesen, mit den jüngsten Mitgliedern der Kirchengemeinde eine Freizeitfahrt zu unternehmen, und der Geistliche hätte den Betrag aus eigener Tasche ersetzen müssen, wenn nicht… ja, wenn nicht sein Amtsbruder aus St. Johann der Nonne, die gar keine war, sondern eine entlassene Strafgefangene namens Monika Winterbauer, auf die Spur gekommen wäre und ihre Festnahme veranlaßt hätte.
Pfarrer Eggensteiner war dem Kollegen aus dem Nachbarort immer noch unendlich dankbar.
Der Geistliche schaute auf den Küchentisch, der zum Kaffeetrinken gedeckt war. Hermine Wollschläger hatte einen Teller daraufgestellt, auf dem seltsam anzusehende Gebäckstücke lagen.
»Was ist denn das?« fragte der Seelsorger mißtrauisch.
Seit er die Pfarrei St. Anna übernommen hatte, mühte sich seine langjährige Haushälterin, die ihn schon während der Missionszeit in Südamerika begleitet hatte, ab, Blasius Eggensteiner gesünder zu ernähren. Er hatte, und das war nicht zu übersehen, zuviel Gewicht, bekam schlecht Luft und auch ansonsten fehlte es ihm an Kondition. Hermine versuchte nun durch eine Umstellung seiner Ernährungsgewohnheiten, dafür zu sorgen, daß Hochwürden abnahm und gesünder lebte.
Allerdings verliefen ihre Bemühungen im Sande. Nach den ersten Mahlzeiten, bei denen Knäckebrot anstelle des herzhaften Bauernbrotes, und Margarine anstatt Butter auf dem Tisch stand, ging Hochwürden heimlich ins Wirtshaus, um sich satt zu essen.
Natürlich heimlich, damit seine Haushälterin nichts davon mitbekam.
Sie hätte ihm die Hölle heiß gemacht!
Gleichwohl ahnte Hermine Wollschläger, daß der Geistliche ihre Maßnahmen unterlief – allein, es fehlten ihr die Beweise.
Blasius Eggensteiner wollte sich indes nicht an die schmale Kost gewöhnen. Ihm wurde schon ganz flau im Magen, wenn er nur an diesen fürchterlichen, koffeinfreien Kaffee dachte, ohne Milch und Zucker. Dann die Salate, die er aufgetischt bekam! Brennessel, Sauerampfer und Löwenzahn. Dazu Getreidekörner, die grob geschrotet und in Wasser gekocht wurden.
Keinen Schweinsbraten mehr, keine Knödel, von einer richtigen Hax’n ganz zu schweigen!
»Fruchtschnitten«, erklärte Hermine Wollschläger stolz auf die Frage nach dem Gebäck.
Sie hatte aus Dinkelmehl dünne Platten gebacken, immer zwei davon mit einer Vier-Frucht-Marmelade bestrichen und zusammengeklappt. Die Oberseiten waren mit gerösteten Sonnenblumenkernen bestreut.
Blasius Eggensteiner hatte sich einen dieser Kuchen genommen und biß vorsichtig hinein. Erstaunlicherweise schmeckte es ihm sogar. Jedenfalls besser, als der Kräutertee, der ihm dazu serviert wurde.
Gottergeben aß und trank der Geistliche und dachte dabei an den morgigen Vormittag, an dem die neue Gemeindeschwester ihre Stelle antrat. Wie er gehört hatte, wurde zu solchen Anlässen immer üppig belegte Schnittchen gereicht, und auf die freute er sich heute schon…
*