Der Bergpfarrer 114 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer 114 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Strahlender Sonnenschein lag über dem Wachnertal, als das Brautpaar die Kirche verließ und in die bereitstehende Kutsche stieg. Toni Berghofer strahlte seine junge Frau an. »Schau, die vielen Leute«, sagte er glücklich. Vor der Kirche hatten sich die Einwohner versammelt, sie winkten dem Paar in der Kutsche zu und wünschten ihm Glück. Vroni Berghofer, die Schwester des Bräutigams, lief zu ihrem Wagen und setzte sich hinein. Noch vor den anderen fuhr sie zum Hof hinauf, um noch mit Hand anzulegen. In einer halben Stunde kamen mit den Brautleuten auch die Gäste an, dann mußte alles bereit sein. Schon seit Tagen wurde auf dem Hof gebacken, gekocht und geputzt worden, um alles für den großen Tag herzurichten. Dabei hatte die Hauptarbeit auf Vroni gelastet, die dafür sorgte, daß alles rechtzeitig fertig wurde. Jetzt war sie eher erschöpft, als in Feierlaune, doch zum Ausruhen war später noch Zeit. Sie stieg aus dem Auto und lief ins Haus. Resl Brandner und Christel Thalbacher, die bei den Vorbereitungen geholfen hatten, standen in der Küche und rührten in Töpfen, richteten Salate an und schmeckten ein letztes Mal ab. »Na, wie war's?« fragte Resl, die auf dem Nachbarhof als Magd arbeitete. »Schön«, nickte Vroni und wollte helfen, die großen Braten aufzuschneiden. »Laß doch«, wehrte Christel ab. »Du ruinierst dir ja noch dein schönes Kleid!« Die Schwester des Bräutigams sah es ein. »Dann öffne ich die Weinflaschen«, sagte sie. »Schon gescheh'n«, hörte sie Wolfgang Hinterleitner sagen. Vroni lächelte dankbar. »Und was soll ich machen?« Der junge Bauer drückte sie sanft auf einen Stuhl. »Du setzt dich erstmal hin und ruhst ein bissel aus«,

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Der Bergpfarrer – 114 –

Er wollte ihr eine Heimat geben

Vroni, warum bist du fortgelaufen?

Toni Waidacher

Strahlender Sonnenschein lag über dem Wachnertal, als das Brautpaar die Kirche verließ und in die bereitstehende Kutsche stieg.

Toni Berghofer strahlte seine junge Frau an.

»Schau, die vielen Leute«, sagte er glücklich.

Vor der Kirche hatten sich die Einwohner versammelt, sie winkten dem Paar in der Kutsche zu und wünschten ihm Glück.

Vroni Berghofer, die Schwester des Bräutigams, lief zu ihrem Wagen und setzte sich hinein. Noch vor den anderen fuhr sie zum Hof hinauf, um noch mit Hand anzulegen. In einer halben Stunde kamen mit den Brautleuten auch die Gäste an, dann mußte alles bereit sein.

Schon seit Tagen wurde auf dem Hof gebacken, gekocht und geputzt worden, um alles für den großen Tag herzurichten. Dabei hatte die Hauptarbeit auf Vroni gelastet, die dafür sorgte, daß alles rechtzeitig fertig wurde. Jetzt war sie eher erschöpft, als in Feierlaune, doch zum Ausruhen war später noch Zeit.

Sie stieg aus dem Auto und lief ins Haus. Resl Brandner und Christel Thalbacher, die bei den Vorbereitungen geholfen hatten, standen in der Küche und rührten in Töpfen, richteten Salate an und schmeckten ein letztes Mal ab.

»Na, wie war’s?« fragte Resl, die auf dem Nachbarhof als Magd arbeitete.

»Schön«, nickte Vroni und wollte helfen, die großen Braten aufzuschneiden.

»Laß doch«, wehrte Christel ab. »Du ruinierst dir ja noch dein schönes Kleid!«

Die Schwester des Bräutigams sah es ein.

»Dann öffne ich die Weinflaschen«, sagte sie.

»Schon gescheh’n«, hörte sie Wolfgang Hinterleitner sagen.

Vroni lächelte dankbar.

»Und was soll ich machen?«

Der junge Bauer drückte sie sanft auf einen Stuhl.

»Du setzt dich erstmal hin und ruhst ein bissel aus«, erwiderte er. »Schließlich hast’ in den letzten Tagen genug um die Ohren gehabt. Wie ich dich kenn’, bist’ kaum zum Schlafen gekommen.«

Das stimmte in der Tat. Bis spät in die Nacht hatte Vroni Berghofer geplant und vorbereitet, und wenn sie ehrlich war, dann mußte sie zugeben, daß sie sich wie erschlagen fühlte.

Indes währte dieser Zustand nur so lange, bis die ersten Gäste auf dem Hof eintrafen. Vroni lief hinaus, um sie willkommen zu heißen. Die beiden Mägde, die so tatkräftig halfen, reichten Gläser mit Sekt herum, und Wolfgang Hinterleitner kümmerte sich bereits darum, daß später das Bier floß. Für die Feier war die große Scheune ausgeräumt worden, lange Tische hineingestellt, und im hinteren Teil eine Fläche zum Tanzen geschaffen worden. Dahinter stand der Tresen, den die Brauerei ausgeliehen hatte, von der das Bier gekauft worden war. Vroni ging noch einmal herum und warf einen prüfenden Blick auf die Festtafel. Sie nickte zufrieden, alles war perfekt, und niemand würde ihr später einen Vorwurf machen können.

»Sie kommen!« rief jemand.

Vroni eilte hinaus und bat die Gäste, sich aufzustellen. Die Hochzeitskutsche hielt vor der Scheune, und das Brautpaar stieg unter den Jubelrufen der Anwesenden aus.

Vroni Berghofer trat vor. Sie hatte ein Tablett in den Händen, darauf standen zwei Sektgläser und ein kleiner Teller, auf dem Brotscheiben und Salz lagen. Die Schwester des Bräutigams wußte, daß in diesem Moment alle Augen auf sie gerichtet waren, und war entsprechend nervös. Dennoch sprach sie mit fester Stimme.

»Liebe Franzi, lieber Toni, ich heiße euch willkommen und überreiche euch Brot und Salz, verbunden mit dem Wunsch, daß ihr euer Leben lang reichlich davon genießen möget.«

»Bravo«, riefen die Gäste und klatschten Beifall, als die Brautleute etwas Salz auf das Brot streuten und abbissen.

Anschließend wurde die geleerten Sektgläser zu Boden geworfen, wo sie klirrend zersprangen.

Toni Berghofer sah seine junge Frau mit rotglühenden Wangen an, dann nahm er sie in die Arme und küßte sie.

»So und jetzt wird gefeiert!« rief er anschließend.

Dann strömte die Hochzeitsgesellschaft in die Scheune und suchte sich ihre Plätze. Vroni hatte Tischkarten geschrieben, und es dauerte eine Weile, bis jeder seinen Platz gefunden hatte. Ganz oben an der Tafel saß das Brautpaar, daneben Franzis Eltern. Die Eltern der Berghofergeschwister lebten nicht mehr, und einen Moment dachte Vroni traurig, wie stolz Vater und Mutter an diesem Tag auf ihren Sohn gewesen wären.

*

Unter den Gästen war natürlich auch Sebastian Trenker. Der gute Hirte von St. Johann war erst vor einer Woche von einem Urlaub zurückgekehrt, der ihn in den hohen Norden Deutschlands geführt hatte. Nach vielen Jahren war es das erste Mal gewesen, daß der Bergpfarrer seine Heimat verlassen und in der Lüneburger Heide Ferien gemacht hatte.

Auch wenn es ein schöner und abwechslungsreicher Urlaub gewesen war, so freute sich Sebastian doch, wieder daheim zu sein.

Der Geistliche schaute in die Runde und sah überall fröhliche Gesichter. Das Essen war wunderbar gewesen, und Toni hatte seiner Schwester in bewegenden Worten für die viele Mühe und Arbeit, die Vroni gehabt hatte, gedankt. Jetzt saß man erst einmal, ließ sich einen Verdauungsschnaps schmecken und erzählte mit seinem Tischnachbarn.

Unwillkürlich fiel Sebastians Blick auf seinen Bruder. Max und Claudia saßen am anderen Ende der Tafel, und der Bergpfarrer fragte sich, wann es bei den beiden wohl soweit sein würde, daß sie vor seinem Altar standen, um sich das Jawort zu geben. Erste Anzeichen schien es zu geben; so sträubte sich der junge Polizist offenbar nicht länger dagegen, in den Hafen der Ehe einzulaufen. Aber wie lange es wirklich noch dauern würde, vermochte vorerst niemand zu sagen.

Die ersten Gäste standen auf, um sich die Beine zu vertreten. Es war warm in der Scheune, auch wenn man das große Tor weit geöffnet hatte. Draußen herrschten indes Temperaturen um die dreißig Grad.

Wolfgang Hinterleitner, Nachbar und Freund des Bräutigams, stand am Zaun zur Koppel, als Sebastian nach draußen kam. Der Geistliche gesellte sich zu ihm.

»Na, Wolfgang, wie schaut’s aus?« erkundigte er sich.

Der Bauer nickte ihm zu.

»Danke der Nachfrage, Hochwürden«, antwortete er. »Dieses Jahr war besonders gut.«

»Das meine ich net«, schüttelte der Bergpfarrer den Kopf. »Ich wollt’ in Erfahrung bringen, ob du vielleicht der nächste bist, der vor dem Altar steht...«

Wolfgang Hochleitner lächelte.

»Nix lieber als das«, erwiderte er. »Allerdings fehlt dazu etwas ganz Entscheidendes.«

»Hast’ dich immer noch net getraut, ihr was zu sagen?«

Der Bauer schaute zur Scheune hinüber, aus der Musik erklang. Irgendwo da drinnen war Vroni damit beschäftigt, dafür zu sorgen, daß alle genug zu trinken hatten.

Sebastian ahnte, wem dieser Blick galt.

»Du mußt endlich deinen Mut zusammennehmen«, setzte er hinzu.

Wolfgang zuckte hilflos die Schultern.

»Würd’ ich ja gern’«, sagte er. »Aber immer wenn ich einen Versuch mach’, dann verläßt mich der Mut wieder.«

»Soll ich mal mit der Vroni reden?« schlug Sebastian vor. »Manchmal genügt ja eine kleine Andeutung.«

»Besser net...«, schüttelte der Bauer den Kopf und ging davon.

Der gute Hirte von St. Johann schaute nachdenklich hinterher. Daß Wolfgang Hinterleitner Vroni schon lange liebte, wußte Sebastian, seit der Bauer sich ihm einmal anvertraut und von seinen Zukunftsplänen geschwärmt hatte. Der Hinterleitnerhof war ein gutgehendes landwirtschaftliches Unternehmen, das Wolfgang vor ein paar Jahren übernommen hatte. Leider war der Vater, der sich auf das Altenteil zurückgezogen hatte, schon bald darauf verstorben, so daß er nicht mehr viel von seinem Lebensabend gehabt hatte. Seither führte Wolfgang den Hof mit Hilfe zweier Knechte und der alten Magd, die schon seit vielen Jahren eine treue Seele war.

Warum er sich indes nicht traute, Vroni seine Liebe zu gestehen, blieb ein Rätsel. Immerhin war Wolfgang ein gestandener Mann, dem die Madeln begehrliche Blicke hinterher warfen. Auch sonst hatte der Bauer keine Scheu im Umgang mit Menschen, nur bei der Schwester seines Freundes und Nachbarn kam er nicht aus sich heraus.

Natürlich respektierte Sebastian Trenker den Wunsch des Bauern. Aber er würde weiterhin auf Wolfgang einwirken. Die beiden paßten einfach zu gut zueinander, und ewig würde Vroni nicht als Magd auf dem Hof des Bruders bleiben wollen.

Aber man mußte Geduld haben, wie der Geistliche aus Erfahrung wußte.

*

Nach ein paar Tagen kehrte wieder der Alltag auf dem Hof ein. Das junge Ehepaar hatte vorerst auf eine Hochzeitsreise verzichtet und sie auf den Herbst verschoben. Bis dahin sollte sich alles eingespielt haben, denn nun gehörten zwei Frauen zum Haushalt, und das schien nicht ohne Komplikationen abzugehen.

Eigentlich war es Vroni schon vorher klargewesen, daß sie ihre Kompetenzen würde abgeben müssen, wenn die Schwägerin auf dem Hof eingezogen war, doch daß der Prozeß so einschneidend sein würde, hatte sie nicht geahnt. Franziska Reichbacher war die Tochter eines Bauern, dessen Hof in der Nähe von Engelsbach stand. Als Tochter hatte sie ein ähnliches Los, wie Vroni zu erwarten gehabt, nämlich als Magd ihres Bruders zu arbeiten, der später einmal den Hof übernehmen würde. Das war durch die Hochzeit mit dem Berghofer-Toni indes erspart geblieben. Und sie brachte nicht nur eine ordentliche Mitgift in die Ehe, sondern auch noch die Aussicht auf den Pflichtteil ihres späteren Erbes. Insofern war sie für Vronis Bruder eine gute Partie gewesen.

Vroni selbst hatte früher nie daran gedacht, was einmal aus ihr werden würde, wenn Toni heiratete. Erst als es soweit war, überlegte sie, welchen Platz ihr die Schwägerin wohl auf dem Hof einräumen würde.

Jetzt zeigte es sich, daß sie Franzi falsch eingeschätzt hatte. So kurz nach der Hochzeit war von der Herzlichkeit nichts mehr zu spüren, welche die beiden Frauen bis dahin verbunden hatte. Es schien, als sei ein Hebel umgelegt worden, und Franzi zeigte ihr wahres Gesicht. Von morgens bis abends scheuchte sie Vroni umher und trug ihr diese und jene Arbeit auf. Wenn sie bei ihrem Bruder aufbegehrte und sich über die Schwägerin beschwerte, zeigte Toni nur ein Schulterzucken.

»Sie ist die Bäuerin«, sagte er dann zu seiner Schwester. »Und es kann nur eine das Sagen haben.«

»Wie lang’ willst’ dir das eigentlich noch gefallen lassen?« fragte Christel Thalbacher schließlich, als Franzi es wieder einmal übertrieben hatte.

Angeblich hatte sie angeordnet, die Betten neu zu beziehen, abends schimpfte sie dann mit Vroni.

»Was glaubst’ eigentlich wer das alles bezahlen soll?« rief sie. »Wir brauchen net dreimal die Woche die Betten beziehen.«

»Aber du hast doch...«, wollte Vroni einwerfen, wurde aber barsch unterbrochen.

»Wenn du mir net richtig zuhörst, brauchst’ dich net zu wundern, wenn du alles falsch machst!«

Vroni sah ihre Schwägerin an, kämpfte dabei mit den Tränen, dann lief sie hinaus. Franzi sollte nicht sehen, wie sie weinte.

Draußen, im Garten hinter dem Haus, setzte sie sich auf die Bank und ließ ihren Tränen freien Lauf. So fand Christel sie.

»Was soll ich denn machen?« erwiderte sie auf die Frage der Magd. »Sie ist nun mal die Bäuerin.«

»Trotzdem, so was darf man net durchgeh’n lassen«, meinte Christel. »Ich überleg’ schon lang’, ob ich noch bleiben soll. Mich schikaniert sie ja auch, wo sie nur kann.«

Vroni hob den Kopf und sah die Magd entgeistert an.

»Du willst fort?«

»Überlegt hab’ ich’s«, gestand Christel. »Arbeit find’ ich überall, da brauch ich mir das hier net antun.«

Vroni nickte verstehend.

Natürlich hatte Christel recht, sie mußte es sich nicht gefallen lassen, daß Franzi tagtäglich zeigte, daß sie die Herrin im Haus war.

Aber sie selbst? Was sollte sie tun? Fortgehen?

Das hier war doch ihr Elternhaus, der Hof, auf dem sie geboren und aufgewachsen war. Den konnte man doch net so einfach verlassen!

Allerdings konnte es so auch nicht weitergehen. Franzi wurde von Tag zu Tag schlimmer, und wenn sie keinen Grund hatte, zu streiten, dann suchte sie einen.

Wenn Toni sich doch nur ein bissel auf ihre Seite stellen würde. Aber der hielt zu seiner Frau, die er abgöttisch liebte, und allmählich begriff Vroni, daß es für sie keinen Platz mehr auf dem Hof gab.

Aber wo sollte sie hin?

Es schien keinen Ort zu geben, und selbst wenn, dann würde sie vor Heimweh schier wahnsinnig werden. Es hatte wohl keinen Zweck, sie mußte sich in ihr Schicksal fügen und hoffen, daß Franzi irgendwann doch noch zu der Einsicht kam, daß sie, Vroni, der Schwägerin nicht deren Stellung als Hausfrau und Bäuerin in Frage stellen wollte, sondern sich lediglich ein harmonisches Miteinander wünschte.

*

Pater Antonius führte Sebastian Trenker in das Arbeitszimmer des Bischofs. Ottfried Meerbauer saß hinter seinem Schreibtisch und erhob sich sofort, als der Besucher eintrat.

»Grüß dich, mein Lieber«, sagte er und lächelte. »Gut schaust du aus. Der Urlaub scheint dir bekommen zu sein.«

»Ich fühl’ mich auch recht wohl«, nickte der Bergpfarrer.

»Setz dich«, forderte der Bischof ihn auf und deutete auf die Besucherecke, wo auf einem Tischchen schon Kaffee und Gebäck bereit standen.

Es war nicht ungewöhnlich, daß Ottfried Meerbauer selbst einschenkte, anstatt diese Aufgabe seinem Sekretär zu überlassen. Zumindest dann nicht, wenn Sebastian ins bischöfliche Ordinariat kam. Seit einer gemeinsamen Bergtour duzten sich die beiden Kirchenmänner, und ihr Verhältnis zueinander war ein etwas anderes, als es normalerweise zwischen einem Landpfarrer und seinem Vorgesetzten zu sein pflegte.

Während er sich setzte und den Kaffee entgegen nahm, betrachtete Sebastian eingehend das Gesicht des Bischofs. Er sah immer noch krank aus, obwohl es schon Monate her war, das Ottfried Meerbauer wegen seiner Nierenkoliken behandelt worden war. Ihm fiel auf, daß er sich beim Kuchenessen zurückhielt.

»Tja, weshalb ich dich hergebeten hab’«, nahm Ottfried das Gespräch auf, »in ein paar Tagen fahre ich zur Kur.«

»Hat es endlich geklappt«, freute sich der Bergpfarrer. »Das ist ja wunderbar. Ich hoffe, du erholst dich gut und kommst gesund wieder zurück.«

»Da hab’ ich keine Bedenken«, winkte der Bischof ab. »Was mir vielmehr Kopfzerbrechen bereitet, ist meine Vertretung, während ich fort bin. Man hat dazu Bischof Hofacker ernannt...«

Sebastian hob den Kopf und runzelte die Stirn.

»Adrian Hofacker?« fragte er.

»Ja. Hast du schon mit ihm zu tun gehabt?«

»Net persönlich. Nur von ihm gehört. Er hat einen, na sagen wir mal, sehr konservativen Ruf...«

»In der Tat«, nickte Ottfried Meerbauer. »Und da liegt er ganz auf der Linie eines gewissen Mitbruders...«

»Du meinst Pfarrer Eggensteiner, was?«

Sebastian hob die Hände.

»Au weh, da steht mir ja was bevor.«

Blasius Eggensteiner war der Seelsorger von St. Anna, der Kirche in Engelsbach. Sebastian und er kannten sich seit dem gemeinsamen Theologiestudium, und schon damals hatte Blasius es darauf angelegt, seinem Kommilitonen jeden nur erdenklichen Stein in den Weg zu legen. Daran hatten auch die Jahre nichts geändert, in denen der rundliche Geistliche in Südamerika missionierte. Als er überraschend die lange Zeit verwaiste Pfarrstelle übernommen hatte, setzte er seine Attacken gegen den Bergpfarrer fort und versuchte bei jeder Gelegenheit, ihn beim Bischof anzuschwärzen. Sein eigentliches Ziel war Sebastian indes inzwischen klargeworden, Pfarrer Eggensteiner wollte erreichen, daß die beiden Pfarrstellen zusammengelegt wurden, und der bei der Bevölkerung beliebte Pfarrer Trenker sollte abgeschoben werden.

»Vielleicht auch net«, meinte Ottfried Meerbauer auf Sebastians Bemerkung hin. »Schließlich ist Bruder Blasius dir zu einigem Dank verpflichtet.«