Der Bergpfarrer 119 – Heimatroman - Toni Waidacher - E-Book

Der Bergpfarrer 119 – Heimatroman E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 10 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jun"Liebling, du ißt einfach zu wenig", schüttelte Gerti Rheimann tadelnd den Kopf. Alexandra von Berlebach schlug mit einem genüßlichen Seufzer die Augen auf und reckte sich ausgiebig. Durch die hellen Vorhänge am Fenster drangen die Strahlen der Sonne in das Zimmer. Sommerwetter – was konnte man sich Schöneres für solch einen Tag wünschen? Für den Hochzeitstag! Sie konnte es kaum glauben, nur noch wenige Stunden, und sie würde Alexandra von Hohenstein heißen, Frau des Grafen Bertram von Hohenstein. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl durchströmte die hübsche Komteß, als sie sich frei strampelte und die Decke von sich warf. Mit einem Satz war sie aus dem Bett und in den Morgenmantel, aus feiner Seide, geschlüpft. Im selben Moment klopfte es an die Tür. "Herein."

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Der Bergpfarrer –119–

Braut für einen Tag

Roman von Toni Waidacher

Alexandra von Berlebach schlug mit einem genüßlichen Seufzer die Augen auf und reckte sich ausgiebig. Durch die hellen Vorhänge am Fenster drangen die Strahlen der Sonne in das Zimmer.

Sommerwetter – was konnte man sich Schöneres für solch einen Tag wünschen?

Für den Hochzeitstag!

Sie konnte es kaum glauben, nur noch wenige Stunden, und sie würde Alexandra von Hohenstein heißen, Frau des Grafen Bertram von Hohenstein.

Ein unbeschreibliches Glücksgefühl durchströmte die hübsche Komteß, als sie sich frei strampelte und die Decke von sich warf. Mit einem Satz war sie aus dem Bett und in den Morgenmantel, aus feiner Seide, geschlüpft.

Im selben Moment klopfte es an die Tür.

»Herein.«

Lizzy, das Zimmermädchen, trat ein. In der Hand hielt sie ein Tablett, mit einem Becher heißer Schokolade darauf.

»Guten Morgen, Komteß. Haben Sie gut geschlafen?«

Alexandra reckte sich noch einmal.

»Wunderbar«, erwiderte sie. »Und das nach der Feier gestern!«

Es war recht spät geworden – oder früh, ganz wie man es sehen wollte. Bertram und sie hatten gestern Junggesellenabschied gefeiert. Er mit seinen Freunden und Weggefährten, sie mit ihren ehemaligen Klassenkameradinnen aus dem Internat. Beide Gruppen waren getrennt losgezogen, nachdem sie in einem Restaurant gegessen hatten, und danach noch in etliche Lokale eingekehrt, in denen ausgelassen gefeiert wurde. Gegen Mitternacht trafen sie wieder im Schloß zusammen, wo es dann noch lange hoch herging.

»Ist mein Verlobter schon auf?« erkundigte sich Alex, wie sie von ihren Freundinnen genannt wurde.

Dabei glitt ihr Blick über das Hochzeitskleid, das, an einem Bügel, am Schrank hing. Es war ein Traum aus weißer Seide und Spitze, mit einem Schleier, der gut und gerne zwanzig Meter maß. Ein bekannter Münchner Modeschöpfer hatte es entworfen und geschneidert. Die Komteß erinnerte sich nur noch zu gut an die unendlich vielen Anproben, deretwegen sie extra in die Landeshauptstadt gefahren war.

»Noch nicht«, antwortete das Mädchen.

Alexandra von Berlebach griff nach dem Kakaobecher und trank einen Schluck. Sie brauchte das am Morgen. Gefrühstückt würde ohnehin nur kurz. Gegen zehn sollte die standesamtliche Trauung stattfinden. Dann zurück ins Schloß, die Gäste begrüßen, ein kleiner Stehimbiß und dann umziehen für die Kirche. Vor dem Schloß würde die Kutsche warten, in der schon ihre Eltern gefahren waren, als sie geheiratet hatten. In der Kirche würde der Bischof persönlich die Zeremonie vollziehen, und dann sollte im Schloß gefeiert werden. So war der geplante Ablauf, für den schon seit Tagen geprobt und vorbereitet worden war. Auch in der Küche lief alles auf Hochtouren, um die geladenen dreihundert Gäste zu beköstigen.

Doch davor war noch vieles andere zu erledigen. Zuerst ein ausgiebiges Bad, dann kam die Friseurin. Alexandras blonde Haare sollten kunstvoll zusammengesteckt und unter dem Hut verborgen werden, den sie sich für die standesamtliche Trauung ausgesucht hatte.

Die Komteß genoß das warme Bad, in das Lizzy eine üppige Portion einer teuren Lotion gegossen hatte. Die Gäste der gestrigen Feier würden, soweit sie im Schloß übernachtet hatten, es sich jetzt wahrscheinlich genauso gutgehen lassen.

Nach dem Baden hatte Alexandra das dringende Bedürfnis, ihren Bräutigam zu sehen.

»Aber das geht doch nicht«, wandte das Zimmermädchen ein. »Doch nicht am Tag der Hochzeit. Das bringt Unglück!«

»Ach was«, winkte Alex ab. »Das gilt doch nur, wenn man schon das Kleid trägt. Außerdem glaube ich sowieso nicht an solchen Unsinn.«

Sie hatte noch nicht das Kostüm angezogen, das sie zum Standesamt tragen wollte, sondern war schnell in Jeans und Pulli geschlüpft. Ihre Mutter würde wahrscheinlich der Schlag treffen, wenn sie sich jetzt über den Weg liefen, aber das war ihr egal. Sie hatte Sehnsucht nach Bertram, und die Mutter würde ohnehin alle Hände voll zu tun haben, um den Dienstboten letzte Anweisungen zu geben.

Alexandra lief die Treppe hinauf. Die Gästezimmer lagen im zweiten Stock des Schlosses, und Bertram bewohnte das letzte, am Ende des Flures.

Ungewohnt ruhig war es noch, als die Komteß durch die Gänge schritt, vorbei an den Bildern der Ahnen, die hier aufgereiht hingen. Die von Berlebachs waren ein altes, bayerisches Adelsgeschlecht, deren Linie bis ins vierzehnte Jahrhundert zurückreichte. Die Ruhe schob Alex auf die lange Feier gestern. Einige ihrer Freundinnen und Freunde würden bestimmt Schwierigkeiten haben, heute morgen aufzustehen…

Ehe sie um die Ecke gebogen war, hörten sie zu ihrer Überraschung Stimmen, darunter die ihres Verlobten.

Die Komteß lächelte glücklich und lief los. Als sie das Ende des Flures erreicht hatte, blieb sie abrupt stehen.

Vor der Tür seines Zimmers stand Bertram, eine blonde Frau in den Armen haltend, die er leidenschaftlich küßte!

Alexandra war wie erstarrt. Ungläubig blickte sie auf die Szene und fragte sich, ob sie wach sei oder träume. Doch dann wurde ihr schlagartig klar, daß es kein Traum war, sondern bittere Realität.

So wie es aussah, wurde sie gerade Zeugin eines sehnsüchtigen Abschieds. Dem Abschied von einer Nacht, die Bertram von Hohenstein offensichtlich nicht alleine verbracht hatte…

*

Im selben Moment sah er sie und ließ die Frau so hastig los, als sei sie ein glühendes Stück Kohle.

»Alex, ich…«

Mit eisigem Blick sah Alexandra ihn an. Die Frau, es handelte sich um Corinna Holtmann, wie die Komteß jetzt feststellte, die sie nur flüchtig kannte, sie gehörte zu Bertrams Freundeskreis, war ebenfalls erschrocken zusammengezuckt.

»Oh…«, stieß sie aus.

Dann senkte sie schuldbewußt den Kopf und drückte sich an Alexandra vorbei.

»Liebling, ich… ich kann dir das erklären«, stammelte Bertram. »Es ist nicht so, wie es aussieht.«

Er hatte nach ihrem Arm gegriffen, doch sie machte sich mit einer unwilligen Bewegung frei.

»So? Wonach sieht es denn aus?« fragte sie gefaßt.

Sie merkte selber, wie sie in diesen Minuten über sich hinauswuchs. Eine andere an ihrer Stelle hätte wahrscheinlich das ganze Schloß zusammengeschrieen, wäre vielleicht sogar auf die Rivalin losgegangen. Doch nichts von alledem geschah. Alexandra sah den Mann, der sie so schändlich betrogen hatte, nur verachtungsvoll an.

»Scher dich zum Teufel!« sagte sie schließlich mit einer Ruhe in der Stimme, die sie selbst überraschte.

Damit ließ sie ihn stehen. Am Ende des Flures wandte sie sich noch einmal um.

»Ich hätte dir übrigens einen besseren Geschmack zugetraut«, gab sie ihm noch mit, bevor sie weiterging.

Bertram von Hohenstein blieb wie ein begossener Pudel stehen.

Verflixt, dachte er, wie krieg’ ich das wieder hin?

Alex war die Treppe hinuntergestürmt. Dabei mußte sie aufpassen, daß sie nicht stolperte, denn jetzt, wo der Schuft sie nicht mehr sah, konnte sie ihren Tränen freien Lauf lassen. In ihrem Zimmer angekommen, warf sie sich auf das Bett. Liz­zy war noch mit dem Aufräumen beschäftigt. Bestürzt schaute sie die Tochter des Grafen an.

»Komteß, was ist geschehen?«

»Es ist aus«, murmelte Alex. »Es ist alles aus!«

Das Zimmermädchen schluckte.

»Sie meinen… die Hochzeit findet nicht statt?« fragte Lizzy fassungslos.

Alexandra von Berlebach richtete sich auf. Ihre Hand fuhr über das hübsche Gesicht und wischte die Tränenspuren fort.

Ob die Hochzeit überhaupt noch stattfinden würde, darüber hatte sie noch gar nicht nachdenken können. Jetzt nickte sie.

»Ja, es wird keine Hochzeit geben«, antwortete sie tonlos.

Im selben Moment klopfte es an der Tür, und Christine von Berlebach trat ein.

Die Gräfin war eine große elegante Erscheinung. Sie trug ein cremefarbenes Kostüm, die Haare waren frisch frisiert – Alex hatte ihre Mutter nie anders gesehen – und um den Hals lag eine Perlenkette. Mit einer Handbewegung gab die Gräfin dem Zimmermädchen zu verstehen, daß sie mit ihrer Tochter alleine sein wollte. Lizzy verließ das Zimmer mit einem Knicks.

»Was ist los?« fragte Christine von Berlebach in einem Ton, der zeigte, wie gereizt sie war.

Die Planung der Hochzeitsfeier ihrer Tochter mit dem jungen Grafen von Hohenstein nahm sie seit Wochen in Anspruch und forderte alles von ihr. Bis ins kleinste Detail, jeder Ablauf, vom Entwurf der Einladungskarten, über den Empfang der Gäste, bis hin zu den ›Petit fours‹, die zum Mokka gereicht werden sollten, alles hatte die Gräfin genauestens festgelegt.

Alexandra sah ihre Mutter nur an.

»Bertram war gerade bei mir«, fuhr die Gräfin fort, als ihre Tochter nicht antwortete. »Er sprach von einem Mißverständnis, das es zwischen euch gegeben hätte. Muß das wirklich sein? An eurem Hochzeitstag!«

Die Komteß holte tief Luft, ehe sie antwortete.

»Ich werde Bertram nicht heiraten«, sagte sie dann mit fester Stimme.

Im Gesicht der Gräfin zuckte es.

»Wie bitte? Ich höre wohl nicht recht«, kam es empört aus ihrem Mund. »Was soll das? Kannst du mir das bitte erklären?«

»Ganz einfach. Ich kann keinen Mann heiraten, der mich betrügt. Und das sogar am Tag unserer Hochzeit.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Unserer geplanten Hochzeit«, verbesserte sie sich. »Denn daraus wird ja nun nichts.«

»Das ist ja wohl nicht dein Ernst«, empörte sich ihre Mutter. »Wie denkst du dir das? Sollen wir vielleicht die Gäste anrufen und ihnen sagen, daß du es dir anders überlegt hast? Was stellst du dir eigentlich vor? Es sind ja schon einige da. Was glaubst du, was das für einen Skandal gibt? Die Leute von der Presse werden dich in der Luft zerreißen.«

Christine von Berlebach war auf einen Stuhl gesunken und sah ihre Tochter fassungslos an.

»Alexandra, überlege dir, was du tust«, sagte sie eindringlich. »Wir haben Vertreter des gesamten Hochadels im Haus. Vom Bischof ganz zu schweigen.«

»Ach, Mama«, rief die Komteß, »glaubst du wirklich, ich könnte mit einem strahlenden Lächeln vor den Traualtar treten und Bertram mein Jawort geben, nachdem ich gesehen habe, wie er eine andere Frau geküßt hat?«

Ihre Mutter stand auf.

»Du wartest hier«, sagte sie in einem Ton der keinen Widerspruch duldete. »Ich hole deinen Vater und Bertram, und dann reden wir über die Angelegenheit. Wenn dein Verlobter sich einer Verfehlung schuldig gemacht hat, dann wird er sich bei dir dafür entschuldigen. Die Hochzeit findet auf jeden Fall statt. Einen solchen Skandal dulde ich nicht!«

Mit diesen Worten rauschte sie hinaus und ließ ihre Tochter zurück.

*

Unten, im Schloßhof, trafen derweil die ersten Gäste ein. Außerdem hatten zahlreiche Vertreter der Presse, vornehmlich Reporter der Regenbogenpresse, schon Stellung bezogen, die sich das Ereignis des Jahres nicht entgehen lassen wollten. Ihre Leser schmachteten geradezu nach Berichten aus der Welt des Adels, und so eine Traumhochzeit garantierte einen sprunghaften Anstieg der Auflagenzahlen. Deshalb wurden schon jetzt die ersten Fotos von den ankommenden Gästen gemacht, und mit den interessantesten unter ihnen Interviews geführt.

Christine von Berlebach eilte, ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen Art, durch das Schloß, und suchte ihren Mann. Sie fand ihn in der Bibliothek, wohin er sich mit einer Tasse Kaffee und der Morgenzeitung zurückgezogen hatte. Hubert von Berlebach liebte dieses morgendliche Ritual. Auch in der Lokalpresse wurde über die Hochzeit seiner Tochter geschrieben, doch der Graf, der in erster Linie Landwirt und Unternehmer war, interessierte sich für die Berichterstattung nur am Rande. Er las stets den Börsenteil zuerst und widmete sich dann den lokalen Nachrichten.

»Bitte, lege die Zeitung aus der Hand«, sagte seine Frau, als sie die Bibliothek betreten hatte. »Es gibt etwas Wichtiges zu besprechen.«

Der Graf hob kaum den Kopf. Er mochte es nicht, wenn er bei seiner Lektüre gestört wurde, und entsprechend war seine Stimmung.

»Was gibt’s denn? Ist mein Frack nicht rechtzeitig aus der Reinigung gekommen? Oder ist die Hochzeitstorte zusammengefallen?«

»Laß deine Scherze«, erwiderte die Gräfin ernst. »Es ist etwas vorgefallen, das den ganzen Tag in Frage stellen kann, wenn wir jetzt nicht besonnen reagieren.«

Etwas in ihrer Stimme ließ ihn aufhorchen.

»Was ist denn los?« fragte er und ließ die Zeitung sinken.

»Alexandra will nicht heiraten!«

»Was?« entfuhr es Hubert von Berlebach. »Aber warum denn nicht?«

Seine Frau erklärte es ihm. Ganz gegen seine Gewohnheit griff der Graf in das Kästchen aus Ebenholz, das vor ihm auf einem Tischchen stand, und nahm eine Zigarre heraus. Normalerweise rauchte er erst am späten Nachmittag genüßlich eine Havanna, wenn es nach dem Kaffee den obligatorischen Kognak gab.

»Bitte, laß das jetzt«, sagte die Gräfin und griff zum Telefon. »Ich rufe jetzt Bertram an, und dann gehen wir zu Alexandra und reden über diese unschöne Angelegenheit.«

Hubert von Berlebach legte die Zigarre mit einem Ausdruck des Bedauerns zurück.

»Vielleicht ist ja gar nichts an der Sache dran«, meinte er.

»Bertram, sei so gut und komme in die Bibliothek«, hörte er seine Frau sagen.

Sie legte den Hörer wieder auf und drehte sich zu ihm um.

»Wenn du Alexandra gesehen hättest, dann wüßtest du, daß sehr wohl was an dieser Geschichte ist«, widersprach sie und blickte auf ihre Armbanduhr. »In einer Stunde müssen wir auf dem Standesamt sein. Hoffentlich besinnt sich das Kind bis dahin.«

Das ›Kind‹ packte derweil in aller Eile eine Reisetasche. Toilettenbeutel, ein paar Blusen, Pullis und Hosen, Schuhe und Jacke.

Alexandra hatte keineswegs die Absicht, darauf zu warten, daß ihre Eltern und Bertram in ihr Zimmer kämen, um auf sie einzureden. Sie wollte nur noch fort von hier und es war ihr egal, welchen Skandal sie mit ihrer Flucht auslösen würde. Schnell überprüfte sie, ob sie alles dabei hatte, vor allem Ausweis, Führerschein, Scheckkarte. Dann nahm sie die Tasche auf und ging zur Tür. Auf dem Flur war keine Menschenseele, aber von unten drang Stimmengewirr herauf. In der Schloßhalle herrschte geschäftiges Treiben, nachdem die ersten Hochzeitsgäste eingetroffen waren.

Denen wollte die Komteß natürlich nicht begegnen, deshalb nahm sie die Hintertreppe. Auf der Rückseite des Schlosses schlüpfte sie durch eine Tür, die zum Park hinaus führte. Von dort aus ging ein Weg zu den Ställen und den Garagen. Es gab eine Ausfahrt nach hinten hinaus, die von Lieferanten benutzt wurde. Hier lag auch der Küchentrakt. Alexandra konnte den Lärm, der dort herrschte, durch die halbgeöffneten Fenster hören. Maria Engel, die Köchin, rief ihre Befehle, Töpfe klapperten, und Herdtüren wurden zugeschlagen.

Die Komteß lief unter den Fenstern entlang und erreichte die Garagen. In einer von ihnen stand ihr Auto. Ein kleiner, roter Sportwagen, den der Graf seiner Tochter zu deren einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte.

Rasch warf Alexandra die Reisetasche auf den Rücksitz und setzte sich hinter das Lenkrad. Noch einmal atmete sie tief durch.

Soll ich es wirklich tun, oder begehe ich den größten Fehler meines Lebens? fragte sie sich.

Einen Moment dachte sie an die Konsequenzen, die ihre Flucht haben würde, an den Skandal, das Gerede der Leute. Doch dann entschied sie, daß ihr das egal sein mußte. Sie war auf dem Weg gewesen, einem Mann ihr Jawort zu geben, der es nicht verdient hatte, und nahm es als einen Wink des Schicksals, daß ihr im letzten Moment die Augen geöffnet worden waren.