Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Regina, warte einen Moment«, hielt Waltraud Gerber die Kollegin zurück und lächelte geheimnisvoll. Ihre rechte Hand war hinter dem Rücken verborgen. Jetzt zog sie sie hervor und überreichte der Krankenschwester ein schmales Päckchen. »Falls es dir im Urlaub zu langweilig wird«, meinte sie. »Und damit du uns net ganz vergißt.« »Mensch, Waltraud!« sagte Regina Werneke ganz verlegen und nahm die Oberschwester in den Arm. »Danke schön. Was ist es denn?« »Mach's auf«, forderte Waltraud Gerber sie auf. Regina öffnete den Klebestreifen, der das Papier zusammenhielt und wickelte das Päckchen aus. Es enthielt ein Buch. ›Eine Sommerliebe‹, lautete der Titel. »Ein Liebesroman«, lachte die Oberschwester. »So schön romantisch. Genau richtig für einen lauen Sommerabend. Wir haben zusammengelegt.« »Tausend Dank euch allen«, freute sich die junge Krankenschwester. »Hoffentlich komm' ich überhaupt zum Lesen.« »Bestimmt«, meinte eine Kollegin. »Dieses St. Johann ist doch bestimmt ein ganz verschlafenes Nest. Was soll da schon groß passieren?« »Wer weiß«, warf eine andere ein, »vielleicht findet unsere Regina dort ja den Mann ihres Lebens…« »Zeit wird's ja«, lachte Schwester Waltraud. »Andere in dem Alter sind schon Mütter.« »Eure Sorgen möcht' ich haben«, gab Regina zurück und verließ das Schwesternzimmer. Sie wußte, daß die Bemerkungen und Sticheleien nicht böse gemeint waren. Ganz im Gegenteil, aus ihnen sprach wirkliche Sorge der Kolleginnen. Während sie alle längst verheiratet, verlobt oder sonstwie in festen Händen waren, lebte Regina Werneke scheinbar einzig und allein für ihren Beruf. Hin und wieder, wenn sie mit Bekannten oder Freundinnen etwas unternahm, kam sie sich schon vor, wie das fünfte Rad am Wagen, dennoch hatte sie bisher eine feste
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 124
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
»Regina, warte einen Moment«, hielt Waltraud Gerber die Kollegin zurück und lächelte geheimnisvoll.
Ihre rechte Hand war hinter dem Rücken verborgen. Jetzt zog sie sie hervor und überreichte der Krankenschwester ein schmales Päckchen.
»Falls es dir im Urlaub zu langweilig wird«, meinte sie. »Und damit du uns net ganz vergißt.«
»Mensch, Waltraud!« sagte Regina Werneke ganz verlegen und nahm die Oberschwester in den Arm. »Danke schön. Was ist es denn?«
»Mach’s auf«, forderte Waltraud Gerber sie auf.
Regina öffnete den Klebestreifen, der das Papier zusammenhielt und wickelte das Päckchen aus. Es enthielt ein Buch.
›Eine Sommerliebe‹, lautete der Titel.
»Ein Liebesroman«, lachte die Oberschwester. »So schön romantisch. Genau richtig für einen lauen Sommerabend. Wir haben zusammengelegt.«
»Tausend Dank euch allen«, freute sich die junge Krankenschwester. »Hoffentlich komm’ ich überhaupt zum Lesen.«
»Bestimmt«, meinte eine Kollegin. »Dieses St. Johann ist doch bestimmt ein ganz verschlafenes Nest. Was soll da schon groß passieren?«
»Wer weiß«, warf eine andere ein, »vielleicht findet unsere Regina dort ja den Mann ihres Lebens…«
»Zeit wird’s ja«, lachte Schwester Waltraud. »Andere in dem Alter sind schon Mütter.«
»Eure Sorgen möcht’ ich haben«, gab Regina zurück und verließ das Schwesternzimmer.
Sie wußte, daß die Bemerkungen und Sticheleien nicht böse gemeint waren. Ganz im Gegenteil, aus ihnen sprach wirkliche Sorge der Kolleginnen. Während sie alle längst verheiratet, verlobt oder sonstwie in festen Händen waren, lebte Regina Werneke scheinbar einzig und allein für ihren Beruf. Hin und wieder, wenn sie mit Bekannten oder Freundinnen etwas unternahm, kam sie sich schon vor, wie das fünfte Rad am Wagen, dennoch hatte sie bisher eine feste Beziehung gescheut. Entweder entsprachen die Männer, die sie kennenlernte, nicht ihrem Geschmack oder sie waren schon vergeben. Und seit langer Zeit war es gar nicht mehr vorgekommen, daß die attraktive Krankenschwester mit den dunklen Haaren und ebensolchen Augen überhaupt mal etwas unternommen hatte. Der Dienst auf der Kinderstation der Münchner Privatklinik war anstrengend genug, so daß Regina, wenn sie nach Hause kam, müde ins Bett fiel und kaum noch Lust hatte, den Fernseher einzuschalten.
Und an die Liebe dachte sie schon lange nicht mehr, nach dieser unseligen Geschichte…
Als sie jetzt in ihre kleine Wohnung kam, ging sie allerdings nicht gleich schlafen. Zuvor mußten ein paar Vorkehrungen getroffen werden, denn morgen früh startete der Reisebus in Richtung St. Johann, den Ort, den sie sich als Urlaubsziel auserkoren hatte.
Nach sechs Wochen harter Arbeit und wenig Freizeit, freute sie sich darauf, vierzehn Tage einmal nichts von der Klinik zu sehen und zu hören.
Nicht, daß Regina ihren Beruf ungern ausgeübt hätte. Sie war mit Leib und Seele Krankenschwester, und besondere Freude machte es ihr, die kleinen Kinder zu versorgen, die manchmal wochenlang das Bett hüten mußten und ständig nach Mama und Papa fragten, die aber leider auch nicht immer die Zeit hatten, rund um die Uhr bei ihren Kindern zu sein.
Ihr Engagement und die Fürsorge, die sie zeigte, hatten Regina Werneke den Respekt der Kollegen und Ärzte und die Liebe der kleinen Patienten eingebracht. Man spürte sofort, wie sich die Stimmung aufhellte, wenn sie eines der Krankenzimmer betrat, und so manches Wehwehchen schien nur noch halb so schlimm zu sein.
Die Krankenschwester begnügte sich beim Abendessen mit einem belegten Brot. Im Schlafzimmer lagen schon die Sachen bereit, die sie mitnehmen wollte. Der Koffer lag geöffnet auf dem Bett.
Regina ging noch einmal die Liste durch. Nichts war schlimmer, als am Urlaubsort festzustellen, daß man die Hälfte zu Hause vergessen hatte. Es war gegen halb zehn, als sie das Licht löschte. Im Koffer, ganz obenauf, lag der Roman, den die Kolleginnen ihr geschenkt hatten.
*
Vorsichtshalber hatte sie den Wecker eine Stunde früher gestellt, als sie eigentlich aufstehen mußte. Aber verschlafen war das Letzte, was Regina wollte. Munter sprang sie aus dem Bett und unter die Dusche. Der Toilettenbeutel war als einziges Utensil noch nicht eingepackt. Nach dem Anziehen kochte sich die Krankenschwester Kaffee. Toastbrot war in dem kleinen Gefrierschrank und kam im gefrorenen Zustand in den Toaster. Ein wenig Butter und Käse darauf, und fertig.
Regina schaute noch einmal gewissenhaft nach, ob alle Geräte ausgeschaltet, und die Fenster geschlossen waren, und keine Wasserhähne mehr liefen. Dann zog sie den leichten Mantel über, nahm den Koffer auf und verließ die Wohnung. Es war kurz nach halb sechs.
Die Krankenschwester warf den Wohnungsschlüssel in den Briefkasten der Nachbarin. Oma Sattler hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, die Blumen zu gießen und nach der Post zu schauen.
Draußen vor der Tür stand schon das Taxi bereit, das sie am Abend zuvor bestellt hatte. Der Fahrer stieg aus und half ihr, den Koffer zu verstauen.
»Zum Busbahnhof«, sagte die junge Frau, nachdem sie sich aufatmend in den Fond des Wagens gesetzt hatte.
»Wohin geht’s denn in den Urlaub?« erkundigte sich der Fahrer.
»In die Berge, nach St. Johann!«
Der Kopf des Taxichauffeurs ruckte herum.
»Wirklich?« rief er erstaunt. »Na, so ein Zufall.«
Er schaute wieder nach vorne, warf aber ab und an einen Blick in den Rückspiegel, während er weitersprach.
»Wissen S’, da fahren meine Frau und ich schon seit Jahren hin«, erzählte er. »Allerdings erst später, in den Herbst hinein. Aber dann ist’s da immer noch schön. Wir wohnen immer in einer kleinen Pension, die von einer netten Frau geführt wird.«
»Wie heißt denn die Pension?« fragte Regina. »Ich habe nämlich auch in einer gebucht.«
»Pension Stubler«, erwiderte der Fahrer. »Und die Wirtin heißt Ria, also eigentlich Maria, aber alle sagen s’ Ria zu ihr.«
Jetzt war die junge Krankenschwester sprachlos.
»Das ist ja wirklich ein Zufall«, staunte sie. »Da wohn’ ich tatsächlich die nächsten vierzehn Tage.«
»Ach, das ist ja herrlich. Dann grüßen S’ die Frau Stubler recht schön, vom Alois Brammer, und wir freu’n uns schon auf unseren Urlaub bei ihr.«
»Das mach’ ich«, versprach Regina und zückte ihre Geldbörse.
Das Taxi hatte den Busbahnhof erreicht. Zahlreiche andere Urlaubsreisende standen schon dort.
»Und wenn S’ den Pfarrer kennenlernen, den Herrn Trenker, dann grüßen S’ den doch auch, bitte«, sagte der Fahrer zu Regina Werneke. »Das ist ein toller Mann. Wir haben schon einige Bergtouren zusammen unternommen. Also net die Hanna, was meine Frau ist. Die hat’s mit der Hüfte und ist net mehr so gut zu Fuß. Aber der Pfarrer Trenker und ich, wir sind schon oft zusammen aufgestiegen.«
Regina versprach, die Grüße auszurichten und reihte sich, nachdem die Fahrt bezahlt und Alois Brammer schon wieder weitergefahren war, in die Reihe der Wartenden ein.
Indes brauchte sie nicht lange zu warten. Zwei große, bunte Reisebusse hielten vor ihnen, und die Türen öffneten sich mit einem schnaufenden Geräusch. Schnell wurden die Koffer und Reisetaschen verstaut, die Namen der Fahrgäste aufgerufen und die Plätze verteilt, dann ging es auch schon los. Am Mittag wollten sie in St. Johann ankommen.
*
Franziska Lechner rührte in dem großen Topf der auf dem Herd stand. Gerade hatte die Magd des Burgerhofes kleingeschnittenes Gemüse und Kartoffeln in die Brühe gegeben, in der sie zuvor ein Stück Ochsenbein gekocht hatte.
»Wie weit bist’ mit dem Essen?« fragte Maria Burger. »Wenn der Wolfgang heimkommt, muß es fertig sein.«
Die Magd schaute auf die Küchenuhr.
»Wird schon rechtzeitig fertig sein«, antwortete sie und strich sich eine blonde Locke aus der Stirn.
Die Altbäuerin nickte zufrieden und stellte den Korb mit den Äpfeln, die sie gerade aufgelesen hatte, auf den Tisch. »Vielleicht sollten wir einen Apfelpfannkuchen zum Nachtisch machen«, schlug sie vor. »Der Wolferl ißt ihn gar zu gern’.«
Sie nahm ein Messer zur Hand und begann, einen Apfel zu schälen.
»Es liegt noch mehr auf der Wiese«, fuhr sie fort. »Wird Zeit, daß sie aufgesammelt werden. Sind wirklich sehr viel Äpfel am Baum heuer. Da werden wir jede Menge einlagern müssen.«
»Ist gut, Bäuerin«, erwiderte Franzi. »Ich mach’ mich nach dem Essen gleich dran.«
Sie nahm einen Löffel und schmeckte den Eintopf ab. Zehn Minuten noch, dann waren Gemüse und Kartoffeln gar. Die Magd nahm mit einer Gabel das Fleisch heraus, wartete einen Moment, bis er es etwas abgekühlt war, und schnitt es in mundgerechte Würfel.
Während die beiden Frauen schweigsam vor sich hinarbeiteten, fuhr draußen ein Traktor auf den Hof. Wolfgang Burger, der seit dem Tode des Vaters den Hof zusammen mit seiner Mutter bewirtschaftete, hielt unter dem Vordach der großen Scheune und öffnete die Tür der Fahrerkabine.
»Komm, Hasso«, rief er. Der Hund, ein Mischling mit braunem Fell und großen Ohren, begleitete den jungen Bauern öfter aufs Feld. Er sprang seinem Herrn hinterher und trollte sich in seine Hütte, die neben der Scheune stand. Wolfgang machte sich indes daran, den Bruch abzuladen, den er aus dem Bergwald geholt hatte. In der letzten Woche hatte es wieder ein heftiges Unwetter über dem Wachnertal gegeben.
Während er arbeitete, bemerkte der Bauer nicht den sehnsüchtigen Blick, mit dem er aus dem Küchenfenster heraus beobachtet wurde. Franzi blickte zu ihm hinaus und seufzte leise vor sich hin.
Seit drei Jahren arbeitete sie auf dem Burgerhof, gleich von Anfang an liebte sie den attraktiven Bauern, der, obwohl schon beinahe dreißig Jahre alt, immer noch Junggeselle war.
Allerdings war es eine einseitige Liebe. Wolfgang schien die kleinen Aufmerksamkeiten, die Franzi ihm zukommen ließ – ein besonders schönes Stück Fleisch zum Mittag oder gar ein Hemd, wenn er Geburtstag hatte – nicht zu bemerken. Mit keiner Silbe gab er zu verstehen, daß ihm etwas an der hübschen Magd lag.
Indes wurde Franzi des Wartens nicht müde, obgleich sie sich vor Verehrern kaum retten konnte und sie an jedem Finger zehn gehabt hätte, wenn sie denn nur wollte.
Aber sie wollte eben nicht, weil sie ihr Herz an den Bauern verloren hatte und davon träumte, eines Tages an seiner Seite Herrin auf dem Burgerhof zu sein. Und da waren ihr die anderen Burschen, die ihr auf dem Tanzabend den Hof machten, herzlich egal. Zwar tanzte und flirtete sie mit ihnen, aber ihr Herz, das schlug nur für Wolfgang Burger.
Der hatte die Äste und Zweige abgeladen und unter das Vordach gebracht. Am Nachmittag würde er daran gehen, das Holz zu zersägen. Anschließend würde er es hinter dem Schuppen im Garten, neben dem Hühnerhof, aufstapeln, damit es trocknete und im übernächsten Winter verheizt werden konnte.
Wolfgang reckte sich das lahme Kreuz und ging ins Haus. Bevor er die Küche betrat, wusch er sich im Bad die Hände und zog die Arbeitsjacke aus. Der junge Bauer war einsachtzig groß und schlank. Die Arbeit auf dem Hof hatte seine Muskeln gestärkt, die sich unter dem Hemd abzeichneten. Das markante Gesicht besaß eine leichte Bräunung, die blauen Augen darin leuchteten. Wolfgang fuhr sich mit einer Bürste durch das kurze, braune Haar und entfernte ein paar Tannennadeln und Blätter, die sich bei der Arbeit im Wald darin verfangen hatten.
»Da bist’ ja, Bub«, sagte seine Mutter, als er die Küche betrat. »Hat der Sturm großen Schaden angerichtet?«
»Hätt’ schlimmer sein können«, winkte der junge Mann ab und hob schnuppernd die Nase. »Was gibt’s denn?«
»Rindfleischsuppe«, erklärte Franzi, und ihre glänzenden Augen konnten kaum die Freude verbergen, die die Magd empfand. »Und zum Nachtisch Apfelpfannkuchen.«
»Lecker«, nickte Wolfgang zufrieden und setzte sich auf seinen Platz.
Während des Essens drehte sich die Unterhaltung um die noch anstehende Arbeit. Zum Burgerhof gehörten nicht nur ein paar Felder und ein Stück vom Bergwald, auch zwanzig Kühe standen auf der Wiese, die tagtäglich versorgt werden mußten. Eine Arbeit, die sich die beiden Frauen teilten.
»Ich kann dir ja nachher helfen«, schlug Franzi vor, als der Bauer von seiner Arbeit erzählte, am Nachmittag das Holz kleinzumachen.
Maria Burger schüttelte den Kopf.
»Das schafft der Wolfgang schon allein«, sagte sie. »Du hast noch genug im Haus zu tun.«
Dabei warf sie der Magd einen Blick zu, der Bände sprach. Schon lange war der Altbäuerin aufgefallen, daß ihre Magd ein Auge auf den Sohn geworfen hatte. Aber sie würde alles in ihrer Macht stehende tun, um zu verhindern, daß sich da was anbahnte. Wolfgang hatte etwas besseres verdient als eine Dienstmagd, und für Maria Burger stand fest, daß ihr Sohn eines Tages nur ein Madl heiraten würde, das eine anständige Mitgift mitbrachte!
*
Pünktlich zur Mittagszeit trafen die beiden Reisebusse in St. Johann ein. Sie hielten vor dem Hotel ›Zum Löwen‹, und die Fahrer verabschiedeten die Urlauber.
»Die Firma ›Enzian-Reisen‹ wünscht schöne Ferientage, und in zwei Wochen werden S’ von uns wieder abgeholt.«
Einige der Reisenden hatten Zimmer im Hotel gebucht, andere waren in den Pensionen und Privatquartieren des Ortes untergebracht. Zusammen mit Regina Werneke wohnten zwei ältere Ehepaare in der Pension Stubler. Das Quartett unternahm schon seit Jahren zusammen Urlaubsreisen, wie die junge Krankenschwester während der Fahrt gehört hatte.
Die Wirtin erwartete ihre Gäste an der Haltestelle. Sie hielt ein selbstgemachtes Schild in den Händen, auf dem der Name der Pension stand.
»Herzlich willkommen«, begrüßte Ria Stubler die fünf neuen Gäste. »Ich hoff’, Sie hatten eine schöne Fahrt.«
Hände wurden geschüttelt und Namen genannt. Die Wirtin hatte einen kleinen Ziehwagen mitgebracht, auf den die Koffer und Reisetaschen geladen wurden.
»Es ist net weit«, erklärte sie. »Nur um die Ecke.«
Es dauerte wirklich kaum zwei Minuten, bis sie die Pension erreicht hatten. Ria ging voran und schloß auf. In dem großen Flur gab es eine Rezeption, an der Wand dahinter hingen die Schlüssel für die Zimmer. Gegenüber befand sich der Frühstücksraum.
»Frühstücken können S’ ab acht Uhr«, erklärte Ria. »Aber die meisten Gäste wollen ausschlafen. Sollten S’ aber mal eine Bergtour unternehmen wollen, dann sagen S’ mir rechtzeitig Bescheid. Ich richt’ Ihnen dann alles her, damit S’ net mit leerem Magen losgeh’n müssen, und eine Brotzeit bekommen S’ natürlich auch.«
Sie verteilte die Zimmerschlüssel und brachte die Gäste nach oben. Regina betrat erwartungsvoll ihr Zimmer. Es war recht groß, obwohl nur für eine Person gedacht, besaß sogar ein eigenes Bad, Fernseher und Telefon. Es war rustikal eingerichtet, mit sehr viel Holz, an den Wänden hingen Bilder, die Motive aus der Umgebung zeigten. Eine große Glastür führte auf einen Balkon. Die Krankenschwester setzte ihren Koffer ab und ging zum Fenster. Die Vorhänge waren, zum Schutz gegen die Sonne, zugezogen. Regina zog sie beiseite und öffnete das Fenster. Es war ein herrlicher Ausblick, den sie von hier aus hatte. Die Berge schienen zum Greifen nahe.
Schnell hatte sie den Koffer ausgepackt und sich im Bad erfrischt. Das Buch, das die Kolleginnen ihr geschenkt hatten, legte sie auf den Nachttisch.
Hunger verspürte sie nicht, unterwegs hatte sie ihren Reiseproviant verzehrt. Aber eine schöne Tasse Kaffee, die würde sie jetzt gerne trinken, überlegte Regina und beschloß, den Gedanken in die Tat umzusetzen.
Als sie die Treppe herunterkam, sah sie die Pensionswirtin an der Rezeption.
»Ehe ich’s vergeß’, sprach sie Ria Stubler an, »ich soll Ihnen schöne Grüße ausrichten, von einem Ihrer Stammgäste. Der Herr Brammer hat mich heut’ morgen mit dem Taxi zum Busbahnhof gefahren, und als wir ins Gespräch gekommen sind, stellte sich heraus, daß seine Frau und er jedes Jahr hier Urlaub machen.«