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Eigentlich sollte es für Antonia Berg, der Zielfahnderin in der Berliner Abteilung SO, was für schwere und organisierte Kriminalität steht, ein kurzer, routinemäßiger Auftrag ohne erhöhtes Gefahrenpotential werden.
Doch am Ende kommt alles ganz anders …
Nachdem die deutschen Behörden Informationen über illegalen Waffenhandel im großen Stil vor der Küste Marokkos auf zum Teil zwielichtigen Wegen erreichen, schickt man Antonia Berg in das entsprechende Gebiet, um zu prüfen, ob an diesen Gerüchten etwas Wahres dran ist und gegebenenfalls ihre Behörde darüber zu informieren. Aber dafür bleibt ihr keine Zeit mehr, denn gerade ist sie an ihrem Einsatzort angekommen, überschlagen sich die Ereignisse und sie findet sich in den Händen einer privaten Rebellenarmee wieder, dessen Anführer eigene, weitreichende Ziele verfolgt, und dabei ist Antonia nur ein hinderliches »Insekt« …
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Hans-Jürgen Raben
Der Biss der Kobra
– Antonia Berg ermittelt –
Ein Berlin-Thriller
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Kathrin Peschel, 2022
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13 Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
Epilog
Der Autor Hans-Jürgen Raben
Weitere Werke des Autors
Eigentlich sollte es für Antonia Berg, der Zielfahnderin in der Berliner Abteilung SO, was für schwere und organisierte Kriminalität steht, ein kurzer, routinemäßiger Auftrag ohne erhöhtes Gefahrenpotential werden.
Doch am Ende kommt alles ganz anders …
Nachdem die deutschen Behörden Informationen über illegalen Waffenhandel im großen Stil vor der Küste Marokkos auf zum Teil zwielichtigen Wegen erreichen, schickt man Antonia Berg in das entsprechende Gebiet, um zu prüfen, ob an diesen Gerüchten etwas Wahres dran ist und gegebenenfalls ihre Behörde darüber zu informieren. Aber dafür bleibt ihr keine Zeit mehr, denn gerade ist sie an ihrem Einsatzort angekommen, überschlagen sich die Ereignisse und sie findet sich in den Händen einer privaten Rebellenarmee wieder, dessen Anführer eigene, weitreichende Ziele verfolgt, und dabei ist Antonia nur ein hinderliches »Insekt« …
***
Wer glaubt, mit Antonia Berg ein leichtes Spiel zu haben, nur weil sie als Frau in der von Männern dominierten Welt der international agierenden Ermittler tätig ist, sollte sich »warm anziehen« und wer sie dennoch unterschätzt, wird die Konsequenzen tragen müssen …
(Egbert Vossler – Kriminaldirektor und Antonias Chef)
Der Lärm war ohrenbetäubend. Die ausgeworfenen Hülsen der Zwei-Zentimeter-Geschosse prasselten in einem nicht enden wollenden Bogen zur Seite und bildeten einen glänzenden Haufen Metall. Sekunden später schwieg die Waffe, und der Mann, der sie bedient hatte, trat einen Schritt zurück. Er trug einheimische Kleidung, war aber Europäer. Seine Augen leuchteten, denn er genoss es, Waffen abzufeuern. Sein Blick glitt zu seinem Boss auf der anderen Seite der Kanone, der ihm kurz zunickte. Es handelte sich ebenfalls um einen Europäer, einen relativ kleinen, aber leicht verfetteten Mann, der sich in diesem Augenblick eine Zigarre anzündete. Sein Gesichtsausdruck strahlte Zufriedenheit aus.
Einige hundert Meter weiter war das Ziel; ein ehemals zweistöckiges weiß gekalktes Haus aus Natursteinen und hart gebrannten Ziegeln, zu einem unkenntlichen Trümmerhaufen geworden, über dem sich eine Staubwolke erhob. Niemand, der sich in dem Haus aufgehalten hätte, würde diesen Feuerüberfall überlebt haben.
Die übrigen Männer warteten, bis das Klingeln in ihren Ohren verschwunden war und sahen ihren Anführer an. Der schlanke und hoch gewachsene Araber in seiner schneeweißen Djellaba hatte einen geradezu glücklichen Ausdruck im Gesicht bekommen. Seine Augen leuchteten, und seine Lippen bewegten sich lautlos unter dem schmalen Oberlippenbart.
»Allahu akbar«, murmelte er schließlich und betrachtete mit einer Mischung aus Entsetzen und Begeisterung die tödliche Maschine auf ihrem Stahlgestell. Langsam umrundete er sie ein Mal, wobei seine Leute ihm ehrfürchtig Platz machten, und blieb dann vor der einzigen Person der Gruppe in eindeutig europäischer Kleidung stehen. Der Mann mit der Zigarre im Mund trug einen maßgeschneiderten hellgrauen Anzug, ein blaues Hemd mit einer nicht ganz korrekt sitzenden Krawatte und auf dem Kopf eine Baseballmütze, die nicht zu seinem Anzug passte. Er schwitzte, denn es war brütend heiß in diesem Teil der Welt.
Was ihm an Größe fehlte, machte er durch sein Gewicht wett. Er war etwa vierzig Jahre alt. Sein Drei-Tage-Bart konnte die Narbe auf seiner linken Wange nicht ganz verdecken. Ein breites Grinsen zog über sein feistes Gesicht, als er sich der Reaktion des Arabers sicher war.
»Gefällt Ihnen meine Kanone?«, fragte er in englischer Sprache mit starkem deutschem Akzent. »Ich denke, es ist genau das, was Sie haben wollten. Als Ihr Bote bei mir war, wusste ich sofort, was ich Ihnen anbieten würde. Es ist in diesem Bereich das Beste, was auf dem Markt ist. Das heißt, auf dem Markt ist die Vulcan eigentlich nicht. Sie ist nämlich kaum zu bekommen.«
»Vulcan? So heißt sie?« Das Englisch des Arabers klang perfekt. Schließlich hatte er in Oxford studiert.
Der Deutsche nickte. »Das ist eine Vulcan M 61, eine hydraulisch angetriebene sechsläufige Gatling Maschinenkanone. Die rotierenden Läufe können bis zu sechstausend Schuss pro Minute feuern, wobei sehr unterschiedliche Munition verwendet werden kann, von panzerbrechend bis hochexplosiv. Sie kann wie bei diesem Modell aus dem Container kommen oder auch mittels eines Munitionsgurtes.«
Der Araber rechnete kurz im Kopf. »Das wären hundert Schuss pro Sekunde.« Ein verzücktes Lächeln erschien.
»Je höher die Kadenz«, belehrte ihn der Deutsche, »desto höher ist allerdings auch der Strombedarf. Für den Betrieb benötigen Sie natürlich ein Aggregat, das die notwendige Energie liefert.«
Der Araber machte einen erneuten Rundgang um die tödliche Maschine. »Das Gestell sieht sehr sperrig aus. Wie kann man diese Kanone aufstellen und transportieren?«
»Die Vulcan wurde ursprünglich für den Einsatz in Flugzeugen entwickelt. Dort findet sie in zahlreichen Typen auch heute noch Verwendung. Sie können sie jedoch genauso gut auf einem tragfähigen Fahrzeug montieren oder irgendwo fest einbauen. Da gibt es kaum Grenzen. Auch wenn sie einst für den Luftkampf konzipiert wurde, so eignet sie sich ebenso für den Bodenkampf oder die Luftabwehr.«
Sein Gesprächspartner nickte. »Und das Gewicht?«
»Knapp hundertzwanzig Kilogramm, ohne Munition. Wenn Ihnen das zu schwer ist – es gibt auch eine kleinere Version, die sogenannte Minigun, die mit Gewehrmunition schießt. Sie wird oft in Hubschraubern eingesetzt.«
Der Araber konnte seinen Blick kaum von der Waffe lösen.
»Ja, Mister Williger«, sagte er schließlich. »Ich will das Ding haben.«
Der Deutsche zögerte kurz. »Da war doch noch mehr, oder? Sie haben doch von einer größeren Lieferung gesprochen.«
»Sicher. Sehr viel mehr. Sehen wir uns meine Liste an.«
Williger winkte seinen Mitarbeiter heran, der die Vulcan bedient hatte. »Das ist mein engster Vertrauter, Bert Vollmer. Er wird Ihnen sofort sagen können, was wir in welcher Zeit liefern können, und welchen Preis die jeweilige Ware hat. Je nach Höhe der Bestellung gewähren wir natürlich großzügige Rabatte.«
Er lachte meckernd. Dieses Geschäft würde sich lohnen, da war er sich ganz sicher.
Mit einem leichten Knirschen schob sich der flache Rumpf der großen Barkasse ein Stück weit auf den welligen Sandstrand. Mit einem dumpfen Blubbern erstarb der Motor des Bootes, und die schwache Dünung des Atlantischen Ozeans spülte um die Planken. Es herrschte heute fast Windstille an der afrikanischen Westküste, und die Oberfläche des Wassers glitzerte wie geschmolzenes Blei im Licht der tief stehenden Sonne, die in Kürze untergehen würde.
Aus dem Schatten einiger schief stehender Palmen am Strand lösten sich mehrere Gestalten. Dunkelhäutige Männer in ausgebleichten blauen Arbeitsanzügen und mit Wollmützen auf dem Kopf. Nach der Hitze des Tages würde es kühl werden.
Die beiden Europäer, die das Boot an Land gesteuert hatten, richteten sich auf und blickten den Männern gespannt entgegen. In ihren Händen hielten sie kurzläufige Maschinenpistolen, deren Mündungen zum Land zeigten. Sie warfen sich einen raschen Blick zu und zogen fast gleichzeitig die Ladeschlitten ihrer Waffen nach hinten. Das metallische Geräusch, mit dem die Patronen in die Läufe glitten, war meterweit zu hören. Sie wussten, dass sie erwartet wurden, doch in ihrem Gewerbe konnte man nicht vorsichtig genug sein.
Die Männer hatten das Boot fast erreicht. Einer von ihnen hob die Hand. Seine weißen Zähne schimmerten, als er den Mund öffnete. »Salaam. Allah sei mit euch.«
»Das Kennwort!«, knurrte einer der beiden Europäer. Sein Englisch hatte einen starken irischen Akzent. Er stammte, wie auch sein Kumpel, aus Belfast, wo sie wegen verschiedener Straftaten auf der Fahndungsliste standen. Sie hatten zwar der IRA angehört und sich als Freiheitskämpfer ausgegeben, waren aber in Wahrheit immer nur ganz gewöhnliche Verbrecher geblieben. Daher waren auch ihre ehemaligen Genossen nicht gut auf sie zu sprechen, und die beiden hatten beschlossen, dass es besser wäre, das Land zu verlassen. Mit ihren Fähigkeiten würden sie überall gefragt sein, und nun arbeiteten sie eben für einen deutschen Waffenhändler. Entscheidend war für sie nur die Bezahlung, alles andere spielte keine Rolle.
Der Dunkelhäutige lächelte leicht. »Hurriyya.« Das war arabisch und bedeutete Freiheit.
Die beiden Männer im Boot senkten ihre Maschinenpistolen. »Okay«, sagte der Wortführer. »Dann fangt mit dem Entladen an. Wir sind froh, wenn wir diese Küste bald wieder verlassen können.«
Er deutete zur See hinaus, wo man den Schatten eines größeren Schiffes erkannte. »Unser Kapitän ist nicht scharf darauf, länger als unbedingt nötig innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone zu bleiben.«
»Wir werden uns beeilen«, versprach der Dunkelhäutige. Sein Englisch war schwer zu verstehen. Er stieß einen scharfen Kommandolaut in arabischer Sprache aus, und die anderen Männer wateten ins Wasser.
Sie wussten, was sie zu tun hatten, und verrichteten ihre Arbeit schweigend. Jeweils zu zweit wuchteten sie die schweren Kisten aus der Barkasse. Die beiden Iren sahen ihnen dabei zu, ohne einen Finger zu rühren. Die Maschinenpistolen lagen zu ihren Füßen.
Die Arbeit ging zügig voran. Mindestens ein Dutzend Einheimische schleppten die länglichen Kisten an Land, wo sich bereits ein ziemlicher Stapel türmte. Daneben stand ein jüngerer Mann mit deutlich hellerer Haut als die Arbeiter. Er trug eine uniformähnliche dunkelgrüne Kombination ohne Rangabzeichen und war mit einem Schnellfeuergewehr bewaffnet, das über seiner Schulter hing. Sein Gesichtsausdruck verriet keinerlei Empfindung. Er zählte die Kisten, verglich sie mit einer Computer-Liste und machte sich auf einem schmierigen Zettel Notizen. Buchführung war wichtig – gerade hierbei.
Die Barkasse war jetzt deutlich leichter geworden, und das Heck ragte bereits hoch aus dem Wasser. Das Boot schaukelte leicht, und die beiden Insassen versuchten, die Bewegungen auszubalancieren. Schließlich war die letzte Kiste ausgeladen, und der Motor wurde wieder angeworfen. Die Barkasse nahm Kurs auf das Schiff, das weiter draußen vor Anker lag.
Die Arbeiter hockten sich in den Sand und warteten.
An Bord des Frachters herrschte eine rege Betriebsamkeit. Zwar waren die Positionslichter abgedunkelt, aber ständig huschten die Lichtstrahlen starker Taschenlampen über das Deck. Die Ladebäume knarrten und holten aus den Laderäumen weitere Kisten, die vorsichtig in die Barkasse gehievt wurden. Ab und zu wurden Flüche laut, wenn eine der Kisten an die Bordwand stieß, aber trotzdem ging die Arbeit reibungslos vonstatten.
Das Schiff trug den Namen ENDURANCE. Es war ein 8000-Tonnen-Frachter, der im Jahre 1976 gebaut worden war. Seitdem hatte er eine wechselvolle Geschichte hinter sich gebracht. Kein Mensch konnte sich erinnern, unter wie vielen Flaggen er schon gefahren war und welche Reedereien ihn bereits besessen hatten. Zurzeit zeigte er die liberianische Flagge. Ein Europäer hatte das Schiff gechartert und einige Leute der Besatzung ausgewechselt. Den übrigen war es gleich, wohin sie fuhren und was das Schiff geladen hatte.
Der Kapitän stand auf der Brücke und sah auf das Deck hinunter. Auch ihn störte die nächtliche Entladung nicht. Er war froh, wenigstens noch das Kommando über dieses Schiff zu haben, denn bei den meisten Reedereien dieser Welt stand er auf der schwarzen Liste. Ein großzügiges Sonderhonorar hatte seine restlichen Bedenken beseitigt.
Hinter ihm stand ein Mann im weißen Tropenanzug. Er war dick und schwitzte. Sein Alter lag irgendwo zwischen vierzig und fünfzig und eine riesige Zigarre klemmte zwischen seinen Zähnen. Noch nicht einmal beim Sprechen nahm er sie heraus, sodass seine Aussprache immer etwas undeutlich war. Er brauchte sich aber auch keine sonderliche Mühe zu geben, denn die Leute, mit denen er es zu tun hatte, lasen ihm seine Befehle notfalls von den Lippen ab.
»Es wird unter Umständen länger dauern, als wir dachten, Mister Williger«, sagte der Kapitän.
Roland Williger wischte sich mit einem Spitzentüchlein den Schweiß von der Stirn. »Besteht die Gefahr, dass wir entdeckt werden?«, nuschelte er. Ebenso wie der Kapitän sprach er englisch, auch wenn es nicht seine Muttersprache war.
Der Kapitän schüttelte den Kopf. »Es befinden sich keine Patrouillenboote in dieser Gegend, und dass ein Flugzeug uns entdeckt, wäre ein großer Zufall.«
»Aber es könnte passieren?«
Der Kapitän hob die Schultern. »Wir können sehr schnell außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone sein. Die Burschen an Land müssen dann eben sehen, wie sie zurechtkommen.«
Williger nahm die Zigarre aus dem Mund. »Das passt mir nicht. Die Leute auf der Barkasse gehören zu mir. Außerdem haben wir unsere Bezahlung noch nicht erhalten. Sorgen Sie dafür, dass der Austausch der Ware Zug um Zug erfolgt.«
»So war es aber nicht abgemacht«, wandte der Kapitän ein.
»Dann ist der Plan ab sofort geändert.«
Der Kapitän verließ die Brücke und gab seine Anweisungen.
Der Inhalt der Kisten war in den Frachtpapieren als Maschinenteile für Bewässerungsanlagen deklariert. Die Fracht würde ihren eigentlichen Bestimmungshafen nie erreichen, was auch ziemlich sinnlos gewesen wäre, denn was hier an der mauretanischen Küste ausgeladen wurde, war unter keinen Umständen für Bewässerungsanlagen zu gebrauchen.
Die beiden Männer in der Barkasse machten bereits ihre dritte Fahrt. Am Strand winkten sie den Anführer der Arbeiter herbei. »Unser Boss möchte, dass wir jetzt langsam die Bezahlung zu sehen bekommen.«
»Dagegen ist nichts einzuwenden«, sagte der Mann. Das Englisch machte ihm sichtlich Mühe. Er drehte sich zu dem Kistenstapel um, der inzwischen schon wieder kleiner geworden war, denn weitere Männer verluden die Kisten auf Lastwagen mit verdreckten Nummernschildern. Zwei Araber in Kapuzenmänteln, wie sie von den Berbern getragen wurden, gaben hin und wieder Anweisung, eine der Kisten zu öffnen. Sie prüften kurz den Inhalt und schienen jedes Mal außerordentlich befriedigt.
Sie kamen langsam näher, als ihnen ein paar Worte zugerufen wurden. Die Araber unterhielten sich leise, während die Männer in der Barkasse ungeduldig warteten.
»Wir werden die Ware mitnehmen«, sagte der Wortführer. Er gab ein Zeichen, und aus der Dunkelheit löste sich ein altersschwacher Peugeot, der langsam über den welligen Sand rumpelte.
Schnell waren die Säcke ausgeladen, die im Kofferraum und auf der hinteren Sitzbank verstaut waren, und auf das Boot gebracht worden. Anschließend stiegen die beiden Araber ebenfalls in die Barkasse. Einer trug ein kleines schwarzes Diplomatenköfferchen, sodass sie wie Geschäftsleute wirkten, die sich irgendwie verlaufen hatten. Das Boot machte sich auf den Rückweg.
An Bord des Frachters wurden sie zur Brücke gebracht, wo Roland Williger sie bereits erwartete. Sein Lächeln breitete sich über das ganze Gesicht aus. »Ich freue mich sehr, dass unser Geschäft so gut klappt«, sagte er und streckte seine Hand aus.
Die beiden Araber nickten schweigend.
Der Kapitän überließ den drei Männern seine Kabine, und dort kam man dann zur Sache. Zwei Matrosen stapelten die Säcke in der Kabine auf, und ein ernst aussehender weiterer Mann entnahm stichprobenartig mehrere kleine Beutel, die mit einer weißen Masse gefüllt waren.
Williger wedelte mit der Hand, und die beiden Matrosen verschwanden und bewachten die Tür von außen. »Sieh dir das Zeug genau an«, befahl Williger dem Mann.
Der setzte seine Brille auf und förderte aus seinen Taschen ein kleines chemisches Labor zutage. Reagenzröhrchen, Pipetten und Flaschen mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten.
Williger und die beiden Araber beobachteten ihn schweigend, wie er den Inhalt der Beutel prüfte. Schließlich hob er befriedigt den Kopf. »Es ist in Ordnung. Ich habe selten einen solchen Reinheitsgrad gesehen. Ich schätze, es dürfte fünfundneunzig Prozent haben. Es ist eindeutig erstklassiges Heroin Nummer Vier.«
»Danke«, sagte Williger, und der Mann verschwand mit seiner Ausrüstung rasch nach draußen. Auch er musste nichts von den Einzelheiten wissen, die als Nächstes besprochen wurden. Der Deutsche hielt viel davon, dass seine Leute immer nur das Nötigste wussten.
Williger nahm einen Zettel aus seiner Tasche und entfaltete ihn sorgfältig. Mit leiser Stimme las er vor: »Dreihundert Sturmgewehre, fünftausend Schuss Munition pro Gewehr. Zwanzig leichte Maschinengewehre im Kaliber 0,762 sowie hunderttausend Schuss Munition pro Maschinengewehr.«
Er sah auf und blickte die beiden Araber fragend an.
Einer von ihnen, der die Positionen mit seiner eigenen Liste verglichen hatte, nickte bestätigend. »Stimmt.«
Williger sah wieder auf seinen Zettel. »Zehn leichte Granatwerfer, eintausend Werfergranaten, fünfzig Maschinenpistolen, fünftausend Schuss Munition pro MP.«
Der Araber mit der Liste nickte abermals.
Williger steckte seinen Zettel in die Brusttasche. »Das ist das Material, das wir Ihnen heute übergeben. Die Vulcan haben Sie bereits bekommen. In drei Wochen erhalten Sie den Rest der Schusswaffen und der Munition zuzüglich der leichten Flakgeschütze.«
Sein Ton wurde geschäftsmäßiger. »Für die heutige Lieferung wurde eine sofortige Teilzahlung von drei Millionen Dollar vereinbart. Zahlbar in Form von Heroin erster Qualität.«
Die Araber lächelten. »Die Qualität stimmt«, sagte einer von ihnen. »Sie haben es selbst getestet.«
Williger betrachtete mit kritischem Blick die Säcke. »Wir müssen die Ware nur noch wiegen, und unser Geschäft ist erledigt. Unsere nächste Lieferung erfolgt an der verabredeten Stelle.«
Zwei Stunden später fuhr die Barkasse zum letzten Mal an den Strand. Es war schon weit nach Mitternacht, und die beiden Insassen fröstelten in der kühlen afrikanischen Nacht.
Das Ausladen ging diesmal sehr schnell. Die Barkasse war nur zur Hälfte beladen. Rasch verschwanden die Kisten in den Lastwagen, die in der Dunkelheit verschwanden, sobald sie beladen waren.
Als die Barkasse wieder ablegte, wurden auf der ENDURANCE bereits die Anker gelichtet. Es gab keinen Grund, auch nur eine Minute länger als nötig zu bleiben. Die Barkasse wurde an Bord gehievt, und der alte Frachter drehte zur offenen See.
Niemand an Bord kümmerte es, was mit der gefährlichen Fracht geschah, die in der mauretanischen Wüste verschwand.
Nun, niemand war nicht ganz richtig. Der Mann, der die ganze Zeit am Steuer des Schiffes gestanden hatte, war ein aufmerksamer Beobachter gewesen. Er hatte kein Wort gesprochen, aber alles registriert, was er gesehen hatte.
Und es gefiel ihm nicht!
Antonia Berg, von ihren Freunden Toni genannt, hatte ihren Schreibtischsessel zum Fenster gedreht und starrte in den bewölkten Himmel über Berlin. Noch fühlte sie sich in diesem Büro nicht heimisch. Es war noch nicht lange her, dass sie vom Bundekriminalamt in Wiesbaden zur Berliner Dienststelle der Behörde gewechselt war.
Antonia Berg war Zielfahnderin in der Abteilung SO, was für schwere und organisierte Kriminalität stand. Die volle Bezeichnung lautete SO 5. Diese spezielle Abteilung war für die deliktübergreifende organisierte Kriminalität zuständig.
Um dorthin zu kommen, hatte sie einen schwierigen Weg hinter sich gebracht. Nach den üblichen Prüfungen hatte sie ein dreijähriges duales Studium an der Hochschule des Bundes absolviert. Danach war sie Kriminalkommissarin und besaß einen Bachelortitel. Jetzt, mit zweiunddreißig, war sie bereits Kriminalhauptkommissarin.
Zugegeben, ihr neues Büro war etwas größer als das alte, doch den Wechsel in die Hauptstadt hatte sie noch nicht überwunden. Zwei Dinge hatten es ihr allerdings leicht gemacht.
Ihr Chef und Mentor in der BKA-Zentrale Wiesbaden, Kriminaldirektor Egbert Vossler, hatte sie eines Tages in sein Büro gebeten und ihr eröffnet, dass man ihm die Leitung der Berliner Dienststelle angeboten hatte. Als er ihr überraschtes Gesicht gesehen hatte, war sein Lächeln breiter geworden, und er hatte sie gefragt, ob sie ihm nach Berlin folgen wollte.
Antonia Berg hatte nicht lange gebraucht, um ihre Entscheidung zu treffen. Denn es gab noch einen weiteren Grund, der ihr den Entschluss leichtmachte. Der Grund hieß Erik Langer, Hauptkommissar beim Berliner BKA. Sie hatte ihn bei einem früheren Fall kennengelernt. Seine Persönlichkeit hatte sie sofort in Bann gezogen. Dass er außerdem ein attraktiver Mann war, hatte nicht geschadet. Er war ein paar Jahre älter als sie, schlank, mittelgroß, besaß ein offenes, freundliches Gesicht und lachte gern. Unter seinem kurz geschnittenen, leicht gewellten Haar saßen zwei klare braune Augen, die neugierig in die Welt blickten.
Sie fühlten sich von Anfang an zueinander hingezogen. Es war eine kurze, doch höchst befriedigende Affäre, an die Antonia gern zurückdachte. Sie hatten danach den Kontakt beibehalten, doch die räumliche Trennung war mehr als hinderlich. Hinzu kam die Arbeit, die mehr als einen Acht-Stunden-Tag verlangte.
Sie hatten sich erst nach drei Monaten treffen können, und es war genauso aufregend gewesen wie am ersten Tag.
Jetzt war sie in Berlin, und sie würde Erik am Wochenende wiedersehen. Sie freute sich darauf, doch gleichzeitig fragte sie sich, ob es anders sein würde.
Zum Glück arbeiteten sie nicht in derselben Abteilung, denn solche Beziehungen wurden nicht gern gesehen. Erik war erst kürzlich in die Abteilung CC versetzt worden, was für Cybercrime stand. Dort zu arbeiten war schon lange sein Wunsch gewesen, da ihn Computer und Informationstechnologie seit seiner Jugend fasziniert hatten.
Antonia betrachtete ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe. War sie für ihn immer noch attraktiv genug?
Sie legte ihre Füße auf den kleinen, seitlich angebrachten Tisch, der ursprünglich als Platz für eine Schreibmaschine gedacht war. Inzwischen standen überall Computer oder Laptops, doch die alten Möbel waren noch da.
Da Antonia heute ausnahmsweise einen Rock trug, musterte sie kritisch ihre Beine. Als Strumpfmodell würde man sie wohl nicht engagieren, dafür waren die Beine zu muskulös. Ihre ganze Figur war sportlich und durchtrainiert, und sie legte viel Wert darauf, dass es auch so blieb. Laufen und Kampfsport gehörten zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Nein, mit ihrer Figur war alles in Ordnung.
Ihr Blick glitt zum Spiegelbild ihres Kopfes. Dunkelblondes, leicht asymmetrisch und kurz geschnittenes Haar umrahmte ein ovales Gesicht mit einer leichten Stupsnase und zwei scharf blickenden grauen Augen. Am Kinn besaß sie eine kaum sichtbare kleine Narbe. Die Erinnerung an einen Messerangriff zu Beginn ihrer Karriere. Damals hatte sie begriffen, dass man einen Gegner nicht zu dicht heranlassen sollte.
Ihr Telefon klingelte.
Kriminaldirektor Egbert Vossler.
Wie immer kam er gleich zur Sache, ohne sich mit langen Begrüßungen aufzuhalten,
»Antonia, könnten Sie bitte in mein Büro kommen. Sofort, wenn es geht.«
Aufgelegt.
Sofort hieß bei Vossler sofort. Mit der Höflichkeitsfloskel am Ende des Satzes war nicht gemeint, dass Antonia noch etwas anderes erledigen könnte, ehe sie sich auf den Weg machte.
Das Büro des Direktors war wesentlich größer als ihr eigenes. Auch die Aussicht war deutlich besser. Von seinem Schreibtisch aus blickte er in den kleinen Park, der zwei ähnlich aussehende Gebäude trennte, die sich gegenüberstanden. Die Bauwerke stammten noch aus der deutschen Kaiserzeit.
»Setzen Sie sich!«
Der Direktor stand an einem der Fenster und sah hinaus. Antonia wusste, dass ihn dabei keineswegs die Langeweile plagte, denn in diesen Momenten dachte er angestrengt nach.
»Was kann ich tun?«, fragte Antonia schließlich.
Vossler drehte sich um und nahm ebenfalls Platz. Er seufzte. »Wenn ich das so genau wüsste …«
Gedankenverloren blickte er eine Zeit lang auf seine leere Tischplatte aus Edelholz, bis er den Kopf hob.
»Roland Williger. Schon mal gehört?«
»Sollte ich?«
»Nun, wenn Sie schon länger in Berlin gelebt hätten, würden Sie den Namen wahrscheinlich kennen. Er taucht häufiger in den Klatschspalten der einschlägigen Presse auf. Meistens dann, wenn er in irgendeinem Club eine junge Schauspielerin oder ein Model abschleppt und dabei den Champagner in Strömen fließen lässt. Dabei sieht er nicht gerade wie ein Adonis aus.«
»Ich nehme an, dass er stattdessen viel Geld hat«, warf Antonia ein.
Vossler grinste. »Wie kommen Sie darauf?«
»Wenn sich gut aussehende junge Frauen einem alten hässlichen Kerl an den Hals werfen, geht es meist nicht um Liebe.«
Egbert Vossler öffnete eine Schublade und zog ein großformatiges Foto heraus, das er über den Tisch schob. »Das ist er.«
Antonia sah einen mittelalten übergewichtigen Mann in einem Smoking, der seinen linken Arm um eine vollbusige Schönheit gelegt hatte, die in ein rotes Nichts von Kleid gehüllt war, aus dem die Brüste fast heraussprangen. Sie grinste breit in die Kamera, während seine Augen in dem feisten Gesicht kaum zu sehen waren. Sein Mund war zusammengekniffen, als hätte er beschlossen, für immer zu schweigen.
»Seine Frau?«, fragte Antonia.
Vossler schüttelte den Kopf. »Er ist nicht verheiratet. Seine Frau hat sich schon vor Jahren von ihm scheiden lassen.«
Antonia legte das Foto wieder auf den Tisch. »Was macht er? Immobilien, Finanzgeschäfte, Import von Billigwaren?«
»Waffen!«
Sie sah erstaunt hoch. »Waffen? Hier in Berlin?«
Vossler lächelte. »Er hat hier keinen Laden, wenn Sie das meinen. Williger ist ein internationaler Waffenhändler, der alles verkauft, was zum Krieg führen gehört.