Der Essayist - Heinz Andernach - E-Book

Der Essayist E-Book

Heinz Andernach

0,0

Beschreibung

Ein Dealer, ein Vampir in der Vergangenheit und ein Gestrandeter in einer dekadenten Zukunft, der ältere Paul ist alles drei in einer Person. Der Mittsechziger lebt zurückgezogen in seinem Anwesen im Dartmoor, plant seinen nächsten Deal, aber abends fühlt er sich von den Kreaturen der Nacht bedroht und findet dann seine Zuflucht hinter zwei Türen, ohne zu wissen, dass die eine in die Vergangenheit führt, die andere in eine ferne, dekadente Zukunft. Wie eine multiple Persönlichkeit weiß seine jeweilige Ausprägung nichts von den anderen. Jedes Mal kehrt er ohne Erinnerung durch eine der Türen zurück. Der Roman, der unmöglich nur einem Genre zuzuordnen ist, streift das Vampir-Genre, bietet Erotisches, Fantastisches, Elemente des Horrors und des historischen Romans und ist letztendlich auch ein kleiner Krimi.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 354

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

1 (present)

Essay: Fleisch (Skizze)

2 (future)

3 (present)

4 (past)

5 (present)

Essay Der Urknall

(present)

6 (past)

Essay – Die unsichtbaren Dimensionen

7 (present)

8 (future)

9 (present)

Essay über den Nahostkonflikt

10 (past)

11 (present)

Essay: Sex und Liebe

(present)

12 (future)

(present)

(future)

Essay: Multiple Persönlichkeiten und andere zweifelhafte Phänomene

13 (present)

Essay: Das beste politische System

14 (past)

15 (present)

Essay: Die Zukunft der Menschheit

Intermezzo (present – past -future)

16 (present)

1 (present)

„Ich mag das Fleisch blutig, Lady Theresa.“ Ich lächele sie dabei an, denke an ihre roten Lippen und an die womöglich sehr weißen Titten, an deren Nippeln ich saugen würde, an alles, was kommen würde, aber innerlich bleib ich angespannt.

„Schließen sie sich an?“

„Naah, ich m3ag es eher medium.“

„Ich werde Elfreda anweisen, die Steaks jetzt zu machen.“

Ich gehe zu Elfreda in die Küche und gebe ihr meine Instruktionen. Nachdem Elfreda serviert hätte, würde sie Autumn Wood verlassen, um mich bei meinem Treiben nicht weiter zu stören.

Ich bin zurück im Wohnzimmer, dessen Einrichtung mir immer vorkommt, als stamme sie aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Am Anfang der zweiten Hälfte wurde ich geboren. Wen wundert dann, dass ich mich an der Einrichtung nicht störe.

„Elfreda geht, nachdem sie aufgetischt hat. Ich wünsche dann, dass sie sich ihrer Kleidung entledigen. Ich wünsche, dass sie halbnackt mit mir speisen. Sie tragen doch einen BH Theresa?“

„Lass dich überraschen Paul Haydn.“

Sie lächelt mich an und macht einen Kussmund. Sie wird mindestens dreißig Jahre jünger sein, schätze ich. Anfang dreißig, keineswegs zu alt für ihre Profession. Ich störe mich nicht daran, dass sie mich duzt, schenke ihr vom süßen Portwein ein. Verflucht leckeres Zeug, aber ich bleibe meinen trockenen Roten treu. Ich habe eine Flasche Elias Mora für mich. Weitere könnten folgen. Vorhin, auf dem Bad, habe ich mir die blaue Pille gegönnt, die mir verspricht, dass dieser Abend ein Erfolg wird. Ich werde diese Nutte vögeln, bis sie quiekt. Ein blutiges Steak braucht weniger als fünf Minuten. Bald darf ich Lady Theresa in ihren Dessous betrachten.

Ein bis zwei Minuten länger braucht das Steak von Theresa. Ich kann es nicht abwarten, dass die Lady ihre Jeans ablegt, ihren Herbstpulli.

Draußen ist heute ein ungemütlicher Tag. Definitiv ist der Herbst ins Dartmoor eingezogen, über Yes Tor ziehen, dunkle, kühle Wolken. Zeit für eine Spezies, weder Tier noch Pflanze, aus der dunklen, feuchten Erde zu poppen.

Die Tür geht auf, Elfreda bringt das Essen, Rinderfilet mit Kartoffelgratin und einem grünen Salat. Ich mag dieses Grünzeugs eigentlich gar nicht, soll aber gesund sein, wenn man Nitrate gut verträgt. Ich nehme von meinem Toro – ich liebe Rotweine aus diesem spanischen Weinanbaugebiet – und bemerke, dass der Rote mich langsam in den Griff kriegt. Lady Theresa soll ihre Schenkeln spreizen, damit ich ihr rosarotes Fleisch sehen kann.

„Elfreda, sie können jetzt nach Hause fahren.“

„Ich kann sie doch jetzt alleine lassen?“

Das sagt sie immer, wenn ich einen weiblichen Gast habe.

„Ja sie können unbesorgt nach Hause fahren.“

Man stelle sich vor: Eine Siebzigjährige fährt noch Moped. Es sind etwa zwei oder drei Kilometer bis nach Okehampton.

„Bis Morgen Mr. Haydn!“

Sie spricht meinen Namen ziemlich richtig aus, wie Mr.

Hyde und ein n danach und nicht wie hay, Heu. „Bis Morgen, Mr. Hadyn“ Das sind oft die erlösenden Worte für diese Gelegenheiten. Ich kann nun meine volle Aufmerksamkeit Lady Theresa schenken. Das Essen steht heiß auf dem Tisch.

„Theresa jetzt ist es Zeit, sich der unnötigen Kleidungsstücke zu entledigen.“

“Und du?“

„Ich esse immer angezogen, ich kann nicht anders. Ich kann es gar nicht erwarten, ihren reizvollen Po zu sehen.“

„Ich sitze beim Essen.“

Frechheit! Aber Theresa ist eine brave Nutte. Sie zieht ihre Pumps aus, von denen ich mir wünsche, dass sie beim Ficken getragen werden, streift geübt ihre knallenge Jeans runter und zeigt sich in einem unverschämt kleinen String und ich warte darauf, dass ich mehr von ihren Titten zu sehen bekomme. Ja, sie sind recht groß. Die Lady steht nun da in ihren Dessous, in der Farbe, die ich so mag, rot.

„Du darfst deine Schuhe wieder anziehen. Ich möchte dich mit angezogenen Schenkeln ficken. Aber lass uns jetzt essen und weiter trinken.“

Sie toastet mir mit ihrem Portglas zu und ich toaste zurück mit meinem Toro. Das Essen schmeckt wie immer vorzüglich. Es ist Elfredas Geheimnis, wie viel Anteil an der Pfeffersauce Fertigsauce ist. Ich verschlinge das Fleisch, giere nach den weißen Titten, bin viel schneller als Theresa, weil ich als Nachspiel ihren nackten Arsch vor Augen haben will. Ich bemerke ihr Atmen, jede Bewegung ihrer Brust. Ich will sie ficken. Das Schätzchen isst langsam, aber ich kann sie ja betrachten. Er steht ganz klar. Will sie mich quälen, wenn sie so langsam isst? Das Fleisch ist rosa gefärbt im Inneren, so wie ihr Geschlecht.

Komm, iss den letzten Happen.

„So Schätzchen, jetzt willst du mich bestimmt ficken?“

„Zieh deinen BH und dein Höschen aus! Erst die Titten!“

Sie hat die Brüste, die mich zum Träumen bringen, aber sie, sie dreht sich um, streckt mir ihren Hintern entgegen und streift den winzigen String runter. Was für ein delikater Arsch! Das Viagra tobt in meinem Schwanz. Ich muss mich der Klamotten entledigen, die mich daran hindern, zu ficken. Recht schnell gemacht. Ich nähere mich Theresa und beiße sie in den Hals.

Ich beiße sie immer in den Hals, ohne zu wissen was das bedeutet und hinterlasse meine Knutschflecken. Ich werde auch noch an ihren Brüsten saugen.

„Komm Alterchen, fick mich von hinten“, sagt sie.

Von wegen Alterchen, ich könnte dich in den Arsch ficken, was ich nie tue. Sie mag erstaunt sein über meine Standfestigkeit. Ich bin geil und werde das Nüttchen ficken, bis es schwitzt. Ich labe mich später an ihren großen Brüsten. Wie wunderbar!

Gefickt! Die Nutte fährt mit einem Taxi nach Hause oder vielleicht auch zu ihrem nächsten Einsatzort. Die Dämmerung draußen hat sich inzwischen in Dunkelheit gewandelt. Ich mag diese Zeit nicht, aber noch fühle ich mich gut. Ich sitze in einem der schweren Ledersessel, nippe an meinem Roten und lasse die letzten beiden Stunden Revue passieren. Die Agentur hat gute Arbeit geleistet, Theresa war schon eine Wucht, in keiner Weise unangenehm.

Irgendwie roch sie auch gut. Obwohl ich nicht zu Wiederholungen neige, könnte ich mir vorstellen, sie nochmals zu bestellen. Ich fühle mich wieder wie ein Mann, das tut gut und durch diese Pillen von Pfizer konnte ich sie zweimal nehmen. Die Nutte hat mich wegen meiner Leistungen gelobt; sie wird sich aber ihren Teil gedacht haben.

Ich finde in dieser Art Abenteuer nicht die volle Erfüllung, aber ich habe es in meinem Leben nicht gelernt, mich an eine Frau zu binden. Die Vereinigung mit Lady Theresa war nicht vollständig, mental wurde sie nicht vollzogen. Ich kann mir vorstellen, dass die teilweise Auflösung des Ichs in der Folge noch eine weitere Stärkung des Ichs hat. Ich kann nur spekulieren, denn es ist zu lange her, dass ich geliebt habe.

Wieder allein, bis morgen Nachmittag. Elfreda wird kommen, um nach dem Rechten zu sehen und um mich abends zu bekochen. Wenn diese Nächte nicht wären..., denn dann geht von Yes Tor eine Bedrohung aus. Die Kreaturen der Nacht wollen mich verschlingen. An sich mag ich das Yes Tor, der höchste Berg Südenglands. Schon oft war es Ziel ausgedehnter Spaziergänge, die meine Gedanken beflügeln können und von den Kreaturen, ob eingebildet oder nicht, gibt es keine Spur. Die einsame Heidelandschaft eignet sich schon gut für Horrorgeschichten, insbesondere wenn sich Nebel über die Landschaft legt und die Dämmerung zur Nacht beginnt. Irgendein Bann verhindert, dass ich Autumn Wood verlasse, irgendein Bann und die Geheimnisse, die sich mit Autumn Wood verbinden. Ich muss mich mit meinem Ängsten auseinandersetzen, zumal es gibt für mich immer die Möglichkeit der Flucht, wenn es auch eine merkwürdige, wunderliche Flucht ist.

Die Flucht ist Teil des Geheimnisses, dass ich leider nicht lüften konnte. Es gibt noch andere Geheimnisse um meine Person, eins davon ist, dass ich vermutlich einer der größten Dealer Englands für LSD bin, obgleich ich nur selten tätig werde. Es ist immer noch ein Erbe der Vergangenheit.

Im Keller von Autumn Wood gibt es eine Tiefkühltruhe mit etwa fünfzig Gramm Acid. Fünfzig Gramm hört sich nicht viel an. Was sind schon fünfzig Gramm Cannabis?

Eine Menge, die als erhöhter Eigenbedarf angesehen werden kann. Ein hartnäckiger Kiffer verbraucht diese Menge in wenigen Wochen. Fünfzig Gramm Acid sind etwas ganz anderes, es sind etwa dreihunderttausend Einzeldosen mit einem Endverkaufswert von vier bis zehn Millionen Euro. Das Zeug hat ein hohes Alter auf dem Buckel, 42 Jahre. Seine Entstehung ist eine andere Geschichte aus einer fernen Zeit, die ich vielleicht einmal erzähle. Der Strafbestand der Herstellung ist verjährt, meine gelegentlichen Deals natürlich nicht, ebenso wie es strafbar ist, solch eine Menge zu horten.

Dies ist das zweitgrößte Geheimnis von Autumn Wood und möglicherweise kommt man mir irgendwann auf die Schliche, weil Dealen immer mit Risiken verbunden ist, auch wenn man nur alle zwei Jahre tätig wird. Die Gesellschaft würde mich als Verbrecher ansehen, aber ich bin nicht sicher, ob ich wirklich einer bin. Jedenfalls handele ich nicht aus Habgier. Ich habe vor, in der nächsten Zeit einen weiteren Deal zu starten, auch natürlich, um die Haushaltskasse zu strecken, aber die Haupteinnahmequelle in meinem Leben war eine größere Erbschaft, von der ich heute noch zehre.

Was hat mich nur nach Autumn Wood verschlagen, um dieses Einsiedlerleben zu führen? Autumn Wood ist für eine einzelne Person viel zu groß. Tatsächlich ist mir die Anzahl meiner Zimmer und Kammern nicht bewusst, ich müsste schon im Geiste anfangen, zu zählen.

Zwei Kammern bergen das größte Geheimnis von Autumn Wood und meine Person. Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt irgendetwas mit meiner Person zu tun hat. Wenige Versuche deuten darauf hin. Vielleicht bin ich einfach nur geistesgestört. Mancher würde sagen: Bei all dem Zeug, das er in seinem Leben eingepfiffen hat, ist das kein Wunder. Für früher mag das gegolten haben, aber in den letzten Jahrzehnten hatte ich nur einen erhöhten Konsum an Rotwein und Port. Von meinem Schatz nehme ich im Jahr genau einmal, im Frühjahr, und seitdem ich im Dartmoor lebe, probiere ich im Herbst von den natürlichen „Schätzen“, die rund ums Yes Tor zu dieser Zeit sprießen.

Hatte übrigens vor, Pater Copleston zu einer solchen Expedition ins Dartmoor zu bewegen. Wer weiß, vielleicht ist er zu ängstlich. Dennoch könnte ein Psychiater, ein Neurologe oder Psychologe der Meinung sein, dass ich unter starken Störungen leide. Es ist nun Fakt, dass ich unter Angststörungen leide, genauso, dass es Fakt ist, dass ich Amnesien habe. Das ist Teil und Schlüssel des Geheimnisses.

Vielen Menschen würde es bei dem Gedanken, alleine in Autumn Wood zu leben, mulmig werden, denn Autumn Wood liegt sehr abgelegen. Bis zum nächsten ständig bewohnten Haus sind es mindestens achthundert Meter.

Zurzeit ist es ringsum von Autumn Wood stockfinster, da die Straßenbeleuchtung defekt ist. Die Stadtverwaltung von Okehampton sieht sich wohl außerstande, den Schaden zügig zu reparieren. Ich habe den Schaden schon vor mehreren Wochen gemeldet. Also Angst hätte so mancher alleine in Autumn Wood, zumal es viele Horrormärchen ums Dartmoor gibt. „Der Hund von Baskerville“ ist das Bekannteste. Aber bin ich geisteskrank, wenn ich an eine andere, versteckte Wirklichkeit glaube? Das tun viele.

Esoterikzirkel hatten schon immer Konjunktur. Vielleicht gibt es ja wirklich Geister und Werwölfe im Dartmoor, obwohl ich das eigentlich bezweifle, zumindest tagsüber.

Aber gefühlt glaube ich an einen Zusammenhang zwischen meinen Angstzuständen und diesen merkwürdigen Amnesien, die mich befallen.

Ich glaube fest daran, dass meine Amnesien eine Ursache haben, die außer mir liegt, denn sonst müsste ich völlig an meinem Verstand zweifeln. Die Amnesie wird von den beiden Kammern oder was immer sich hinter den zwei Türen verbirgt, ausgelöst. Die blaue und die grüne Tür.

Benutze ich eine, vergesse ich alles, was ich in der dahinter liegenden Kammer erfahre oder erlebt habe. Von der Zeit in der Kammer weiß ich nichts.

Manchmal mag ich es, mit den Nutten noch etwas zu plaudern, bevor es zum Beischlaf kommt. Meistens trinken sie meinen Port. Es ist reizvoll, sie in ihren Dessous in meinen Ledermöbeln sitzen zu sehen. In mir baut sich dann eine große Geilheit auf. Es ist überaus schwierig, mich dann zu disziplinieren. Ich schaue diese äußerst reizvollen Personen an und versuche mich in Small Talk. Es scheint so, als ob ich die Frauen noch verführen müsste, um mit ihnen zu kopulieren. Das Viagra garantiert mir den permanenten Ständer. Heute musste es bei mir schnell gehen, aber während des Essens fixierte ich meinen Blick auf die göttlichen Brüste, die Erlösung bringen können. Und was für eine Ungeduld in mir steckte. Lady Theresa ist vielleicht zurück nach Exeter, die Taxikosten machen einen nicht unerheblichen Teil dieses Vergnügens aus, welches ich mir mal häufiger, aber auch mal seltener gönne. Das letzte Mal lag zwei Monate zurück.

Jetzt, da ich in der nächsten Zeit einen Deal abwickeln will, werde ich wahrscheinlich häufiger auf das Talent solcher Damen zurückgreifen.

Jeder Deal macht nervös, obgleich ich grundsätzlich etwas Sekundäres, fast etwas Nebensächliches in dieser Aufgabe sehe. Ich vermeide es, von meinem üblichen Tagesablauf abzuweichen. Ich mache meine Spaziergänge, schreibe meine Essays, spiele Schach mit Howard Jones und meine Gopartien mit Pater Copleston und fast zu guter Letzt lasse ich mir von Elfreda abends ein Essen servieren, mit oder ohne Damen. Der spätere Abend und die Nacht bleiben auch in den Tagen eines Deals ein Geheimnis. Über diese Zeiten weiß ich wenig, außer das sich in mir eine Angst aufbaut, vor dem Unbekannten da draußen, das sich aus meiner Angst heraus materialisiert, was da ist, um mich zu töten, zu verschlingen, zu absorbieren oder einfach nur zu ängstigen. Sehr selten wache ich am frühen Morgen in meinem Bett auf, sondern finde mich vor den Türen wieder, nachdem ich eine geschlossen habe, ohne jegliche Erinnerung. Manchmal fühle ich mich dann seltsam müde, mit einem durchaus angenehmen Gefühl in den Adern, was sich dann im Laufe des Tages umkehren kann. Hin und wieder lege ich mich in diesen frühen Morgenstunden noch in mein Bett, dass mich offenkundig die ganze Nacht noch nicht gesehen hat. Ich bin dennoch nach diesen Nächten nicht übermäßig müde.

Schlafe ich etwa in einer dieser Kammern? Ich kann nicht sagen, dass ich die grüne oder blaue Türe bevorzuge, im Grunde bringen sie das gleiche Resultat. Es gibt feine Unterschiede, die grüne Tür bietet nicht das wohlige Gefühl, dass sich manchmal einstellt, wenn ich die Kammer mit der blauen Tür verlassen habe. Die beiden Türen gehören zu meinem geregelten Tagesablauf, den ich mir durch so einen Deal unwesentlich stören lasse. Mit 64 hat man ein Recht auf einen geregelten Tagesablauf, was nicht heißen soll, dass ein idealer 64jähriger in meiner Vorstellung nicht spontan sein darf.

Die Nacht wird präsenter, dass was von ihr ausgeht, macht mir Angst. Ich versuche mich der Angst zu stellen, aber auch der Rote hilft nur wenig: Ihn im Übermaß genossen, kann zwar bedeuten, dass ich den Mächten, die im Dunkeln im Dartmoor auf mich lauern mögen, widerstehe. Sehr selten schleppe ich mich ins Bett, mit der Hoffnung, bis zum nächsten frühen Morgen durchzuschlafen, aber dann wache ich nach wenigen Stunden auf, voller Panik und flüchte mich zu einer der Türen in die absolute Vergessenheit. Aber vielleicht lauert gerade hier das Böse, zersetzt mich, bis ich nicht mehr bin, und spuckt mich am anderen Tag wieder aus, bis abends das böse Spiel wieder beginnt.

Dies war nicht immer so. Ich hatte eine halbwegs normale Kindheit in Deutschland, wuchs in Fulda auf, recht katholisch geprägt, hatte wie so mancher in diesen Tagen eine rebellische Jugend und gewissermaßen war ich schon sehr radikal, aber ich schloss mich nicht der Baader-Meinhof-Bande an, sondern synthetisierte mit meinem früheren Freund Meinhard Holz 200 Gramm LSD. Keine Ahnung, wo Meinhard steckt. Er ging damals mit einem Teil der Ausbeute nach Südamerika. Ich habe nichts mehr von ihm gehört. Vermutlich ist er tot oder aber, er ist 64 wie ich und lässt es sich in Buenos Aires oder im Süden von Brasilien gut gehen.

Ich verstehe nicht, dass er sich seit damals nicht gemeldet hat. Wir hatten keinen Streit. Es war ein aufregendes Leben, das ich dann führte, eine nicht unerhebliche Menge Drogen im Gepäck, aber die Angstzustände von heute kannte ich nicht. Meine Vorfahren müssen ursprünglich aus Siebenbürgen kommen – obgleich die Siebenbürgen natürlich ursprünglich aus Deutschland stammen – aber ich hatte keinen Trieb in das heutige Rumänien zurückzukehren, stattdessen zog es mich schon immer in das Vereinigte Königreich.

Zu Anfang hätte ich fast einem schottischen Loch den Vorzug gegeben. Wer weiß, welche Geister und Dämonen dort auf mich gewartet hätten? Das Klima hier im Süden ist etwas milder und in den Hochsommermonaten, wenn manchmal die 30 Grad Celsius erreicht werden, fahre ich ans nahe Meer, um in ihm zu baden. Etwas zog mich ins Vereinigte Königreich und irgendwann war ich angekommen, zuerst in London und schließlich in Okehampton, Devon. Unvergessen sind die Tage in Eastbourne, die Tage auf den Seven Sisters, meine Liebe.

Mit 54 erwarb ich Autumn Woods, und seitdem ich 54 bin, muss ich mich mit einer mir bisher unbekannten Seite von mir auseinandersetzen. Ich will mich dem nicht entziehen. Meine Eltern starben, als ich 52 war. Ich habe sie immer zu Ostern besucht, mehr Beziehung ging nicht. Sie haben nie gewusst, was für ein Kind sie in die Welt gesetzt haben. Seitdem ich in Autumn Woods bin, lebe ich mit der Angst und mit der Möglichkeit, ihr aus dem Weg zu gehen, auch wenn ich nicht genau einschätzen kann, wie hoch der Preis ist, den ich dafür zu zahlen habe.

Ich höre Geräusche. Etwas fordert von mir Tribut. Morgen möchte ich einen nicht unwichtigen Essay schreiben.

Er wird schwierig werden, aber jetzt spüre ich Angst, irgendetwas da draußen macht mir Angst. Ich werde die blaue Türe aufsuchen.

Essay: Fleisch (Skizze)

Um es vorneweg zu sagen, ich esse gerne Fleisch, insbesondere das „böse“ rote Fleisch. In der Debatte um den Welthunger und den Klimawandel kommt immer wieder die Forderung auf, weitgehend oder ganz auf Fleisch zu verzichten. Eine Allianz von Gesundheitsaposteln, radikalen Tierschützern, Weltverbesserer und Klimaforschern hat einen weltweiten publizistischen Angriff gegen unsere Angewohnheiten gestartet, dem man scheinbar mit rationalen Argumenten nichts entgegen halten kann. Die Fleischlobby ist verdächtig still geworden, die Schädlichkeit von Fleisch ist in aller Munde. Etwas erinnert mich die Debatte an die Diskussion und Einführung der Rauchverbote in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts.

Raucher wurden immer mehr geächtet, das Rauchen in der Öffentlichkeit wurde stark reglementiert, alles, um das potenzielle passive Mitrauchen einzuschränken, dessen Gefährlichkeit auf schwachen statistischen Füssen steht. Heute (und natürlich auch früher) sind es die Armen der Welt, denen es heute, aber insbesondere in einer fernen Zukunft schlechter gehen wird. Das ist eine scheinheilige Debatte. Niemand schert sich um den neureichen Veganer, der zweimal im Jahr Fernreisen nach Südostasien unternimmt, um in einem Restaurant in Bali die neuesten Tofukompositionen zu essen. War ich in meinem Leben für die überhöhten Verteidigungshaushalte? Ein Fünftel davon hätte schon gereicht, die Armut zu bannen, zu zeigen, dass die Menschheit solidarisch handeln kann. Mehr für den Frieden hätte man nicht tun können.

Niemand sollte jetzt den Eindruck bekommen, dass ich Dinge gegeneinander ausspielen will. Ich will nur diese Scheinheiligkeit zeigen, die sich in dieser Debatte inszeniert. Armutsbekämpfung und Klimaschutz sind auch nur scheinbar Verbündete. Zurzeit ist immer noch der beste Klimaschutz der ungleiche Reichtum auf dieser Welt. Gewiss, das ist zynisch, aber es entspricht der traurigen Wahrheit. Ein Extrembeispiel soll das verdeutlichen: Was wäre, wenn ein Milliardär, sein Jahreseinkommen - es sei hypothetisch eine Milliarde Euro - an hunderttausend Arme verteilen würde. Die hätten dann ein zusätzliches Einkommen von zehntausend Euro im Jahr. Geld für unglaublich viele Konsumgüter und sehr viel Fleisch, sehr viel mehr Fleisch, als ein Millardär essen kann. Fleisch war in der Menschheitsgeschichte schon immer ein Symbol für Reichtum und die guten Tage, wie es auch die Absicherung vor sehr schlechten Tagen war. Vitamin B12 ist essentiell für Menschen und das war es mit Sicherheit schon, bevor Vieh gehalten wurde, um Milch und Käse zu erzeugen. Die Spezies der Menschheit gehört zu den Allesfressern. Dies ist unser biologisches Erbe und es mag Menschen geben, die sich dem Roastbeef mehr hingezogen fühlen als zu einer Erbsensuppe. Die Haltung von Vieh gehört zu einer der größten Kulturleistungen der Menschheit. Das Töten von Tieren ist durch die jeweiligen Religionen abgesegnet, nur einzelnen Arten bieten sie Schutz. Es hat sich eine gigantische Kultur um das Fleisch gebildet, die sich in unzähligen Kochrezepten ausdrückt, in Tausenden von Wurstsorten. Ja, Wurst ist Kultur! Ich liebe es Britisch zu frühstücken, mit Eiern und Speck, mag auch Wurstplatten aller Art.

Ich muss zugeben, dass ich kein Freund der Massentierhaltung bin, kein Freund riesiger Schlachthöfe, aber das ist der Preis, der bezahlt werden muss, um dieses Symbol des Reichtums finanzierbar für alle zu machen. Dies ist nicht Teil der Tradition und Kultur ums Fleisch, es ist vor allem Ausdruck des Zwanzigsten Jahrhunderts und der industriellen Revolution mit ihren Schattenseiten. Wir verdrängen dies gerne. Zugegeben, es gibt eine Sucht nach diesem Symbol, sodass viele auf ihr tägliches Fleisch nicht verzichten wollen. „Unser täglich Brot gibt uns heute“, heißt es in einem traditionellen Gebet. „Unser täglich Fleisch gib uns heute“, klingt da nach Blasphemie. Ich identifiziere mich mit „unseren“ kulturellen Werten und mit der Freiheit. Ich bin durchaus dafür, dass meine Freiheit mich etwas kostet. Freiheit ist leider nicht immer Freiheit des anderen. Ich bin für die Freiheit, so viele Zigaretten zu rauchen, wie ich will, ich bin für die Freiheit, so viel Fleisch zu essen, wie ich will.

Fünf Kalorien oder fünfzehn Kalorien Input, um eine Kalorie in Form von Fleisch zu erhalten, erscheint bei den Hungersnöten, die die Menschheit plagen, einem perversen ökonomischen Gesetz zu gehorchen, aber es macht auch manchmal Sinn, zum Beispiel, wenn Tiere als Resteverwerter dienen. Man denke an die Kartoffelschalen für die Schweine, an unbrauchbares Pflanzenmaterial, das hier und da anfällt, und als Mastfutter ausgesprochen Sinn macht. Ob das für den Sonntagtagbraten oder ein Frühstücksei reicht? Es gibt Steppen, die sich kaum für Pflanzenanbau eignen. Solche Flächen findet man zum Beispiel in Australien und in Argentinien. Ich liebe argentinisches Roastbeef und ich mag es englisch.

Das Rind ist der größte Übeltäter. Das verdankt es seiner Biologie. Würden wir kurz vor einer neuen Eiszeit stehen, könnte man die Rindviecher als wahre Retter preisen.

Dem ist nicht so, wir haben es mit Klimaerwärmung zu tun, die letztendlich zu unangenehmen Migrationen führen wird. Kriege gehören dazu. Rinder gasen Methan aus und das ist nicht gut in Zeiten globaler Klimaerwärmung.

Man rechnet bei einer Tonne Rindfleisch mit ca. 14 Tonnen Klimagase in CO2-Einheiten. Manche gehen sogar von mehr aus. Um ihnen eine Relation von 14 Tonnen zu geben: 14 Tonnen pro Jahr ist die Menge, die auf einen westeuropäischen Bürger fällt, bei Berechnung aller Produktions- und Energiekosten. Eine Tonne Fleisch hört sich viel an, ist aber nur ein größeres Steak pro Tag. Gutes Roastbeef oder Filet kosten das zehnfache wie gewöhnliches Rindfleisch. Konsumiere ich davon eine Tonne, habe ich einen Anteil von 140 Tonnen CO2, den ich zu verantworten habe. Da gibt’s kein Diskutieren, da es unweigerlich aus den Gesetzen von Angebot und Nachfrage folgt. Dies ist zugegeben ein Dilemma. Die Ökonomie und Ökologie von Lammkotelett und feinen Käsen rechnet sich ähnlich.

Ich mag blutiges Rinderfilet in pikanter Pfeffersauce. Ich mache mir kaum Gedanken über die Krebsgefahren, die davon ausgehen sollen, aber eine eigene Recherche hat ergeben, dass die Darmkrebsraten in Kuba kaum anders sind als in den USA, aber ich wette darauf, dass in den USA ein vielfaches an rotem Fleisch verzehrt wird. Ich lasse mir von den moralischen Besserwissern mein Steak nicht verbieten. Ich bin kein Freund gesellschaftlicher Verbote, Restriktionen wie die „ein Kind-Politik“ und anderes. Seit meiner Jugend träume ich von einer freien und gerechten Welt. Das muss kein Widerspruch sein. Ich will das Recht auf mein blutiges Filet behalten, setze mich aber vehement dafür ein, dass dieses Fleisch zusätzlich besteuert wird. Ich fordere eine gerechte CO2-Steuer für alles und jedes, in der Hoffnung, dass dieses Geld Innovationen fördert, die das Leben auf diesem Planeten erträglicher machen.

2 (future)

„Hallo Paul Haydn. Willkommen in der Obersten Zeith.“

Allenthalben Gelächter um mich herum. Das ist immer so, wenn ich aus der grünen Tür komme, mein kleines Appartment verlasse und die Oberste Zeith betrete. Was hinter der Tür liegt, weiß ich nicht, ebenso wenig, was hinter mir liegt. Ich bin der Mann ohne Gedächtnis und auch irgendwie ein Fremder in der Obersten Zeith. Die Sonne steht hoch über dem Genfer See, gleißendes Licht, meine Augen müssen sich anpassen. Mir scheint es so, dass ich Tage nicht mehr hier war. Aber wo war ich?

Auch meine außerirdischen Bekannten wollen mir da nicht weiterhelfen. Es ist Teil des Spiels, sagen sie. Eine hübsche junge Prostituierte mit nackten Brüsten schmiegt sich an mich. Ich habe keine Lust auf ihr Spiel. Meine Libido scheint irgendwie geschwächt zu sein. Ich bin nicht mehr ganz jung, das weiß ich, auch wenn ich mein wahres Alter nicht kenne.

„Paul Haydn, warum bist du so bockig?“

Es ist Elvira, die heute Lustmädchen spielt. Sie knabbert an meinem Ohrläppchen und flüstert mir ins Ohr, dass sie an meinem Schwanz saugen möchte. Elvira ist keine Außerirdische, aber sicher kann ich mir nicht sein. Spielverderber sagt sie, als ich ihr sage, dass ich im Moment keine Lust auf diese Spielchen habe.

Hier muss das Paradies sein. Das Ufer des Sees ist mit Palmen gesäumt, die Temperaturen sind angenehm warm.

Ich kenne Jahr und Monat dieses Orts. Es ist 2138 und es muss Mitte Mai sein. Ich weiß einiges über den Ort, der an der Peripherie von Genf liegt. Hier betreiben Außerirdische und menschliche Physiker Cern II. Es ist ein interessanter Ort für eine Wissenschaft, von der ich überhaupt nichts verstehe. Auch wenn dieser Ort eine Geschichte hat, ich habe praktisch keine. Das, was ich meine Geschichte nennen darf, begann vor etwa zehn Jahren. Ich weiß nicht, wann ich geboren wurde, ich weiß nichts von meiner Kindheit, meiner Jugend und über meine mittleren Jahre. Möglicherweise bin ich ein Kunstobjekt, ein simuliertes Wesen, an dem man seinen Spaß hat. Warum lacht man über mich? Hier ist mein Eintritt in virtuelle Realitäten, die man qualitativ von der Realität nicht unterscheiden kann. Man trifft auf Figuren, hinter denen wahre Menschen und wahre Außerirdische stecken, aber auch auf programmierte Kunstwesen, die man von den anderen nicht wirklich unterscheiden kann. Überall wird gevögelt, ohne Ende, so als ob dies Sinn spendend wäre. Es macht Spaß, keine Frage. Wenn ich die grüne Tür geschlossen habe, bin ich in der Obersten Zeith, der einzigen Realität, die mir bleibt. Dieses Ufer am See ist mein Zuhause, meine Wirklichkeit. Ich beurteile das mit einem Wissen, das aus dem Zwanzigsten Jahrhundert zu stammen scheint.

Das ist recht merkwürdig. Denke ich an Computer oder Autos, so denke ich an Dinge von früher, Dinge, die natürlich weiterentwickelt wurden. Es scheint so, als lebe ich in einer merkwürdigen Zukunft mit einem Wissen über eine Vergangenheit, die mehr als hundert Jahre zurückliegt. Ich bin sicher, man treibt seine Spielchen mit mir. Vielleicht bin ich ein Entführter aus einer vergangenen Zeit, aber auch dort fehlt mir das Wissen über mich.

Hier gibt man keine Auskunft, sondern lacht. Es gibt Geheimnisse. Ich weiß nicht, ob die bei Cern II mit Zeitreisen experimentieren. Der Name dieses Platzes ist merkwürdig: Oberste Zeith, aber ich habe mich vergewissert, dass dies schon seit Jahrhunderten ein Ortsteil von Genf war. In den verfügbaren Quellen kann man die Geschichte bis zum 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Möglicherweise rauben Zeitreisen das Gedächtnis. Dann spielt man ein perfides Spiel mit mir und das seit vielleicht 10 Jahren.

Die Oberste Zeith mag aber auch ein virtueller Ort sein, der das Gedächtnis auslöscht, wenn man ihn betritt, zumindest partikulär, da ich mich immer erinnern kann, was hier gespielt wurde. Ich kann nur sagen: „Ich denke, also bin ich“, aber möglicherweise bin ich ein Konstrukt und das Stückchen eigener Geschichte, das ich kenne, ist eine Legende, die ich niemals erlebt habe und von der ich mir das nur einbilde.

Mag nun die Oberste Zeith ein virtueller und simulierter Ort sein, so ist er Ausgangspunkt für viele virtuelle Räume, die ich öfters aufsuche. Einer ist so wirklich wie der andere könnte man meinen. Man könnte es so ausdrücken: Die Physik und die Biologie sind sehr wirklich, auch wenn man sich manchmal auf fremden Planeten wähnt.

Ich habe ein Faible für Vampirrollen. Ich tauche dann in eine entfernte Vergangenheit ein oder in eine undefinierte Gegenwart.

Ich habe vor, mich vom Center zu entfernen, um am Ufer des Sees zu spazieren. Ich habe nie probiert über den See zu gehen, ich bin nicht Jesus. Es ist in der Umgebung von Genf in den letzten hundert Jahren beträchtlich wärmer geworden, statistisch sind es vier Grad mehr, die den See zu einem mediterranen Gewässer machen, wobei ich mediterran wie im Zwanzigsten Jahrhundert gebrauche. Tatsächlich wird das südliche Mittelmeer von Wüstenküsten begrenzt. Genf, die Oberste Zeith muss Wirklichkeit sein.

Hier spielen Außerirdische Golf und Tennis, aber sie versuchen sich auch an den traditionellen Strategiespielen der Menschheit, wie Go und Schach. Ich spiele beide Spiele recht gerne, weiß aber nicht, wie und wann ich diese Spiele gelernt habe. Ich bewege mich weg vom Center, lasse das Gelächter hinter mir. Ein bisschen Ruhe, ein bisschen Besinnung. Ich werde mich dennoch auf ein Spielchen in einem der virtuellen Räume einlassen, auch auf ein Spielchen der Möchtegernkurtisanen, mit denen du ficken kannst ohne Ende. Es sind Rollen, die sie spielen, so als ob sie sich in einem virtuellen Raum befinden.

Möglicherweise sind es Physikerinnen von Cern II, die ich ficke und die sich in ihrer Freizeit mit diesem Rollenwechsel einen Spaß erlauben. Eine wirkliche Liebesgeschichte habe ich hier noch nie erlebt.

Teile der Welt sind zu einer Art Schlaraffenland geworden oder verkommen. Zeitweise muss die Menschheit unter einer Art Kulturschock gestanden haben, aber Menschen lernen schnell. Seit mehr als fünfzig Jahren treiben sich Außerirdische auf der Erde rum. Man hat sie angenommen wie die digitale Revolution oder das Wunderwerk der Genforschung, dass die Erde überzieht. Die kleinen Nanohelfer sind überall. Für so eine Welt sehe ich verdammt alt aus, aber ich habe mir versichern lassen, dass es noch jede Menge alte Menschen auf diesem Planeten gibt. Kriege sind ausgestorben, nicht so die Kriminalität. Ich muss mich darauf verlassen, was man mir erzählt, verlassen darauf, was ich mir ansehen kann.

Etwas macht es mir unmöglich, die Welt zu entdecken, zu bereisen, denn ich muss immer wieder zurück, durch die grüne Tür. Ich kann die Oberste Zeith nicht verlassen, nur in die eine Richtung, die in eine Art Niemandsland führt, von dem ich nichts weiß. Nur soviel, dass ich den größten Teil meines Lebens dort verbringe, ohne zu wissen, was ich dort treibe, ohne zu wissen, ob ich dort lebe, ob ich dort bewusst bin. Meine „Freunde“ hier wissen vermutlich alles über mich. Vielleicht bin ich für sie ein nettes Spielzeug, wenn es ihnen zu langweilig ist, neue Universen zu starten. Tatsächlich weiß ich nicht, was man in Cern II vermag, kenne mich mit den versteckten Dimensionen und ihrer Anzahl nicht aus, denn ich scheine geistig ein Kind des Zwanzigsten Jahrhunderts zu sein. Bin ich Opfer von Zeitkidnappern, die mich immer wieder zurückschicken, aber immer auch wieder herholen, um ihren Spaß an mir zu haben? Es macht keinen Sinn. Man sagt, es gibt mehr als zehn Milliarden Menschen und einige Million Außerirdische unterschiedlicher Spezies. Nicht weit von hier ist ein Flughafen. Man sieht im regelmäßigen Takt die Raumfähren aufsteigen und landen und das alles geräuschlos. Abgesehen von einem fortwährenden Gelächter ist die Oberste Zeith ein ruhiger Ort, jetzt ein vom Sonnenlicht verwöhntes Paradies. Hier, in der unmittelbaren Nähe von Cern II liegt der Anteil der Außerirdischen bei mindestens fünfzig Prozent. Ich schätze, dass die Bevölkerungszahl der Obersten Zeith hundert nicht überschreitet; ich könnte mal nachfragen. Was die Welt angeht, gibt man sich recht gesprächig, auch wenn es für mich bei Geheimnissen bleibt. Beim größten Geheimnis und ich muss zugeben, dass ich ein sehr egozentrisches Weltbild habe, das Geheimnis um meine Existenz, schweigt man sich aus oder lacht. Mit den Mitteln der Logik kann ich keine Antworten finden. Ich habe es längst aufgegeben, Antworten zu finden. Versuche, Informationen zu schmuggeln, sind offensichtlich gescheitert. Ich habe Verschiedenes ausprobiert. Das Einfachste war der Zettel in der Tasche, mit einer kurzen Beschreibung, wer ich bin und ein paar Fragen, die ich beantworten soll, würde ich den Zettel im „Reich der Dunkelheit“ vorfinden. Diese Zettel blieben unbeantwortet.

Es ist schön in der Obersten Zeith. Der See, die fast tropische, teilweise exotische Vegetation und ein Blick auf die nahen Alpen tragen dazu bei. Die Frühlingsmonate sind besonders schön. Ich gehe hier wie alle anderen auch irgendwelchen dekadenten Spielchen nach. Es gibt mehrere Simulatrons, die vielfältige Angebote bieten. Ich stehe nicht so sehr auf Action, Ego Shooter Spiele, auch das gibt es in der friedlichen Obersten Zeith. Beliebt sind auch die Spiele, in denen die Menschen gegen die Außerirdischen kämpfen, wobei man darauf achtet, dass die Akteure wie echte Außerirdische und die Menschen wie echte Menschen aussehen, wobei wie gesagt nicht alle teilnehmenden Avatare einen real existierenden Piloten haben. Es gibt die Programme, von denen man meinen könnte, dass sie einem den Verstand rauben. Auf all das steh ich nicht so sehr. Ich vögel lieber und such meinen Harem auf. Es ist durchaus entspannend, von zehn Schönheiten verwöhnt zu werden, und hinter einigen stehen wirkliche Frauen, die gerne Haremsdamen spielen, während sie anderweitig in der Weltraumbehörde oder in Cern II tätig sind. Ich besuche selten das virtuelle Reisebüro, buche eine Städtereise, manchmal auch einen fremden Planeten, aber das macht gar nicht so viel Sinn, weil kaum Zeit bleibt, den eigenen Planeten kennenzulernen.

Ich verlasse mich darauf, dass die Simulationen originalgetreu sind. Eine dunkle Seite von mir wird bei den Spielen auch offenbart. Ich spiele gerne den Vampir und schlage meine verlängerten Eckzähne in weiße Jungfrauenhälse, deren Trägerinnen wohl meist völlig gerechnet sind, es sei denn, einer der jungen Damen der Obersten Zeith hätte einen Lustgewinn daran, Vampiropfer zu spielen. Es ist nicht ausgeschlossen und vielleicht outet sich irgendwann die betreffende Dame, mir scheint aber, dass irgendein Spielentwickler passend und exklusiv für mich das Spiel entwickelt hat. Ich habe mein blutiges Vergnügen. Kurz bevor ich zum Biss komme, schwillt ein bestimmtes Körperteil bei mir an. Der Biss in einen weißen Jungfrauenhals ist für mich größtes sexuelles Vergnügen.

Später sauge ich noch an den Brüsten meiner neuen Gefolgsfrau. Dieses Spiel ist sehr realistisch, denn meist werde ich gejagt und gepfählt. Es ist gegen die Spielerehre, nach vollzogenem Biss die Simulation zu verlassen, um es in der realen Obersten Zeith weiterzutreiben. Sex im Simulatron wirkt irgendwie intimer als die Orgien, die an den verschiedensten Plätzen der Obersten Zeith stattfinden. Die Oberste Zeith steht für Wiederholungen, während Cern II den exponentiellen, inflationären Fortschritt symbolisiert. Rund um Genf gibt es natürlich auch Nano – und Gen-Labs. Bei all diesem Fortschritt ist die sexuelle Wiederholung wohl Ausgleich.

Ich habe hier im Center der Obersten Zeith ein Appartment. Seine Wände bestehen aus einer mir unbekannten Plastik, deren Namen ich natürlich kenne, aber von deren Chemie ich gar nichts verstehe. Dort befindet sich die grüne Tür, die für mich immer letzter Ausweg ist. Die Tür scheint für mich reserviert zu sein. Niemand außer mir hat das, was hinter ihr liegt, je betreten, so nehme ich an, so sagt man es mir und es ist Schlussfolgerung meiner eigenen Beobachtung. Es gibt so gut wie keine Kinder in der Obersten Zeith und ich bin eindeutig hier der Gesichtsälteste. Die Elite der Menschheit und mit ihnen die Außerirdischen springen wohl in einen Jungbrunnen. Man sucht in der Obersten Zeith vergeblich einen Friedhof. Gestorben wird woanders.

Was will ich in der Obersten Zeith? Letztlich wohl auch meinen Spaß. Der See, im Lichte der Frühlingssonne bietet Ruhe, ziemlich das Gegenteil von dem, was die meisten Simulationen bieten. Diese Partygesellschaft braucht ihre Kicks, die ihnen offensichtlich die Lage nicht bieten kann. Ich will mich da nicht ausschließen. Die Oberste Zeith bedient meine dunkle Seele. Wer steht nicht auf Jungfrauen? Ich auf eine besondere Weise, aber ich beiße gern alles, was jung und attraktiv ist, dabei ist jung relativ, die Opfer sollten nicht wesentlich jünger als vierzig Jahre wie ich selbst sein; ich verbeiße mich nicht an Kindern. Perfide finde ich, wenn Erwachsene in Kinderavatare schlüpfen. Meine Opfer müssen schwere Brüste haben, was ja ein gewisses Alter voraussetzt und auf frühreif stehe ich gar nicht. Ich muss mich immer erklären, dass ich einen Spaß mit Erwachsenen suche, die gerne eine Opferrolle spielen, sich auch gerne etwas jünger machen. Was gibt es Schöneres als eine Jungfrau, zwanzig Jahre jung?

Rothaarige Frauen mit langem Haar, milchweißer Haut und Brüsten, die prall einen locken, gefallen mir am meisten. Das Simulatron schafft mir perfekte Frauen, was an sich in der Obersten Zeith nichts Besonderes ist, denn man gibt sich hier sehr perfekt. Abscheulichkeiten wie ausufernde Kunsttitten mit Steinzeit-Silikonimplantaten sieht man hier selten, außer es ist ein Scherz, der zu irgendeinem Rollenspiel gehört. Ich vögele hier ausgiebig, es wird nicht nur gebissen, aber ich habe keine oder nur flüchtige Beziehungen.

Was und wo ich sonst auch immer etwas treibe, ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich wirklich ein Vampir, der sich die längste Zeit seiner Untotenexistenz in einer Gruft erholen muss, ein traumloser Zustand, zumindest bleibt nichts im Gedächtnis haften. Wenn ich am See entlang spazieren gehe, fern vom Gelächter, erzähle ich mir oft meine Geschichte, die ich nur zu einem kleinen Teil kenne, aber meine ganze Existenz auszumachen scheint. Wer bin ich denn? Ich muss es mir immer wieder erzählen.

Was für ein untypischer Vampir ich doch bin. Ich werde nicht unruhig, weil mir Blut fehlt, ich werde unruhig, wenn ich in meine Gruft zurückmuss, hinter der grünen Tür. Finde ich dort Ruhe? Dies ist das Vampirmodell meiner Existenz, denn vermutlich bin ich nur ein Spieler der dekadenten Obersten Zeith, der gerne ausgelacht wird, weil man gerne in mir einen Trottel sieht. Streitet jeder ab. Gewissermaßen bin ich wohl rückständiger als die anderen, die Kinder ihrer Zeit zu sein scheinen oder Touristen einer noch ferneren Zukunft. Ich verstehe nichts von dem, was in Cern II passieren mag, von Prinzipien, die das Innerste zusammenhalten. Paul Haydn steht ratlos vor dem Pauli-Prinzip, nachdem sich zwei gleiche Teilchen aus dem Weg gehen, aber ich frage mich dann:

Woher wissen die Teilchen voneinander, dass sie gleich sind? Meine Frage danach produziert Gelächter. Ich habe es aufgegeben, die Welt zu verstehen und mein Interesse an diesem Pauli-Prinzip ist wohl auf die Namensähnlichkeit zurückzuführen. War zufällig mal darauf gestoßen, vielleicht habe ich es auch bei einer der Partys und Orgien aufgeschnappt. Ich bin mir bewusst, wenn ich meine Opfer ficke, dass eins der Mäuschen in CernII arbeiten kann und ihr Blut hergeben muss, um mit klarem Kopf ihre Arbeit im Center zu leisten. Keine Männer, keine Außerirdische, ich bestehe darauf, dass meine Opfer wirkliche Frauen sind – Programme sind auch ok. Unter den Vampirjägern, die mich meistens zur Strecke bringen, mag der ganze Kosmos vertreten sein, stört mich nicht.

Ein Van Helsing von Alpha Centauri sei mir recht. Touristen aus anderen Zeiten und anderen Räumen ist eh dasselbe, denn in der Weite des Kosmos verlieren sich die Unterschiede.

Es nähert sich der Nachmittag. Ich will noch meinen Spaß haben, bevor ich mich auf meine unbekannte Reise mache. Rothaarig und vollbusig soll sie sein.

Ich möchte umkehren, zurück zum Center. Auch eine leichte Erregung baut sich auf, ein Zeichen, dass mein Ende in der Obersten Zeith andeutet. Ich muss mich geschickt anstellen. Mir muss es gelingen, an den Titten des Fräuleins zu lecken. Ich muss das Fräulein verführen, ihre Rokokokleider abzulegen. Es beginnt mit einem gehauchten Kuss auf die Hand, deren weißen Handschuh mit höchster Erregung ich an mich genommen habe. Meine Zunge lauert erwartungsvoll, um dem Fräulein einen Kuss zu geben, der sie bereitwillig macht, sich in ihrem Mieder zu zeigen. Ich erahne ihre Oberschenkel, die sich um mich klammern könnten, um meinen weißen Saft auszupressen, eine kleine Explosion, die ich mit Stößen unterstützen werde. Das alles muss geschehen, bevor meine Häscher kommen. Ich wedele mit ihrem weißen Handschuh, schlage sie auf den Po. Sie soll feucht werden unter ihrem Mieder.

Zieh dich aus Fräulein, die weißen Kniestrümpfe zuerst.

„Es ist das erste Mal, dass ich ficke“, sagt sie in meiner Fantasie. Ich giere nach ihren Brüsten. Mache es Fräulein, mache es. Später wirst du den Männern zuflüstern: „Ich ficke gerne“, „Steck ihn tief in mir rein.“ Unter der Voraussetzung, dass Van Helsing sie rettet und sie von ihrem Vampirismus befreit. Das nette rothaarige Fräulein lechzte nach meinen Lippen und ich knete mit meinen Händen ihre großen Titten, um zu erfassen, an was ich saugen werde. Sie merkt es, dass die Dinger gefallen, die Jungfrau wird fallen. Ich knie vor ihr, schaue sie mit lüsternen Augen an und streife das Mieder völlig runter. Jetzt möchte ich ihre Milch saugen, während meine Finger ihr feuchtes Geschlecht stimulieren. Der Fick ist der letzte Kick vor dem Biss. Ich streife mit ihr durch Wälder, wo sie gerne ihren Arsch zeigt. Das Spiel wird nie langweilig.

Meine Fantasien sind wunderbar. Wunderbar, dass ich sie bald zur „Realität“ machen kann. Die Oberste Zeith ist alles andere als lustfeindlich. Ich werde sie beißen, ob ich darf oder nicht und letztendlich ist mir manchmal egal, ob die Jäger mich kriegen oder nicht und ich stehe schon ein wenig im Ruf, ein Spielverderber zu sein. Das Simulatron ist nur noch wenige Meter entfernt. Ich wähle ein Setting.

Ein Diener eines Grafen öffnet die Tür. „Lady Theresa erwartet sie schon, Mr. Haydn.“ Das Spiel kann beginnen.

3 (present)

Heute ist Samstag und ich habe weiß. Howard ist in der Regel recht pünktlich. Meine Schachpartie mit Howard ist immer der krönende Abschluss der Woche. Ich werde den e-Bauer ziehen und dann hat Howard die Wahl der Erwiderung. Dieser 6.10. ist ein regnerischer Tag, der 6.10.2018. Ich habe in meiner Jugend nicht gedacht, so alt zu werden. Howard kommt immer mit seinem Morris, den er abends hier nicht stehen lässt, obwohl wir in der Regel jede Menge Alkohol trinken.