Die Zeit vor den Anklagen - Heinz Andernach - E-Book

Die Zeit vor den Anklagen E-Book

Heinz Andernach

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Beschreibung

Die Pandemie hat den Erzähler noch schlafloser und einsamer gemacht. Die Ich-Erzählung, fast dann auch ein kleines philosophisches Traktat beschreibt einen Anwalt, der im Auftrag einer transhumanistischen Organisation Anklagen gegen Gott und die Evolution vorbereitet, die am Internationalen Gerichtshof in Den Haag verhandelt werden sollen. Die These: die Schöpfung war auch eine Schöpfung des Leids. Dabei nimmt er immer auch Bezug auf sein eigenes Leid, auch auf die durch die Pandemie verstärkte Einsamkeit, aber nicht zuletzt auch auf die Liebe zu einem Freund.

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„If I had been god with my staff and my rod If I had been given the nod I believe I could have done a better job“

Roger Waters Is this the life we really want

„the life is false, its killing me....“ Peter Hammill Modern

verkürzt aus der Wikipedia: Der Internationale Strafgerichtshof ist ein ständiges internationales Strafgericht mit Sitz in Den Haag. Seine Zuständigkeit umfasst die vier Kernverbrechen des Völkerstrafrechts, nämlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen der Aggression und Kriegsverbrechen...

Selbstverständlich würde der Internationale Strafgerichtshof die hier geschilderten Klagen nicht zulassen. Insofern ist folgende Geschichte eine eher surreale Erzählung.

Heinz Andernach November 2021

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

- 1 -

Bevor ich in media res gehe, die Vorbereitung der Anklagen und ihrer Hintergründe zu schildern, möchte ich in ein paar wenigen Seiten nur über mich schreiben, über meine speziellen Probleme und Schwierigkeiten mit dem Leben. Man wird meine Motivation, die Anklagen zu formulieren dann besser verstehen.

Die Pandemie hat mich zerfetzt. Ich hasse mich; zumindest manchmal. Ich hasse dieses Leben, mein Leben, wenn es nur darauf ausgerichtet scheint, darauf zu warten, irgendwann zu sterben. Solange wird es nicht mehr dauern, aber vielleicht werden die letzten Jahre besonders hart, besonders unangenehm.

Statistisch gesehen sind es noch 17 Jahre, die ich zu erwarten, zu warten habe. Eine ungesunde Lebensweise, in Vergangenheit und in der Jetzt-Zeit könnte diese Durchschnittszeit noch verkürzen.

Kann es mir egal sein oder soll ich mich gar freuen? Ich scheine zu müde zu sein, um mich grundsätzlich freuen zu können, aber das stimmt nicht ganz. Auch wenn die Müdigkeit wie ein Filter wirkt, der Positives nicht heranlässt, können gute Nachrichten das Stimmungstief abmildern, so wie schlechtes zur Verstärkung der Bedrückung führt, aber letztlich kreist meine innere Welt zu oft um die eigene Unerträglichkeit.

Es ist ein krankes Gefühl und ich bin mir nicht sicher, ob neben der Müdigkeit eine Depression wirkt. Eine Depression, eine von vielen, aber Depression ist nur ein Name, für einen Zustand vielleicht, aber sie ist kein Akteur. Eine Depression kann nicht auf die Anklagebank.

Vielleicht die Dämonen, die die Depression betreiben, aber gibt es die überhaupt? Das mit der Anklagebank sollte man nicht so wörtlich nehmen, aber ich erlaube mir, es zu tun und ich sehe sie auf einer Bank sitzen, diesen hässlichen Dämonen, der in noch ungeklärter Weise meine Depression in die Welt bringt, daneben der Tod mit der Sense, der Sensenmann, man kennt ihn und neben dem personifizierten Tod, ein schrecklich entstelltes Monster, das Leben.

Nein, ich bin mir also nicht sicher, ob sich eine Depression neben meiner Müdigkeit gesellt.

Die Ursachen: teilweise scheine ich sie zu kennen.

Mit Sicherheit habe ich ein Schlafapnoe, welche die Qualität des Schlafes mindert. Geringere Schlafqualität bedeutet häufigeres Aufwachen, möglicherweise eine geringere Schlaftiefe und da bin ich wieder bei der Qualität, aber das erklärt nicht die ewig langen Wachphasen, die ich während der Nacht habe oder am frühen Morgen, aber die auch schon vor dem ersten Einschlafen dauern. Dies verfolgt mich praktisch immer, außer ich nehme ein stark süchtig machendes Schlafmittel, dass anscheinend die langen Wachliegezeiten vermindert. Das Mittel ist eigentlich ein Angstlöser, aber ich scheine auch eine gewisse Angst vor dem Dunkeln zu haben, denn in besonderen Krisen und Zeiten „klassischer“ Krankheiten, wie Erkältung und Fieber lasse ich ein kleines Licht brennen. Mit Sicherheit, das bedeutet etwas.

In den Krisen der heftigsten Schlaflosigkeit fühle ich mich im Bett am wohlsten, auch wenn das scheinbar endlose Wachliegen unerquicklich und entnervend sein kann.

Oft habe ich dann nichts Sonderliches im Kopf, manchmal drehen sich dumpfe Gedanken im Kreis, manchmal sind es kleine, mitunter optimistische Pläne, die ich schmiede und eher selten habe ich sogar gute Ideen.

Was das Bett attraktiver macht als den Sessel: ich spüre wenig oder gar nicht die Unerträglichkeit der Müdigkeit.

Da ich in diesen Krisen bis zu 12 Stunden im Bett liege, muss ich betonen, dass ich in keiner Weise körperlich müde bin bzw. körperlich müde sein kann, sondern die Müdigkeit und ihre Folgen sind rein psychisch (obgleich das Gehirn ist Teil des Körpers). Wenn ich von Müdigkeit spreche, meine ich psychische Müdigkeit.

Schmerz, Angst, Trauer, Depression sind psychische Zustände, Ärger sollte ich nicht vergessen. Neid ist dann eher eine Haltung mit Potenzial zum Zustand.

Ich beneide die mit einem ungestörten Schlaf. Die, die sich freiwillig den Schlaf entziehen, weil sie mehr machen und erleben wollen, sind selber schuld. Ich beneide die Menschen ohne Schlafstörung, die wohl überwiegende Mehrheit, denn ich glaube nicht, dass vollständige Durchseuchung der Bevölkerung mit Schlaflosigkeit nicht publik wäre.

Gewisser weise beneide ich auch den Harzt-IV-Empfänger, der gut schläft, verkenne aber nicht, dass es gewichtige andere Probleme geben kann. Aber man ist immer selbst im Zentrum der Betrachtung.

- 2 -

Es sind dann oft gar keine Gedanken, die ich im Kopf habe und sich wiederholen, sondern sich wiederholende dumpfe Ohrwürmer, meist klassische Motive, Themen, die ich meist zuordnen kann, manchmal nicht und dann suche ich, um die Antwort nach Stück und Komponisten zu finden. Meist fällt es mir ein, das ist nach nervender Suche erfreulich und Hin und Wieder dem Einschlafen nützlich. Die Frage stellt sich natürlich, ob es sinnvoll wäre, aufzustehen, um kreativ zu sein, aber ich glaube, ich wäre sehr müde, eine Müdigkeit überfiele mich, die ich im low energy mode im Bett nicht verspüre. Ich werde es dann irgendwann ausprobieren.

Früher, und von daher muss es eine bessere Zeit gewesen sein, waren Träume oft interessante irgendwie besondere Träume, etwas, dass ich schätzte, heute fürchte ich sie, nicht nur der Inhalte wegen, sondern weil sie die Schlafqualität mindern und ich mich nach stärker wahrgenommenen Träumen gerädert fühle.

Hin und wieder stehe ich in den schlaflosen Nächten auf, fahre den Rechner hoch und schaue mir ein hochklassiges Gospiel an, bis in einer Phase, wo es mich langweilt oder die Müdigkeit zu groß ist. Kreativ ist das nicht, aber wäre es das, wenn ich für eine Stunde Tagebuch schreiben würden? Könnte ich in einem solchen Zustand wirklich schreiben? Selber Go oder Schach zu spielen erscheint mir dann beschwerlich. Die Weltformel werde ich dann auch nicht formulieren und aufstellen können, Versuche könnten an Escherkonstrukte erinnern, mit denen man sich oft genug in den Träumen beschäftigt; sie sollten aber nicht beängstigend oder nervend sein. Im Bett brauche ich sehr viel Geduld, nervenaufreibende Schlaflosigkeit im Bett ist dann wie gesagt oft angenehmer als der Tag danach, jedenfalls war das vor der Angst.

- 3 -

Nun laufen die Wellen der Pandemie schon über ein Jahr, vor einem Jahr konnte ich mir die Ausmaße noch nicht vorstellen, etwa ein Monat später war mir klar, dass ich betroffen sein würde und ich war es auch sehr schnell.

Es breitete sich ein Regime des Schreckens, der Depression und der Isolation aus. Das war im März 2020.

Praktisch jeder würde es kriegen, dachte ich nicht ohne Grund, denn unsere Immunsysteme kannten das Virus nicht, und im Focus meiner Betrachtung stand meine Mutter, denn schnell wusste man, dass sehr alte Menschen besonders betroffen waren. Ich selbst war ja schon älter, aber meine Mutter war besonders alt.

Im Sommer schien es nachzulassen, zumindest hier in Deutschland, was mich verwunderte, aber war in China die Ausbreitung nicht gänzlich gestoppt worden? Konnte man den Zahlen trauen? Das epidemische Geschehen in Deutschland hatte nachgelassen in dem Sommer, aber es war der Sommer, in dem meine Mutter starb. Sie starb nicht an Covid 19, aber mir scheint es so, dass die Isolierung der Menschen zu ihrem Tod einen großen Teil beigetragen hat. Mit diesem Virus flog mir die häusliche Pflege, die ich organisiert hatte, um die Ohren. Der Tod meine Mutter wäre aber eine eigene, traurige Geschichte. Sie ist jedenfalls stark mit diesem Virus verquickt.

Wir waren überrascht und erleichtert, dass das Geschehen nachließ, aber wir sprachen von der 2. Welle, die kommen würde, wenn diese Idioten aus Mallorca nach Hause gekehrt wären. Freuen konnte ich mich nicht, denn die tragischen Ereignisse um meine Mutter überschatteten alles.

Ein bisschen wie Sciencefiction fand ich alles von Anfang an und ich weiß nicht, wie viel Kindisches ich mir unterstellen muss, ich war Beobachter eines Sciencefictions und mitten drin. Machte der Kindskopf in mir alles für mich leichter? Im Anfang sog ich Informationen auf, aber ich wurde zunehmend ängstlicher und kränker. Die Isolierung führte zu einem völligen Abschalten. Ich boykottierte die Nachrichten, weil ich nichts mehr über Corona hören wollte, zudem interessierte ich mich nicht für Fernsehen im Besonderen, denn im Allgemeinen interessierte ich mich für nichts. Allerdings wollte ich meine depressive Stimmung überleben. Seltene Anwesenheit im Büro besserte meine Verfassung etwas.

Viele haben gesagt, die Pandemie sei Gelegenheit, einen Jahrhundertroman zu schreiben, was ich erstens nicht unbedingt finde und zweitens kann nicht jeder einen Jahrhundertroman schreiben.

Die Pandemie schärft allerdings den Blick für einiges. Die Isolierung, die zwangsweise geschieht, die man freiwillig aber noch verstärkt, indem man sich zum Beispiel fürs Homeoffice und gegen das Büro entscheidet, schärft das Bewusstsein für Einsamkeit und Einsamkeit gibt immer Stoff für Geschichten und Romane. Seit der Pandemie bin ich sehr einsam. Ich wollte zuerst „gänzlich einsam“ schreiben, aber das stimmt wohl nicht.

Die Pandemie – zuerst in Gestalt der Pflegerin – verbot mir meine Mutter zu besuchen und dann war sie tot.

Insofern bin ich nun besonders betroffen. Die Pandemie schärft auch den Blick für gesellschaftliche Prozesse, denn die Gesellschaft befindet sich im Ausnahmezustand.

Ich wunderte mich, dass sie alle die Masken tragen, die Alten, Kinder, die Migranten, die Gebildeten und die Ungebildeten. Nicht jeder schien sich aber um Abstand zu scheren. Es gab dann doch verschiedene Verhalten zu beobachten, in einem neuen Kontext, den es so noch nicht gegeben hatte. Und dann wurden Menschen, die man zuvor in vielen Belangen für vernünftig gehalten hatte, zu Coronaleugnern.

Die Politiker zeigten sich von einer neuen Seite. Was lehrte Corona über gesellschaftliche Dynamik? Die Erfahrungen waren für den einen oder anderen Schriftsteller sicher nützlich.

Inzwischen ebbte die zweite Welle hier ab, Impfstoffe waren entwickelt, aber nicht verfügbar und inzwischen informierte ich mich überdurchschnittlich über Corona, schaute auch viel Mist im Fernsehen. Trotz neuer Entwicklungen könnte es dennoch jeder kriegen.

- 4 -

Mit dem Sündenfall kam das Leid über die Menschen, so erzählt die Schöpfungsgeschichte der uns hier prägenden Kultur. Später starb dann am Kreuz Jesus für uns. Ihm gelang nach zwei Tagen die Wiederauferstehung und damit bekam unsere Kultur ein Jenseitsversprechen, die Erlösung vom Leid, nach dem Tod. Einige fühlten sich dadurch schon vorher euphorisiert. Hatte das Jenseitsversprechen die Kraft, das Leben schon vor dem Tod erträglicher zu machen? Ganz ohne Zweifel bewegte es Millionen von Menschen in ihrem Handeln, wenn es auch in der Vernichtung Andersgläubiger mündete.

Ich hatte zwei Prozesse zu führen, die man vielleicht in einem großen Prozess hätte zusammenführen können, aber als Anwalt der Anklage hatte ich mich entschieden, daraus zwei Prozesse zu machen, die ich am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag führen würde, im folgenden nur das Gericht. Man hätte die Prozesse auch am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führen können. Im Grunde waren es Prozesse in Abwesenheit, denn die Beklagten würden nicht anwesend sein. Das ist keinem Versäumnis geschuldet. Man konnte die Beklagten nicht inhaftieren und schließlich dem Gericht überstellen, aus prinzipiellen Gründen: In dem einem Fall ist es schon einfach zu erklären: der Angeklagte existierte nicht. In diesem Fall war Gott, der christliche Gott oder wenn man so will der abrahamitische Gott der Angeklagte, allerdings stellvertretend für alle anderen Götter, die die Menschheit im Laufe ihrer Geschichte erfunden hatten.

Im zweiten Fall ist es sogar unstrittig, den Angeklagten oder sagen wir besser die Angeklagte nicht zu personifizieren. Ich spreche hier von der Evolution als eine Art Inkarnation der Natur. Zweifellos und das würden auch meine größten Kritiker bestätigen, existiert so etwas wie Natur. Ihre Inkarnation, die Evolution ruft dann solche auf den Plan, die ihre Existenz abstreiten. Das sind dann meistens ausgerechnet die, die genau wissen, dass Gott existiert.