Frühe erotische Erzählungen - Heinz Andernach - E-Book

Frühe erotische Erzählungen E-Book

Heinz Andernach

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Beschreibung

Dieser Erzählband beinhaltet zwei erotische Erzählungen aus dem Jahr 1994, die aber unterschiedlicher nicht sein können. Die erste, Randwelt ist sicher die Anspruchsvollere und neben dem Sex spielt anderes eine gewichtige Rolle, insbesondere Einsamkeit und Isoliertheit. Sie ist anspruchsvoller, kommt aber mit einem sehr bizarren setting. Die zweite Erzählung, Sextalk, ist die längere, aber wie der Titel schon andeutet, geht es nur um Sex, dies alles mit einem bisschen Humor und Witz versehen. Sie will nur unterhalten.

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Inhaltsverzeichnis

Randwelt

Sextalk

Randwelt

Fantastisch-erotische Erzählung

© 1994 Heinz Andernach

1.

Ich bin Philosoph und bin in Urlaub. Es ist jedes Mal dasselbe. Alle scheinen zu wissen, was ich tue, sprechen über mich. Manchmal sind die Allwissenden aber gar nicht so allwissend, geben Vermutungen ab.

Ich habe mich vom Rande in eine etwas stärkere Zentrumslage bewegt, in der man sich sehr geschäftstüchtig gibt. Besonders bei jüngeren Frauen fällt mir das auf. Ich habe noch nie so viele junge, meist schöne Frauen allein gesehen. Männer sieht man selten alleine. Ich bin wohl der einzige Mann, bei dem das auffällt.

Andere Urlauber treten auch paarweise auf oder in Gruppen. So behalten sie eine gewisse Geschäftstüchtigkeit oder erwecken zumindest den Anschein. Ich habe meine Geschäfte zu Hause gelassen, quasi am Rande. Meinen philosophischen Arbeiten gehe ich im Stillen nach. Ich mache dazu Wanderungen oder sitze auf dem Klo. Hin und wieder bin ich schlaflos, wenn Schmerzen mich daran erinnern, dass ich meinen Geschäften nicht immer nachgehen werde.

Ich lebe gewöhnlich in einer absoluten Randlage. Von allen neun Kontinenten lebe ich auf dem Randkontinent. Es ist quasi der Außenseiterkontinent auf einer Außenseiterwelt. Die Bevölkerung unseres Planeten hat es nach Jahrhunderten geschafft, als friedliche, multikulturelle Gesellschaft zusammenzuleben.

Bei diesem Thema fange ich an zu übertreiben. Wir sind wirklich nicht gewaltfrei, es gibt aber nicht mehr die hochorganisierten, zentralen Gewalten, die drohen, sich gegenseitig zu vernichten. Es gibt nur noch die vernetzte kommunale Polizei und die vernetzte Mafia, die als organisierte Gewaltträger auftreten.

Ja, ja, Armut bringt einiges an Problemen mit sich, nicht jeder kann damit umgehen. Armut ist wie eine Droge. Gut, gut, Reichtum ist auch eine Droge, sie wirkt aber anders.

Von allen neun Kontinenten lebe ich - wie gesagt - auf dem Außenseiterkontinent. Das ist gar nicht so einfach, wenn man sich auf einer Kugeloberfläche befindet, denn nichts anderes stellt unser Planet für uns dar. Unser Kontinent ist der kleinste. Ich erlaube es mir, im Zentrum unseres Randkontinentes zu leben, aber hier ist das topographische Zentrum wiederum die Randlage, da sich das Gros der Bevölkerung an der Küste angesiedelt hat - irgendwann einmal.

Küsten stellen zwar topographische Randlagen dar, aber sie sind das Zentrum unseres Lebens. Man braucht etwas Distanz, um darüber nachzudenken. Die Menschen unseres Kontinents vergessen oft ihre Randlage, wie wir alle vergessen, dass unsere Welt die absolute Randlage darstellt.

Wir haben eine nette, orangefarbene Sonne, die Abstand genug hält, damit wir uns noch bemerkbar um unsere eigene Achse drehen. Astronomisch betrachtet befindet sich dieser Stern ebenfalls am Rande, wie sollte es auch anders sein. Sonst würde ich vermutlich nicht hier leben. Das ist eine Theorie von mir, die man mal kritisch durchleuchten sollte. Unsere Sonne befindet sich am äußersten Rand der Galaxis: Zur anderen Seite befinden sich vielleicht noch ein paar Sterne, die vermutlich keine lebensfähigen Planeten an sich binden, da bin ich sicher.

Ein bekannter Astronom hat einmal geschätzt, dass nur zehn Planeten wie unserer in der ganzen Galaxis existieren. Ich bin mir sicher, dass unsere Galaxis sich in einer absoluten Randlage in ihrem Haufen befindet, und so fort. Ich bin astronomisch sehr interessiert.

Das Spiel könnte sich so fortsetzen. Mit ein wenig Glück könnte ich die größte Randerscheinung des Universums sein. Manches wundert mich. Wieso wird eine topographische Randlage wie die Küste zum begehrten Zentrum des Kontinents?

Alleinstehende Männer sind hier sehr begehrt, Mädchen mit schnippenden Fingern, der Daumen nicht unbeteiligt, gehen an mir vorbei. Ich habe nie Zeit zu reagieren, ich vermute, auch nicht das Geld. Philosophen sind generell langsame Menschen und meistens arm. Die Randerscheinung bietet meiner Ansicht nach die beste Vorbedingung für tiefe philosophische Erkenntnisse, menschliche Distanz lässt besser über die Menschen reflektieren. Allerdings macht sie schüchtern, vielleicht auch einsam.

Ich bin ehrlich, ich komme mit den Menschen nicht zurecht, ihre Randlosigkeit kann manchmal erschreckend sein. Ich bewege mich unsicher durch die sonnigen Küstenstädte. Die Aktion um mich herum raubt mir den Schlaf. Meine Gedanken reflektieren sich in den Stimmen, die von draußen in mein Zimmer dringen. Sie lassen mir keine Ruhe.

Ich gehöre nicht zu den reichen Gelehrten meiner Zunft, wenn ich dieses schon sehr veraltete Wort gebrauchen darf. Als Philosoph liest man ja auch ziemlich altes Zeugs. Ich bin keiner, der sein Wissen oder seine Weltanschauung für gutes Geld verkauft, in Fernsehshows auftritt oder in First-Class-Hotels Urlaubern gute Ratschläge gibt. Mein persönlicher Traum war es nie, persönlicher Berater eines Tycoons zu sein. Nein, das wollte ich nie!

Aber so werde ich mir nicht die eine der beiden Rollschuhfahrerinnen leisten können, die im Partnerlook an mir vorbei sausten, während ich, nachdem ich irrtümlich schon den offenen Verschluss des Tischessigs aufgeschraubt hatte, auch den des Öls aufschraubte. Sie waren dunkel und neckisch gekleidet, trugen schwarze Hotpants. Ich hatte keine Zeit zu sehen, ob sie mit Daumen und Zeigefinger typische Handbewegungen machten. Die Dunkelhaarige interessierte mich besonders.

Kein Geld für die beiden, die für mich die Attraktion des kleinen Städtchens sind, in dem ich mich zurzeit befinde und das mir keine Ruhe lässt. Ins Zentrum der Küstenlandschaft habe ich mich nicht getraut, das Ganze raubt mir ja hier schon den Verstand. Ich hoffe es ist alles eine Gewohnheitssache, sonst wäre ich schizophren, und für diesen Fall hätte ich schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Trotz mancher Verwirrung bin ich davon überzeugt, manchmal einen scharfen Verstand zu besitzen. Es ist natürlich unseriös, sich selbst einen solchen zuzubilligen, aber im Laufe seines Lebens bekommt man ja Resonanz, andere als die, die sich jetzt in meinem Kopf abspielt und nur ein müder Versuch ist, mich in die Bedeutungslosigkeit zu begeben. Ein müder Versuch nicht zu sehr an die Rollschuhfahrerinnen zu denken. Ich bin zurzeit viel zu müde für meinen Urlaub, so sieht es aus.

Vielleicht werde ich ja auch irgendwann zu müde sein für diese dämlichen Reflexionen, aber ein bisschen Aufregung, die neben dem liegt, was mir meine Arbeit bietet, wäre ganz gut. Ein kleines erotisches Abenteuer nach monatelanger Abstinenz könnte nicht schaden. Mit den Käuflichen habe ich so meine Probleme. Ich würde mich gerne mit ihnen unterhalten, denn es hat mich schon immer gereizt, an einer Philosophie der Prostitution zu arbeiten. Auch hat es mich wohl immer gereizt, mit Prostituierten zu schlafen. Warum sonst mein Wunsch, sie kennenzulernen? Selbst diese Motivation, über sie philosophieren zu wollen, kann nur dem tieferen Wunsch entstammen, mich auf das aufregende Abenteuer des immer neuen Sexes einzulassen, der ein wenig der Käuflichkeit entweicht.

Ich habe über eine kleine Philosophie der Liebe nachgedacht, und obwohl ich dieses Problem nie professionell angegangen bin, sind Vorstellungen über Liebe in mir tief verwurzelt. Vielleicht glaube ich an die Liebe, weil ich zu geizig bin, vielleicht glaube ich an sie, weil ich einfach arm bin. Ich möchte nicht zu viel verraten über meine Person, und dennoch tue ich es manchmal. Jeder verliert auf seine Weise.

Beim Essen verrät mir die nette Bedienung, dass die Mädchen, die den Daumen hochstrecken, zu haben sind. Was immer das auch für mich heißen mag. Wen kann ich schon haben? Meine körperliche Attraktivität reicht nicht aus, um meine Unsicherheit, meine mangelnde Ausstrahlung auszugleichen. Und mein Intellekt, gleichwohl in verschiedenen Disziplinen geschult, soll in sozialer Hinsicht gegen null tendieren, sagte ein Freund, der es schließlich vorzog, in das Zentrum unserer Randwelt zu ziehen.

Allgemein gelangweilt läuft bei unserer gebildeten Bevölkerung die Diskussion über unseren besonderen Status in dieser Galaxie. Nun ja, diese Galaxie ist wirklich sehenswert. Während wir im Sommer nur ein oder zwei Sterne und ein paar Planeten zu Gesicht bekommen, deren Isoliertheit mich erschaudern lässt, ist der Nachthimmel im Winter mit einer Vielzahl von Sternen gefüllt und ein breites milchiges Band lässt die Galaxie erahnen.

Unglücklicherweise besitzen die im Winter Geborenen kein Sternzeichen, sodass die Astrologen bei diesen leer ausgehen. Clevere Astrologen bieten den Unzufriedenen Wahlsternzeichen an, und ich finde es nicht verwunderlich, dass viele sich das Sternzeichen Ameise aussuchen. Dieses Sternzeichen steht für beharrliches Vorwärtskommen und ein geregeltes soziales Leben. In meinem jugendlichen Übermut hatte ich das Sternzeichen Einsiedlerkrebs gewählt, das als wenig gesellig gilt. Wem sage ich hier etwas Neues?

Heute würde ich das Zeichen nicht offen an der Kette tragen. Es gibt zu viele Vorurteile. Vielleicht habe ich ja mal das Glück, eine passende Frau zu finden, vielleicht findet eine ja auch mich. Ich wäre bereit meine Randlage aufzugeben, weniger zu arbeiten und so weiter.

Ich habe ein Zehn-Jahres-Abonnement von Body, der führenden Männerzeitschrift. Das verdirbt etwas den Charakter, wenn man allein lebt. Man sieht allerlei angezogene und nackte Frauen, die nach Marktkriterien ausgesucht worden sind. Diese Zeitschrift ist für Männer gemacht, was immer das auch heißen mag. Jedenfalls werden diese Zeitschriften hauptsächlich von Männern gekauft, und die Photographen suchen sich die Mädels aus, die die Auflage stabil halten. Ich bevorzuge die Body, weil meiner Meinung nach die Mädchen am meisten Charakter zeigen. Body ist nicht ein x-beliebiges Arsch- oder Tittenblatt.

Vor Jahren hat es in dieser Zeitschrift mal einen Essay von mir im populärwissenschaftlichen Stil über den Sinn von Sex in einer Randwelt zu lesen gegeben. Ich war mächtig stolz. Von da an wurde ich zum Stammkunden von Body, die nicht besonders teuer zu sein braucht, um Profite zu machen. Das spricht nicht gegen das Blatt. Auf unserem Kontinent haben Männerzeitschriften ein gutes Niveau. Ich weiß allerdings nicht, ob mein Essay damals auch gelesen oder verstanden wurde, jedenfalls wurde er ausgesucht, weil man annahm, damit die Auflage stabil zu halten. Obwohl ich an meiner Schreiberqualität sonst nicht zweifle, habe ich diesbezüglich doch meine Zweifel.

2.

Ein paar Tage vergingen, die ich im permanenten Suff verbrachte. Der Suff ist das Einzige, was ich mir leiste, und er ist in der Regel bezahlbar. Diesmal aber kam es teurer, denn meine ungestillte Liebe zu den Frauen hatte mich zu besinnungslosem Trinken geführt, das angeschnallt in einem der gut eingerichteten Krankenhäuser endete.

Man würde mich mehrere Tage festhalten, und jeder Tag würde mich ein Vermögen kosten. Als Philosoph einer Randlage verdient man nicht genug, um sich solche Exzesse leisten zu können. Wieso konnte ich überhaupt leben? Es war mir immer ein Rätsel, dass ich mit meiner brotlosen Kunst nicht verhungerte. Wir leben nicht in einem Sozialstaat, hier gibt es keine Renten, nicht das, was man Sozialhilfe nennt. Hier muss alles erobert werden.

Die sozial Schwachen, die Außenseiter, die, die nicht in der Lage sind, für sich selbst aufzukommen, müssen von ihren Familien getragen werden. Anders geht es hier nicht!

Ich habe keine Familie, keine Freunde, bis auf ein paar Intellektuelle, die auf dem Kontinent verstreut sind und mit denen ich im elektronischen Briefwechsel stehe. Ich habe meine Brieffreunde noch nie gesehen, aber es sind die einzigen Freunde, die ich habe. Warum ist das so? Bin ich solch ein unsozialer Mensch, den die anderen meiden? Ich lebe für meine Arbeit, und der Zufall will es, dass sich manchmal einen Dollar verdienen lässt. Habe ich heimliche Gönner? Ich weiß es nicht. Manchmal bekomme ich kurzfristig einen Lehrauftrag, man verlangt ein Gutachten von mir oder ich gebe Unterricht.

Jedenfalls reichte das Geld der letzten Zeit, um mir diesen kleinen Urlaub leisten zu können. Nach langer Zeit war in mir das Bedürfnis gewachsen, mich aus der absoluten Randlage fortzubewegen. Am liebsten hätte ich ein Raumschiff genommen oder eine Beam-Station, die mich ins Zentrum des Geschehens, ins Zentrum der Milchstraße gebracht hätte. Ich liebe die Gegensätze.

Jahrelange Isolation in der Randlage lässt solche Bedürfnisse, wie im Mittelpunkt zu stehen, bei mir wachsen. In dieser Hinsicht bin ich ein Extremist.

Ich wollte auch den sexuellen Exzess nach meinem Einsiedlerleben, aber wie hätte ich ihn mir leisten können? Ich konnte ihn mir nicht leisten. Die Idee, meinen Urlaub im Zentrum der Galaxie zu verbringen, war natürlich eine absolute Schnapsidee. Auf unserem Planeten gab es keine Raumschiffe oder Raumstationen. Sie existierten nur in unserer kollektiven Phantasie.

Besonders in meiner, hatte ich mich doch bewusst in die Randlage der Randlagen begeben, um arbeiten zu können. Der Trip zu einer Zentralwelt der Milchstraße: ein Traum. Nicht ohne philosophischen Hintergrund. Aber wie das so ist, ich konnte mir noch nicht einmal die Reise zu einem der Zentrumskontinente leisten. Nein, ich würde meinen Urlaub auf meinem Kontinent verbringen. Aber meine Erlebnisse an der Küste sind so überwältigend, dass ich mir vorkomme, als befände ich mich im Zentrum des Lebens, obwohl es nur die Küste des Außenseiterkontinents ist. Und es ist nur eine sehr junge Rollschuhfahrerin hier in Tossa, die mich vollständig um den Verstand gebracht hat. Ich bin gewiss zwanzig Jahre älter als sie. Ihretwegen habe ich mich so maßlos besoffen. Bin ich so vernarrt in die Kindheit, in die Jugend, dass ich versuche, diese mit der Idee der Sexualität zu füllen?

Warum entsteht die Sehnsucht nach einer Sechszehnjährigen? Ihre Freiheit und ihre natürliche Lebenslust locken mich. Aber vielleicht sind die Mädchen auch schon drogensüchtig. Man weiß doch, dass die Jugendlichen in den Küstenstädten sich die neuen Drogen antun, von denen ich manchmal zu träumen wage. Die Drogen, die eine Person nach außen wenden, die selbst aus einer introvertierten Person wie mir ein extrovertiertes Etwas machen, so sagt man.

War nun die Euphorie des Rollschuhmädchens natürlich oder einer Droge zuzuschreiben, egal, sie brachte mich um den Verstand. Um den Verstand brachte mich auch der Alkohol, den ich in meinem billigen Hotelzimmer zu mir nahm, um vielleicht meine Bedürfnisse zuverdrängen oder mir Mut anzutrinken, um sie dann anzugehen und zu verwirklichen.

Wie wollte ich die Liebe einer sechszehnjährigen Rollschuhfahrerin gewinnen, die für alles andere ein Bewusstsein entwickelt hatte, aber nicht für ihre Schönheit. Wie sollte sie wissen, dass sie schön war?

Ich sitze in einem der Restaurants an der Uferpromenade, die abschüssig ist. Die Touristen drängen sich an den Tischen und essen ihre Touristenmenüs. Ich achte darauf, Produkte des Meeres zu essen, denn sie sind gesünder als die Fleischprodukte, die in den zentralen Mastanlagen gewonnen werden, und zugleich sind sie in einem sehr alten Sinne auch Symbol des Lebens. So ist das nun mal, auch hier in dieser Randwelt.

Eine Rollschuhfahrerin in einer Randwelt. Gut möglich, dass sie sich hier in Tossa, auf einem Randplaneten am Rande der Milchstraße als Mittelpunkt vorkommt - mit oder ohne Drogen.

Abschüssig ist es da, wo ich sitze und mein Essen zu mir nehme. Mit etwas Anstrengung nehmen die Rollschuhfahrer den Hügel, um ihn triumphierend hinunterzurasen. Es sind meist zwei oder drei. Beim Runterfahren macht meine Rollschuhfahrerin in ihren schwarzen Hotpants die Beine breit. Das macht sie sicher ohne jede Überlegung, dass dies eine sexuelle Botschaft sein könnte.

Für mich aber ist es eine sexuelle Botschaft, ganz unmissverständlich. Ich mache mir Gedanken, ob sie Geld für die Liebe nimmt, Geld, das ich nicht habe und über Gefühle, die ich mir somit nicht leisten kann. Die Unerreichbarkeit meiner Rollschuhfahrerin treibt mich in den totalen Suff.

3.

Ich ziehe an den billigen Vorstadtpornokinos von Tossa vorbei, die ich mir hätte leisten können. Mir widerstrebt es, in diese Absteigen der seelischen und sexuellen Verlassenheit hineinzugehen, obwohl ich das Geld dafür habe. Da saufe ich lieber. Diese Pornokinos können mir keine Illusion bieten. Sie wären nur eine verzerrte Reflexion meiner Isolation, und das brauche ich mir nicht anzutun. Da lege ich mich lieber an den überfüllten Strand, obwohl ich die heißen Strahlen der Sonne fürchte. Morgens hat man noch eine Chance, ein freies Plätzchen zu erobern. Ich bewege mich mit meinen Strandsachen durch die Gässchen des Badeortes, sehe die verführerischen jungen Frauen, braun gebrannt und in zu knapper Kleidung, wie sie mich mit ihrer Erscheinung und den schnippenden Fingern umgarnen. Mein Berufsethos und mein knapper Geldbeutel lassen nur das Anschauen zu, und mir scheint, die kurze Zeit des Passierens lässt mir auch keine Zeit zu reagieren. Ich bin ein langsamer Mensch. Am Strand wäre mehr Zeit.

Nirgends kann ich meine Rollschuhfahrerin entdecken. Vielleicht geht sie zu dieser Zeit in die Schule. Wenn ich einen Platz gefunden habe, dauert es nicht lange, bis die benachbarten freien Stellen mit jungen Strandschönheiten belegt sind.

Hier wäre nun Zeit genug zu agieren oder zu reagieren. Aber die Damen lesen ihre Frauenzeitschriften, und ich konzentriere mich auf ein philosophisches Werk, das ich mir für den Urlaub aufgebürdet habe. So richtig Urlaub machen kann ich nie. Eigentlich sollte diese Reise an die Küste ein Katalysator für meine Arbeit sein, doch es war ein Schock, der Gegensatz zu viel. Hier fühle ich mich im Zentrum des Lebens, im Mittelpunkt des Universums, obwohl ich meine extreme Randlage nur ein wenig verändert habe. Wir sind hier noch immer am Rand der Welt.

Dies wird mir sehr deutlich, wenn ich hier in meinem Restaurant an der Uferpromenade sitze, die Nacht einbricht und der klare Himmel schwarz bleibt. Ach, könnte ich doch nur die Milchstraße sehen! Dort ist das wahre Leben, auch wenn ich mir nicht viel an Erkenntnisfähigkeit von solch einem Ort verspreche. Aber immer wenn ich die Milchstraße und die benachbarten Sterne betrachte, die diesem Zentrum einige zehn oder einige hundert Lichtjahre zugewandt sind, erwacht in mir die Sehnsucht, das wahre Leben kennenzulernen.

Dafür würde ich nur zu gerne auf Erkenntnis verzichten. Das wahre Leben spielt sich vermutlich im Zentrum der Galaxie in einem sehr großen Ameisenhaufen ab. Könnte eine Position zentraler sein? Ich denke allerdings selten an Ameisenhaufen, wenn ich die Milchstraße betrachte. Dies ist für mich ein zentraler Moment.

Ich sitze da, reagiere innerlich etwas nervös auf die allgemeine Betriebsamkeit, aber der Anblick meines Essens und Gedanken an die zurzeit unsichtbare Milchstraße halten dagegen. Ich picke nach einer Muschel, als die Rollschuhfahrerin vorbei rast. Ich wünsche mir, alle Erkenntnisfähigkeit ins Wasser werfen und mit ihr zu den unbekannten Zentralwelten aufbrechen zu können.

Vielleicht wünscht sie sich auch nichts anderes, als in die einzige Megapolis unseres Planeten zu ziehen. Dort leben viele Millionen Menschen, dort spricht man viele Sprachen. Sie wird nicht an die Milchstraße denken, wenn sie an mir vorbei rast. Sie wird auch nicht an mich denken. Ich weiß nicht einmal, ob die jungen Frauen an mich denken, die neben mir am Strand liegen, sich in der Sonne räkeln, sich mit den Körbchen ihres Oberteiles beschäftigen, wenn sie eins tragen, und ihre Frauenzeitschriften lesen.

Hier wäre eine Chance zu handeln, gäbe es nicht meinen philosophischen Ethos und meinen knappen Geldbeutel. Unbestreitbar, die Frauen haben es auf mein Geld abgesehen. Sie sind jung, schön, attraktiv. Was wollen sie von einem fast ältlichen Mann, der sich mit blasser Haut aus Furcht vor dem Leben in eins seiner philosophischen Werke vergräbt? Nicht dass ich in so einer Situation eine Zeile, die ich lese, verstehe oder behalte. Ich zeige mich lesend, das ist alles.

Für wen? Selbstverständlich für meine Strandschönheiten, mein Publikum. Riechen die denn nicht, dass ich kein Geld habe? Ich lese die Sätze mehrmals und verstehe sie nicht. Die Frauen lesen ihre Frauenzeitschriften, und ich nehme an, sie verstehen die Sätze, die sie lesen, aber sie interessieren sich vielleicht mehr dafür, was ich mache. Sie können nicht wissen, dass ich nichts mache, außer Sätze zu lesen, die ich hier nicht verstehe. Nun, manchmal begebe ich mich ins Wasser und schwimme eine halbe Stunde. Das ist gut für meinen Körper. Ich lese die Sätze, die ich nicht verstehe und schiele ab und zu auf die Brüste, die die Schönen mir sicher bereitwillig zeigen. Ich vermeide es aber, eine Erektion zu zeigen. Wenn ich schwimme, schaue ich mir die Szenerie am Strand an. Sie wirkt dann beschaulicher.

Vielleicht sollte ich wirklich mal in eins der Stripteaselokale gehen, die nicht so billig scheinen wie die Pornokinos. Vielleicht würde ich eine der Strandnixen als Tänzerin wiederentdecken.

Wenn ich schwimme, gewinne ich etwas Abstand, denke aber auch an die Menschen, die mich wirklich bewegen. Unter dem blauen Himmel denke ich selten an die Milchstraße, dafür aber an die Rollschuhfahrerin. An eine bestimmte Situation.