Die Entführung nach Real World - Heinz Andernach - E-Book

Die Entführung nach Real World E-Book

Heinz Andernach

3,8

Beschreibung

Dies ist eine Satire um die Nikotinsucht, gekleidet in eine Science Fiction-Farce: Ein Kettenraucher wird von einem UFO entführt, in dem rauchen unerwünscht ist. Nur in der virtuellen Welt "Real World" kann der Protagonist, ein typischer Antiheld und Einzelgänger, seiner Sucht nachgehen.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

- 1 -

Martin befand sich auf dem Nachhauseweg. Wenn man das Alter von 29 erreicht hat, sollte man in der Lage sein, den Nachhauseweg alleine anzutreten; aber selten ist es interessanter, ihn alleine anzutreten als beispielsweise zu zweit. Martin empfand ähnlich. Diese Art von Einschätzung, die auf einiger Erfahrung beruhte, hielt ihn aber nicht davon ab, seinen Heimweg meistens alleine anzutreten. Wenn man 29 ist, hat man auch das Recht, den Heimweg alleine im Dunkeln anzutreten.

Ein seltsamer Brauch der Erwachsenen erlaubt es, den Heimweg schwieriger zu gestalten, so wie man bei Computerspielen das Level anhebt, um den Schwierigkeitsgrad des Spiels zu erhöhen.

Jener Brauch führt die Menschen in Kneipen, in denen man sich für viel Geld betrinkt. Manche machen daraus ein Spiel, das vielerorts Kampftrinken genannt wird und das es verdient hat, auf die Liste jugendgefährdender Spiele gesetzt zu werden. Pläne, das Spiel für Erwachsene zu verbieten, stehen nicht zur Diskussion. Wenn man erwachsen ist, sollte einem auch das Recht gewährt werden, sich zugrunde zu richten.

Erwachsene verstehen dies auch besonders gut; denn es gibt ein anderes Spiel für Erwachsene, das Krieg genannt wird und die edelste Art ist, sich zugrunde zu richten. Es ist aber zudem durchaus möglich, in individueller Weise gewalttätig zu werden; und auch ohne zu morden, zu vergewaltigen oder zuzuschlagen ist es einfach, dem anderen das Leben zur Hölle zu machen.

Nach dem Erwachsenendasein folgt gewöhnlich der Tod. Ist es da nicht bloß konsequent, durch Gewalt, Gift und Gewehr, durch Fleisch, Schnaps und Nikotinstängel das Leben zu verkürzen? Und wen schert das schon, ist man doch mit seiner eigenen Hölle beschäftigt.

Himmel, Hölle und Erde sind nicht ausschließlich Begriffe irgendeiner Religionswissenschaft, sondern vornehmlich Alltagsbegriffe, aber die Religion versteht es, Himmel und Hölle jenseits des Lebens anzusiedeln, um davon abzulenken, dass die Menschen sich schon im Diesseits oft in einer Hölle befinden und der Himmel auf Erden selten ist.

Martin hatte sich seinen Heimweg ganz schön schwierig gemacht. Er hatte viel gesoffen, und das war auch nicht unbedingt untypisch für ihn.

Wenn man mehr als eine gewisse Alkoholmenge zu sich genommen hat, ist ein Heimweg schon problematischer, da man sein Auto und streng genommen auch sein Fahrrad nicht mehr benutzen darf. Über das Trinken vergisst man die Zeit und ist daher oft nicht imstande, sich nach dem Busfahrplan zu richten. Führt das Trinken nahe an die Besinnungslosigkeit, ist es nicht “ohne”, ein Taxi zu organisieren und sich daran zu erinnern, wer man ist, wo man wohnt und das Ganze artikulieren zu können.

Die höchste Herausforderung ist es, in solch einem Zustand nach Hause zu gehen.

Martin war stark angetrunken. Es wäre aber stark übertrieben, wollte man seinen Zustand in die Nähe von Besinnungslosigkeit rücken. Er war also durchaus in der Lage, den Heimweg zu Fuß anzutreten, diesmal aber war es doch etwas schwieriger, da er nicht allein war, aber es war auch interessanter. Er war viel zu oft diesen Weg alleine nach Hause gegangen, ähnlich betrunken wie jetzt, aber letztlich war es immer unproblematisch gewesen, den Weg zu finden und die Empfindungen, die er dabei hatte, hatten wenig mit denen zu tun, die er alleine auf dem Schulweg gehabt hatte.

Wenn man in Begleitung einer Frau war, mit der man Sex haben wollte, waren die Empfindungen komplett anders. Man kann es Martin nicht verdenken, dass er nicht an seine Schulwege dachte, sondern euphorisch seinem Ziel entgegen strebte, sehr auf der Hut, keine Fehler zu machen, die die Unternehmung, Sex zu haben, gefährden konnten. Obwohl er witzig war, versuchte er witzig zu sein, aber da die Frau, die er im Arm hatte, ebenso stark angetrunken war, und vielleicht nicht mehr wusste, wo sie zu Hause war, fiel die Mischung aus gekünstelter und natürlicher Stimmung nicht weiter auf.

Endlich! Endlich eine Frau! Erste, fast stürmische Kontakte mit dem anderen Geschlecht hatte er in der Kneipe gemacht. Er hatte Bea dort zum ersten Mal gesehen. Die Stimmung in der Kneipe war gut gewesen. Es ist nicht leicht, dies zu erklären, da alleine der Umstand, dass man trank, als Erklärung nicht ausreicht. Dies waren die Randbedingungen für Martin um Bea kennen zulernen, sie anzusprechen, zur Sache zu gehen.

Warum gelang das nicht immer? Martin gelang es sogar äußerst selten. Er war seit mehr zwei Jahren solo und hatte es in der Zwischenzeit zweimal zum “One-Night- Stand” gebracht. Nicht dass er einem “One-Night-Stand” nichts abgewinnen konnte, im Gegenteil; aber irgendetwas an seiner Wesensart verhinderte, dass solch ein Glücksfall häufiger eintrat.

Die große Liebe, irgendeine Beziehung war sowieso nicht in Sicht gewesen, wenn auch bei den Affären immer ein wenig die Hoffnung mitgeschwungen hatte, dass aus dem nächtlichen, überraschenden Sex etwas Festeres erwachsen würde. Die beiden “One-Night-Stands”, die Martin hatte, waren dann auch mit Enttäuschungen verbunden, aber deren Schmerzen waren verdrängt, sodass Martin blind und aufgeregt in die nahe Zukunft blickte. Blind, weil sich vor seinem geistigen Auge keine Vorstellung abspielte, was in den nächsten Stunden und Tagen passieren würde.

Seine Aufgeregtheit war auf seine Unwissenheit zurückzuführen, vielleicht aber auch unmittelbar auf diesen primären Trieb, der von einigen mit Sünde verbunden wird. Dieser Trieb hatte es geschafft, in den Millionen Jahren seitdem er existierte, viel Unheil über die Welt zu bringen. Wer denkt dabei nicht an die vielen zu kurz gekommenen, die auf der Strecke blieben?

- 2 -

Martin freute sich auf Bea. Es war unausgesprochen, aber völlig klar, dass sie versuchen würden, miteinander zu schlafen. Das erste Mal war immer eine Reise ins Unbekannte, besonders wenn das letzte Mal, wie bei Martin, über ein Jahr her war. Bea hatte sich nicht darüber geäußert, wie groß ihre Durststrecke war.

Der Alkoholspiegel nahm ihm alle möglichen Versagensängste, die bei einer solchen Unternehmung mitschwingen können, machte es aber nicht unbedingt wahrscheinlicher, ein erfolgreicher Liebhaber zu sein.

Da Martins Anmache über Stunden gedauert hatte, war eine gewisse Müdigkeit als Spielkomponente hinzugekommen, die zusammen mit dem Fässchen Bier, das er getrunken haben musste, eine überaus große Sensibilität versprach. Jedenfalls konnte er noch scherzen, und es schien so, dass er nicht nur alleine über seine Scherze lachte. War sie ein erfahrener One-Night-Stander? Bekam er -trotz Fass- den One-Night-Ständer, der unabdinglich war, seine Statistik aufzubessern?

Würde das Fässchen aus ihm einen nassen Sack machen, an dem die Schwerkraft zerrte, der zwar fast weich auf einer erwartungsvollen Frau liegen könnte, nicht aber mehr. Diese, zwar auch angetrunken, war sicher noch in der Lage, einen schweren Sack von einem vernünftigen Liebhaber zu unterscheiden. Wenn größere Mengen von Brauereiprodukten mit beteiligt waren, empfahlen sich vielleicht andere Stellungen, die die zur vorgerückten Stunde stärker gewordene Schwerkraft berücksichtigten und ihr möglichst wenige Angriffspunkte gaben. Warum sollten sie es nicht machen wie die Brauereipferde?

Nachdem man sich kennengelernt hatte, war man durchaus zielstrebig gewesen und hatte zu einer unbekümmerten Hemmungslosigkeit gefunden. Martins Hand hatte Bekanntschaft mit ihren Hinterbacken gemacht, die aber noch gut und sicher verpackt in einer Jeans und vermutlich zusätzlich noch in einem reizvoll anzuschauenden Höschen steckten.

Jetzt, auf dem Heimweg, in den Augenblicken, in denen man schwieg, konnte man sich eine bildliche Vorstellung davon machen, was es in naher Zukunft zu sehen und zu besteigen gab. Martin sah Bea in einem tiefroten Slip vor sich, der überhaupt keine Probleme bereiten würde, sich entfernen zu lassen. Das war ein sehr spannender Moment, bei dem es einerlei war, welche Zuckerseite man zuerst zu Gesichte bekam.

Darüber hinaus hatte Martin momentan ein fast naturwissenschaftliches, biologisches Interesse an weiblicher Schambehaarung. Der biologische Sinn der Schamhaare konnte nicht darin liegen, dass sich dort Filzläuse einnisten konnten. Mit dieser Frage müsste er sich noch eingehender beschäftigen.

Er betete zu einem gnädigen Gott, es mochte der katholische sein, den er nun schon seit Jahren stark vernachlässigt hatte, dass sie keinen Body trug. Es war ja wirklich reizvoll, da unten zu fummeln; aber sollte man mit den Haken und Ösen Probleme kriegen, konnte das stressig, schweißtreibend und peinlich werden, quasi die Ouvertüre zu einem durch und durch misslungenen “One-Night-Stand”.

Es hatte Spaß gemacht, sie zu betatschen, sie tat es ihm im übrigen gleich und auffällig oft hatte seine Hand zu ihrem Hintern gelangt. Nach einer Weile hatte man damit begonnen, sich zu küssen, was in der bierfeuchten, verrauchten Umgebung erstaunt wahrgenommen wurde. So kannte man Martin gar nicht, aber Martin und Bea ließen sich nicht ablenken. Die Küssenden gaben ein ungewohntes Bild in der Kneipe ab. Das Martins Hand sich zu Beas Hintern vortraute, fiel fast gar nicht auf.

Nur ein Spötter meinte, sie sollten sich endlich ein Taxi nehmen und ihren Kinderkram zu Hause fortführen. Das wäre ja furchtbar, sich ansehen zu müssen. Man wäre doch nicht im Kindergarten. Bea, durchaus wach im Geiste, konterte mit den Worten: "Dies hier ist aber auch keine Beerdigung oder irgendeine andere kirchliche Veranstaltung. Du bist ja bloß neidisch!"

Auf den ersten Blick hin verstand sich Martin mit Bea prächtig. Er wagte es nicht, irgendwelche Prognose zu machen, wie lange diese überraschende Affäre mit ihr dauern würde. Er würde endlich wieder eine Frau in seinen Armen halten, nackt und vermutlich warm; nach so langer Zeit und wenn vielleicht auch nur in dieser Nacht. Eine Nacht der Wunder, möglicherweise der Beginn einer neuen Zeit, einer Zeit der lustvollen Erfahrungen und des fortwährenden Höhepunktes. Vielleicht würde man sich auch verkatert und schlecht gelaunt trennen.

Noch war man überaus romantisch gestimmt. Man hatte sich für einen Fußweg entschieden, aber Martin hatte auch gar kein Geld für Taxis und ähnlichen Luxus. In dieser klaren, dennoch warmen Augustnacht war die Kraft von Verbrennungsmotoren wirklich nicht nötig. Die Sterne schienen auffallend hell, schön und nicht uninteressant. War das nicht der Große Bär über ihnen? Martin wusste nicht, ob zu dieser Jahreszeit und zu dieser Uhrzeit der Große Bär über ihnen sein konnte.

Bea hatte auch nur Geographiekenntnisse. Es war erstaunlich, dass sie ihn noch nicht nach seinem Sternzeichen gefragt hatte. Dieses ewige Befragen konnte auch nicht den Teufelskreis von Ödnis und Einsamkeit durchbrechen.

Jetzt wo Martin die Sterne angesprochen hatte, wo man stehen geblieben war und sich lange geküsst hatte, nach oben schaute und vollkommen ahnungslos war, ob nun der Kleine oder der Große Bär über ihnen schwebte, fragte sie nach seinem Zeichen.

In diesem Moment verkniff er sich die Antwort, die er gewöhnlich auf diese Frage gab. Nein, er sagte nicht Pinguin wie sonst, sondern brav Jungfrau und dass er bald seinen dreißigsten Geburtstag hätte. Der 13.9. machte ihm ein ungutes Gefühl.

Bea hatte keine Probleme mit dem Alter. Mit ihren dreiundzwanzig Jahren war sie allerdings schon alt genug mit fremden, älteren Männern nachts und im Dunkeln herumzuziehen, sich in fremde Wohnungen mitnehmen zu lassen, um dort intime Sachen zu machen.

Man war an einer besonders dunklen Stelle des Nachhausewegs angelangt, die einladend genug war, die geilen Dinge zu tun, die Erwachsene gerne tun, wenn sie nicht zu müde sind oder sich in einer Stresssituation befinden. Es musste die dunkelste Stelle im Park sein, denn die nächste Parkbeleuchtung war mindestens fünfzig Meter entfernt. Hier gab es Rasen, Sträucher und Bäume. Warum sollte man es hier nicht hemmungslos treiben?

Martin übernahm die Initiative, und bevor ein ödes Gespräch über Aszendenten und ähnlichem Unfug entstand, küsste er Bea und begann zu fummeln.

Es hätte alles so schön werden können, wenn nicht plötzlich das Licht angegangen wäre. Obwohl beide beim Küssen die Augen verschlossen hielten, wurde es ihnen gewahr. Diese Störung war eine Zumutung.

Vermutlich war ein benachbarter Stern zur Supernova geworden oder vielleicht gab es im Park eine Alarmanlage, um unsittliches Verhalten zu unterbinden. Das Licht hätte auch von einer Flutlichtanlage stammen können, aber es waren nur die Scheinwerfer eines Ufos. Es hatte nicht die typische Linsenform, sondern sah eher aus wie eine Zigarrenkiste.

"Träum ich oder du?", war Beas erste Reaktion. Sie zeigte jedenfalls noch keine Anzeichen, hysterisch zu werden. Martin jedoch hatte schon die Neigung hysterisch zu werden, schließlich war er Jungfrau; vor allem aber war es absolut unglaublich, als vier grüne Tonnenmänner aus der Zigarrenkiste ausstiegen und auf sie zukamen.

Bea und Martin hatten ihre Augen und Münder weit aufgerissen, zudem waren sie wie angewachsen. Die schnelle Abfolge der Geschehnisse und eine fehlende physikalische Ausbildung ließ eine Diskussion, ob es sich möglicherweise um ein unbekanntes Kraftfeld handeln könnte, nicht aufkommen.

Die Marsmenschen, wenn es welche waren, sahen aus wie Mülltonnen, die sich mithilfe von zwei dünnen Beinen bewegten. An der Tonne waren zwei bewegliche, ebenso dünne Arme befestigt, die in zwei Händen mit jeweils fünf Fingern endeten. Offensichtlich gehörten sie zu der in der Galaxis weitverbreiteten Gattung der Fünffingrigen. Die Tonnen hatten keinen Kopf, aber große aufgemalte Kulleraugen. Es handelte sich um große, grüne Tonnen. Der Anführer der drei anderen Tonnen fuchtelte mit so etwas wie einer Handfeuerwaffe rum, deren Lauf hin und wieder auf Martin zielte.

Die Tonnen erreichten mit ihren beweglichen Beinen etwa eine Höhe von eins fünfzig und Martin überragte sie um einiges. Bei kritischer Betrachtung hätte er sich zugetraut, einen Boxkampf gegen eine dieser Tonnen zu gewinnen, denn irgendwie wirkte ihr aufrechter Gang nicht sonderlich stabil.

Auch Bea überragte die Außerirdischen um einiges. Sie trug halb-langes aschblondes Haar, war über eins siebzig, hatte ein überaus durchschnittliches Gesicht, nicht hässlich, aber auf den ersten Blick auch nicht hübsch. Diesen eher durchschnittlichen Eindruck verlor man, wenn man sich auf anderes von ihr konzentrierte. Martin war vom Glauben abgefallen, als er ihr in der Kneipe hinterher geschaut hatte, während sie zur Toilette ging. Sah sie nicht phantastisch aus? Ihr Gesicht war ihm nicht unsympathisch, das war das wichtigste. Vielleicht hatte sie sich etwas unglücklich geschminkt, aber im Vergleich zu den Mülltonnen sah sie perfekt aus. Selbst er, der in den letzen Jahren bei seiner Figur Ansätze zur Mülltonne hatte feststellen müssen, sah gut gegen die außerirdischen Tonnen aus. Das baute Martin aber in keiner Weise auf.

Gewöhnlich hatte er Probleme damit, dass er selbst mit Idealgewicht nur durchschnittlich aussah. Hinzu kam, dass er jetzt noch einige Kilos zu viel mit sich herumtrug.

Offensichtlich hatte Bea auch damit keine Probleme. Sie hatte zwar gefragt, ob er ihre Nase nicht hässlich finde, aber er fand sie durchaus in Ordnung, sie fand ihn in Ordnung und nun schienen auch Tonnen etwas von ihm zu wollen.

- 3 -

"Bea, ich hätte dich heute Nacht ja noch gern gebumst, aber irgendetwas will, dass heute Nacht noch alles schief laufen soll." - "Ich frage mich, warum ich so was immer nur träume. Ich glaube, es ist aber nun besser aufzuwachen. Warum kriege ich die Kerle eigentlich immer nur im Traum ab?", sagte sie.

In feinstem Hochdeutsch und mit einer männlichen Stimme, die einem Nachrichtensprecher der ARD entliehen schien, wandte sich eine der Tonnen höflich an Bea. "Keine Angst, junge Dame, ihnen wird absolut nichts zustoßen. Wenn sie der Gedanke beruhigt, denken sie ruhig, dies alles sei das Ende eines schrägen Traumes." - "Ich will einen Typ, keine Mülltonne!"

Martin war unter diesen Umständen ein wenig erstaunt, dass Bea so direkt sein konnte. Er war offensichtlich an die Richtige geraten. Um so ärgerlicher war das Treffen mit den Tonnen, vielleicht sogar noch eine Spur ärgerlicher als wenn man unangenehme Bekannte trifft, die man auf keinen Fall treffen will und die man meistens trifft, wenn man nicht an sie denkt.

Die Tonnen sahen nicht wie gewöhnliche Gewaltverbrecher aus und es war kaum vorstellbar, dass sie zur russischen Mafia gehörten. Sexgangster schienen es auch nicht zu sein, jedenfalls erschien Bea zwar verärgert, ansonsten aber gelassen und nicht verängstigt.

"Was wollt ihr von uns?", fragte Martin. "Von ihr wollen wir gar nichts. Wenn sie mag, kann sie sich davontrollen. Wir wollen Sie!"

Waren die Mülltonnen etwa schwul? Martin erinnerte sich daran, dass es Zeit war, eine Zigarette zu rauchen. Er fingerte nach seinem Tabakbeutel und begann eine Zigarette zu drehen. "Ausnahmsweise!", sagte eine der Tonnen. "Rauchen ist nämlich nicht der Bringer!"

Sehr großzügig dachte Martin. Bei seinem Alkoholpegel hatte er überhaupt keine Lust zu dieser Stunde - und erst recht nicht mit marsianischen Mülltonnen - über Sinn und Unsinn des Rauchens zu diskutieren. Bea fischte auch eine Zigarette aus ihrer Schachtel.

"Dass Frauen rauchen, ist nicht der Bringer!", sagte eine der Tonnen. "Kleine, chauvinistisch-marsianische Papiertonne, halt die Schnauze! Oder willst du vielleicht auch eine?" Die Tonne hatte offenbar keinerlei Öffnungen, in die man Zigaretten hineinstecken konnte. "Rauchen ist nicht der Bringer. Rauchen ist echt Scheiße!"

Diese Aussage hinderte Martin nicht daran, seine fertiggedrehte Zigarette anzuzünden. Im blauen Dunst sah alles schon ganz anders aus. Dies war also eine dieser klassischen Entführungen, die in Amerika gang und gäbe, alltäglich waren. Nach wenigen Stunden oder nach wenigen Tagen, nachdem die Tonnen ihre Versuche mit ihm gemacht hätten, würde er irgendwo aufwachen und sich an nichts erinnern oder an fast nichts. Wie weit würde das Gedächtnis ausgelöscht? Würde er sich noch an Bea erinnern?

Die Theorie, dass der mit der Waffe der Anführer war, schien nicht zu stimmen, vielmehr handelten die Tonnen wie ein gleichberechtigtes Kollektiv. Es wurde Zeit, diese dummen Kreaturen in die Defensive zu bringen.

"Kommt ihr vom Mars?", fragte er sie. Das Bier im Kopf, das laue Lüftchen, aber nicht zuletzt die harmlos aussehenden extraterrestrischen Gestalten nahmen der Situation alles womöglich Beängstigende, denn nicht zuletzt hatte man ja dank RTL und Kabel 1 zumindest theoretischen Umgang mit Außerirdischen geübt. Dort hatten sie schon jede Menge gesehen, welche, die gefährlicher, gruseliger und furchterregender aussahen als diese hier, aber keine, die so dämlich wirkten.

"Nein, nein, wir sind nicht vom Mars. Da liegt bei ihnen offensichtlich eine Verwechslung vor. Mit sardischen Entführern haben wir nichts zu tun. Und wenn sie glauben, wir stammen aus dem tibetanischen Hochland oder kommen von Atlantis, das versunken sein soll, sind sie auch ziemlich auf dem Holzweg. Wir kommen nicht aus diesem Sonnensystem. Sie können uns das ruhig glauben und im Übrigen: Rauchen ist Schnick-schnack!"

Nach dieser letzten Bemerkung konnte es Martin nicht unterlassen, kräftig zu husten. Dann gewann er wieder seine Stimme. "Ihr kommt von einem anderen Sonnensystem, aus einer anderen Galaxie?" - "Sie haben für den Ort keinen Namen. Richtung Sternbild Staubsauger von hier aus, wenn ihnen das was sagt."

Weder Bea noch Martin kannten das Sternbild Staubsauger. Es musste eins dieser Sternbilder sein, die man nur am südlichen Sternenhimmel erkennen konnte.

"Ihr könnt euch noch einen letzten Kuss geben", tönte eine der Tonnen. "Was erwartet mich?", wollte Martin wissen. "Eine Reise durchs Universum, mit einem Raumschiff neuester Bauart. Selbstverständlich werden nur unbekannte Plätze des Universums angesteuert, aufregende Planeten und Nebel. Es wird Gelegenheit geben, physikalische und astronomische Schulkenntnisse aufzufrischen und alles ohne Einzelzimmerzuschlag."

Auf so etwas hatte Martin überhaupt keinen Bock. Warum passierte ihm das ausgerechnet jetzt? Er wusste, dass die Fragestellung an sich sinnlos war, aber das Leben verlangte, dass auch sinnlose Fragen gestellt wurden.

"Tiny, das Leben verarscht dich", sagte er zu sich selber. Tiny alias Martin hatte an diesem Sommerabend die definitive Gelegenheit gehabt, an Größe zu gewinnen, durch diese Braut an seiner Seite. Statt einer warmen Frau in den Armen, statt Spaß und Erregung und vielleicht auch Zärtlichkeit nun das: Eine Entführung von Softietonnen, die etwas gegen das Rauchen hatten und vermutlich auch etwas gegen Sex, denn was sollte es sonst, Bea und ihn aufzuhalten. Säuerliche, langweilig aussehende Tonnen vom Planeten Staubsauger oder so ähnlich, die vermutlich nichts anderes konnten als zu moralisieren. Das, was diese Moralisten vorhatten, verstieß gegen alle Menschenrechte.

Nicht, dass er grundsätzlich etwas gegen Unternehmungen dieser Art gehabt hätte, nach einem kräftig durchgezogenen Joint wäre das alles vielleicht sogar lustig gewesen, eine interessante Abwechslung gegenüber dem faden Alltag, aber dieser Tag hätte an sich etwas Besonderes werden können. Es war doch nur natürlich, dass wenn man über ein Jahr keine Frau gehabt hatte, eine nette und gleichzeitig nett anzusehende Frau diesen vier Mülltonnen vorzog, die vom Sternbild Staubsauger kamen und ihm eine Reise anboten beziehungsweise aufdrängten.

Wenn es mit Bea geklappt hätte, hätte er mit ihr eine romantische Reise ans Meer gemacht. Dorthin, wo es noch nicht so überfüllt war, irgendwo am Mittelmeer vielleicht, wo man abends bei Bier und leckerem Essen nahe am Strand saß und mit Sicherheit nicht von sprechenden Tonnen gestört wurde.

Die auf ihn zukommenden Ereignisse schienen völlig an seinen Bedürfnissen vorbeizugehen, so, wie das eigentlich immer war. Er vermied es in Beas Anwesenheit, diesen Gedanken laut auszusprechen. In jedem Fall sah Bea viel interessanter aus als diese Tonnenmänner und er hätte zu gern mehr von ihr gesehen, aber dieser Wunsch sollte für Martin zunächst wohl nicht in Erfüllung gehen.

- 4 -

Es war zu befürchten, dass weitere sinnlose Diskussionen bevorstanden, da es sich ja vermutlich nicht um eine Verbrechergang handelte, sondern um eine wissenschaftliche Delegation mit offiziellem Auftrag von irgendwoher, die daran gebunden war, Verwaltungsvorschriften einzuhalten und bürokratisch vorzugehen. Martin machte die Tonnen darauf aufmerksam, dass es gegen die irdischen Menschenrechte verstieße, wenn er entführt würde.

Die Reaktion eines der Tonnenmänner ließ auf Konzilianz schließen. Man bedauere diesen Tatbestand, die Entführung sei quasi ein Versehen, dem ein Programmierungsfehler zugrunde läge; bedauerlich, aber man könnte die Sache auch nicht rückgängig machen. Er würde garantiert nicht gefoltert, dürfe in Ausnahmefällen mit seinen Angehörigen telefonieren, wenn es denn sein müsse, und bekäme vielleicht eine Art Wiedergutmachung.

"Aber wieso denn alles ausgerechnet heute. Ich habe diese heiße Braut kennengelernt und ich hätte mit Sicherheit die heißeste Nacht meines Lebens verbracht. Sie vielleicht auch", sagte Martin fast verzweifelt.

Bea lächelte ihm wegen soviel Einsatz aufmunternd an und blies Qualmkringel. Vielleicht war sie ja geil genug und wollte, dass man sie auch entführe. Es war ja irgendwie dreist, denn ohne vorherige Rücksprache mit Bea, fragte Martin, ob diese mitkommen könne. Eine der Tonnen bedauerte erneut. Das Ganze basiere ohnehin auf einem Fehler, darüber hinaus wolle man jede weitere Komplikation vermeiden, es wäre alles schon kompliziert genug.

"Können wir die Entführung vielleicht auf ein anderes Datum verschieben?" Er dachte an einen nassen, dunklen Dezembertag. "Ich hatte letzten Winter ein schweres moralisches Tief. Ihr habt doch sicher eine Zeitmaschine und könnt die Entführung acht Monate zurückdatieren."

Die Tonnen stellten sich auffällig dumm, so als gelte es etwas zu verbergen, eine Art Staatsgeheimnis und eine fragte vielleicht mit täuschender Absicht: "Was ist eine Zeitmaschine?" Die Tonne hatte offenbar kein H.G.Wells gelesen oder tat zumindest so. Das allgemeine Täuschungsmanöver war zu offensichtlich. Es wurde Martin klar, dass die Tonnenbürokratie dem Antrag nicht stattgeben würde.

"Können wir die Sache vielleicht nicht übermorgen durchziehen, gleiche Zeit, gleicher Ort?" Der Vorschlag wurde unter den Tonnen kurz und erregt diskutiert, Zeit für Tiny eine weitere Zigarette zu drehen. Er hatte sie noch nicht angezündet, da äußerten die Tonnen ihr Entsetzen. "Rauchen ist echt Scheiße, Mann!"

Konnte es wirklich sein, dass die vielen Entführungen durch Außerirdische in den USA dazu beigetragen hatten, dass dort die Antiraucherkampagne Oberwasser bekommen hatte? Die Tonnen kamen zu dem Ergebnis, dass eine kurzfristige Verschiebung ihres Auftrages in eine nähere Zukunft nicht möglich sei. Da wäre leider nichts zu machen.

"Was, ihr handelt im Auftrag einer anderen Tonne? Unwürdige Kreaturen! Lohnsklaven! Ihr solltet euch nicht gegen eure eigenen Genossen wenden, sondern gegen euere Unterdrücker. Gegen die, die Profite machen!" Martin fragte sich allerdings, wie man aus seiner Entführung Profit schlagen konnte. Er hieß doch nicht Sarotti. Die Tonnen fanden seine Äußerungen nicht uninteressant.

Er hatte armselige Kreaturen vor sich, keine genialen Wissenschaftler, sondern einfache ausführende Organe, die vermutlich für ein schnödes Angestelltengehalt arbeiteten. Man konnte die Fragen leider nicht ausdiskutieren, da die Zeit drängte. Folglich wurde Martin höflichst gebeten, sich zum Raumschiff zu bewegen. Er verstand später nicht, dass er dieser Aufforderung schließlich folgte, ohne einen irgendwie gearteten Fluchtversuch zu machen oder einen Boxkampf mit den Tonnen zu wagen. Er war jedoch weit entfernt zu glauben, diese kosmischen Angestellten könnten sich gewalttätig gegen sie beide verhalten und dennoch tat er nichts.

Und Bea rief nicht aus: "Mach doch etwas!" Nein, er machte nichts, sondern folgte paradoxerweise in die Zigarrenkiste. Dies war womöglich einer der größten Fehler seines Lebens.

Bea konnte den beeindruckenden Start eines kistenförmigen Raumschiffes erleben, welches dann schnell in irgendeinem Sternbild verschwand. Sie kannte sich mit Sternbildern nicht so aus. Ihr Problem war es nun, nach Hause zu kommen. Das hieß zunächst, den ganzen Weg zur Kneipe zu Fuß zurück. Dort müsste sie sich ein Taxi bestellen; aber vielleicht fand sich ja noch ein anderer Lover.

Zu seinem Erstaunen sah Martin, dass er nicht der einzige Betroffene war. Im geräumigen Innenraum der Zigarrenkiste befanden sich auf den schlichten Holzbänken mehrere Personen, die offenbar alle von dem Planeten stammten, den sie gerade verließen. Sie waren alle von weißer Hautfarbe und keiner hatte eine Knoblauchfahne.

Genau genommen waren sie drei Frauen und drei Männer, die unfreiwillig eine Reise in die kosmischen Weiten des Ungewissen antraten. Seltsamerweise sollte sich zuerst keine Solidarität zwischen ihnen ausbilden. Man schwieg sich an und blickte, so leer wie der Raum, den man gerade durchquerte, ausdruckslos ins Innere der Kabine.

Seltsam dachte Martin. Er bekam einen Begrüßungscocktail und ein wenig Ärger, weil er sich eine Zigarette anzünden wollte.

- 5 -

Wer wollte Martin daran hindern, zu rauchen, in einer Situation, in der man niemandem verdenken konnte, dass das Verlangen nach nikotinhaltigem Rauch groß war? "Will noch jemand eine?", fragte er in die Runde. Eine Frau in Jeans verneinte, aber eine junge Nonne lächelte Martin an und machte sich anscheinend Hoffnungen, sich von seinem Tabak eine Zigarette drehen zu können.

Auch die dritte Frau wollte gerne rauchen. Sie war etwa in Martins Alter, hatte hochgestecktes dunkles Haar, war auffällig stark geschminkt und über ihrer nicht kleinen Brust trug sie ein schwarzes T-Shirt. Ihr Gesäß verbarg sich in überaus knappgehaltenen Shorts, die alles Wesentliche betonten. Die Beine steckten in einer grobmaschigen Netzstrumpfhose, von der man aber nicht mit Gewissheit sagen konnte, ob sie nicht sogar oben offen war, da das Höschenteil ja von den Shorts verdeckt wurde. Auffällig abgerundet wurde das Bild von Pumps, die in der Farbe des Lippenstifts gehalten waren.

Sie sah -gewollt oder nicht- aus wie eine Nutte. Erschwerend kam hinzu, dass sie gut aussah. Wie die Nonne hatte sie ein hübsches Gesicht und die weiblichen Rundungen ihres schlanken Körpers, die sie mehr oder weniger mit ihrem Outfit stark betonte, sprangen ins Auge.

Der größere Mann, im violetten T-Shirt, Jeans und schwarzen Sportschuhen bot der Frau eine filterlose Camel an. "Ich heiße Manfred!", sagte er und grinste dabei etwas übertrieben. "Ich bin Salma", antwortete die Frau, die man bei Berücksichtigung aller Vorurteile für eine Nutte halten musste

Der kleinere, schwarzhaarige Mann protestierte bei den Tonnen, dass an Bord geraucht wurde. Man hätte ihn unter den Vorwand, dass garantiert nicht geraucht würde, auf dieses Raumschiff gelockt. Die Tonnen hatten inzwischen wohl aufgegeben, Martin und die anderen vom Rauchen abzuhalten, vielleicht um erst einmal Verärgerung und Handgreiflichkeiten zu vermeiden.

Das Programm hatte einen weiteren Fehler gemacht, in dem es zumindest zwei militante Raucher zum Ziel ihres Versuchs gemacht hatte.

Schwester Stefanie drehte ungeschickt, vielleicht aber auch nur ungeübt an ihrer Zigarette. Es war schön, dass der Klosteralltag es zuließ, Zigaretten zu rauchen. Sie brachte dann aber doch etwas zustande, dass man anzünden konnte, das aber mit der herkömmlichen Zigarettenform nicht so viel zu tun hatte.

"Ich rauche noch nicht so lange", entschuldigte sie sich. Dabei lächelte sie Martin an, der sich sofort anbot, eine Richtige zu drehen. Die Tonnen verfolgten das Ritual weiterhin mit Unwillen und Besorgnis. Das Problem würde endgültig beschieden, wenn man auf dem Mutterschiff wäre. Es ging nicht an, dass das Recht auf körperlicher Unversehrtheit, wenn auch von einer Minderheit, beschnitten wurde. Vielleicht litten die Tonnen selber unter dem teerigen Rauch und zudem wurden die schönen Inneneinrichtungen der Raumschiffe verschandelt. Vergilbte Konsolen, womöglich zäher, brauner Teer, der sich an lebenswichtigen Kontakten festsetzte und das Leben aller aufs Spiel setzte.

Scheinbar leicht in die Defensive gedrängt sagte eine der Tonnen: "Rauchen ist nicht der Bringer." Vielleicht dachte sie sich aber, dass die geschockten Entführten, die zusätzlich an ihrer Sucht litten, den Trost der brennenden Glimmstängel bedurften, um das Ungewohnte der Reise ohne Anfälle und Durchfälle zu verdauen. Der kleinere, schwarzhaarige Mann, der Tobias hieß und dessen Kleidung etwas Lumpenhaftes hatte - aber durchweg farbig - protestierte vergebens. Eine der Tonnen versuchte ihn zu trösten. Er hätte ja durchaus recht, aber er müsse an den Schock der anderen denken. Tobias, wie Martin um die dreißig, entgegnete, er erlitte den doppelten Schock, schließlich sei auch er ein Entführter, der zusätzlich unfreiwillig diesen karzinogenen Giften ausgesetzt wäre, die nebenbei ganz übel röchen. Die Tonne versuchte vergeblich mit den Achseln zu zucken, da sie keine hatte.

"Was regt sich der Kerl auf?", äußerte sich Manfred, der es als Sakrileg betrachtet hätte, wenn man ihm seine Camel weggenommen hätte. Der frustrierte Tobias setzte Kopfhörer auf und hörte Radio.

Die Frau in Jeans, ebenfalls Anfang dreißig, mit rotem kurzen Haar, klein und mit Ansatz zum Übergewicht, verteidigte Tobias. "Ihr seid ziemlich rücksichtslos mit eurer Raucherei. Mich selber stört es ja nicht so sehr. Der arme Tobias sieht ja schon ganz blass aus" - "Wir können ja schlecht vor die Tür gehen", entgegnete Martin.

Das war wirklich schlecht möglich, denn sie befanden sich im interplanetaren Raum, beschleunigten beständig mit Erdschwere, sodass man noch nicht mal in den Genuss von Schwerelosigkeit kam.

Erstes Ziel der Reise war der Saturnmond Titan, um den das Mutterschiff in Umlaufposition harrte. Saturn war circa 1.4 Milliarden km von der Erde entfernt, und Tobias musste befürchten, dass er mit seinem Radio-Walkman das Klassikforum von WDR III nicht mehr empfangen konnte.

Da die Beschleunigung des kleinen Raumschiffs etwa so groß war wie die Erdbeschleunigung und konstant blieb, - somit den unfreiwilligen Passagieren nicht zu viel zugemutet wurde, obwohl die große Erdschwerkraft ja eigentlich eine schwere Zumutung ist, der man sich aber meist nicht bewusst ist-, hätte man mit den Kenntnissen eines Physikschülers der gymnasialen Mittelstufe ohne weiteres ausrechnen können, wie lange die Reise zum Saturn - vorausgesetzt es gäbe keine Zwischenfälle - dauern würde.

Man musste dazu die Formel s gleich ein halb a mal t Quadrat benutzen, wobei s die zurückgelegte Strecke, a die konstante Beschleunigung und t die benötigte Zeit war. Die Formel musste man nach t auflösen und berücksichtigen, dass man am Ende der Reise mit Relativgeschwindigkeit Null am Mutterschiff andocken wollte. Die relative Geschwindigkeit des Saturns zur Erde, die des Titans zum Saturn und so weiter konnte man bei den zu erreichenden Geschwindigkeiten vernachlässigen. Das hieß, dass man nach Zurücklegung der halben Strecke mit gleicher Kraft bremsen musste, was einer negativen Beschleunigung gleichkommt, für die die oben genannte Formel auch zutrifft. Nach Auflösung nach der Zeit bekäme man heraus, dass die erwartete Reisedauer zweimal die Wurzel aus der doppelten, halbierten Strecke durch die Beschleunigung, also die Wurzel aus 1.4 mal 10E11 mal 2 gleich 748331.5 Sekunden war. Dies waren ca. 208 Stunden oder mehr als achteinhalb Tage.

Als die geplante Reisedauer unter den unfreiwilligen Passagieren bekannt wurde, kam Unmut auf und man steckte sich weitere Zigaretten an. Es war unmöglich, zu zwölft in dieser Kabine acht Tage zu verbringen. Das kleine Raumschiff bot offensichtlich keine weiteren größeren Aufenthaltsmöglichkeiten. Es entwickelte sich ein gesteigertes Gespür dafür, dass es noch andere Probleme gab als das leidige Zigarettenrauchen.

Die Tonnen boten an, die Beschleunigung zu verzehnfachen, sie hätten damit keine Probleme, obwohl man dies bei ihren dünnen Beinen nur schlecht einsehen konnte. Die Reise würde dann etwa zweieinhalb Tage dauern, aber die Höhe der Beschleunigung wäre für Menschen sehr unangenehm, da sich ihr Gewicht verzehnfachen würde.

Salma rechnete sich aus, dass sie dann über 600 Kilo schwer sein würde. Es stand zu befürchten, dass ihr großer Busen ganz unmöglich aussehen würde und sich die spitzen Absätze ihrer Pumps in das Raumschiffmaterial bohren würde. Es war aber kaum anzunehmen, dass ihre formschönen Beine ihr Gewicht tragen konnten. Die Tonnen sagten, dass in den Wänden Liegen wären. Selbstverständlich würde man ihnen eine Narkose verabreichen, sodass sie von ihrer ungewöhnlichen Schwere nichts spüren würden.

"Ist diese hohe Beschleunigung nicht gefährlich?" Dies konnten die Tonnen wirklich nicht ausschließen. Deshalb erkundigte sich Martin nach Möglichkeiten, bei normaler Schwere zu reisen und die acht Tage unter Narkose zu verbringen. Optimal wäre in seinen Augen sogar eine Narkose für die gesamte Dauer der Entführung, denn dann könnten die Tonnen ungestört ihre Versuche machen. Dann bestand er noch darauf, nach der Entführung alles vergessen zu können, wie es halt bei einer klassischen UFO-Entführung üblich wäre.

Zur Bekräftigung zog er an seiner Zigarette, schaute auf die Beine Salmas, hatte Bea in diesem Augenblick komplett vergessen und bedauerte seine eigene Forderung. Eine der Tonnen schlug vor, ein künstliches Schwerefeld einzuschalten. Man mache dies äußerst ungern, nur in Ausnahmen, da der Energieverbrauch des kleinen Raumschiffes dabei drastisch erhöht würde.

Salma versuchte den Tonnen klar zumachen, dass dies ein Ausnahmefall sei, dies wäre man der menschlichen Rasse schuldig, schließlich wären sie doch Vertreter einer anderen kosmischen Zivilisation, ihr erster Kontakt wäre für die Geschichte beider Rassen von größter Bedeutung, sodass sie nur große Zuvorkommenheit in ihrer Behandlung erwarten dürften. Im Übrigen wäre sie persönlich nicht bereit, auf irgendeinen Luxus zu verzichten. Es wäre ganz unmöglich, ihren Körper mit zehnfacher Erdschwere zu verunstalten.

"Es ist wohl selbstverständlich, dass ihr meinen Verdienstausfall bezahlt und wenn ihr ran wollt, bezahlt ihr natürlich den Aufschlag für Extraterresten", sagte sie dann zu den Tonnen. "Ich will jeden Luxus", forderte sie nochmals. "Champagner für alle", schloss sich Martin an. Er bewunderte Salma dafür, dass sie sich ohne weiteres geoutet hatte und sogar bereit war, mit Tonnen aus dem Kosmos Sex zu machen.

Es gab erstmal keinen Champagner, auch nicht für Salma. Eine Tonne bedauerte, dass sie kein Ansinnen, keinerlei Verlangen, im Grunde auch gar nicht die Möglichkeit hätte, es mit Salma zu machen und vor allem fehle ihr das nötige Kleingeld. Täuschte sich Martin oder war wirklich die Tonne, die sich zu Salmas Forderung geäußert hatte, ein wenig rot geworden. Die Tonne versprach Salma, alles Mögliche zu ihrer Zufriedenheit zu unternehmen.

Stefanie, die neben Salma saß, war jedenfalls knallrot geworden. Auch so hatte sie noch ein hübsches Gesicht. Dies war einfach zuviel für eine junge Nonne. Nicht nur, dass sie in ihrem Kloster nicht darauf vorbereitet worden war, auf merkwürdige Außerirdische zu stoßen, nein, auch ein Wesen, dass die Sünde verkörperte, saß neben ihr. Stefanie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie alle Gottes Kinder waren. Salma war auf einem gefährlichen Abweg und Stefanie fühlte sich mit ihren jungen Jahren etwas überfordert, sie zu retten.

Wenn die Menschen Gottes Ebenbild waren, wessen Ebenbild waren dann die Tonnen? Kannten sie Jesus? Waren sie vielleicht Engel oder Abgesandte des Teufels? Ziemlich verunsichert erbat sich Stefanie von Martin eine weitere Zigarette. Weil Gott ihr in diesen Momenten zu wenig Halt bot, versuchte sie es nun mit einem Glimmstängel

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Glimmstängel statt Gott, das war Häresie, aber zur Entschuldigung von Schwester Stefanie muss gesagt werden, dass ihr dieser Gedanke nicht kam oder zumindest nicht bewusst war. Es ist aber durchaus strittig, ob für Personen, die sich Gott geweiht haben, die Theorie des Unbewussten anwendbar ist.

Trotz des Bösen und der Verruchtheit in ihrer Nähe fand sie die neue Situation richtig aufregend und nur im geringeren Maße verabscheuungswürdig. Sie hätte Schwester Oberin und ihren Kolleginnen etwas zu erzählen und würde vielleicht mit Wesen aus einer anderen Welt über Gott und Jesus reden. Vielleicht hatte sie ja missionarisches Talent, und ihre zukünftige Aufgabe würde es sein auf Neu-Guinea, in Peking oder Saudi-Arabien zu missionieren.

Den Gedanken, dass sie nach dieser Reise als Erstes einen Beichtvater aufsuchen müsse, wies sie weit von sich, sodass dieser Gedanke in ihrem Unbewussten kreiste, wenn dieses denn bei einer Nonne existierte. Vielleicht existierte es bei ihr noch in Teilen, denn sie war noch unfertig, ihr Reifungsprozess noch nicht abgeschlossen.

Sie war die Hübscheste von allen Anwesenden, wobei für dieses Urteil letztlich ihre Jugend ausschlaggebend war. Ihr Gesicht war schön, rein, unschuldig, hatte keine Pickel und erinnerte nicht an Tiere. Sie hatte zu dem Gesicht die passenden braunen Augen. Gesicht und ihre zartgliedrigen Hände waren ja das Einzige, dass die Tonnen und die anderen sahen. Ihre figürliche Attraktivität verbarg sich unter ihrer schwarzweißen Arbeitskleidung.

Die Nachstellungen von pubertären Jungs und frustrierten verheirateten Nachbarn, die ihr Aussehen nach sich zogen, waren aber nicht der Grund gewesen, die Nähe Gottes zu suchen und in einem Kloster ein Leben abseits der sexistischen Alltagswelt zu führen.

Sie zündete sich die von Martin gedrehte Zigarette an, und eine der Tonnen konnte es nicht unterlassen zu kommentieren, dass rauchen Schnickschnack sei. Tobias rief aus seiner Ecke in die Runde, Rauchen sei nicht Schnickschnack, sondern der Tabak sei Teufelswerk. Vielleicht dachte er, mit diesem Argument könne er Schwester Stefanie eher beeinflussen als mit den üblichen rationalen Appellen.

"Du rauchst wirklich erstaunlich viel Kleines", musste Salma dazusteuern. Sie war augenfällig mit allen Vorzügen und Gaben ausgestattet, die sich ein noch junger Gott bei Eva hatte einfallen lassen, um Adam zu verunsichern. Sie hatte mit Kleidung und Make-up alles getan, um die Versuchung noch zu verstärken. Ihr Aussehen tendierte zum abenteuerlichen, wobei Abenteuer bestimmter Art gemeint sind, und Martin konnte Speicheldrüsenattacken nicht ganz verhindern, wenn seine konfus gestreuten Gedanken Salmas Schale zu nahe kamen. Die Frau brachte es vielleicht sogar fertig, außerirdische Tonnen anzumachen und mit ihnen Sex zu treiben. Diese wiederum zeigten sich vorerst knauserig und diskutierten erregt Salmas Forderung nach mehr Luxus; was konkret bedeutete, ein künstliches Schwerefeld einzuschalten, um die Reise zum Saturn kürzer zu halten, da sonst die Titten von Salma und die Gesundheit der anderen zu sehr strapaziert würden.

Salmas Brüste hüpften nicht vor Vergnügen, als eine Tonne verkündete, man würde jetzt das künstliche Schwerefeld eingeschaltet, um beliebig drauflos beschleunigen zu können - dafür waren sie auch unter Erdbedingungen einfach zu schwer. Manch einer hätte gesagt, dass Salma und vor allem ihr Gesicht gewöhnlich aussahen, dass der Reiz ihres Gesichts, wenn er denn vorhanden war, unter dicker Schminke steckte, dass ihr Make-up eine primitive Kriegsbemalung war, die sich von der vieler anderen Frauen nicht unterschied, eine Uniform der billigen Instinkte im Kampf um verkorkste Männerseelen, die für klischeehaftes Aussehen und wahllose, nur von abstraktem Geld geleiteten Freizügigkeit (?) Scheine locker machen sollten.

Manfred fand Salma vulgär und abstoßend, wenn sich seine Keimdrüsen um sein Urteil auch nicht sonderlich scherten und sich der körperlichen Präsenz von Salma, die völlig underdressed war, nicht entziehen konnten.

Da hingegen sah die dritte Frau doch harmlos aus. Recht klein mit Brille, ein wenig dick, ein unauffälliges Make-up, eine nicht zu enge Jeans und ihre Nägel waren nicht lackiert, obwohl sie keine Nonne war, sondern eine billige Angestellte der unteren Lohngruppe des öffentlichen Tarifs, mit netter Bluse und unauffälligem Gesicht, auf das nicht jeder Einfallspinsel sofort geflogen wäre. Sie benahm sich auch nicht auffällig, sondern eher bedächtig und zurückhaltend. Da sie nicht rauchte, provozierte sie keinerlei Schnickschnack-Äußerungen.

In dieser Situation der ungewöhnlichen Umstände fiel sie keinem weiter auf als Tobias, der sich aber in besonderer Weise nichts aus Frauen machte, sie aber, wie alle anderen auch, aufmerksam gemustert hatte und sie in sein Herz geschlossen hatte, da sie nicht wie die anderen, ekelige, teerige Dämpfe ausatmete, die sein Karma hätte missen können. Tobias war ein aufmerksamer Beobachter, während die beiden anderen Männer, wenn man sie nach Augenfarbe, Hände usw. der übrigen Passagiere gefragt hätte, diese nichts zu antworten gewusst hätten.

Petra hatte blaue Augen, die wie fast alle Augen einen besonderen Reiz haben konnten, wenn man die zugehörige Person liebte. Zu Petras Figur hätte Martin vielleicht gesagt, dass ihm nichts Sonderliches auffiel. Im bunten Schein von Salma, dem schwarzweißen von Stefanie und dem außerirdischen der Tonnen konnte man Petra auch einfach übersehen.

Es geschah nicht aus einer vorschnellen sexuellen Hörigkeit zu Salma, dass sich die Tonnen in basisdemokratischer Weise entschlossen hatten, eine Ausnahme zu machen und die künstliche Schwere einzuschalten. Alle hier lebenden Anwesenden verfärbten sich grün, die zu Grunde liegenden physikalischen Vorgänge provozierten aber weder epileptische Anfälle noch Migräneattacken. Die Auswirkungen hielten sich bis auf die farbliche Dissonanz in Grenzen.

Entsetzens- und Überraschungsschreie gingen durch den kleinen Raum des Raumschiffes. Man sah nun fast selber aus wie Marsmenschen und Salma wie eine exotische Prostituierte einer abgelegenen extraterrestrischen Strafkolonie, aber zum Glück war die Anzahl ihrer Brüste gleich geblieben. Martins Dreiviertel-Glatze glänzte nun im metallischen Grün. Diese hatte er schon in jungen Jahren bekommen, irgendwann. Er hatte sich rasch mit ihr arrangiert und sie als besonderes Zeichen seiner Männlichkeit abgetan, die aber trotz solcher Merkmale meistens zu kurz gekommen war. Er hatte sich einen kleinen Bierbauch angetrunken, der ein wenig über der nun türkisfarbenen Jeans hing, die zudem nicht richtig saß und manchmal die Teile des äußersten Nordens seines ansonsten nicht nennenswerten Hinterns freigab. An diesem Tag war der Gürtel enger geschnallt, was dazu beigetragen hatte, die Chancen bei Bea zu erhöhen. Martin hatte kräftige Hände, die aber nicht von irgendeiner körperlichen Arbeit herrührten, sondern von der Mutter. Große, blaue, naive Augen rundeten das Bild ab.

Manfred hatte volles braunes Haar und war um die zehn Zentimeter größer als Martin. Er trug ebenfalls einen Bierbauch - oder woher auch immer diese Wampe herrührte - dennoch war seine Statur um einiges zarter als Martin.

Um für den sexistischen oder voyeuristischen Leser das wesentliche zu erwähnen: Das, was allen Beobachtern verborgen blieb und in den Hosen der Männer steckte, war bei dem kleinen Tobias im versteiften Zustand am größten ausgeprägt. Tobias Schwanz war länger, dicker und im Erregungszustand von besonders fester Konsistenz und konnte in diesem Punkt sehr wohl mit Salmas Titten verglichen werden, die bei Schwere nur ein wenig in natürlicher Weise hingen. Ihre Geschäfte liefen auch gut ohne Designerplastiktitten.

Der schwarzhaarige Tobias war am ganzen Körper stark behaart. Nur seine fast narrenhafte Second-Hand-Kleidung und die dazu passende Kasperbrille fügten sich nicht ganz zu dem animalischen Gesamteindruck des schmächtigen Tobias. Er hatte einen knackigen Hintern, der dem von Manfred in nichts nachstand und im Gegensatz zu den anderen beiden Männern an Bord ein hübsches, kleines Gesicht mit intelligenten braunen Augen. Mit seinen dreißig Jahren hatte sein Gesicht paradoxerweise zugleich jungenhafte Züge wie auch Züge des Alters, die aber eine Art von falscher Weisheit signalisierten. Er war von edlem Charakter, denn obwohl er besser aussah als Martin und Manfred, hatte er auf diese schon ein Auge geworfen.

Ein wenig interessierte er sich aber auch für die Tonnen, seine Nichtraucherfreunde, die im Wettbewerb der Extremitäten, sekundärer Geschlechtsmerkmale, Titten und Schwänze nicht mithalten konnten. In einem kollektivistischen Sinne sahen sie gewissermaßen alle gleich aus, wie eineiige Sechslinge kurzum: Keiner sah attraktiver aus als der andere, wobei zugegeben werden muss, dass körperliche Attraktivität für gebildete Roboter eine überaus relative Angelegenheit ist.

Bei solch ungewöhnlichen Umständen wie dieser Raumfahrt war körperliche Attraktivität ohnehin eine überaus nebensächliche Angelegenheit, der man auch des Weiteren keine Beachtung geschenkt hätte, wenn nicht Salmas Auftreten und Erscheinung Irritationen in einigen Gemütern gestiftet hätten. Auch Tobias interessierte sich für Salma, denn obwohl sie ebenfalls rauchte, sah er in ihr eine natürliche Verbündete gegen die allgemeine Prüderie, die auf diesem Raumschiff herrschte. Er hatte Lust, Schwester Stefanie zu provozieren und sie mit Allerwelts-Schweinereien aus der Reserve zu locken. Er fragte sie zum Beispiel, ob ihr impotenter, vergreister Erlöser ihr Beistand bringen würde?

Das Immunsystem der sechs Erdenbürger gewöhnte sich rasch an die künstliche Schwere, sodass die grüne Farbe in ihren Gesichtern langsam verschwand. Die Blässe von Manfred, Martin und Petra, die durch eine Sonnenbank gestärkte, mit Make-up Farbe unterstützte Bräune von Salma und selbst die Bräune der mit Gartenarbeit betrauten Schwester kamen wieder zum Vorschein. Nur bei Tobias dauerte es ein wenig länger.

Martin erkundigte sich bei den Tonnen nach der veränderten Reisezeit; sie belief sich nun nur noch auf eine Stunde. In einer Stunde würden sie vielleicht die Ringe des Saturns - gewissermaßen in voller Größe - sehen können, wenn auch ein wenig schwach angeleuchtet durch die weit entfernte Sonne.

Er würde sich bei der dort ansässigen Einsatzleitung beschweren.

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Manfred nahm ein goldenes Pillendöschen aus einer seiner Taschen und bat die Tonnen um ein Glas Wasser, was er auch ohne jede bürokratische Verzögerung bekam. Er nahm gleich vier von den weißen Pillen, da er dachte, dass in dieser außergewöhnlichen Situation ein wenig Entspannung und ein verstärktes Egal zu dem was war und noch kommen musste, angesagt wären.

"Was nimmst du da?", fragte der neugierige Tobias. "Das ist Akineton." - "Und gegen was sind die?" - "Die sind gegen die Nebenwirkungen anderer Pillen. Außerdem fühlt man sich danach gut." Er schaute auf seine Armbanduhr, die wie zufällig aus Titan gearbeitet war, und schätzte ab, wann die Pillchen anfingen zu wirken. Dies würde etwa mit ihrer Ankunft bei Saturn zusammenfallen. Grinsend fragte er in die Runde, ob sonst noch jemand von seinen Pillen wolle.

Man lehnte dankend ab, auch die Tonnen, die weder an Parkinson noch an extrapyramidalen Störungen litten. Manfred zündete sich eine filterlose Camel an und dachte an seine Mutter. Obwohl er auch an Wochenendtagen regelmäßig zwischen neun und zehn ins Bett ging, manchmal auch früher, je nach der Schwere, die er durch den Genuss von Rotwein, Pillchen oder anderen Drogen erhalten hatte, war er erstaunlicherweise nur ein wenig müde.

"Rauchen ist igitt", sagte eine der Tonnen entrüstet. Ihr fehlte letztendlich aber das Durchsetzungsvermögen, um Manfred die Zigarette aus der Hand zu winden. Offensichtlich sind die Tonnen auch “Hier”, dachte Manfred. Scheinheilig bot er Salma eine Camel an, wenn gleich er sie von Anfang an nicht leiden konnte.

Tobias gab sich erstmal mit Manfreds Antwort zufrieden, obwohl ihm grundsätzlich unklar blieb, wieso man Pillen gegen die Nebenwirkungen von anderen Pillen benötigte. Bedurfte es weitere Pillen um folgende Nebenwirkungen weiter abzuschwächen? "Und was nimmst du gegen die Nebenwirkungen von Akineton?", fragte Tobias dann nach. Manfred kannte keine Nebenwirkungen bei Akineton. Die Pille wirkte ganzheitlich, durchaus in verschiedenen Aspekten und vor allem war ihre Wirkung gut. Sie konnte ihn beispielsweise geil machen und Gefühle beim Orgasmus verstärken. Tobias war klar, dass Manfred seine Pillen, die gegen was auch immer sein mochten, als Droge nahm. Bei diesem schier unglaublichen Konsum an Pillen und Zigaretten mussten die Vorräte stark schwinden. Das Problem der Husten provozierenden Qualmwolken würde von selber gelöst sein, wenn die letzte Zigarette geraucht war. Tobias nahm an, dass es auf dem Mutterschiff keine Zigarettenautomaten gab und auch nicht die Möglichkeit Zigaretten herzustellen vor allem aber gab es keinerlei Bereitschaft, den törichten Kult weiter zu unterstützen.

Jetzt gab man sich noch höflich, zeigte geringe Durchsetzungskraft, gepaart mit ein wenig Unentschlossenheit. Immerhin hatten die Tonnen zugegeben, dass alles ein Fehler sei, aber mehr als diese Fähigkeit zur Einsicht war von den Tonnen nicht zu erwarten. Diese Beschränkung gehörte zum Gesamtfehler, der offenbar auch - trotz Einsicht - in seinem weiteren Verlauf unabwendbar war. Wie viele Raucher wussten von den möglichen, verheerenden Auswirkungen ihres Tuns, rauchten aber trotz dieses Wissens weiter, obwohl sie nie und nimmer ernsthaft dazu bereit waren, die Konsequenzen ihres Tuns zu akzeptieren. So war das mit vielen Fehlern, die man machte, sie wurden mit vollem Bewusstsein ausgeführt. Es waren all jene Fehler, von denen man nur schlecht lernen konnte. Es war für die Tonnen entweder zu gefährlich oder zu unangenehm, den Ablauf des Programms aufzuhalten oder in wesentlichen Zügen abzuändern. Vielleicht fürchteten sie Ärger von ihren Vorgesetzten. Man sollte aber nicht etwas vorschnell kosmische Tonnen irgendwelche irdische Gefühle unterstellen, ganz unabhängig davon, ob sie Metallroboter waren oder Wesen aus Fleisch und Blut, wobei bekanntlich Farbe und Konsistenz auch auf der Erde variieren dürfen.

Es war sicher ein Holzweg, auf das Vorhandensein von kosmischem Hämoglobin und Chlorophyll zu spekulieren, wenn man noch nicht mal mit Gewissheit annehmen durfte, dass bei der bierbäuchigen Bevölkerung des Weltalls die DNS als Informationsträger für die Veranlagung zum Bauch und den ab und an auftretenden Kopfschmerzen zugrunde lag. Aber wenn die organische Chemie, inklusive der Bierbrauerei, andere Informationsträger zur Reproduktion zuließ, warum kam sie dann auf der Erde nicht vor?

Die hier Anwesenden verstanden zu wenig von Biochemie, um diese ohnehin nicht aufkommende Frage zu beantworten. Salma verstand etwas von Männerschwänzen, hinter deren Dynamik letztlich auch so etwas wie Biochemie stecken musste. Keiner hätte geleugnet, dass es so etwas wie Biochemie gab; was man sich immer wieder im speziellen durch die Inhalation von Zigarettendämpfen, Leeren von Bierfässern oder Schlucken von Akinitonpillen beweisen konnte und das sich im Allgemeinen durch Kohldampf, Brand und Schnappen nach Luft bemerkbar machte.

Die Tonnen schienen keinerlei biochemische Neigungen zu haben. Nicht nur, dass sie Zigaretten ablehnten, offensichtlich war die sie umgebene Luft nutzlos, denn schnappte eine der Tonnen nach Luft? Nein, die Luft war für sie ausschließlich Transportmedium ihrer Wortblasen und es wäre auch nicht weiter verwunderlich gewesen, wenn sie sich lautlos über Funk verständigt hätten. Ihre akustischen Wortblasen waren nur eine Nettigkeit, ein Zugeständnis an menschliche Ohren. Die Luft war voller Informationen und man verlor nur wenig davon, indem man einen Teil der Luft in die Lungen sog.