Der Florettfechter - Alex Gfeller - E-Book

Der Florettfechter E-Book

Alex Gfeller

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Beschreibung

Mit dem Moped über die Alpenpässe. Man muss sich Zeit nehmen.

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für Niklaus Meienberg

Eine herbstlich messerscharf strahlende Sonne verwandelt die leuchtende Gebirgslandschaft in ein richtig expressives Gemälde mit überaus kräftigen Farben, als seien Weiden, Wälder, Fluren und Auen, aber auch Geröllhalden, Felswände, Bergspitzen, Grate und Gletscherzungen soeben frisch gestrichen worden. Dieses späte, grelle Herbstlicht blendet den Berichterstatter, Majestät; es ist somit Zeit für die lederne Motorradbrille mit den dunkel getönten Gläsern, die er ansonsten nur im Hochsommer, allenfalls im Hochwinter zum Motorradfahren benutzt, denn ein derart kräftiges, lichtes Blau und genau diese wie exakte Scherenschnitte wirkenden Konturen der schroffen Berglandschaft bei so scharfem, ja beißend gleißendem Lichte gibt es nur an sehr klaren Spätherbsttagen.

Die junge, blonde Frau fällt ihm ein, die er im Vorbeifahren für Sekunden mitten in einer Wiese im Lotussitz sitzen gesehen hat, aufrecht, mit angewinkelten und indisch korrekt gekreuzt übereinandergelegten Beinen, die Handrücken auf den Knien, die Handinnenflächen nach oben gerichtet, die Kuppen von Daumen und Mittelfingern aneinandergelegt, das bleiche Touristengesicht mit geschlossenen Augen andächtig der scharfen Sonne zugewandt, wie um eine letzte Möglichkeit zu erhaschen, nach langen Monaten im Büro in Bremen oder Brüssel doch noch geistig erleuchtet oder wenigstens sonnenbraun zu werden, wie um zumindest die letzten, kostbaren Stunden eines sehr späten Gebirgs-Sonnenscheins voller Ultraviolett zu nutzen, bevor die weite, leere Landschaft für lange Zeit wieder in stillen, undurchdringlichen Nebel, in kalte, lautlose und unaufhörliche Regenschleier oder in dichtes, stummes Schneetreiben entrücken wird.

Der Florettfechter befindet sich im obersten Teil der steilen Südrampe des San Bernardino. Er hat für einmal nicht die großzügig geschwungene Autostraße genommen, die er praktisch im Leerlauf hinunterflitzen könnte, sondern die alte, holperige Passstraße mit ihren vielen unzeitgemäßen Ecken und Kanten, wie um etwas Zeit zu gewinnen. Er dürfe es von jetzt an endlich gemütlich nehmen, nach der langen Anfahrt durch das unangenehm hektische Mittelland und die spätherbstlich bunten Voralpen, hat er sich im Hospiz vorgenommen. Er hat sich überhaupt schon zu Beginn seiner Reise strikte verordnet, sich fortan jede Zeit der Welt zu nehmen, mit der Begründung, dass er sich in seinem Alter gar nicht mehr zu beeilen brauche, dass er sich überhaupt nie mehr dem Diktat der Zeit unterwerfen müsse.

Der Anfahrt auf der Nordseite hat heuer ziemlich lange gedauert, fast drei Stunden, weil die Straße doch recht steil ist und das alte Moped somit kaum noch zwanzig oder dreißig Kilometer pro Stunde hergegeben hat. Hinzu ist der hartnäckige Gegenwind gekommen, der Föhn, der kräftig das lange, enge Tal herabgeweht und seine mühsame Kriechfahrt zusätzlich und deutlich spürbar abgebremst hat. Endlich im Weiler Hinterrhein angekommen, direkt vor dem Tunnelportal, hat er seinem Florett eine weitere, harte Prüfung auferlegt, denn er ist nicht etwa durch den Tunnel gefahren, hat also nicht, wie der übrige, unglaublich gejagte und geplagte Verkehr in seiner erschreckend pulkmäßigen Heftigkeit, die bequeme Abkürzung durch den Berg genommen, sondern ist wegen des einmalig schönen Wetters über den nahezu verkehrsfreien, alten Pass bis hin zum einsamen, fast vergessenen Hospiz gelangt, zu einem vor allem in seiner eigenwilligen Innenaufteilung eindrücklichen, überaus massiv gemauerten, viereckigen Gebäude, das die Zeiten fast unversehrt überstanden hat.

Immer wieder wundert er sich als Fachmann für ältere und alte Häuser über deren meist eindrücklichen Charakter und prägende Bedeutung, ganz besonders dann, wenn er auf solch vergessene Gebäude stößt, auf nahezu unbeschädigte Relikte einer längst vergangenen Epoche, weil die wirtschaftliche Entwicklung offenbar auch in der ausgesprochenen Kleinräumigkeit eines reichen und nahezu völlig durchsiedelten Landes ganze Regionen einfach vergessen kann. So sind zum Beispiel Historiker im Dorf Splügen in einem alten Kuhstall kürzlich auf einen Firstbalken gestoßen, der nachweislich zur Zeit der Stauferkönige für diesen Stall zurechtgezimmert worden ist. Der Florettfechter kann bei solchen Meldungen jeweils nicht umhin zu versuchen, sich des Langen und Breiten vorzustellen, wie es damals dort oben wohl ausgesehen haben mag und unter welchen Bedingungen die Leute zu jener Zeit, im Hochmittelalter also, in dieser alpinen Abgeschiedenheit gelebt und überlebt haben.

Auf dieser Höhe, wo die Luft bereits spürbar dünner ist, hat seine Kreidler Florett üblicherweise den Schluckauf. Die eher magere Vergaserabstimmung ist für das Flachland, nicht aber für diese Höhe ausgelegt, und wenn ihn das kleine Motorchen mühsam den Berg hochschleppen muss, geht ihm schnell mal die Luft und somit die Kraft aus. Auch der Florettfechter hat eine Pause gebraucht; zudem hat er hier oben plötzlich Hunger bekommen. Im Hospiz hat er sich deshalb erst am mächtigen Kachelofen aufgewärmt, auf der großen, angenehm warmen Granitplatte aus dem Jahre 1875 sitzend, und erst danach hat er, wie immer, wenn er hier rastet, an einem uralten, schmalen Tisch aus fast schwarzem Holz, an dem schon viele Generationen von Reisenden gesessen haben mögen, einen Teller kräftige Gerstensuppe mit Speck gegessen, und zum Schluss hat er auch noch einen dünnen Filterkaffee, wie man ihn ansonsten nur in Amerika erhält, getrunken.

Es ist klar, dass es um diese späte Herbstzeit in dieser Höhe bereits empfindlich kalt werden kann, trotz des tagsüber immer noch gleißenden Sonnenscheins. Vor allem in den verborgenen Schattenpartien ist ihm schnell bewusst geworden, wie frostig es hier oben des Nachts bereits sein muss, denn an nassen Felskanten und in dunklen Felsnischen hat er im Vorbeifahren Raureif und die ersten kleinen Vereisungen entdecken können.

Die Viehherden sind längst ins Tal zurückgekehrt; kurzgefressen, leer und hellbraun liegen die Alpweiden für den langen Winter bereit, und auf der Straße sind nach dem Alpabzug die letzten, schlüpfrigen Spuren des Viehs zu sehen, die kalter Regen und schwerer Schneematsch sicher bald wegspülen werden. Klar ist, dass binnen kurzem der erste Schnee fallen wird und der Pass somit geschlossen werden muss. Es kann sich nur noch um Tage handeln, nimmt der Florettfechter vage an, auch wenn das gegenwärtige meteorologische Hoch sehr stabil zu sein scheint. Bereits das kommende Tief wird aber dieser einsamen Landschaft den nächsten, grausam langen Winter bescheren, das ist absehbar und unausweichlich. Immerhin ist es heute noch einmal herbstlich hell und klar und zudem durchaus angenehm warm, vielleicht ein letztes Mal noch.

Der Florettfechter hat in diesem Jahr den spätestmöglichen Moment gewählt, um seine alljährliche, herbstliche Pässefahrt zu unternehmen. Das letzte Mal, da er über diesen Pass gefahren ist, vor einem Jahr erst, doch damals zwei Monate früher, hat er im dichten Nebel den Verlauf der Straße richtiggehend erraten müssen. Einsame Kühe, verlorene Schafe und Ziegen sind in dieser undurchdringlich grauen Suppe plötzlich aufgetaucht – einmal sogar ein rosa Schwein – sind wie in einem Film von Fellini selbstvergessen auf der Fahrbahn herumgestanden, haben dem Florettfechter nachdenklich nachgeschaut und sind gleich wieder wie ein Spuk im Nebel verschwunden, wie auch einige blaugefrorene Radfahrer mit leidenden Mienen in bunten, engen, aber viel zu dünnen Anzügen aus modernem Stretch-Material, kleine, drahtige Mittdreißiger und großgewachsene, leicht übergewichtige Mittvierziger, die sich im Namen einer trügerischen Gesundheit auf Anraten ihrer Ärzte unnötig abplagen, und ein paar gelangweilte Soldaten unter unförmigen Regenpelerinen in auffälliger Tarnfarbe haben sich irgendwo ganz selbstverloren herumgedrückt und hinter der hohlen Hand ihre feuchten Zigaretten geraucht.

Zum Glück sind auf der ganzen Strecke die frisch gestrichenen, leuchtend weißen Markierungen am Boden zu sehen gewesen, denen er damals im Schritttempo gefolgt ist, weil er im dichten Nebel nichts anderes hat erkennen können als diese im Scheinwerferlicht kurz und hell aufblitzenden, weißen Striche, und beinahe wäre er in einer engen Kehre mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer zusammengestoßen, der sich an derselben unterbrochenen Mittellinie orientiert hat, denn man hat in diesem dichten Nebel, der zudem auch noch alle Geräusche verschluckt hat, nicht weiter als höchstens drei oder vier Meter sehen können – und dies am helllichten Tage.

Die kleinen Gebirgsdörfer in diesem wilden Tal ducken sich ängstlich an die Talflanken, und die enge, schiefe, oft noch altertümlich mit unregelmäßig welligem Kopfstein gepflästerte Passstraße schlängelt sich umständlich durch die etwas ausgestorben wirkenden Dorfteile. Diese alte Talstraße wird vom Durchgangsverkehr längst nicht mehr genutzt, und somit sind die Dörfer im Misox noch stiller geworden, als sie ohnehin schon immer gewesen sind, etwas gar still also, vielleicht sogar so still wie noch nie zuvor, und der Florettfechter passt mit seinem alten, leise knatternden Moped vorzüglich in diese noch fast unbeschadeten Dorfbilder, die in ihrer durch den jahrhundertelangen Durchgangsverkehr verursachten Prägung durchaus authentisch wirken.

Dort sieht er auf seinem alten, abgewetzten Moped auf den ersten Blick aus, als würde er seit jeher dazugehören, denn er wirkt auf den flüchtigen Betrachter wie ein ortsansässiger Rentner auf dem Weg von seinem Haus in die Dorfkneipe oder in den Dorfladen. Nur das gelbe Nummernschild des Mopeds verrät, dass er nicht aus dieser Gegend stammt; ansonsten würde man ihn sofort für einen typischen Einheimischen halten. Diese Perspektive gefällt ihm persönlich durchaus, denn er mag es, nicht aufzufallen. Es kommt tatsächlich immer wieder vor – oder immer noch, wenn man so will – dass er unterwegs, gerade in einem dieser abgelegenen Dörfer, auf einen anderen Florettfechter stößt, der auf seinem dreißig-, vierzig- oder gar fünfzigjährigen Pressstahl-Gefährt von der modernen Zeit und von der wirtschaftlichen Entfaltung völlig übergangen worden ist, ein weiterer Versager oder Verweigerer im tiefen Schatten dieses reichen Landes der Schönen, Starken und Erfolgreichen, eine weitere Niete in dieser streng selektiven Gesellschaft, die niemanden neben sich duldet, keine andern Götter und schon gar keine Nullen, ein Nichts also, das es nicht einmal zu einem gebrauchten Volkswagen gebracht hat. Dann winken sich die beiden meist sogar etwa gleichaltrigen, also schon ziemlich alten Mopedfahrer in einer unverbrüchlichen Zweirad-Klassensolidarität zaghaft, doch deutlich verschwörerisch zu und nicken wissend. Sie verstünden sich wahrscheinlich auf Anhieb, ohne viele Worte zu verlieren und ohne viele Gesten verschwenden zu müssen, wenn sie sich zum Beispiel in der nächsten Kneipe zusammen an einen Tisch setzen würden, denn wer an seiner alten Kreidler, an seinem meist ersten und einzigen motorisierten Fahrzeug überhaupt, ein Leben lang festgehalten und herumgeschraubt hat, der weiß ganz genau, warum das so ist, und warum das so sein und bleiben muss. Das ist nämlich, unter anderem und nebst allen konkreten wirtschaftlichen Aspekten, ein klar definiertes, also unverwechselbares, solides und unverbrüchliches Lebenskonzept der eigensinnigsten Art, wie zumindest ihm, dem Florettfechter selber, scheint. Es kann aber auch sein, dass er sich das Individualistische daran in einer Art romantischer Aufwallung nur vorgestellt hat, um sei-ne eigene, urtümliche Erscheinung zu rechtfertigen.

In einem der Dörfer steht mitten im Zentrum, an ein schiefes, knappes Plätzchen gelehnt, ein kleines, würfelförmiges Gasthäuschen in einem längst verblichenen Dunkelrosa, mit einem stark beschädigten Wirtshausschild hinter einer Pergola aus längst vertrockneten, knorrigen Weinstöcken und einer granitenen, schmalen Terrasse mit einem rostigen, schmiedeeisernen Geländer gegen den kleinen, abfallenden Platz hin, ein traditionelles Gasthaus, das von einem greisen Ehepaar geführt wird, das, genau wie ihr altes Haus auch, längst zum verlorenen und vergessenen Dorfbild gehört. Die geräumige Gaststube, die fast das ganze Erdgeschoss ausfüllt, besteht aus einem einzigen, erstaunlich hohen Raum, dessen Wände zudem bis oben hin mit den hier unvermeidlichen Reh-, Gäms-, Steinbock- und Hirschtrophäen behängt sind. Mittendurch führt knapp über Kopfhöhe ein langes, schwarzes Ofenrohr diagonal durch den Raum, ausgehend von einem gusseisernen Ofen seitlich der Mitte des Raumes, und in einem alten, abgewetzten Gläserschrank stehen nebst Gläsern aller Art einige bessere Flaschen Merlot und Veltliner, zusammen mit einigen vertrockneten Zigarren- und Zigaretten in längst vergangenen Verpackungen, mit Streichhölzern in altertümlichen Spanschachteln, mit Ansichtskarten, Sicherheitsnadeln, veralteten und längst ungültigen Briefmarken, elektrischen Sicherungen und ausgebleichten Schachteln mit verstaubten Heftpflastern in verschiedenen Größen.

Gleich neben diesen Schrank setzt sich der Florettfechter an einen großen, runden Tisch aus dunklem Holz, nachdem er das Florett hinter das Haus unter eine weitere vergessene Pergola mit vertrocknetem Rebenlaub gestellt und den schweren, feldgrünen Motorradmantel, sowie den schwarzen, leicht ramponierten Helm und die ledernen Handschuhe ausgezogen und wie zum Schutze darübergelegt hat. Die teure Motorradbrille mit den getönten Gläsern hat er vorsorglich wieder in eine der beiden großen Manteltaschen versorgt. Morgen wird er wahrscheinlich die leichte, ganz gewöhnliche Skibrille mit der gelben, bereits etwas trüben Plastikscheibe benutzen, die weitaus angenehmer zu tragen ist als die schwere Lederbrille mit dem dicken, dunklen Brillenglas. Er weiß, dass er in diesem Gasthaus bald etwas Gutes essen und wohl auch übernachten wird, denn nur wenigen Leuten ist bekannt, dass man hier auch ein Zimmerchen mieten kann.

Der Wirt begrüßt ihn wie einen alten Bekannten, und die Frau des Wirtes, die Nonna mit dem zahnlosen Mund, winkt ihm mit der Kelle krächzend unter der kleinen, abgewetzten Durchreiche hindurch von ihren Töpfen her zu.

„Ciao Nonna!“ ruft der Florettfechter freundlich zu ihr hinüber und bückt sich dazu zur Luke hin, damit sie ihn besser erkennen kann. „Come va? Va bene?“

Kann sein, dass sie ihn tatsächlich wieder erkennen können, die beiden freundlichen, lebhaften Alten, die auch in ihrem hohen Alter noch jeden Tag in der Gaststube und in der Küche stehen, ausgerechnet ihn, der hier höchstens einmal pro Jahr und immer nur für einen Abend und eine Nacht innehält. Es kann aber auch sein, dass er sich täuscht. In der Tat scheint es ihm eher unwahrscheinlich, dass sich die beiden Gastwirte all ihrer flüchtigen Gäste entsinnen können.

In der Gaststube sitzen wie immer die üblichen Dorfleute und einige wenige Fremde, Durchreisende wie er, und ein weiterer Motorradfahrer setzt sich mit einem kurzen Nicken zu ihm an den großen, runden Tisch in der Mitte der Gaststube. Er fährt ganz offensichtlich eine Harley; das kann man sehr deutlich an praktisch allem erkennen, was der gute Mann trägt, an den Stiefeln, an der Fransen-Lederhose, am orange-schwarzen Pullover, am orangeschwarzen Halstuch, an der klotzigen Armbanduhr, am schweren, goldenen Siegelring und sogar an der Sonnenbrille, die er über das schon fast verwegene, orangeschwarz gewürfelte Kopftuch geschoben hat, das ihm das filmreife Aussehen eines schwulen Hollywood-Seeräubers gibt. Eine typische Harley-Schwuchtel; Harley-Davidson durch und durch, möchte man bei diesem amüsanten Anblick meinen, Fleisch gewordene Markenidentität, denkt der Florettfechter, dem ein eingeweihter, aufmerksamer Beobachter allerdings ebenfalls ansehen könnte, was für ein abwegiges Motorrad er fährt. Das müsste allerdings ein wahrer Kenner der Materie sein.

„Na?“ fragt er den Harleyfahrer aufgeräumt und auf gut Glück auf Deutsch. „Alles klar, Kollege?“

Er fühlt sich etwas abgekämpft und hätte sich gerne unter eine warme Dusche gestellt, bevor er sich in die Gaststube gesetzt hat, doch mit dem Duschen wird es zumindest heute definitiv nichts werden, denn hier im Haus gibt es keine Duschen. Das Gasthaus ist zu einer Zeit erbaut worden, da die Leute noch nicht haben wissen können, was eine Dusche ist, und seither, seit dem Bau dieses Hauses vor vielleicht hundertfünfzig oder zweihundert Jahren, hat sich in diesem Haus nichts mehr verändert. Klar, es musste mitunter etwas geflickt werden, innen oder außen, das versteht sich von selbst, doch mehr als das ist bestimmt nie getan worden. Der Fußboden ist immer noch derselbe, ein alter, solider Tonplattenboden, so lebhaft verfärbt wie ein reich illustriertes und koloriertes Geschichtenbuch, in dem bereits mehrere Generationen von Kindern aufmerksam geblättert und mit Buntstiften selbstvergessen hineingekritzelt haben. Und in den kleinen, knarrenden Kammern stehen tatsächlich immer noch diese altmodische Wassergefäße auf einer dunklen Kommode, alte Küvetten aus blumigem, rissigem Porzellan, die, mit kaltem, oft etwas abgestandenem Wasser gefüllt, in hohen, fleckigen Waschschüsseln stehen, die den spärlichen Gästen zum Waschen ausreichen müssen.

Es gibt heute Hirschpfeffer mit Polenta, und dies ist dem Florettfechter gerade recht, denn natürlich ist jetzt Jagdsaison. Der Wirt, wie alle Männer hier ein leidenschaftlicher Jäger, wäre somit längst über alle Berge – wenn er denn noch könnte. Doch leider kann er sich an der Jagd, an dieser uralten bündner Leidenschaft, nicht mehr beteiligen, der Arme, schon seit Jahren nicht mehr. Die Beine versagen ihren Dienst, wie er jeweils allen bedauernd erklärt: „Le gambe! Un peccato!“

Ein Jammer, in der Tat. Umso aufmerksamer bedient er seine Gäste und lässt es sie an nichts mangeln; er errät ihre Wünsche schon von weitem und bedient sie flinker als manch junger Kellner mit zwei gesunden Beinen. Der bunte Harleyfahrer erklärt inzwischen dem Florettfechter unaufgefordert – und später gleich noch einmal ausführlich während des vorzüglichen Essens – wie man mit dem Verkauf von Büromöbeln ganz schnell ganz unglaublich viel Geld verdienen könne. Er will ihm gleich ein halbes Dutzend Bürodrehstühle mit echten Lederüberzügen zum halben Preis oder auch auf Pump andrehen, und der Florettfechter seinerseits erklärt dem Harleyfahrer umgehend und aus reiner Defensive heraus, wie man einen alten Zweitaktvergaser richtig einstellen müsse, damit er auch in den Luftdruckverhältnissen des Hochgebirges ausreichend Sauerstoff in den geschwungenen Ansaugtrichter bekäme und somit richtig atmen könne, wenn er, der Florettfechter, nicht zu faul dazu wäre. Das Einstellen würde nämlich bedingen, dass er die Position der Düsennadel sofort wieder ändern müsste, sobald er vom Pass herunter käme, und zwar von Nadelstellung 3 zu Nadelstellung 2 oder gleich zu 1, wenn er sich zum Beispiel in Italien fast auf Meereshöhe befände, weil sonst die Mischung viel zu fett wäre und der Kerze, den Kolbenringen und der Zylinderlaufbuchse durch Überhitzung bald einmal irreparablen Schaden zufügen würde, ganz abgesehen vom viel größeren Benzinverbrauch und der übermäßigen Verrußung des Zylinderkopfes, der Ansaug- und Auslasskanäle und nicht zuletzt der ganzen Auspuffanlage durch einen viel zu großen Benzin- und Ölverbrauch.

„Klar“, nickt der Harleyfahrer verständnisvoll, obschon er nicht einmal weiß, was eine Düsennadel ist, denn er hört dieses Wort hier zum ersten Mal in seinem ganzen Möbelverkäuferleben. Das sieht man ihm sofort an, und trotzdem nickt er, als ob ihm das völlig klar wäre, und als wüsste er alles über Düsennadeln.

Aber diese Probleme habe er eigentlich alle im Griff, fährt der Florettfechter ungebeten und ungerührt fort, wenn er nicht gerade in abgelegenem Gebiet mit einer irreparablen Panne stehen- und sitzenbleibe, wie neulich, als er tatsächlich mit einem gerissenen Kupplungszug in Gletsch hängen geblieben sei. In Gletsch, im praktisch abgelegensten Ort des ganzen Landes, sozusagen am Ende der Welt, das müsse sich der Harleyfahrer erst einmal bildlich vorstellen! Wir haben Mitte November, abends um acht, und das in Gletsch! Es ist stockfinster und saukalt, kein Schwein ist unterwegs und alles hat längst geschlossen! Der nackte Horror!

„Klar“, seufzt der Harleyfahrer mitleidig.

Da sei er halt ohne Kupplung weitergefahren, das halbe Wallis hinab, und in Sion sei deshalb prompt das Getriebe im Eimer gewesen. Knack! und Knirsch! habe es von unten herauf trocken gemacht, ein ganz übles Geräusch, das übelste Geräusch überhaupt, das ein Motor jemals von sich geben könne, sozusagen sein Todesseufzer. Das ganze Getriebe sei blockiert und ein gemischter Zahnradsalat im Getriebegehäuse die unausweichliche Folge gewesen, das absolut endgültige Aus, und das um Mitternacht! Doch ausgerechnet in Sion habe er einen alten Kollegen aus einer ehemaligen Baubude gekannt, mit dem er jahrelang temporär gearbeitet habe, Treppen, Fußböden, Tür- und Fensterrahmen, Geländer, Decken und Wände und all der Kram.

„Verstehe“, nickt der Harleyfahrer freundlich.

Bei diesem Kollegen in Sion habe er zum Glück übernachten können, weil der auch seit vielen Jahrzehnten Florett fahre. Der habe ihm problemlos einen neuen Kupplungszug und auch ein komplettes Ersatzgetriebe ausleihen können. Gerade deshalb sei es wichtig, als Florettbesitzer ein eigenes Ersatzteillager zu unterhalten, so wie er, der Florettfechter, auch eines in einem eigens hinzugemieteten Keller zu betreiben pflege.

„Klar“, meint der Harleyfahrer verständnislos.

Er habe nämlich seinerzeit, als niemand mehr mit dem Florett zur Arbeit habe fahren wollen, damals, Mitte der Sechziger, als alle Arbeiter ihren ersten Kleinwagen gekauft haben, einen NSU, einen Borgward, einen Simca, einem Morris, einen DKW oder einen Austin, einige alte Floretts für wenig Geld zusammengeschnorrt, lauter Fahrzeuge, die sonst auf dem Müll gelandet wären und die ihm heute noch als enorm nützliche Ersatzteillager dienen. Die Leute seien meist froh gewesen, diesen plötzlich sinn- und nutzlos herumstehenden Schrott aus ärmeren Zeiten, die sie gerne vergessen haben, loszuwerden, wie sie ihm jeweils erleichtert versichert haben, und einige der Mopeds habe er damals sogar gratis abholen können, zum Teil noch guterhaltene, manchmal sogar nur wenig gebrauchte Ware. Noch nie sei es deshalb vorgekommen, dass er einen solch soliden Hobel als Ganzes auf den Schrottplatz habe bringen müssen; fast alles an einer Kreidler lasse sich reparieren, austauschen, ersetzen oder wiederverwenden, alles, was nicht irreparabel kaputt ist, selbst die beiden Radlager, und um einen dieser massiven Pressstahlrahmen sei er schon mehrmals froh gewesen. Er wiege in voller Montur ja immerhin gut hundertzwanzig bis hundertdreißig Kilo, und da könne es durchaus vorkommen, dass der Rahmen auf einer üblen Bodenwelle, in einer bösen Senke oder über einem harten Brückenabsatz direkt beim Lenkkopf oder im Bereich der Schwingenlagerung reiße oder gar breche.

„Logisch“, nickt der Harleyfahrer tapfer.

Dies alles erklärt der Florettfechter dem Harleyfahrer überaus geduldig, weil er genau weiß, dass der durchgestylte und parfümierte Easy Rider, der ihm gegenübersitzt, absolut keine Ahnung von Motorrädern hat. Das macht aber gar nichts; man muss ja nicht alles wissen und verstehen.

Inzwischen ist sein Wildteller gebracht worden, zusammen mit einer kleinen Flasche Merlot und einem frischen Salat, und der Florettfechter lässt es sich schmecken. Den ganzen Tag hat er noch nichts gegessen, und dementsprechend meldet sich jetzt sein mächtiger Appetit. Auch der Harleyfahrer erhält seinen Teller serviert. Der Florettfechter fährt mit den Erklärungen gleich fort, mit vollem Mund, ohne auf das Essen Rücksicht zu nehmen, denn er will mit diesem unüblichen Redeschwall lediglich verhindern, dass der Harleyfahrer wieder mit seiner Büromöbel-Verkaufsphilosophie anfängt. Nur deshalb klärt er ihn jetzt darüber auf, dass ein einfacher Zweitaktmotor wie der Florettmotor insgesamt nur sieben bewegliche Teile aufweise, was natürlich den mechanischen Verschleiß auf ein Minimum reduziere, und alles in allem kenne er, der Florettfechter, das praktische Fahrzeug mit seinem zähen Motor längst in- und auswendig, denn schließlich schraube er jetzt seit genau fünfzig Jahren daran herum. Daher könne man füglich davon ausgehen, dass er, auch wenn er kein ausgebildeter Motorradmechaniker sei, an dem Ding wirklich jede Schraube, jede Mutter, jedes Gewinde und jede Unterlagscheibe kenne und über sämtliche Verschleißteile genau Bescheid wisse.

„Selbstverständlich“, meint der geplagte Harleyfahrer ergeben und schnipselt trotzdem leicht pikiert an seinen schmackhaften Fleischklößen aus dem Wildbretbereich.

Die japanischen Produkte, die ab Mitte der Sechzigerjahre die europäischen und amerikanischen Märkte überschwemmt haben, seien technisch natürlich bereits viel weiter und somit unbestreitbar moderner gewesen und haben diese einfache und billige, aber veraltete Zweitakt-Technologie sofort abgelöst. Etwas später aber hätten vor allem andern die umweltbedingten Schadstoffverordnungen den Zweitaktern den Garaus gemacht; ganze Motorradindustrien seien unter anderem auch aus diesem Grund von einem Tag auf den andern eingegangen, nämlich erstens wegen dem generellen, technologischen Rückstand und zweitens wegen der Unfähigkeit, sich an veränderte Bedingungen und Anforderungen anzupassen, und drittens wegen der mangelhaften Qualität der verwendeten Materialien; dies müsse auch gesagt sein. Vor allem die überaus traditions- und glorreiche britische Motorradindustrie, die bis anhin – noch vor der italienischen, der amerikanischen und der deutschen – im Motorradbau das Maß aller Dinge gewesen sei, wie er, der Harleyfahrer, vielleicht wisse, habe daraufhin wirtschaftlich total kollabiert.

„Ja, die alten Engländer!“ meint der Harleyfahrer nickend, ohne das Kauen zu unterbrechen und ohne den bedeutungsvollen Satzanfang zu beenden.

Aus dem ehemals billigen Fortbewegungsmittel von anno dazumal habe sich mittlerweile ein hochtechnologisches Freizeitgerät entwickelt. Heute sei ja ein Motorrad mit seiner ganzen Elektronik, mit seinen teuren Materialien und mit seinen kompakten Baugruppen dermaßen kompliziert geworden, dass einer ohne Diagnosegerät, also ohne gut ausgerüstete Werkstatt, ohne die geeignete Software, ohne Spezialwerkzeuge und ohne die unumgängliche Spezialausbildung überhaupt nichts mehr an seinem Moped machen könne.

„Das ist bestimmt so“, nickt der Harleyfahrer freundlich und gießt beiden etwas Wein nach. „Ich mache an meiner Harley auch nie etwas. Das überlasse ich lieber meinem Dealer. Der weiß besser Bescheid als ich.“

Der Florettfechter seinerseits konzentriert sich jetzt schweigend auf das vorzügliche Essen. Dazu muss er sich notgedrungen Ansichten aus der mobilen Geschäftswelt anhören, Vorhersagen über den voraussichtlichen Verlauf der Bedingungen in diesen kargen Zeiten der Betriebskostenminimierung, sowie kühne Mutmaßungen über die generellen Zukunftsaussichten der inländischen Büromöbelbranche an sich. Er nickt zuweilen bedächtig, voller Unverständnis, doch angemessen nachdenklich, ohne indes das Kauen zu unterbrechen, gerade so, als ob er trotzdem aufmerksam zuhören würde, und er lässt sich in keiner Weise anmerken, dass ihn diese Themen jetzt seinerseits überhaupt nicht interessieren. Er genießt die feine Polenta, das würzige Wildbret, den frischen, grünen Salat und auch den guten, kräftigen Wein. Das ist alles.

„Klar“, sagt er zwischen zwei Happen zum Harleyfahrer und nickt dazu verständnisvoll. „So ist es. Ganz genau!“

Wenn er mitunter, selten zwar, gefragt wird, was er denn eigentlich so treibe im Leben, dann erklärt er überaus freundlich, aber bestimmt, dass er Florettfechter sei.

„Wie bitte?“ wird jeweils verwundert zurückgefragt, und dazu wird meist seine unvorteilhafte Fechterfigur misstrauisch von oben bis unten gemustert. Dann schildert er geduldig, dass er vorwiegend Florett fechte, denn ein Florettfechter fechte mit dem Florett, wie der Name schon sage. Manchmal zwinkert er dazu schelmisch, wenn er merkt, dass die Leute gar nichts verstehen von dem, was er ihnen erklärt, und manchmal aber sagt er auch absichtlich nichts dazu, gibt ihnen also keinen Hinweis, um sie in ihrer Ratlosigkeit zu belassen, so dass sie bald einmal annehmen müssen, es mit einem eindeutig Bekloppten zu tun zu haben. Wenn ihn diese Leute anschließend verwundert fragen, ob er das beruflich mache und ob ihm diese reichlich abseitige Tätigkeit überhaupt etwas einbringe und wenn ja, wieviel, hebt er die Augenbrauen, nickt bedeutungsvoll und flüstert konspirativ: „Millionen!“

Darauf lacht er kurz über sich. Den Leuten ist es immer sehr wichtig zu wissen, ob eine Tätigkeit etwas einbringe, oder eben nicht, und wenn sie nichts einbringt, dann ist es klar, dass selbige nichts wert ist, noch Nutzen bringt, noch Sinn stiftet, denn alles, was einer tut, wird ausschließlich in Beträgen gemessen und subito in geläufige Währungen umgerechnet, wie auch das ganze Leben überhaupt. Das vereinfacht das Verständnis, erleichtert allfällige Verständnisprobleme und enthebt einen elegant von möglichen Erklärungsnotständen. Doch der Florettfechter kann zum Glück problemlos über sich lachen, keine Frage, da kennt er keine Hemmungen oder Begrenzungen; er lacht sogar viel lieber über sich als über alles andere, worüber man sonst noch lachen könnte.

„Klar“, sagt er deshalb von Zeit zu Zeit freundlich zum Harleyfahrer und nickt dazu bedächtig und anscheinend interessiert, damit ihn dieser ob all seiner Erläuterungen zur modernen Personalführung und Personalbewirtschaftung nicht vergisst. „Stimmt ganz genau.“

Wenn er danach gefragt wird, erklärt er gutmütig, er stelle sich zum Beispiel vor, dass er nicht einfach nur auf seinem alten Florett herumfahre, wie es äußerlich den Anschein mache, sommers wie winters in seinen schweren, feldgrauen, knöchellangen Fahrermantel mit der dicken Fütterung aus Filz gehüllt, in einen so genannten Prontomantel der Armee, den er vor zwanzig oder sogar vor dreißig Jahren bei einer Militärmaterialversteigerung in Thun für wenig Geld erstanden hat, sondern dass er gewissermaßen gegen die ganze Welt anfahre, wenn er auf seinem Florett sitze, dass er also gegen die Welt anfechte, deshalb der passende Vergleich.

„Wie das?“ wird er daraufhin verwundert gefragt, weil sich die Leute darunter verständlicherweise wenig oder überhaupt nichts vorstellen können und weil sie zudem fast immer eine ziemlich lange Leitung haben.

Er fechte zunächst, zumeist und vorwiegend gegen eine Landschaft, erläutert er danach, so sein Verständnis des Vorganges des Motorradfahrens, natürlich immer gegen die Landschaft, in welcher er sich gerade befinde, versteht sich, unter anderem auch gegen den Verlauf der Straße und gegen den übrigen Verkehr sowie und vor allem gegen das Wetter, ganz besonders dann, wenn es schlecht ist, versteht sich. Aber auch gegen die Welt an sich fechte er, also im übertragenen Sinne gegen die Welt überhaupt, in seinem ganz persönlichen Verständnis sogar stellvertretend für alle andern.

Es handle sich also beim Motorradfahren um eine Art stellvertretender Durchsetzungskampf, jedenfalls um einen emanzipatorischen Akt. Dabei stelle er sich jeweils ganz konkret eine Art Ringkampf vor, in welchem er als alter Schwerenöter allein gegen die ganze Welt aufzustehen und anzugehen habe, wie ein Samurai in einem japanischen Film, der schweren Herzens und wissentlich zu seinem letzten Kampf gegen eine praktisch unschlagbare Übermacht antrete, denn das Leben sei ja vor allem ein Überlebenskampf.

„Ein Überlebenskampf? Das Leben?“ wird er danach jeweils ungläubig oder skeptisch gefragt, natürlich vorwiegend, ja, nahezu ausschließlich von Leuten, die keine materiellen oder existenziellen Sorgen kennen, meist von restlos von sich selbst überzeugten, makellosen Leuten der Mittelklasse mit einem satten, fixen Einkommen, überdies von unausstehlichen Besserwissern, kleinlichen Haarspaltern und ewigen Rechthabern. Gerade die sind ihm in ihrer exemplarischen und geradezu unerträglichen Oberflächlichkeit und grundsätzlichen Verständnislosigkeit schon immer ganz besonders unsympathisch gewesen, wie zum Beispiel viele der Käufer seiner Häuser, zum Beispiel, denn dies ist ja die Käuferschicht, die sich ganze Häuser überhaupt erst leisten kann. Das ist übrigens der einzige Grund, warum er sich seine Häuser nach dem Verkauf jeweils nie mehr angeschaut hat.

Der Harleyfahrer sieht aus wie einer, der absolut nichts von alledem verstanden hat.

Ja, nickt er daraufhin möglichst ernsthaft, er verstehe das Florettfahren als einen Kampf gegen die Schlechtigkeit der Welt an sich, zumindest als ein Anstürmen gegen selbige, wenn man so wolle, als einen Kreuzzug, oder, in einer milderen Form, als eine tätige Auseinandersetzung mit ihr, der ganzen, bösen Welt. Bereits gegen die Bise oder gegen den Föhn könne man auf einem leichten Moped doch schon ganz ordentlich anfechten müssen, fügt er schließlich in versöhnlichem Tone hinzu, um die Leute zu besänftigen und um sie eventuell wieder auf den Boden zurückzubringen. Ganz abgesehen vom gelegentlich heftigen Wind erfordere das gesamte Verkehrsgeschehen einen sehr kombativen Geist, also ein entschlossenes Durchsetzungsvermögen, denn so ein kleines, leichtes, unscheinbares Florett müsse sich gegen den großen Verkehr doch immer recht heftig und vor allem ganz entschieden zur Wehr setzen, indem es ihm möglichst geschickt und möglichst vorausschauend ausweiche. Es handle sich letztlich und zudem jederzeit um einen Kampf auf Leben und Tod; das dürfe man nicht außer Acht lassen. Meist sei es deshalb so, fährt er jeweils gutwillig und gutmütig fort, dass er, der Florettfechter also, eine kleine, umständliche, vergessene Nebenstraße einer stark befahrenen Hauptstraße eindeutig und bei Weitem vorziehe, um es nicht ständig gegen hin- und herbrausende, tonnenschwere Lastenzüge aufnehmen zu müssen. Er könne mit seinem schwächlichen Fahrzeug ja kaum jemanden überholen, und so werde er während der Fahrt ständig von allen übrigen Verkehrsteilnehmern überholt und müsse höllisch aufpassen, dass er nicht unerwartet gestreift, abgedrängt, weggeschoben oder gar umgefahren, vom Fahrtwind umgeblasen oder von irgendwelchen mächtigen Hinterrädern gleich direkt überfahren und zu Mus zerstampft werde.

„Jetzt verstehe ich, was Sie mit Überlebenskampf meinen!“ wird daraufhin erleichtert erwidert, als hätte man etwas viel Schlimmeres erwartet, intellektuellen Selbstmord, religiöse Kastration, finanziellen Bankrott, politischen Extremismus oder so etwas Perverses, und somit enden jeweils seine umständlichen und umfangreichen Erklärungen zu diesem Thema so abrupt, wie sie begonnen haben. Trotzdem erntet er üblicherweise im Umgang mit Unbekannten ohne sein wissentliches Dazutun meist nur ungläubige Blicke, verstohlenes Kichern und vor allem Kopfschütteln, wenn nicht gar umgehend heftige Beschuldigungen und übelste Beschimpfungen, nur weil er sich nicht auf einige wenige intellektuelle Unvollständigkeiten oder gar auf verbale Banalitäten beschränken will. Doch daran hat er sich längst gewöhnt.

Jetzt aber stutzt er, denn der Harleyfahrer fragt ihn unvermittelt und ganz direkt: „Sind Sie in all den Jahren schon einmal gestürzt mit dem alten Hobel?“

Das ist eine motophilosophische Kardinalfrage auf einer ganz existenziellen Metaebene, gewissermaßen die Gretchenfrage der motorisierten Zweiradfahrer, die bizyklische Schicksalsfrage schlechthin, denn man kann mit einem Motorrad leicht stürzen, klar, und solche Stürze sind in der Regel alle recht gefährlich oder zumindest schmerzhaft. Also nickt er nachdenklich. Wohl sei er im Laufe der vielen Jahre mit dem Florett einige Male auf relativ harmlose Weise gestürzt, umgekippt, hingefallen, weggeschlittert oder ausgerutscht, schildert er jeweils möglichst beiläufig, allerdings ohne dabei jemals körperlichen oder seelischen Schaden genommen zu haben. Doch seltsamerweise habe er noch nie einen richtigen Unfall erlebt, weder einen nennenswerten Selbstunfall, noch einen gefährlichen Zusammenstoß mit einem anderen Verkehrsteilnehmer oder mit einem Hindernis welcher Art auch immer, also noch keinen einzigen richtigen Unfall in all den vielen Jahren, erklärt er dem überraschten Harleyfahrer sachlich, und er ergänzt, dass er diese Tatsache ausschließlich seinem abgrundtiefen, immerwährenden und absolut unkurierbaren Misstrauen zuschreibe, das er allen andern Verkehrsteilnehmern gegenüber seit jeher hege.

„Klar“, meint der Harleyfahrer, ohne ihn jedoch im Geringsten zu verstehen, denn der an sich joviale Harleyfahrer misstraut nur seinen direkten Konkurrenten und indirekten Geschäftspartnern im Möbelgeschäft, sonst eigentlich niemandem, und im Kontakt mit unbekannten Leuten, die garantiert nichts mit Büromobiliar zu tun haben und sicher keine Rechnungen verschicken und auf korrekte Zahlungsabwicklungen beharren müssen, bleibt er in der Regel völlig arglos.

Diese geradezu existenzielle Haltung lasse sich im Übrigen mit Leichtigkeit auch auf einen unbewegten, also stationären Zustand übertragen, erläutert der Florettfechter des Weiteren etwas gewunden. In der Tat nehme er an, dass ein schwacher Verkehrsteilnehmer wie er auf die Dauer nur durch ständiges Misstrauen und wachsames Argwöhnen überleben könne, und dieses klare Prinzip habe er gleich für den ganzen, unbedeutenden Rest seines Lebens, also auch für das Leben ohne sein Florett übernommen. Als Bürger dieses wahrhaft ausgebufften und trickreichen Landes müsse er sich schließlich ständig von permanentem Misstrauen leiten lassen, findet er, denn im alltäglichen, öffentlichen Leben gebe es im übertragenen Sinne ja auch jede Menge schwere Lastenzüge, die viel zu dicht an ihm, wie auch an allen andern vorbeidonnerten oder aber ihn und andere unwissentlich und unwillentlich umzuhauen versuchten – manchmal allerdings auch in durchaus bewusst böswilliger Absicht, seiner unmaßgeblichen Meinung nach, also absolut absichtlich und somit ziemlich unverfroren oder gar mit krimineller Zielsetzung, meistens im Hinblick auf eine überaus flegelhafte Gewinnoptimierung, oft auch in Form einer wohlfeilen Selbstbestätigung, seltener als Ausdruck einer physischen Krankheit oder einer psychischen Perversion, wenn dieser verstehe, was er meine.

„Klar“, sagt der Harleyfahrer, der seine Gewinne in der Regel so flegelhaft wie möglich optimiert.

Doch eigentlich habe er sich längst gegen alle Unbill und, vor allem, gegen fast jedes Wetter durchgesetzt, fährt der Florettfechter ungeheißen fort. Nur wenn die Straßen vereist, schneebedeckt oder frisch gesalzen seien, also jeweils einige Tage oder auch wenige Wochen im Dezember, Januar und Februar, lasse er das Mopedfahren sein. Gegen die Kälte könne er sich wappnen, ebenso gegen den Regen, das mache ihm nichts aus; nur gegen Eis und Schnee könne er als Zweiradfahrer nicht viel ausrichten, ebenso wenig wie er gegen das aggressive Streusalz etwas tun könne, das ihm das ganze Moped im Nu unter dem Hintern wegfressen würde. Das sei eigentlich ganz erstaunlich, wenn er bedenke, dass er früher als junger Mann auf dem Moped winters immer gegen die Kälte angekämpft habe, und er wundere sich, dass er sich heute gar nicht mehr zu erinnern vermöge, wann er das letzte Mal mit klammen Fingern auf dem Florett gesessen habe. Irgendwie habe das Alter seine Hände unempfindlicher gemacht, glaubt er zu wissen, oder aber sei er bereits derart vergesslich geworden, so dass es ihm schlicht entfallen sein könnte, dass man auf dem Moped auch kalte Finger kriegen könne. Dazu lacht er kurz über diesen absurden Gedankengang.

„Also dann“, murmelt inzwischen der sichtlich müde Harleyfahrer zusammenhangslos, dazu freundlich nickend. Er schiebt seinen leeren Teller weg, trinkt das Glas aus, steht ohne Vorankündigung ächzend auf, nickt seinem altersbedingt zerstreuten und ziemlich unachtsamen Gegenüber, diesem kauzigen, endlos quatschenden Florettfahrer kurz zu und geht einfach weg, ohne weitere Worte zu verlieren oder nähere Erklärungen abzugeben. Was sollte er ihm denn noch sagen? Es ist dem zurückbleibenden Florettfechter nicht klar, ob der Harleyfahrer auch hier im Hause übernachten wird, oder ob er anderswo untergekommen ist. Doch dies geht ihn natürlich nichts an, und es ist ihm auch völlig egal. Erstaunt legt er Gabel und Messer beiseite, um eine ganze Weile seine Hände zu betrachten, gerade so, als gehörten sie gar nicht ihm. Er kann sich nicht erinnern, dass er jemals auf seine Hände zu sprechen gekommen wäre. Aufmerksam mustert er sie. Sie sind erstaunlich klein, und man sieht ihnen das Alter eigentlich gar nicht an, findet er nach einiger Zeit der Betrachtung verwundert, jedenfalls nicht so deutlich wie seinem Gesicht oder seinen übrigen Körperteilen. Man könne ihnen jedenfalls nicht einmal anmerken, dass sie jahrzehntelang schwere und schwerste Bauarbeiten verrichtet haben, und ebenso wenig erkenne man ihre doch recht häufige Beschäftigung mit dem stets schmutzigen und verölten Motorrad, stellt er verdutzt fest. Das ist doch erstaunlich? Den kleinen Zweitakter kennt er nämlich längst auswendig; er könnte ihn jederzeit mit geschlossenen Augen auseinandernehmen und natürlich auch wieder zusammensetzen, so wie früher im Militärdienst das klapprige Sturmgewehr.

Er schaut näher hin, indem er sich eine Hand nach der andern dicht vors Gesicht hält. Oder doch? fragt er sich neugierig, sieht man seinen Händen etwas an? Sind an diesen Händen verräterische Spuren zu entdecken? An Händen, die an den unterschiedlichsten Häusern meist sehr umfangreiche Umbau- und Renovationsarbeiten vorgenommen, die unzählige Zimmer gestrichen, die zahllose, unnütze Zwischenwände herausgebrochen, Baumaschinen und schwere Werkzeuge bedient und massenhaft neue Rohre, Leitungen und Kabel verlegt haben? Hände, die, wenn auch immer durch geeignete Handschuhe geschützt, ganze Dächer neu gedeckt, viele Decken gereinigt, unzählige Fensterläden abgelaugt, Dachböden isoliert, Fensterrahmen geschliffen, Türen ersetzt, Geländer gestrichen, neue Böden verlegt, Heizungskörper und Armaturen montiert und ganze Badezimmer gekachelt haben?

Er betrachtet seine Hände – ursprünglich feine Bauzeichnerhände – skeptisch und glaubt nach einer Weile zu erkennen, dass man ihnen heute zumindest die ständige Arbeit am Florett durchaus ansehen könne, wenn man genauer hinschaue, besonders an den Rändern der Fingernägel und an den Fingerkuppen. Er ist sich dessen jedoch nicht ganz sicher; zudem hat er, so stellt er dabei erstmals verblüfft fest, an beiden Daumeninnenseiten deutliche, harte Schwielen von den beiden Lenkergriffen, und zwar genau an den Stellen, wo jeweils auch die massiven, soliden Lederhandschuhe aus dem örtlichen Baumarkt als erstes durchscheuern. Das überrascht ihn, denn dieser Zusammenhang ist offensichtlich.

In der Tat fährt er jedes Jahr gut und gerne zehntausend Kilometer auf dem Moped. Dies ist erstaunlich viel für ein so bescheidenes Fahrzeug, wie das Florett eines ist. Es ist klein, hässlich, alt und billig, und es transportiert ihn jeweils zuverlässig von A nach B, genau wie damals im Jahre 1954, als er mit seinem spärlichen Taschengeld sein erstes gebrauchtes Moped gekauft hat, und zwar bereits mit achtzehn Jahren, noch während seiner Lehrzeit als Bauzeichner, für runde vierhundert Franken, was zu jener Zeit und vor allem für ihn sehr viel Geld dargestellt hat und was für ihn als Lehrling damals restlos alles Geld war, das er von Kindsbeinen an bis dahin überhaupt erspart hatte, seinerzeit, als Elvis Presley „Well, it’s one for the money, two for the show, three to get ready, now go, cat, go!“ gesungen hat und alle Lehrer in der Berufsschule unisono erklärt haben, diese primitive Negermusik aus Amerika sei moralisch schädlich für unsere gesunde Jugend, was eigentlich als völlig kenntnislose und wohl eher zufällige, jedenfalls emotionale Einschätzung der musikalischen Lage und der kulturellen Entwicklungen, die kurze Zeit später hinzukommen sollte, absolut korrekt und auch als unbedarftes Urteil unbestreitbar zutreffend war. Die Jugend war danach in großen Teilen in der Tat nie mehr so, wie sie vorher gewesen war, auch der Florettfechter nicht.

Daran denkt er jetzt zurück, wie er die steinerne Treppe zu der Schlafkammer hochsteigt, die er für eine Nacht zu einem bescheidenen Preis gemietet hat. Er kennt sich mit billigen Unterkünften gut aus, und er weiß genau, wo er übernachten kann, ohne übermäßig viel bezahlen zu müssen. Nicht, dass er es auf Knauserigkeit ausgelegt hätte, aber wenn einer wie er, der nicht über üppig viel Geld verfügt, unterwegs ist, dann muss er sorgsam darauf achten, dass er nicht allzu viel ausgibt, das versteht sich von selbst.

Deshalb nimmt er im Sommer auf seinen Rundreisen immer ein kleines Zelt in einer kleinen, praktischen Tasche mit, die er mit einem Gummiband hinten auf den Gepäckträger zum Ölkanister packt. Dieses kleine, grüne Igluzelt stellt er jeweils bei trockenem Wetter abends in aller Ruhe auf, wo immer er sich gerade befinden mag, hinter einem stillen Waldrand, zwischen hohen Felsbrocken versteckt oder an einem ruhigen Bachlauf hinter dichten Büschen, um sich die Übernachtungskosten zu sparen, möglichst so, dass man das Zelt von der Straße aus nicht entdecken kann, damit er keinen Ärger mit peniblen Gendarmen wegen seines wilden Spontan-Zeltens hat. Das kann er jedoch nur dann machen, wenn es in den Nächten nicht allzu kalt wird, denn er schläft jeweils direkt auf dem Zeltboden, ohne Schlafsack oder Isoliermatte, nur mit seinem braven Pronto zugedeckt, weil er das Übernachten möglichst schlicht und praktisch, also unkompliziert halten will.

Doch um diese Jahreszeit ist es für das Campieren natürlich bereits viel zu kalt, ganz besonders in den Bergen; also ist er notgedrungen und unausweichlich auf feste und, wenn möglich, geheizte Unterkünfte angewiesen.

Er legt sich ins knarrende Bett und wird bald einschlafen, so wie er nach einem langen Tag auf dem Moped immer ganz angenehm schnell einschlafen kann.

Er wirke auf dem Florett von hinten gesehen wie ein Walross auf einem Schleifstein, hat ihm einmal einer in einer Kneipe im Spaß gesagt. Der Florettfechter hat tüchtig mitgelacht, denn der Vergleich war wirklich lustig. Doch ihm ist es schon längst egal, wie er aussieht, und noch gleichgültiger steht er heute der müßigen Frage gegenüber, ob sein Aussehen den Leuten gefallen mag oder nicht. Damit hat er längst keine Probleme mehr, weder mit seinem beträchtlichen Übergewicht, noch mit seinem Erscheinungsbild, und schon gar nicht mit einem allfälligen Urteil der Leute über ihn, denn die Leute an sich, rundweg alle Leute, und zwar ohne jede Ausnahme, sind ihm gänzlich einerlei, das ist ihm so klar wie nur irgendwas. Auf Leute hat er noch nie viel gegeben, und ihre allfälligen Meinungen und Urteile gehen ihm seit jeher am Arsch vorbei.

Früh am nächsten Morgen weht bei sehr klarem Wetter ein recht heftiger, allerdings nicht sonderlich kalter Nordwind vom Pass herab und schiebt den einsamen Mopedfahrer ungeduldig vor sich her. Im ebenen Talgrund, auf der schnurgeraden Straße, legt sich der Florettfechter flach nach vorn über den kleinen Tank mit den beiden abgewetzten und brüchigen Knieschonern aus schmutzigweißem Plastik, stellt die Füße nach hinten auf die Beifahrerrasten und dreht den Gasgriff bis zum Anschlag auf. Der kleine Motor schnurrt, und mit knapp achtzig saust das Florett vor dem immer wärmer werdenden Bergwind über die lange Ebene gegen das Dorf Roveredo hin, vorbei an unzähligen Laserlichtschranken und Radarfallen mit weißen und roten Blitzlichtern, die zwar zügig die bündnerische Staatskasse füllen, ihn jedoch nicht blitzen können, weil er ja gar nicht zu schnell fahren kann.

Aber alle andern, die ihn jetzt in ihrer ganzen Überheblichkeit forsch überholen, werden hingegen ihre verdienten Bußen bezahlen müssen, und das betrachtet der Florettfechter hämisch als absolut statthaft. Eine Art höhere Gerechtigkeit stellt sich ungewollt und überraschend ein und scheint somit ausnahmsweise zu bestätigen, dass es sie gibt, findet er voller Schadenfreude. Es geht hier nicht um eine menschlich-banale Urteilsfähigkeit und somit um eine nur mangelhafte, um eine leichterdings anfechtbare Gerechtigkeit auf Grund menschlicher Vermutungen und Annahmen, sondern gleichsam um eine rein technische, um eine infrarote, also um eine konkret messbare, jedenfalls um eine absolut objektive, unbestechlich-maschinelle Gerechtigkeit, kurz, um eine nahezu göttliche Gerechtigkeit. Es geht hier für einmal um eine gerechte Gerechtigkeit. Wenn das nicht erheiternd ist!

Dann ist er auch schon außen an Roveredo vorbei und in den wenig anziehenden Vororten von Bellinzona angekommen, denn das ganze Land ist ja sehr kleinräumig. Da ist man schnell irgendwo angekommen, meist viel schneller, als einem lieb sein kann. Der Florettfechter bremst gelassen ab, richtet sich auf, stellt seine Füße wieder auf die vorderen Fußrasten und fährt im Schritttempo durch einen ungeduldigen Stoßverkehr in dieser engen und verwinkelten Gebirgsstadt, die auf ihn immer irgendwie bedrückt, jedenfalls beengt wirkt, etwa so, als hätte sie ein Riese mutwillig herumgeschubst und willkürlich zusammengestaucht, um sie kleiner zu machen, als sie eigentlich wäre, wenn nicht überall diese sinnlosen Steilhänge, also all diese viel zu steilen, mausgrauen Felsenhügel mit ihren nutzlosen Mauern, Türmen und blödsinnigen Burgen und überhaupt all die sperrigen Berge im Wege stünden, welche die kleine Kantonshauptstadt in ihrer natürlichen Ausdehnung und somit in ihrer historischen Bestimmung und in ihrer politischen Bedeutung seit jeher absichtlich behindern und bedrängen, es sei denn, ihre ganze gequetschte und verklemmte Geschichte habe sich auch in diesem verdrückten Stadtbild materialisiert – nicht nur in den Köpfen ihrer Bewohner.

Er gelangt auf der anderen, auf der rechten Seite der zunehmend breiter werdenden Magadino-Ebene auf eine vergleichsweise wenig befahrene Nebenstraße, die ihn relativ ruhig nach Locarno führen wird, während die schnurgerade Hauptstraße auf der linken Seite von den Tessinern entweder als Autorennstrecke – und zwar als Zielgerade – missbraucht wird, oder aber ständig verstopft ist, besonders bei den üblichen, sehr heftigen Unfällen und tödlichen Massenkarambolagen.

Oder sollte er diesmal und für einmal wieder über den Monte Ceneri nach Lugano fahren? Die Abfahrt vom Ceneri nach Lugano auf der alten Hauptstraße ist gar nicht so übel, wie man immer meint, zumindest bis kurz vor Lugano, und auch das kleine, etwas versteckt gelegene Val Colla, auf das er einmal durch Zufall gestoßen ist, hat gerade in seiner ganzen Langweiligkeit seinen unbestreitbaren Reiz. Er überlegt eine Weile unschlüssig hin und her. Der Lago di Lugano macht ihn allerdings in keiner Weise an; es fällt ihm auf Anhieb kein anderer See ein, den er derart entstellt und abstoßend fände wie dieses doch sehr bedauernswerte stehende Gewässer.

Er hat einmal zufällig eine Geschichte gelesen, in welcher genau von dieser Straße die Rede war, auf der er sich jetzt eben befindet. Darin wurde von Leuten erzählt, die um die vorletzte Jahrhundertwende in einem alten Herrschaftshaus direkt an dieser Straße gelebt haben, das sich etwa hier, wo er jetzt gerade ist, befunden haben muss, und zwar auf der Hangseite. Also sucht er die chaotische Besiedelung, die es damals natürlich noch nicht gegeben hat, nach einem alten, prächtigen, herrschaftlichen Landhaus ab, nach einem stolzen, typisch lombardischen Gutshof, auf den die Beschreibung in diesem Buche, von dem ihm heute weder der Titel noch der Name des Verfassers einfallen wollen, passen könnte. Es ist sicher das Werk eines regional typischen und somit sehr geachteten, vielfach preisgekrönten Vertreters einer mehrheitsfähigen Heimatliteratur, wahrscheinlich eines tessinischen Spätausläufers der geistigen Landesverteidigung, nimmt der Florettfechter an.

Dorf reiht sich hier an Dorf, Zersiedelung an Zersiedelung, Chaos an Chaos, Geschmacklosigkeit an Geschmacklosigkeit, Abfall an Abfall, Schrott an Schrott, Dreck an Dreck, aber von einem stolzen Herrschaftshaus ist weit und breit nichts mehr zu sehen; keine einzige noch so geringe Spur ist davon übrig geblieben. Schade, findet der Florettfechter, denn ihm ist in Erinnerung geblieben, wie damals die offenbar sehr lebhaften Kinder des Hauses über die einsame, schmale Landstraße direkt in die menschenleere Sumpfebene gelangen konnten, um Frösche für den sonntäglichen Verzehr zu fangen. Der einzige Verkehr auf dieser langen, geraden Schotterstraße waren die großen, trägen Pferdefuhrwerke mit den enorm schweren Granitplatten aus den nahen Steinbrüchen. Doch auch von all den mausarmen Menschen, die früher hier in den Dörfern mehr gehungert und gedarbt, als gelebt haben und die in diesem Buch ausführlich und durchaus liebevoll dargestellt worden sind, ist natürlich nichts mehr zu sehen.

Drei der vier Brüder von den nahegelegenen Steinbrüchen sind längst fern ihrer Heimat verstorben. Nur sein Großvater ist in späten Jahren wieder zurückgekehrt, die anderen drei sind in Nord- und Südamerika drüben oder gar in Australien, in Adelaide unten für den ganzen Rest ihres Lebens geblieben. Der Erste hat in Adelaide eine große Brotfabrik aufgebaut und ist damit erfolgreich geworden; der Zweite ist einsam in einem Altersheim in Minnesota gestorben, nachdem er auch dort in den Steinbrüchen gearbeitet hat, von denen er sein ganzes Leben lang nie weggekommen ist, der Arme. Er wollte bis zuletzt ausdrücklich nicht, dass man seine Angehörigen im alten Europa drüben über sein Ableben benachrichtige; das war sein letzter Wille, nur weil er sich schämte, in Amerika nicht reich geworden zu sein. Der Dritte ist in Buenos Aires kurzfristig mit Liegenschaften und städtischen Grundstücken vermögend geworden – doch leider nur vorübergehend. Sein, des Florettfechters eigener Großvater indes, der Vierte der Brüder, hat mitten in London, an der überaus belebten Baker Street, einen Gastbetrieb eröffnet, Alessandro’s English Tea-Room & Italian Restaurant, das erste seiner Art im großartigen London von Queen Victoria, noch bevor das dermaßen übel verlaufene zwanzigste Jahrhundert überhaupt angefangen hatte, Majestät. Er wurde dabei englischer als die Engländer selber, ein londoner Gentleman durch und durch.

Hier, im armen Tessin aber, wären die vier jungen Männer damals glatt verhungert, in dieser ihrer teuren Heimat, von der sie später in der Fremde immer geträumt und in ihren sehr sorgfältig geschriebenen, ausführlichen Briefen immerzu maßlos geschwärmt haben. Doch niemand hätte ihnen hier auch nur eine einzige Träne nachgeweint. Bewahre! Die Realität sah ganz anders aus. Sie sind allein aus bitterster Not, voller Ängste und Unwissen und mit leeren Taschen in ferne, fremde Kontinente ausgewandert, nachdem sie das Geld für die Überfahrt zusammengekratzt oder von der weitverzweigten Verwandtschaft erbettelt hatten, wie es heute die jungen Afrikaner tun müssen. Aber keine Polizei der Welt hätte sie damals in den fernen, fremden Ländern und Kontinenten verfolgt und eingefangen wie Vieh, hätte sie eingekerkert wie Verbrecher und anschließend auf Rollstühlen, mit Kabelbindern, Ledergurten und Klebebändern gefesselt und geknebelt, in ihr schäbiges, undankbares Herkunftsland zurückgeschickt. Wozu auch?

Doch so etwas steht natürlich nicht in dem Buch, das er damals gelesen hat, als er noch voller Entdeckerfreude nächtelang Bücher las; das hat er sich soeben auf dem Florett hinzugedacht. Genau darum hat er das Bücherlesen übrigens aufgegeben, nicht wegen der Qualität der Bücher, sondern nur aus purem Schlafmangel. Aus diesem Grund schaut er sich auch keine Spielfilme mehr an, weder im Kino, das er seit Jahrzehnten nicht mehr aufgesucht hat, noch im Fernsehen, wo er immer gleich weiterzappt, sobald er auf einen Spielfilm stößt, den man jeweils optisch sofort und sehr leicht daran erkennt, dass sowohl das Dekor, als auch die Personen, also die gelieferten Bilder, insgesamt viel zu schön sind, um wahr zu sein, übrigens ganz besonders dann, wenn absurderweise Hässliches und Scheußliches dargestellt werden sollen. Nichts kann jemals so hässlich und so scheußlich wie die Wirklichkeit sein, meine Damen und Herren, und kein einziger Spielfilm oder Dokumentarfilm dieser Welt kann das Elend des Lebens und der Welt jemals wiedergeben, no Sir! Definitely not.

Am liebsten hat der Florettfechter deshalb informative Sendungen, die ihm etwas Interessantes aus der Kunst- und Kulturgeschichte oder aber aus der Wissenschaft erklären; dafür kann er sich noch am ehesten erwärmen, für stundenlange Beiträge über alte Kirchen und Klöster, die außer ihm bestimmt niemand anschaut, weder freiwillig, noch unfreiwillig, im bayrischen Staatsfernsehen, zum Beispiel.

Er denkt wieder an jene Zeiten zurück, von welchen in besagtem Buch über diese Landschaft hier, über die Magadino-Ebene also, die Rede war. Der Vergleich mit Afrika passt durchaus, denn der Tessin ist geologisch gesehen ein Teil des afrikanischen Kontinents, wenn er richtig informiert ist, und ebenso gut könnte er sich jetzt in Afrika befinden. Warum nicht? Mit dem Florett durch Afrika: Er würde bei Gibraltar übersetzen und praktisch ohne Pause bis Kapstadt durchfahren. Er stellt sich vor, wie es wohl wäre, auf seinem Moped die Wüsten, die Savannen und den Dschungel zu durchqueren, und er nimmt vage an, dass gerade ein luftgekühlter Zweitakter durchaus geeignet dafür wäre, bestimmt geeigneter jedenfalls als ein wassergekühlter Viertakt-Motor. Die Menge an Ersatzteilen, die er indessen mitzunehmen genötigt wäre, und die Zusatztanks sowie die Reservereifen, zusammen mit all dem Werkzeug, das er benötigen würde, um allfällige Pannen beheben zu können, ganz abgesehen vom persönlichen Bedarf an Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Treibstoff, Zelt und Kleidung, wäre jedoch geradezu enorm, und er müsste an seinem Moped erst einmal zwei große, seitliche Blechkoffer an massiven Trägern anbringen, um die unerlässlichen Utensilien überhaupt verstauen zu können. Dabei wäre das leichte Gefährt schnell mal überfordert.

Umfangreiche Planung und unumgängliche Vorbereitungen widersprechen indessen seinem Ideal der spontanen Handlung klar und deutlich; viel eher, so befindet er nachträglich, würde er einfach bei gutem Wetter eines Morgens entschlossen losfahren, wie er das schon immer gemacht hat, wie er es auch jetzt eben macht, wenn auch nur im überaus sicheren Tessin, ohne jede Überlegung, ohne jede Planung, ohne jedes Ziel und ohne jeden Wunsch. Doch eine große Afrikareise würde ihm durchaus gefallen, auch heute noch, wenn auch nur als bloße Idee, an der er wochenlang, ja, jahrelang herumsinnen könnte.

Einmal, so fällt ihm ein, ist er im November einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang an einem Stück bis nach Bordeaux durchgefahren, praktisch ohne abzusteigen, nur um dort mitten in der Altstadt, in einer einfachen Frühstücksbar, ein frisches Croissant und einen Café au lait zu bestellen, weil ihm eingefallen war, dass er dort Jahre zuvor den besten Milchkaffee und das beste Croissant seines Lebens konsumiert hatte. Das musste er plötzlich wiederholen, und seine Erinnerung hatte ihn nicht getäuscht. Anschließend fuhr er in einem langen, einsamen Ritt von sechsunddreißig Stunden auf Nebenstraßen quer durch ganz Frankreich wieder zurück, wiederum ohne abzusteigen, auch nicht zum Tanken. Im Zentralmassiv hatte es sogar geschneit, erinnert er sich; Clermont-Ferrand lag ganz überraschend im Schnee, und im französischen Jura hätte er sich beinahe den Arsch und die Finger abgefroren.

Die Besiedelung wird immer dichter, also immer hässlicher, grässlicher und abstoßender. Der Tessin ist sowohl innerlich als auch äußerlich ein richtig versauter Kanton, ganz zweifellos, zumindest seinen Hauptachsen entlang, und wenn er am ekelerregendsten geworden ist, befindet man sich jeweils entweder in Lugano, wo mehr Strohmänner als Einwohner und mehr Banken als andere Gebäude niedergelassen sind, oder in Locarno, wo es weitaus mehr Firmensitze als Briefkästen gibt. Ein mit allen Wassern gewaschener Advokat müsste man hier sein, ein geschmeidiger, beweglicher, trickreicher Winkeladvokat, von denen es hier tatsächlich ganz ungewöhnlich viele hat, dann säße man automatisch an den wirtschaftlichen und politischen Quellen dieses Kantons, wo man praktisch endlos abschöpfen könnte. Dem Kanton sieht man übrigens seine innere Verdorbenheit mit Leichtigkeit auch äußerlich an; es ist eine richtige Qual, durch diese verdorbenen Städte fahren zu müssen. Lugano ist ein Albtraum, und auch Locarno ist schrecklich, wenn man nicht die neue Umfahrung benutzt, die gnädig unter dem Boden hindurchführt, so dass man von alledem nichts zu sehen braucht. Der Florettfechter ist jedes Mal richtig erleichtert, wenn er endlich lebend, also heil durch das ganze Chaos gekommen ist und das rettende Ponte Brolla erreicht hat.

Genau in der Weggabelung zwischen dem Maggiatal und den Centovalli befindet sich die kleine, schiefe Kneipe, direkt an der überaus lärmigen, stark befahrenen Ausfallstraße, die sich hier auch noch mit der Linie der Centovallibahn kreuzt, hoch über der Maggia-Schlucht, eine etwas gar verbrauchte Taverne mit einem winzigen Garten unter riesigen, im Sommer angenehm schattigen Kastanienbäumen. Dort trinkt er immer einen Kaffee, meist den ersten richtigen, also italienischen Kaffee, mit Blick in die wilde, vom Fluss sauber ausgewaschene und durchgespülte Granit-Ritze mit bizarr polierten Felsformationen, wo jetzt, im Spätherbst, tatsächlich immer noch einige wenige Leute baden oder sich zumindest auf den flachen Stellen der blankgewetzten Felsen halbnackt oder auch gleich ganz nackt sonnen.

In der Nähe befindet sich im Gegenzug ein Schießstand, und man hört zu allem Verkehrslärm hinzu auch noch das unaufhörliche Geballere der Rekruten aus der nahegelegenen Kaserne. Unzählige Motorradfahrer, die zumeist von weither gekommen sind, halten hier wie unter einem unsichtbaren Zwang an, wenn sie Locarno endlich unversehrt hinter sich gelassen haben, und deshalb spricht die Bedienung – diesmal ist es eine etwas füllige Matrone mit verwaschenen Äuglein – ein flinkes Deutsch voller skurriler Eigentümlichkeiten, die sie im Laufe der vielen Jahre bei ihren mehrheitlich deutschsprachigen, eher flüchtigen Gästen aufgeschnappt hat.

Hier überlegt sich der Florettfechter zunächst leichthin und etwas unschlüssig, ob er anschließend ins Maggiatal oder ins Centovalli fahren sollte, wenn nicht gar ins wilde Onsernonetal des Holozäns, denn hier muss er sich entscheiden. Das Maggiatal ist zwar überaus eindrücklich und sehr abwechslungsreich, aber leider eine Sackgasse, ebenso wie das Onsernonetal, und den Gedanken, morgen den ganzen, abenteuerlichen Weg in die Berge wieder zurück fahren zu müssen, findet er im Moment nicht attraktiv genug. Also entschließt er sich, durch die Centovalli zu fahren, denn dann wird er ganz woanders hingelangen, und zwar an Orte, wo die Reise anderntags weiter gehen kann und nicht einfach aufhören muss wie hier, an Orte, wo er nicht gezwungenermaßen wird umkehren müssen wie im endlichen Maggiatal mit seinen drei Seitentälern.

Er hat das Florett jedoch auf der Maggia-Seite abgestellt, genau dort, wo sich früher eine winzige Tankstelle befunden hat, die der dicke Wirt und Koch und Kellner in seiner weißen, langen Schürze damals jeweils zwischen zwei Gerichten eigenhändig bedient hat, und wie der Florettfechter Mantel, Helm, Brille und Handschuhe wieder angezogen und sich endlich auf das Moped gesetzt und den Kickhebel durchgetreten hat, wie das Motorchen gleich nach dem ersten Kick zufrieden schnurrt, verspürt er überhaupt keine Lust, auf engem Raum erst mühsam zu wenden, um anschließend gleich in die Centovalli abzubiegen. Er rückt die gelbe Skibrille so zurecht, dass sie nicht kneift, gibt Gas und zwängt sich entschlossen durch eine Lücke zwischen den beiden stehenden Autokolonnen hindurch.

Also ist jetzt doch das Valle Maggia angesagt, und sein kurzfristiger Entscheid ist bereits im Eimer. Die eine Autokolonne will das Tal verlassen, die andere will es endlich erreichen, so auch der Florettfechter, der die stehende Kolonne keck rechts überholt, was er eigentlich gar nicht tun dürfte, was er aber bei Staus immer so macht, und sei es nur aus Rache, die Rache des ständig Überholten. Doch bald ist ihm klar, warum die Autos stehen, denn nach einem Kilometer gelangt er an eine schattige Unfallstelle mit zwei völlig zerstörten Fahrzeugen. Das eine Fahrzeug hat von einem seitlichen Abstellplatz auf die Fahrbahn hinausfahren wollen, und das andere, das auf der breiten Straße, wo man endlich Gas geben kann, mit hoher Geschwindigkeit vom Tale her angebraust kam, hat das Gegenfahrzeug, aus dem hellen Sonnenschein kommend, im tiefen Schatten hoher, herbstgelber Kastanienbäume gar nicht rechtzeitig erkennen können. Gleich zwei Krankenwagen stehen mit blau blinkenden Drehlichtern dabei, und soeben werden zwei Bahren mit den beiden Schwerverletzten in die wartenden Ambulanzfahrzeuge verladen. So schnell können sich die Dinge ändern; man kann schneller tot sein, als man sich jemals vorzustellen vermag.

Das glasklare Wasser des bei Badenden sehr beliebten Flusses fließt träge am Rande des wahrhaft eindrücklichen Tales dahin, bildet Sandbänke, Kiesbänke und längliche Spülbecken, holpert über hellgraue, glattgewetzte Felsentrümmer und reichlich rundgewaschenes Geröll und Geschiebe, zwängt sich zwischen blankgespülten Granitbrocken hindurch und wäscht spiegelglatte Felswände ab, wird immer wieder tüchtig durchgeschüttelt und sammelt sich aufschäumend in engen, tief ausgewaschenen Rinnen.