Der Hydepark Mörder - Annette Krupka - E-Book

Der Hydepark Mörder E-Book

Annette Krupka

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Beschreibung

Der Jugendfreund von Jane Mackenzie, einer jungen Amerikanerin mit englisch-schottischen Wurzeln, wird vom mysteriösen Hyde Park Mörder ermordet. Gemeinsam mit dem Kriminalpsychologen Professor Downsand versucht Jane die Hintergründe der Morde zu entschlüsseln, die sie tief in der englischen Geschichte vermutet.Sehr zum Missfall von Detective Inspektor Peter Brown, der von der Hobbydetektivin alles andere als begeistert ist. Jane hingegen setzt die Suche fort und erlebt auf dem Schlachtfeld von Culloden eine mörderische Überraschung.

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Das Buch

Der Jugendfreund von Jane MacKenzie, einer jungen Amerikanerin mit englisch-schottischen Wurzeln, wird vom mysteriösen Hyde Park Mörder ermordet.

Gemeinsam mit dem Kriminalpsychologen Professor Downsand versucht Jane die Hintergründe der Morde zu entschlüsseln, die sie tief in der englischen Geschichte vermutet.

Sehr zum Missfall von Detective Inspektor Peter Brown, der von der Hobbydetektivin alles andere als begeistert ist.

Jane hingegen setzt die Suche fort und erlebt auf dem Schlachtfeld von Culloden eine mörderische Überraschung.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 1

Die Baker Street lag im hellen Sonnenschein des Spätherbstes. Überall hatten die Besitzer der Gaststätten nochmals Stühle und Tische nach draußen geräumt, die sich bald füllten mit Einheimischen und mehr oder wenig lärmenden Touristen.

James Downsand, emeritierter Professor der Kriminalpsychologie, hatte seinen Stammplatz in einem Café in der Nähe des Sherlock Holmes Museum.

Hier saß er bei einem Tee sowie einem Brandy und seiner Pfeife, eine der Gemeinsamkeiten, die er mit seinem großen Vorbild, Mister Holmes, hatte.

Die anderen Gemeinsamkeiten bezogen sich allerdings nicht auf sein Äußeres. Prof. Downsand war eher klein und neigte zur Fülle, eine Folge seiner Leidenschaft für die gute Küche seiner Haushälterin, sondern auf seine Vorliebe, wie Holmes zu beobachten, zu kombinieren und seine Umgebung mit seinen unorthodoxen Meinungen zu überraschen.

Schon als Junge hatte ihn Sherlock Holmes fasziniert. Er hatte alle Bücher geradezu verschlungen und sicher war das einer der Gründe für seine Berufswahl gewesen.

Nach über 40 Jahren in Dienste des Scotland Yard hatte sich Prof. Downsand jetzt nach Windsor zurückgezogen, aber nicht, um wie sein großes Idol Bienen zu züchten, sondern Rosen.

Sicher, auch heute noch galt er als exzellenter Profiler, eine Bezeichnung, die er nicht sonderlich schätzte.

Aber mit seinen konservativen Methoden galt er bei manchem jüngeren Kollegen, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand, als veraltet.

Was seine Studenten allerdings nicht abschrecken konnte, denn seine wenigen Gastvorlesungen waren bis auf den letzten Stehplatz belegt und das donnernde Klopfen der Fäuste nach Ende der Vorlesung erfüllte ihn noch immer mit dem Stolz, etwas von seinen Erfahrungen weitergetragen zu haben. Trotzdem genoss er es jetzt, mehr Zeit für sich zu haben, sich den Luxus zu gönnen, bereits am frühen Nachmittag in der Sonne zu sitzen und seinem Hobby, Menschen zu beobachten, nachzugehen.

Genüsslich streckte er seine Füße etwas weiter nach vorn und zog an seiner Pfeife.

Was für ein herrlicher Tag.

Eine ältere Frau in langem Kleid mit gebundener Schürze und besticktem Häubchen kam aus dem Museum und sagte lachend etwas zu dem „Polizist", der in alter Bobbyuniform vor dem Museum stand und von vorbeikommenden Touristen gebührend bestaunt und gelegentlich auch fotografiert wurde. Direkt nach ihr verließ eine junge Frau gemeinsam mit einem Ehepaar das Museum.

Auch sie trug einen knöchellangen Rock, aber das dunkelgrüne Karo, das nicht nur der Rock aufwies, sondern auch das Plaid, das über die linke Schulter geschlungen war, zeigten, dass dies keinesfalls eine Kostümierung war.

Das leuchtend rote Haar der Frau blitzte in der Sonne und sie sprach mit dem Ehepaar in einem sympathischen Plauderton.

Der Mann, groß und kräftig, trug einen breiten Texashut und lachte laut, als ein Royce-Royce, der sich mit schnittigem Fahrstil durch den Hauptstadtverkehr geschlängelt hatte, vorfuhr und trotz Parkverbot und heftig hupenden Autos, die durch das dreiste Parkverhalten behindert wurden, hielt.

Eine sehr schlanke Frau mit hellem Haar und einem Designerkostüm lächelte und strich der jungen, rothaarigen Frau über die Wange.

Dann stieg sie in den Wagen, dessen Tür ein livrierter Chauffeur, ungeachtet des Tumultes, aufhielt.

Nachdem auch ihr Ehemann eingestiegen war und der Chauffeur, trotz der heftigen Proteste, ruhig und mit einem servilen Lächeln auf den Lippen, ebenfalls hinter dem Lenkrad Platz genommen hatte, fuhr der Wagen zügig an und die junge Frau winkte dem Wagen kurz nach. Eine Ambulanz jagte mit Blaulicht vorbei, eine Schulklasse drängte zu dem Museum, begleitet von einer sichtlich überforderten Lehrerin, die wild mit den Armen gestikulierte.

Die junge Frau zögerte eine Weile, besah sich die gefüllten Tische, dann steuerte sie zielgerichtet auf den Tisch von Prof. Downsand zu.

„Guten Tag, ist noch frei?"

Mit einer einladenden Bewegung deutete er auf die beiden freien Stühle.

Auf den einen legte sie eine schmale Umhängetasche, eine prall gefüllte Ledermappe und ein iPhone ab, dann nahm sie auf dem anderen Stuhl Platz und hob die Hand, um den Kellner zu ordern.

„Einen Tee und Sconnes, bitte."

Dieser, scheinbar verblüfft über jemand, der, kaum dass er Platz genommen hatte, seine Bestellung auf schnellstem Wege erfüllt zu sehen wünschte, kam der Aufforderung nach.

Zufrieden lächelnd lehnte sich die junge Frau zurück und blinzelte in die Sonne.

„Wenn man hier nicht schnell ist, wartet man eine gute halbe Stunde, bis man bedient wird“, sagte sie mit der Erfahrung von jemand, der schnell zwischen zwei Terminen einen Imbiss nahm.

In diesem Moment kam die ältere Dame mit Häubchen zurück, in der Hand unübersehbar ein Kuchenpaket. Sie raffte ihre Röcke und betrat das Haus Baker Street 221b, wobei sie dem Bobby einige Worte zuraunte, die diesem ein breites Lächeln entlockte.

„Wenn man die Autos nicht beachtet, könnte man fast denken, im vergangenen Jahrhundert zu sein", sagte Professor Downsand versonnen.

Die junge Frau lachte und beugte sich über ihren Tee, den der Kellner prompt gebracht hatte. Dann musterte sie den Professor kurz.

„Mit etwas Fantasie und der entsprechenden Verkleidung, wie er sie liebte, könnten Sie doch auch Sherlock Holmes sein?"

Dieser zog noch einmal an seiner Pfeife und legte sie dann langsam auf den Tisch.

„Wollen wir den Versuch wagen, ob ich ein paar Fähigkeiten des großen Meisters habe?"

Die junge Frau, ein frisch bestrichenes Sconnes in der Hand, nickte.

„Nun dann.“

Downsand lehnte sich zurück.

„Also“, sagte er etwas gedehnt, in scheinbarer Sherlock Holmes Manier. „Ich kombiniere, sie sind von väterlicher Seite eine geborene MacKenzie, von mütterlicher Seite eine Nottingham. Sie waren in einer Klosterschule, haben in Oxford und Harvard Geschichte studiert, sie stammen aus dem Osten der USA, sind aber hier als freiberufliche Historikerin tätig. Das haben sie keinesfalls finanziell nötig, trotzdem führen sie gutbetuchte Amerikaner auf ihren europäischen Spuren durch England und Schottland. Sie sind unverheiratet, haben eine Katze und sind eine gute Reiterin."

Jane MacKenzie hatte ihr Sconnes auf den Teller zurückgelegt und schloss jetzt ihren, vor Erstaunen geöffneten Mund, langsam. Schließlich schüttelte sie etwas betrübt den Kopf.

„Ich wusste nicht, dass sie mich kennen, allerdings..." Der Professor hob die Hand.

„Auf Ehre und Gewissen, das tue ich nicht."

Als er noch immer ein ungläubiges Gesicht sah, nahm er seine Pfeife wieder auf.

„Wie würde Mr. Holmes sagen? Alles eine Frage der Beobachtung und Kombination. Sie tragen die Farben des MacKenzie-Clans. Der Rock könnte ein Zufall sein, aber nicht das Plaid und die Brosche. < Lueo non uro, Ich leuchte, aber verbrenne nicht,> der Leitspruch der MacKenzie. Ihr Ring an ihrem rechten Ringfinger, der einzige, den sie im Übrigen tragen, also vermute ich, er ist bedeutsam für sie, ist sehr alt und trägt das Siegel der Nottingham.

Sie heißen MacKenzie, ihre Ledermappe hat die Initialen J.MacK. Also kombinierte ich, es ist ihr Vatersname. Als vorhin die Ambulanz vorbeiraste, haben sie sich bekreuzigt, das tun viele ehemalige Klosterschülerinnen, um für die Genesung der Verletzten zu beten. Sie können es einfach nicht ablegen, nicht wahr?"

Als er keine Antwort bekam, fuhr er fort.

„Trotzdem sind sie Amerikanerin, denn ihre Offenheit und ihre Art zu bestellen verrieten mir das sofort. Ihr Englisch ist das typische Oxfordenglisch, aber ein leichter Hauch lässt Harvard vermuten. Da ihre Vorfahren Schotten waren und irgendwann nach Amerika ausgewandert sind, sicher in Folge von Culloden, ist anzunehmen, dass sie sich, wie tausende ihrer Landsleute, im Osten der USA niederließen. Die Herrschaften, die sie vorhin verabschiedeten, waren augenscheinlich Amerikaner und sehr wohlhabende dazu. Mit Sicherheit suchen sie sich eine kompetente Beratung für ihre Suche nach ihren Wurzeln, also eine gut ausgebildete und bewanderte Historikerin. Sie sind keine übliche Fremdenführerin mit festem Vertrag. Da könnten sie ihre offensichtliche Schottlandtreue nicht so deutlich zeigen. Außerdem haben sie es nicht nötig zu arbeiten, alle diese Gegenstände.“ Er wies auf Janes Tasche, ihr iPhone, ihre Rolex.

„Sind nicht gerade preisgünstig.“

Er lächelte sie an und fuhr fort.

„Sie tragen keinen Ehering, am Unterarm haben sie

ältere und neuere Kratzer, die nur von einer Katze stammen können, mit der man öfters zusammen ist.

Sie haben Schwielen an den Händen, wie jemand, der ein ziemlich wildes Pferd ohne Handschuhe geritten hat und das tut nur eine gute Reiterin."

Der Tee war kalt geworden, aber die junge Frau war fasziniert. Ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht.

„Das war einzigartig, Mr. Holmes."

In diesem Moment klingelte ihr iPhone und mit einem entschuldigenden Schulterzucken klemmte sie es sich ans Ohr.

„Hallo, Antony, mein Lieber, ich freue mich auf unseren Treff. Ja, lass mich schauen."

Sie warf einen Blick auf ihre Rolex.

„In einer halben Stunde, gut, der Pub nahe Eingang Hyde Park. Ich bin ja so gespannt, Tschau."

Sie legte das iPhone weg und strich sich eine Strähne ihres roten Haares, das sich fürwitzig aus dem langen Zopf gelöst hatte, über das rechte Ohr.

„Ein Studienfreund von mir. Er kam überraschend nach London, keine Ahnung warum. Aber er sagte, es sei eine tolle Überraschung."

Mit einer ausholenden Geste deutete sie den Kellner das sie zahlen wollte und dieser kam auch sofort an den Tisch, wie der Professor schmunzelnd registrierte.

Nachdem sie das erledigt hatte und der junge Mann sich entfernte, sagte sie mit einem bezaubernden Lächeln.

„Im Übrigen, Mr. Holmes, mein Name ist Jane MacKenzie.“

Sie biss noch einmal in ihr Sconnes und leckte sich ungeniert die Finger ihrer linken Hand ab.

„Oje, Großmama würde jetzt in Ohnmacht fallen, aber was soll`s.“

Sie zuckte die Schultern.

„Ach und, Mr. Holmes, sie haben etwas vergessen...meinen ausgezeichneten Appetit."

Beide lachten und Jane lehnte sich zurück, ohne Zweifel sah man ihr ihre Freude am Essen an.

Sie war nicht sehr groß, aber wirkte insgesamt durchtrainiert und sportlich, sonst wäre sie wohl kaum so eine begeisterte Reiterin.

Aber dem gängigen Schönheitsideal entsprach sie in keinster Weise. Dazu war ihre frauliche Figur viel zu sehr gerundet.

Allein durch ihre Bewegungen und ihre offene Art strahlte sie eine ungeheurere Dynamik und Energie aus.

Mit einer fließenden Geste glättete sie ihr Plaid und nahm Tasche und Mappe vom Stuhl neben sich.

„Entschuldigen Sie mich bitte, Mr....“

Downsand erhob sich leicht.

„Verzeihen sie meine Unhöflichkeit, Miss MacKenzie, James Downsand."

Sie ergriff die dargebotene Hand.

„Angenehm, ich hoffe, wir treffen uns einmal wieder.“

Mit einem Lächeln nickte sie ihm noch einmal zu und winkte ein Taxi heran.

Ihr Haar leuchtete in der Nachmittagssonne auf, als sie einstieg.

„Ich leuchte, aber verbrenne nicht“, murmelte der Professor und klopfte seine Pfeife aus.

„Wie wahr, wie wahr.“

Kapitel 2

Antony Dorsand stieg am Eingang Hyde Park aus dem Taxi, zahlte und ging mit festen Schritten auf das kunstvoll geschmiedete Gittertor zu.

Mit einem Lächeln sah er in den völlig wolkenlosen, azurblauen Himmel und genoss den leichten, angenehmen Wind, der ihm sein kurzes, dunkles Haar zerzauste.

Das allseits beschriebene neblige, verregnete London schien diesem Klischee heute keine Ehre machen zu wollen.

Gut so, denn er hatte schon befürchtet, bei gießendem Regen im Hydepark umherirren zu müssen.

Daher war er froh gewesen, seine Regenbekleidung im Hotel lassen zu können

Er trug ein helles Button-Up-Hemd unter einem marinefarbenen Jackett und die sandfarbene Hose passte farblich zu den leichten Wildlederslippern, die er ohne Strümpfe trug.

Trotz dieser bequemen Freizeitkleidung sah man ihm irgendwie immer den erfolgreichen Anwalt an.

Ein Freund hatte ihm einmal gesagt, er habe diesen gewissen Blick, was auch immer das sein mochte.

Beim Gedanken daran musste er wieder schmunzeln. Aber es schien wirklich etwas dran zu sein, kaum tauchte er auf einer Party auf, wo ihn niemand kannte, irgendwo am Strand oder zu einer Bootstour im Freizeitlook, irgendjemand vermutet immer in ihm den Anwalt.

Ihm begegnete eine Gruppe japanischer Touristen, die mit ihren Videokameras jeden einzelnen Schritt zu filmen schienen.

Als sie auch ihn versehentlich filmten, verbeugten sie sich entschuldigend und als er leicht kopfschüttelnd abwinkte, verbeugten sie sich nochmals.

Eine Familie, allem Anschein nach Schotten oder Iren, mit drei rothaarigen Kindern lief an ihm vorbei und das älteste Mädchen mit dicken Zöpfen und einem wadenlangen Blümchenkleid blieb stehen und lächelte ihn an.

Antony lächelte zurück.

Vor seinem inneren Auge tauchte ein Bild aus der Vergangenheit auf, die kleine Jane MacKenzie.

Sie hatte genau so ausgesehen, damals in dem Feriencamp in Iowa.

Nur hatte sie nicht gelächelt und sie erzählte ihm nach einer Weile auch, warum.

Sie hatte gehofft die Sommerferien mit ihrem Vater in Schottland zu verbringen.

Aber dieser musste plötzlich geschäftlich nach Neuseeland und war der absurden Idee anheimgefallen, seiner Tochter würde ein Urlaub in einem Camp unter anderen, gleichaltrigen Kindern guttun.

Genau eine Woche war sie geblieben und er, Antony, hoffte täglich ihr zu begegnen.

Ihre Haare und die Sommersprossen auf ihrer Nase faszinierten ihn ebenso wie ihr hübsches, ernstes Gesicht.

Nach einer Woche war Jane abgereist, er brachte in Erfahrung, dass ihre Tante sie nach Schottland geholt hatte.

Scheinbar war der Geschmack ihres Vaters von einem Ferienaufenthalt nicht der ihre gewesen.

Antony war sehr enttäuscht gewesen als sie weg war und ihm wollte der weitere Aufenthalt einfach keinen rechten Spaß mehr machen.

Auch nach den Ferien hatte er das Mädchen nicht vergessen, bis er ihr auf dem Studienball des ersten Semesters in Harvard wieder begegnete.

Er erkannte sie sofort, auch wenn über zehn Jahre inzwischen vergangen waren und er schwärmte noch immer für sie.

Er glaubte einfach an keinen Zufall, sondern daran, dass das Schicksal sie bewusst hier wieder zusammengeführt hatte.

Nur leider oder Gott sei Dank, das hatte ihn die Zeit gelehrt, zeigte Jane kein Interesse an ihm als Liebhaber oder gar Ehemann. Sie trug sich nicht einmal im Entferntesten mit dem Gedanken an eine Beziehung, und eine Affäre wäre für die streng katholisch erzogene junge Frau undenkbar.

So wurde sie aber über all die Jahre eine gute, eine sehr gute Freundin, die immer ein offenes Ohr für seine kleineren und größeren Probleme hatte und auch wenn sie häufig eine große Distanz trennte, da Jane sich meist in Europa aufhielt, war ihr Kontakt nie ganz abgebrochen.

Während er in einen der weit verzweigten Wege einbog, dachte er daran, dass er fast ein schlechtes Gewissen hatte, sie nicht eher von seinem Besuch in England informiert zu haben.

Sicher hätte auch sie Interesse an dieser ganzen Geschichte gehabt und hätte ihm behilflich sein können, aber…

Er schüttelte, in Erinnerung an den Anfang eben dieser Geschichte, die ihn heute hierherführte, etwas den Kopf.

Diese ganze Geheimniskrämerei fand er zunehmend albern, aber seine Neugier war stärker.

Er hatte schon immer etwas für einen Hauch Abenteuer übriggehabt. Nur deshalb hatte er sich überhaupt auf diese Geschichte eingelassen, die verheißungsvoll klang und alles in allem sehr lukrativ zu werden schien.

Normalerweise war dies alles hier nicht sein Stil, aber wenn dabei wirklich so viel herauskommen würde, wie er in Aussicht gestellt bekommen hatte, war es doch keine so schlechte Sache.

In ein paar Minuten würde er nun endlich mehr wissen und danach Jane treffen und sie würden bei einem Bier in dem gemütlichen Pub über diese ganze Geschichte plaudern.

Das kleine Mädchen war ihrer Familie gefolgt und Antony ging etwas schneller den Weg hinunter und schaute nochmals auf seinen Plan, den er zusammen mit dem Brief in der Tasche seiner Jacke trug.

Nach ein paar Schritten war er in einem etwas entlegenen Teil des Hydeparks angekommen und hörte die Geräusche der draußen fahrenden Autos, aber auch die Stimmen der Spaziergänger im Park selbst, deutlich verhalten.

Noch einmal orientierte er sich an dem Plan und lächelte erneut etwas.

Auch das erinnerte ihn an die Schnitzeljagten aus Pfandfinderzeiten.

Schließlich blieb er vor einer Eiche stehen, dem vereinbarten Treffpunkt.

Er sah auf seine Rolex und holte hörbar Luft.

Er war pünktlich, sein neuer Partner scheinbar nicht.

Antony hasste Unpünktlichkeit, gerade im Geschäftsleben.

Plötzlich hörte er ein Rascheln und wandte sich um.

Ungläubiges Staunen trat in sein Gesicht, er wollte etwas sagen, aber er hörte nur noch ein hohes Pfeifen, sah eine blitzende, riesige Klinge auf sich zukommen, ohne nur die geringste Chance zu haben ihr auszuweichen.

In diesem Augenblick, dem Letzten seines Lebens, verwünschte er seine Fitness, die er in teuren Fitnessstudios sich tagtäglich antrainiert hatte und die ihm jetzt nichts mehr half.

Aber gnädigerweise spürte nicht einmal mehr einen Schmerz, als sein vom Rumpf abgetrennter Kopf gegen den Stamm der Eiche prallte.

Aus seiner Jackentasche wurden der Brief und die Karte entnommen und neben seine kopflose Leiche fast behutsam eine weiße, voll erblühte Rose gelegt.

Dann war nur noch das Knirschen der kleinen Wegkiesel unter einem festen Schritt zu hören, bis lange danach der hysterische Schrei einer älteren Frau die Stille zerriss und jede Menge Schaulustige auf den Plan rief.

Der schwarze, unauffällige BMW brauste in Richtung Hyde Park. Auf dem Rücksitz saßen Detective Inspektor Peter Brown und sein Assistent, Sergeant James Molder.

Letzterer, ein unscheinbarer, dünner Mann mittleren Alters, beobachtete seinen Chef aus dem Augenwinkel. Er ahnte, was in diesem gerade vorging.

Sie fuhren zum Schauplatz eines Verbrechens, nichts Ungewöhnliches in ihrem Beruf, aber dieser Fall sicher schon.

Es war vermutlich das dritte Opfer des Hyde Park Mörders, wie die Londoner Boulevardpresse ihn genannt hatte. Es war jederzeit zu befürchten gewesen, dass der Mörder wieder zuschlug, obwohl die Zeitabstände relativ groß waren.

Und das Interesse der Öffentlichkeit war entsprechend.

Wilde Spekulationen in der Presse, die den Mörder bereits zum „Jack the Ripper des 21. Jahrhunderts“ ausriefen, aber auch der ständig wachsende Druck aus dem Buckingham Palast.

Und das alles lastete auf den Schultern von Detective Inspektor Peter Brown, den sein Vorgesetzter, Detective Chief Inspektor Lord Winslet, als seinen besten Mann im Yard bezeichnet hatte und das vor laufenden Kameras bei einer Pressekonferenz.

Das Auto fuhr jetzt deutlich langsamer und das Blitzlichtgewitter der Presse begann.

„Verdammte Aasgeier“, brummte Molder leise und zuckte dann leicht mit den Schultern.

„Entschuldigung“, murmelte er in die Richtung seines Chefs, obwohl er sich nicht im Klaren darüber war, ob dieser ihn gehört hatte.

Hatte er aber. Langsam wandte er den Kopf in seine Richtung und zog eine Braue nach oben.

„Ein wahres Wort, aber es hilft nichts.“

Er gab dem Fahrer ein Zeichen und der Wagen hielt. Kaum hatte er die Tür geöffnet, brach die Hölle los.

Die Nachricht von diesem neuerlichen Mord musste sich in Windeseile herumgesprochen haben, denn die gesamte Presse Londons war anwesend, ebenso wie einige der wichtigsten Fernsehsender, die mit ihren Übertragungswagen die Zufahrten fast komplett zugeparkt hatten.

Um das Chaos vollständig zu machen, hatten viele vorüberfahrende Berufspendler angehalten, um zu schauen und so war die gesamte Straße hoffnungslos verstopft.

Als der Detective Inspektor das Auto verließ, prasselten die Fragen auf ihn herab.

„SIR, IST DAS EIN NEUES OPFER DES HYDEPARKMÖRDERS?“

„SIND JETZT AUCH AMERIKANER NICHT MEHR SICHER IN UNSERER HAUPTSTADT?“

„IST JACK THE RIPPER ZURÜCKGEKEHRT?“

Die Journalisten drängten näher heran und nur mit Mühe konnten die wenigen uniformierten Beamten sie zurückhalten.

Einer jungen Journalistin gelang es, unbemerkt die menschliche Absperrungskette zu durchbrechen.

Sie rannte mit ihrem Mikrofon bewaffnet auf Brown zu. Kurz vor ihm blieb sie stehen, strich ihr Haar zurück und legte mit einem sinnlichen Lächeln den Kopf zur Seite.

Sergeant Molder seufzte innerlich auf.

Nicht nur im ganzen Yard, scheinbar auch bei der Presse war bekannt, dass der - „bestaussehendster Polizist des Yard aller Zeiten“- wie ein Boulevardblättchen Brown einmal getitelt hatte, auf hochgewachsene Blondinen stand.

Aber eines musste man ihm lassen, er konnte immer Dienst und Privates teilen. So auch heute.

Er erwiderte das Lächeln prompt und winkte einen der Uniformierten herbei, der unter Protestrufen der übrigen Journalisten, die Blondine hinter die Absperrung zurückzerrte, denn sie wehrte sich vehement und ihr Abgang war alles andere als professionell.

Das eiserne Tor zum Hyde Park wurde von einem Polizisten geöffnet.

„Guten Tag, Sir. Da entlang."

Er deutete auf einen leicht abfallenden Weg.

Schweigend gingen Brown und Molder den Weg hinunter, bis auf einmal eine Schar merkwürdig weiß gekleideter Menschen sichtbar wurden.

In den weißen Anzügen und den Brillen wirkten sie wie Außerirdische, die durch die Büsche schlichen.

Bei ihrem Eintreffen näherte sich einer der „Aliens“ und nahm seine Brille ab.

Es war Jeffreys Raymond, der Leiter der Spurensicherung.

„Hallo, Peter, sie können ran, wir haben soweit alles.

Er ist auch schon da.“

Mit einer kurzen Kopfbewegung deutete er nach rechts, wo ein kleiner, untersetzter Mann mit Smoking und Lackschuhen stand.

Als Brown sich näherte, sagte dieser: „Tot, und zwar mausetot.“

Brown rollte leicht die Augen nach oben.

„Sehr gut erkannt, Doc.“

Lex Brechner, der Chefpathologe des Yard, war als Sonderling und Zyniker bekannt, aber heute schien er sich selbst zu übertreffen.

Er starrte mit seinen stahlblauen Augen zu Brown auf und fuhr sich durch sein, schon jetzt in Büscheln abstehendes, rotes Kraushaar.

„Ja, und da jeder Kanalarbeiter feststellen kann, dass ein Mann, dessen Kopf gut fünf Meter von ihm entfernt liegt, tot sein muss, frage ich mich, welcher Idiot mich aus der Royal Music Hall hier herzerren lassen musste?“

Dabei starrte er jetzt auf die lange, dünne Gestalt des Chefs der Spurensicherung, der nur lakonisch die Schultern zuckte.

„Es ist Vorschrift, Lex“, versuchte Brown ihn zu beruhigen, aber der Arzt wandte sich zum Gehen.

„Packt ihn ein und fahrt ihn in mein Institut.

Natürlich falls er nicht doch noch leben sollte. Dann holt einen Notarztwagen, sicher wird er reanimiert werden müssen.“

Wutentbrannt stampfte er den Weg hinan.

Jeden anderen hätte Brown zurechtgewiesen, aber er wusste, dass Lex Brechner zwar ein Sonderling, aber auch ein Arbeitstier und Genie war und nicht lockerließ, bis er nicht die kleinste Kleinigkeit ans Licht gebracht hatte.

Er wandte sich wieder an Jeffreys Raimund, der dem Arzt hinterher starrte.

„Der wird auch immer bizarrer“, sagte dieser.

„Was halten sie davon?“

Brown deutet auf die kopflose Leiche, die noch nicht abgedeckt war, der Kopf lag, etwas unsichtbar, einige Meter entfernt, unter einen Busch gerollt.

„Amerikaner, weiß, männlich…“

„Und woher weiß das schon alles die Presse?“, fragte Molder ärgerlich, was ihm einen tadelnden Blick des Spurensicheres einbrachte.

„Weil die alte Dame, die über die Leiche gestolpert ist, so laut geschrien hat, das sämtliche Besucher des Parks, die in unmittelbarer Nähe waren, herbeigerannt kamen. Darunter war ein junger Kerl mit einem Blackberry und einem guten Gespür fürs Geschäft. Er hat ein paar Fotos gemacht, die Identitäten des Toten gecheckt und die Presse informiert. Dann hat er das Foto bei einigen Zeitungen und Fernsehsendern angeboten, hochgeladen und wahrscheinlich das Geschäft seines Lebens gemacht. Immerhin hat er anschließend noch die Polizei angerufen. Jetzt sitzt er dort, hört sich eine Standpauke an und lacht sich ins Fäustchen.“

Der schlaksige Raimond deutete etwas weiter links zu einem Polizeiwagen, wo alle Zeugen vernommen worden.

„Gut, wieder zurück. Also weiß, männlich und Amerikaner, dazu wohlhabend. Vierhundert US-Dollar in bar, dreihundert Pfund sowie drei Kreditkarten und eine Hotelkarte vom Ritz. Kein Raubmord.“

Obwohl solche Schlüsse zu ziehen eigentlich Sache des leitenden Ermittlers war, wusste Raimond, dass Brown, bei allen Schwächen, die er hatte, ein Teamplayer war, der allen am Fall beteiligten das Recht einräumte, ihre Meinung und ihre Wahrnehmungen kund zu tun.

„Handy, iPhone, Blackberry?“ fragte dieser.

Raimond seufzte.

Er winkte eine Mitarbeiterin herbei, die eine Tüte hochhielt.

Sie enthielt die Einzelteile eines iPhone.

„Die alte Dame ist darüber gestolpert und hat es zertreten. Aber wir kriegen es schon irgendwie gangbar, es dauert eben. Vielleicht kriegen wir auch etwas über seinen Provider heraus. Aber bei den Amis ist das immer etwas schwierig.“

Dann winkte er Brown an die Leiche heran. Es wies auf eine Stelle, die sich rechts neben dem Kopf befunden hätte, wäre dieser noch da gewesen. Eine weiße, zartblättrige Rose.

Er wechselte mit Raimond einen Blick und dieser nickte.

„Mit Sicherheit wieder ein sehr scharfes, sehr breites Schwert, ein Einhänder, vermute ich mal.“

Brown ging etwas in die Hocke und besah sich den Toten. Dieser war sportlich, aber elegant gekleidet.

Raimond reichte ihm eine Visitenkarte.

„Er war Anwalt und ich nehme stark an, ein erfolgreicher“, sagte er.

Der Detective Inspektor nickte und erhob sich langsam.

„Und was hat er mit einem Brauereibesitzer und einem Studenten gemeinsam?“

„Weiß und männlich“, wiederholte Sergeant Molder den Chef der Spurensicherung und die beiden Männer sahen ihn an.

„Tja, aber das scheint kein Grund zu sein, drei Männer in den Hyde Park zu locken und zu enthaupten und ihnen dann eine Rose hinzulegen.“

Detective Inspektor Peter Brown fuhr sich über die Stirn.

„Jetzt wird uns auch noch der CIA im Nacken sitzen, der Innenminister, die Presse und wer nicht alles was. Wir brauchen ein paar brauchbare Ergebnisse, und zwar bald. Jeffreys, wir sehen uns um sieben in meinem Büro. Teambesprechung, es geht wieder los.“

Er nickte den Umsehenden zu und entfernte sich in Richtung Ausgang.

Molder, der ihm folgte, sagte leise:

„Vielleicht, Sir, wäre ein anderer Ausgang besser.“

Aber Brown schien nicht zu hören oder wollte es nicht.

Er stürzte sich erneut in das Blitzlichtgewitter der Presse, aber diesmal brach niemand durch die Absperrung.

Die Uniformierten hatten Verstärkung von der Polizeiakademie bekommen.

Kapitel 3

Am nächsten Morgen saß Professor James Downsand im Wintergarten seines kleinen Hauses in Windsor und genoss ein ausgezeichnetes Frühstück.

Missis Nowland, seine Haushälterin, war die beste Köchin weit und breit und dessen war nicht nur er sich bewusst, sondern auch die energische, stattliche Dame selbst.

Mit liebevoller Strenge regierte sie seit gut fünfundzwanzig Jahren seinen Haushalt und seit seiner Pensionierung vor zwei Jahren regierte sie ihn auch selbst, wie er öfters scherzend bemerkte.

Der gestrige, schöne Herbsttag war scheinbar der Letzte gewesen. Heute regnete es fast pausenlos.

Es war zudem empfindlich kühl und die Rosen, Professor Downsand ganze Leidenschaft, verloren ihre samtenen Blätter.

Wenigstens hatte er gestern noch die Schönsten abgeschnitten und so stand ein Strauß herrlich duftender, gelber Teerosen auf einer Wandablage neben der Tür. Der Duft nahm das ganze Zimmer ein und verbreitete, zusammen mit dem Geruch nach dem harzigen Holz, das im Kamin knackte, eine heimelige Atmosphäre.

Seufzend stopfte er sich seine morgendliche Pfeife und öffnete die Times, die Missis Nowland immer auf den kleinen Beistelltisch in der Ecke legte, denn bei ihrem erlesenen Frühstück duldete sie weder Pfeife noch Zeitung.