Engelsflug - Annette Krupka - E-Book

Engelsflug E-Book

Annette Krupka

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Beschreibung

Kate Schulz und Hauptkommissar Mike Köhler besuchen gemeinsam mit dem jung vermählten Paar, Professor Omar Amri und Jasmin Weidner-Amri, den Plauener Weihnachtsmarkt. Plötzlich stürzt von der Aussichtsplattform der St. Johanniskirche eine junge Frau in die Tiefe. Es ist Marlen Kirschner, der neue Weihnachtsengel der Stadt Scheinbar handelt es sich um Suizid, denn ein Abschiedsbrief wird gefunden. Während die Polizei den Fall damit abschließen will, kommen Kate Schulz Zweifel an der Selbstmordtheorie und sie beginnt zu ermitteln. Jeder weiß nur Gutes über die junge Frau zu berichten. Aber war sie wirklich der Engel, für den alle sie darstellen? Und wenn ja warum musste sie dann sterben?

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Das Buch

Kate Schulz und Hauptkommissar Mike Köhler besuchen gemeinsam mit dem jung vermählten Paar, Professor Omar Amri und Jasmin Weidner-Amri, den Plauener Weihnachtsmarkt.

Plötzlich stürzt von der Aussichtsplattform der St. Johanniskirche eine junge Frau in die Tiefe.

Es ist Marlen Kirschner, der neue Weihnachtsengel. Scheinbar handelt es sich um Suizid, denn ein Abschiedsbrief wird gefunden.

Während die Polizei den Fall damit abschließen will, kommen Kate Schulz Zweifel an der Selbstmordtheorie und sie beginnt zu ermitteln.

Jeder weiß nur Gutes über die junge Frau zu berichten. Aber war sie wirklich der Engel, für den alle sie darstellen?

Und wenn ja, warum musste sie dann sterben?

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Nachwort

Kapitel 1

Warum nur war alles so schwierig geworden, das Leben, die Nähe zu anderen Menschen, warum? Dabei hätte man ja denken müssen, dass nach dem Ende des Lockdowns alles besser sein würde. Aber nein, es wurde schwieriger, viel schwieriger. Warum war das so? Sie wusste es nicht. Sie hatte jetzt öfter das Gefühl, als würde alles über ihr zusammenbrechen, als würden die Sorgen, Nöte, alles, das sie seit Jahren,

Monaten und Wochen beschäftigte, wie eine Mauer vor ihr stehen, die sie nicht mehr überwinden konnte. War es wirklich ihre Schuld? Oder gab es jemand anderen, der sie hatte, diese Schuld, die ihr Leben von Tag zu Tag, von Woche zu Woche unerträglicher machte? Sie spürte, wie sie immer mehr Probleme bekam, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Ruhig, bleib ruhig, ermahnte sie sich streng. Sie musste sich konzentrieren. Wenn sie keine Schuld trug, wer war es dann? War es unfair, jemand anderem die Schuld für sein Leben, sein Versagen zu geben? Aber nicht sie versagte, andere taten es, oder? Schuld hat auch immer etwas mit Sühne zu tun, das hatte sie in der Kirche gelernt. Aber hatte sie sich wirklich schuldig gemacht? Hatte sie Verpflichtungen gegenüber Gott oder anderen Menschen nicht eingelöst? Nein. Also musste sie nicht büßen. Wenn nicht sie, wer dann?

Sie sah an dem Turm hinauf. Buße tun, ja. Wer sündigt muss büßen. Mit schnellen Schritten eilte sie auf das Kirchenportal zu.

Kapitel 2

„Ich bin froh, dass Mike wenigstens mithält, das ist ja wie auf einer Party der anonymen Alkoholiker“, sagte Jasmin und prostet Genanntem mit ihrem Glühweinbecher zu.

Sie grinste dabei Omar und Kate an, die sich lächelnd ihrerseits mit ihrem Kinderpunsch zuprosteten.

„Ich frage mich, wann du einmal mit diesem Kalauer aufhörst“, murmelte Kate und stupste Jasmin in die Seite. Dabei begann deren großes Lebkuchenherz mit der Aufschrift -Meinem Schatz- hin und her zu pendeln.

Kate ihrerseits trug ein Lebkuchenherz mit dem Ausspruch -Ich mag dich- und obwohl sie sich anfangs dagegen gewehrt hatte, fand sie es doch recht süß von Mike.

Es war ihr erstes gemeinsames Weihnachtsfest als Paar und sie hatten beide etwas Bammel davor.

Dieser Weihnachtsmarktbesuch mit den frischvermählten Ehepaar Omar und Jasmin machte alles etwas ungezwungener, dafür sorgte schon Letztere mit ihrem unverbesserlichen Humor.

„Was habt ihr zwei denn nun zu Weihnachten geplant?“

Scheinbar hatte Jasmin ihre Gedanken gelesen.

Ehe sie antworten konnte, sagte Mike: „Na, an Heiligabend kommt ihr alle zu uns, das war doch so ausgemacht?“

Er sah Omar und Jasmin an, die synchron nickten.

„Und wer ist alle?“, hakte Omar nach und nahm eine der gebrannten Mandeln aus der Tüte und steckte sie in den Mund.

„Ihr zwei, dann Abby, sie hat ja Semesterferien und laut eigener Aussage null Bock auf Familie und schließlich Steven, wobei ich denke, er kommt zu allererst wegen Abby.“

Kate grinste. Auch sie hatte schon bemerkt, dass sich der Computernerd ein bisschen in Annalena „Abby“ Heimat verguckt hatte.

„Da wird es ihn wohl hart treffen, dass wahrscheinlich auch Ben rüberkommen will.“, ergänzte sie.

„Ben kommt?“, rief Jasmin freudig aus.

Sie mochte Kates ehemaligen FBI Partner.

Kate nickte. „Jep, wenn nichts dazwischenkommt, wird er am 23. in München landen. Er will unbedingt mal eine richtige Deutsche Weihnacht miterleben, hat er gesagt.“

Omar sah zweifelnd zu ihr herüber.

„Und du willst kochen?“, fragte er.

Er hatte in Kates Kochkünste wenig Vertrauen, was allerdings auch gerechtfertigt war. Die ehemalige FBI-Agentin war in vielen Dingen sehr gut, kochen allerdings gehörte definitiv nicht dazu.

Diese schüttelte den Kopf.

„Dafür habe ich schon gesorgt. Lass dich überraschen. Um dich zu beruhigen, du musst dich nicht meinen rudimentär entwickelten Kochkünsten aussetzen.“

Während Jasmin und Omar lachten, bemerkte Kate, wie Mike sich an ihrer Seite anspannte. Sofort ging auch sie in Alarmmodus.

In diesem Moment sprintete Mike los.

„Halt, stehen bleiben, Kriminalpolizei“, rief er hinter einer flüchtenden Frau her.

Diese rannte, ohne sich umzusehen, in Richtung Johanniskirche.

Kate kombinierte schnell, dass Mike eine Taschendiebin entdeckt haben musste.

Da diese in der Regel nicht allein arbeiteten, sprintete sie ebenfalls los. Richtig, direkt an der Ecke zum Johanniskirchplatz wollte die fliehende Täterin einem jungen Mann ihre Beute übergeben, als Kate, die Mike überholt hatte, ihre Hand dazwischenschob.

Die Börse fiel zu Boden und der junge Mann wollte eben wegrennen, als Kate ihn am Arm festhielt.

„Schön hiergeblieben“, sagte sie und sah aus dem Augenwinkel, dass Mike inzwischen die Frau am Arm festhielt, die sich allerdings verbissen wehrte.

„Hilfe, er tut weh“, schrie sie in gebrochenem Deutsch in die sich inzwischen versammelnde Zuschauermenge.

„Kriminalpolizei“, keuchte Mike erklärend, als sich zwei junge Männer aus der Menge lösten, scheinbar mit dem Ziel, der Frau zu Hilfe zu eilen. Zögernd blieben diese stehen.

Kate hatte mit ihrem Schützling keine Probleme.

Wie paralysiert hielt er still, scheinbar merkte er, dass er gegen diese Frau keine wirkliche Chance hatte.

Inzwischen bogen auch Jasmin und, heftig schnaufend, Omar um die Ecke.

Letzterer sah, dass Mike wirkliche Probleme hatte, die Frau ruhig zu halten, die nicht nur schrie und heftig um sich trat, sondern auch versuchte ihn zu beißen.

Omar packte sie um die Taille und hielt sie einfach in die Luft.

„Ruhe jetzt“, sagte er mit seiner tiefen Stimme laut und wirklich, scheinbar schaffte der hünenhafte Pathologe das, was der drahtige Hauptkommissar nicht geschafft hatte. Die Frau hing schlaff in seinen Armen.

In diesem Moment bog ein Streifenwagen um die Ecke und zwei Beamte sprangen heraus.

„Was ist los?“, fragte der erste uniformierte Beamte, während der andere sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen schien.

Bei Mike blieb sein Blick hängen.

„Guten Abend, Herr Hauptkommissar“, sagte er erstaunt und Mike nickte ihm zu.

Dann trat er näher an die beiden heran.

„Taschendiebstahl“, sagte er kurz und stellte sich neben Kate, die noch immer den jungen Mann festhielt.

Er reichte den beiden Beamten die Geldbörse, die die Täterin bei der Übergabe an ihren Komplizen dank Kate verloren hatte.

Diese nickten. „Na, dann übernehmen wir wohl jetzt“, sagte der erste Polizist und lächelte von Kate zu Mike.

Während er von Kate den jungen Mann übernahm, war der andere zu Omar getreten, der ihm die Frau wie ein Paket überreichte.

Kate richtete ihre Jacke, schob ihr Lebkuchenherz, das erstaunlicherweise unversehrt geblieben war, zurecht und begann plötzlich zu lachen.

Jasmin hielt alle vier, inzwischen leeren, Glühweinbecher in der Hand. Diese zuckte die Schulter.

„Hallo, da ist Pfand drauf“, sagte sie lakonisch, was auch die anderen zum Lachen brachte.

Omar legte ihr seinen Arm um die Schulter.

„Ich habe also einen richtig guten Fang gemacht, eine durch und durch sparsame Frau“, frotzelte er, was sie mit einem Schnauben quittierte.

Plötzlich sah Omar nach oben.

„Wer schmeißt denn da was runter?“ Kate, Mike und Jasmin folgten seinem Blick zum Turm der Johanniskirche und sahen noch etwas Großes, Weißes in die Tiefe fallen.

„Ein Bettlaken?“, dachte Kate noch, als es am Boden hart aufschlug und hinter ihr eine Frau aufschrie.

Das war kein Bettlaken gewesen, sondern der Körper eines Menschen.

Kapitel 3

„Sie hatte keine Chance. Nicht bei dieser Höhe“, sagte Omar, der sich über die Tote gebeugt hatte. Diese trug ein Engelskostüm, ein Kleid mit langen Ärmeln und hinten angenähten Flügeln aus Kunstfedern. Daher hatte Kate gedacht, es sei ein Bettlaken.

Einer der Flügel hatte sich im Fall gelöst und lag nun mitten auf dem Johanniskirchplatz, während der andere noch, blutverschmiert und gebrochen, am Körper der Toten klebte.

Inzwischen war nicht nur deutlich mehr Polizei vor Ort als der Streifenwagen, in dem die beiden Taschendiebe saßen. Auch ein Rettungswagen bog mit Blaulicht ein, dicht gefolgt vom Notarztwagen und der Feuerwehr.

Mike, der mit den beiden Polizisten mehr oder wenig erfolgreich versucht hatte, Schaulustige abzudrängen, die mit lang gereckten Hälsen oder hochgehaltenen Smartphones etwas sehen, beziehungsweise fotografieren oder filmen wollten, wurde jetzt von mehreren Beamten abgelöst und trat zu Omar, der gerade dem Notarzt eine kurze Information gab.

Für diesen gab es nicht mehr viel zu tun. Die Spurensicherung würde jetzt ihre Arbeit aufnehmen.

Kate schaute zum Turm hinauf.

„Wer springt denn in einem Engelskostüm von dort oben runter?“, murmelte sie.

Jasmin, die neben ihr stand, schüttelte den Kopf.

„Vielleicht eine Botschaft? Eine religiöse Fanatikerin?“

„Weder das eine noch das andere.“

Kate blickte erstaunt zu Omar, der sich von dem Notarzt verabschiedet hatte und sich nun, gemeinsam mit Mike, neben sie stellte.

„Diese junge Frau ist Marlen Kirschner, der neue Weihnachtsengel der Stadt, oder vielmehr, sie war es.

Also weder ein religiöses Statement noch so etwas in der Art.“

Mike sah zu dem weißen Van, aus dem gerade jemand von der Spurensicherung Equipment auslud.

„Ob es überhaupt ein Suizid war, wird sich herausstellen.“

Kate blickte wieder nach oben.

„Aber was hat sie dann dort oben gemacht?“

Mike deutete ihnen, etwas mehr Abstand zum Tatort zu halten.

Sie bogen etwas Richtung Pfortengässchen ab, das zwar auch abgesperrt war, aber weder er noch seine Begleiter wurden aufgehalten.

„Sie hat in der Türmerstube Geschichten erzählt, zur Stadt Plauen, zur Kirche und so weiter. Soviel konnte ich bisher herausfinden. Mal schauen, was sich noch ermitteln lässt. Es waren ja sicher noch Besucher oben.“

In diesem Moment trat der Notarzt zu Omar.

„Ich habe unter ihrem Kostüm einen Abschiedsbrief gefunden“, sagte er, allerdings so laut, dass auch Kate, Jasmin und Mike ihn verstanden.

Letzterer nickte und ging gleich hinüber zur Spurensicherung. Jasmin sah ihm nach, dann schwenkte ihr Blick zu Kate. „Dann scheint es ja wohl klar zu sein.

Eine seltsame Art sich zu suizidieren.“

Omar, der Mike gerade folgen wollte, stockte kurz und sah sich um. „Ihr ahnt nicht, wie viele seltsame Arten sich umzubringen es gibt. Aber das wird sich alles weisen. Mit Sicherheit habe ich sie bald auf meinem Tisch.“

Er zuckte seine massigen Schultern und trat neben Mike, der gerade den, sorgfältig durch die Spurensicherung eingetüteten, Brief betrachtete.

Kates Blick ging wieder an dem Turm hoch und dann zur Kirchentür, wo die Polizei gerade die Personalien der Besucher aufnahm. Nicht alle von ihnen waren auf dem Turm gewesen, manche hatten einfach nur die älteste Kirche Plauens besucht.

Ein Mann im mittleren Alter kam gerade aus dem Pfarrhaus. Er fragte einen der Polizisten etwas, dieser deutete auf Mike und der Mann nickte. Mit schnellen, ausladenden Schritten eilte er auf diesen zu. Er hielt kurz am inzwischen abgedeckten Leichnam der jungen Frau inne und faltete die Hände, senkte den Kopf und schien ein Gebet zu sprechen.

Dann hob er den Kopf wieder und trat neben Mike.

„Herr Hauptkommissar Köhler?“

Mike, der den Brief der Spurensicherung zurückgab, wandte sich ihm zu. „Ja?“

Der Mann streckte ihm die Hand entgegen, die Mike zögerlich ergriff. Er war immer noch im Modus der Kontaktbeschränkung der vergangenen Monate und musste sich, wie viele andere, erst an ein normales Leben, ohne Beschränkungen und Auflagen, wieder gewöhnen.

„Ruffel, Martin Ruffel, ich bin der Pfarrer hier.“

Mike nickte. „Danke das sie gleich hergekommen sind, Herr Pfarrer. Kannten sie die junge Frau?“ Der Pfarrer seufzte etwas. „Ja, Marlen Kirschner, sie ist, entschuldigen sie, ich fasse es immer noch nicht, also sie war Mitglied unserer Gemeinde. Ich habe sie selbst konfirmiert. Ihre Eltern…ich darf gar nicht daran denken.“

Mike sah an dem Turm nach oben. „Wissen sie, wie viele Besucher heute da oben waren?“ Der Pfarrer schüttelte den Kopf. „Nein. Aber sie können Frau Hannisch fragen. Sie ist für den Einlass zuständig.“

Mike nickte und zog etwas die Schultern nach oben.

Es war kalt und hier auf dem Johanniskirchvorplatz fuhr ein eisiger Wind scheinbar ungehindert durch, was die Sache nicht eben angenehmer machte.

„Herr Pfarrer, ich würde sie dann gern noch einmal aufsuchen, wäre das möglich?“

Dieser sah ihn zweifelnd an.

„Herr Hauptkommissar, ich würde dann gern den Eltern von Marlen beistehen. Ich hoffe, es spricht ihrerseits nichts dagegen?“

„Nein, wenn sie möchten, können sie gleich mit mir mitfahren. Es ist sicher gut, wenn ich sie mit vor Ort habe.“

Er deutete ihm zu warten und wandte sich wieder an Kate und Jasmin, die in einigem Abstand standen und ebenfalls zu frieren schienen.

„Ich rufe jetzt Marianne Jäger, sie soll schon losfahren. Ich fahre mit Pfarrer Ruffel zu Marlen Kirschners Eltern. Kate, tut mir leid, aber scheinbar wird es später.“

Diese machte eine kurze Geste und Mike war wieder einmal froh, eine Frau an seiner Seite zu haben, die für seinen Job nicht nur Verständnis hatte, sondern aus ihrer eigenen, aktiven Zeit beim FBI genau wusste, was jetzt für ihn zu tun blieb. Er sagte noch ein paar Worte zu Omar, dann ging er zusammen mit dem Pfarrer zu einem Polizeiwagen.

Omar trat wieder zu Jasmin und Kate. Letztere sah ihn an. „Was stand denn in dem Abschiedsbrief?“

Omar blies etwas Luft aus.

„Naja, er war ziemlich blutbeschmiert, aber sehr kurz gefasst. Ich kann nicht mehr, so geht es nicht mehr weiter, verzeih mir, Marlen. Es könnte auch verzeiht mir heißen, das war ziemlich schwer leserlich.“

Kate zog frösteln die Schultern nach oben.

„Ja, wirklich sehr kurz. Aber das ist schon seltsam.

Sie nimmt den Brief mit hoch, macht eine Führung und anschließend stürzt sie sich einfach in die Tiefe?“

Jasmin sah sie mit hochgezogenen Brauen an.

„Woher willst du wissen, dass sie ihn nicht erst oben geschrieben hat?“

Kate schüttelte den Kopf. „Wann soll sie ihn geschrieben haben, während der Führung?“

Sie deutete auf das Kirchenportal, dass weit offenstand und die Besucher, die sich noch im zumindest etwas schützenden Inneren befanden.

Es war wahrscheinlich jene Gruppe, die Marlen Kirschner geführt hatte.

„Dazu war das Zeitfenster zu kurz,“ sagte sie bestimmt, aber Omar schüttelte den Kopf.

„So kurz wie der Inhalt des Briefes.“

Er legte seinen Arm um die Schultern seiner Frau.

„Das soll jetzt erst einmal die Polizei herausfinden.“

Jasmin hielt ihre Pfandbecher noch immer in den Händen. „Inzwischen sind meine Hände steif gefroren. Könnten wir diese dämlichen Becher jetzt mal abgeben und dann gehen?“

Omar und Kate nickten und schlugen den Weg zurück zum Weihnachtsmarkt ein, was gar nicht so einfach war, da sie gegen einen ganzen Strom von Schaulustigen ankämpfen mussten. Nachdem Jasmin das Pfandgeld in Empfang genommen hatte, deutete sie in Richtung Rathaus.

„Wollen wir noch etwas essen gehen?“

Kate zuckte leicht die Schulter.

„Ich habe noch etwas zu Hause, also für einen leichten Imbiss würde es noch reichen.“

Jasmin nickte und überhörte gekonnt Omars Brummen, der in Kates Kochkünste jeglicher Art wenig Vertrauen hatte.

Die Eltern der 20-jährigen Marlen Kirschner wohnten in einem kleinen Einfamilienhaus im Plauener Preiselpöhl.

Erstaunt sah der große, leicht übergewichtige Mann in den Fünfzigern auf die drei Personen, die vor seiner Haustüre standen, die er auf das Klingeln hin geöffnet hatte.

Sein Blick blieb an der einzig ihm bekannten Person haften.

„Herr Pfarrer Ruffel?“, fragte er erstaunt, als Mike seinen Ausweis aus der Tasche zog und sagte:

„Hauptkommissar Köhler, Kripo Plauen. Das ist meine Kollegin, Kommissarin Jäger. Dürfen wir eintreten?“

Der Mann war scheinbar so perplex, dass er nur stumm nach innen deutete und zur Seite trat, um die drei Personen vorbei zu lassen.

„Karsten, wer ist denn da?“ Eine Frauenstimme war zu hören und im gleichen Moment trat eine zierliche, dunkelhaarige Frau, die eine Kochschürze umgebunden hatte, aus einem Raum, mit Sicherheit die Küche, in den Flur.

„Kriminalpolizei und der Herr Pfarrer“, stammelte der Angesprochene und seine Frau, die scheinbar schneller wie er die Situation einschätzte, wurde blass und lehnte sich gegen die Wand.

Sie schlug beide Hände vor den Mund und sagte nur, ganz leise: „Oh Gott, oh Gott.“

Der Pfarrer, der bisher nur stumm neben Mike gestanden hatte, trat jetzt neben die Frau und legte fürsorglich seinen Arm um sie.

„Kommen sie, Frau Kirschner“, sagte er und führte sie ins Wohnzimmer, wo er sie auf das helle Couch setzte und gleich neben ihr Platz nahm.

Ihr Ehemann, der ohne jegliche Regung das eben geschehene beobachtet hatte, ging jetzt auch ins Wohnzimmer und ließ sich in einen Sessel fallen.

Mike und seine Kollegin setzten sich ohne Aufforderung ebenfalls in die anderen Sessel.

Karsten Kirschner sah jetzt Mike an.

„Marlen? Ist irgendetwas mit unserer Tochter passiert?“

Seine Frau stieß einen Laut aus, der eher an ein verwundetes Tier erinnerte und krallte sich geradezu am Arm des Pfarrers fest. Noch ehe Mike antworten konnte, kam ihm der Pfarrer zuvor. „Marlen ist tot, es tut mir so leid.“

Marlens Vater achtete nicht auf den Pfarrer, er sah weiterhin Mike an. „Wie?“, fragte er tonlos.

„Marlen ist vom Johanniskirchturm gesprungen.“

Frau Kirschner stieß einen Schrei aus und kippte zur Seite. Marianne Jäger war aufgesprungen und lief zu ihr. „Frau Kirschner?“, rief sie besorgt.

Diese stöhnte leise auf, man sah, wie ihre Lider flackerten. Also keine tiefe Ohnmacht.

Die Kommissarin legte sie, gemeinsam mit Pfarrer Ruffels, auf die Couch und lagerte die Füße mit Hilfe eines der zahlreichen, ziemlich voluminösen, Zierkissen etwas hoch und ging in die Küche, um ein Glas Wasser zu holen. Dieses Treiben, aber auch den Zustand seiner Frau schien Karsten Kirschner völlig auszublenden.

„Gesprungen? Sie ist gesprungen?“, fragte er mit leiser Stimme nach.

„Ja. Hatten sie den Eindruck, dass ihre Tochter Probleme hatte in letzter Zeit? Ist irgend etwas vorgefallen, was sie zu diesem Schritt bewogen haben könnte?“

Sein Gegenüber starrte ihn eine Weile an, dann schüttelte er langsam den Kopf.