Weihnachtsmanntod - Annette Krupka - E-Book

Weihnachtsmanntod E-Book

Annette Krupka

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Beschreibung

Der erste Advent und damit die alljährliche Eröffnung des Plauener Weihnachtsmarktes steht bevor, als ausgerechnet der Weihnachtsmann, in Person von Karlheinz Felber, erkrankt. Schnell muss Ersatz gefunden werden und Friedrich Mollenhauer erklärt sich spontan bereit, für Felber einzuspringen. Aber auch Mollenhauer erscheint nicht wie vereinbart am Besucherbergwerk Ewiges Leben und der Lichtl´umzug muss ohne ihn stattfinden. Erst als die Pyramide auf dem Altmarkt sich beleuchtet in Bewegung setzt, taucht Rentner Mollenhauer auf, tot im Weihnachtsmannkostüm auf der Pyramide. Nicht nur Professor Omar Amri ist unfreiwillig mit seiner Familie als Erster zu Stelle, sondern auch Hauptkommissar Mike Köhler und Kate Schulz.

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Das Buch

Der erste Advent und damit die alljährliche Eröffnung des Plauener Weihnachtsmarktes steht bevor, als ausgerechnet der Weihnachtsmann, in Person von Karlheinz Felber, erkrankt. Schnell muss Ersatz gefunden werden und Friedrich Mollenhauer erklärt sich spontan bereit, für Felber einzuspringen. Aber auch Mollenhauer erscheint nicht wie vereinbart am Besucherbergwerk Ewiges Leben und der Lichtl´umzug muss ohne ihn stattfinden.

Erst als die Pyramide auf dem Altmarkt sich beleuchtet in Bewegung setzt, taucht Rentner Mollenhauer auf, tot im Weihnachtsmannkostüm auf der Pyramide.

Nicht nur Professor Omar Amri ist unfreiwillig mit seiner Familie als Erster zu Stelle, sondern auch Hauptkommissar Mike Köhler und Kate Schulz.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 1

Mike streckte sich und gähnte herzhaft. Er hatte das Gefühl überhaupt nicht geschlafen zu haben, was nicht stimmte.

Seine Uhr neben dem Bett zeigte 9.00 Uhr und er wollte schon aufspringen, als ihm bewusst wurde, das er diese Woche Urlaub hatte.

Die hatte er sich redlich verdient, zumal die letzten Wochen sehr turbulent waren, weil ein Feuerteufel Plauen in Atem gehalten hatte. Glücklicherweise war es ihnen gelungen ihn auf frischer Tat zu ertappen und er war dann auch allumfassend geständig gewesen. Wobei damit wieder einmal ein Klischee bedient wurde, der junge Mann war seit einigen Jahren ein sehr geschätztes Mitglied der freiwilligen Feuerwehr und immer einer, der als erstes am Brandgeschehen war.

Plötzlich zog Mike die Nase kraus. War es die Erinnerung an die Brandruinen, die in ihm diesen Geruch auslösten? Dann stöhnte er leise auf. Nein, Räucherkerzchen, eindeutig. Langsam begab er sich in die sitzende Position und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht.

Als er die Schlafzimmertür öffnete, um ins Bad zu gehen, drang von unten neben dem Räucherkerzenduft leise Weihnachtsmusik an sein Ohr, bei dem eine Stimme mitsummte und er zog die Badtür hinter sich ins Schloss.

Es war der Montag nach Totensonntag und seine Frau vom jährlichen Weihnachtsvirus befallen.

Kate Schulz stand auf der Leiter und versuchte gerade einen Tannenzweig an der Wand zu befestigen, als Mike, halbwegs munter jetzt, in der Bibliothek erschien.

„Hab ich dich geweckt?“, fragte Kate, während sie gefährlich auf den Zehenspitzen balancierte.

Mike griff an die Leiter, die bereits zu schwanken begann. „Nein, hast du nicht und kannst du nicht mich das machen lassen?“

Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu, trat aber mit dem Tannenzweig den Rückweg an.

„Also gut“, sagte sie, unten angekommen und küsste ihn auf den Mund. „Guten Morgen. Ich hatte vergessen, du hast ja Urlaub und mit Sicherheit ist es dein tiefes Bedürfnis, mir beim Schmücken zu helfen, stimmts?“

Mike drehte die Augen nach oben. „Lieber fahnde ich nach einem Serienmörder, aber habe ich eine Wahl?“

Theatralisch seufzend wollte er ihr den Tannenzweig abnehmen, aber sie schüttelte den Kopf. „Ich denke, erst sollten wir frühstücken.“

Sie schob ihn in die Küche, wo der Tisch gedeckt war und lediglich eine schlichte Kerze brannte. Er sah auf die frischen Brötchen im Korb.

„Warst du schon joggen?“, fragte er, weil sie immer auf dem Rückweg für sie und die Nachbarn je eine Brötchentüte mitbrachte.

„Natürlich“, sagte sie und Mike fühlte sich gleich schlecht. Er bewunderte Kates Disziplin dahingehend, er selbst war da eher nachlässig.

Vielleicht sollte er wirklich diese Woche nutzen und ins Fitnessstudio gehen.

Aber erst einmal griff er bei den Brötchen zu, immerhin hatte er Urlaub.

„Hast du für diese Woche etwas geplant, ich meine, außer das gesamte Haus und alles Nebengelass zu schmücken?“, fragte er kauend.

Kate, die gerade ihr Vollkornbrötchen mit Frischkäse bestrich, grinste ihn an. „Am Donnerstag ist der Lichtl´umzug und ich dachte, wir gehen mit unseren Patenkindern und deren Eltern hin?“

Es war Mike unschwer anzusehen, was er von dem Vorschlag hielt, aber er nickte ergeben.

„Machen wir. Ist sowieso ganz großer Bahnhof angesagt.“

Kate sah ihn erstaunt an. „Wieso?“

Er zuckte leicht die Schultern. „Der Ministerpräsident kommt und eröffnet den Weihnachtsmarkt gemeinsam mit dem Oberbürgermeister. Es ist geplant, dass sie den Lichtel´umzug gemeinsam absolvieren. Dann gibt’s paar salbungsvolle Worte, ein kleiner Rundgang auf dem Weihnachtsmarkt mit Gesprächen bei ausgewählten Budenbesitzern und das war`s.“

Kate lächelte. „Kurzum, das übliche Programm. Habt ihr damit was zu tun?“

Mike schüttelte den Kopf. „Nein. Er hat ja seine üblichen Sicherheitsleute und die Polizei sichert eh die Wegstrecke ab, die Stadt und ihr Ordnungsdienst den Weihnachtsmarkt.“

Kate schenkte ihm noch einen Kaffee ein.

„Und dann ist aufräumen angesagt“, wechselte sie wieder zum ursprünglichen Thema. „Denk daran, nächste Woche kommt meine Familie aus Israel und diesmal neben meiner Tante auch meine drei Cousins und ihre Ehefrauen. Auch wenn Omar und Jasmin sich bereit erklärt haben, einen Teil einzuquartieren, sind unsere zwei Gästezimmer ausgebucht. Also.“

Sie öffnete beide Hände.

Mike stieß langsam die Luft aus, sagte aber nichts.

Kate sah ihn aufmerksam an. „Passt es dir nicht, dass meine Familie kommt? Warum hast du nicht eher etwas gesagt?“

Langsam schob er seinen Teller mit dem angebissenen Brötchen von sich und nippte an seinem Kaffee.

„Das ist es nicht“, murmelte er mehr zu sich selbst.

„Also?“, fragte sie nach, nicht willens, locker zu lassen.

„Meine Mutter fährt wieder zu meiner Schwester nach Holland, sie hat nicht einmal gefragt, ob wir Weihnachten zusammen verbringen wollen, dabei hat sie früher…“ Er winkte ab und schwieg.

Kate legte ihr Brötchen ebenfalls auf den Teller zurück und lehnte die Arme auf den Tisch.

„Du weißt aber schon, dass es meine Schuld ist?“, sagte sie und Mike warf ihr einen Blick zu. Er wollte schon den Kopf schütteln, aber unterließ es.

„Deine Mutter mochte mich von Anfang an nicht, ganz gleich, wie sehr ich mich auch bemüht habe. Sie gab mir immer das Gefühl, als sei ich die Frau, die ihr ihren Jungen weggenommen hat, der jetzt keine Zeit mehr für sie hat und so weiter.“

Mike antwortete nichts.

Kate lehnte sich auf dem Stuhl zurück und zog ihren Teller wieder zu sich heran. „Ich habe irgendwann aufgehört, mich um sie zu bemühen. Vielleicht hätte ich hartnäckiger bleiben sollen, ich weiß es nicht.

Aber das ist der Grund, glaub mir.“

Sie kaute langsam weiter, bis Mike sie anlächelte.

„Ich bin einfach ein bisschen neidisch auf deine Familie, das ist kindisch, aber allein deine Tante ist von so einer umwerfenden Herzlichkeit wie sie mir noch nicht begegnet ist.“

Kate erwiderte sein Lächeln. „Ja und denke immer daran, wie viele Jahre ich gar keine Familie mehr hatte.“

Er schloss kurz die Augen. „Ich bin ein Idiot“, sagte er leise und Kate lachte laut auf. „Ach was. Jetzt kommen sie, ich freue mich und wir machen das Beste daraus, okay?“

Mike nickte erleichtert, dass seine Frau so über seine mangelnde Sensibilität, dieses Thema betreffend, hinweg ging.

Schließlich erhob sie sich. „So, und wie war das jetzt mit dem Tannenzweig?“

Er hob die Hände. „Ich opfere mich“, sagte er und folgte ihr in die Bibliothek.

Kapitel 2

„Na, das nicht einmal der Weihnachtsmann dabei war, das ist schon schwach“, moserte Professor Omar Amri, der den Zwillingssportwagen in Richtung Altmarkt schob, vor und hinter sich eine ganze Schar von Kindern unterschiedlicher Altersstufen, begleitet von Eltern, Großeltern oder anderen Verwandten und Bekannten, bewaffnet mit kleineren und größeren Lampions.

„Dafür haben wir das Christkind gesehen, nicht wahr?“, erwiderte seine Frau und strich den Zwillingen Franz und Emma über die bemützten Köpfe.

„Wo ist das Christkind?“, fragte Emma und versuchte sich weit nach vorn zu beugen.

„Bleib sitzen“, ermahnte sie ihr Vater streng, aber die Unterlippe der kleinen Dame begann bereits verdächtig zu zittern.

„Wir sehen es doch gleich noch einmal, ganz fest versprochen“, sagte Kate und drückte Emma sanft, aber bestimmt ins Polster zurück. Die Kleine sah zu ihr auf. „Wahr?“, fragte sie, ihr neuster Ausdruck für alles, was sie irgendwie in Frage stellte.

Kate hob den Daumen. „Wahr.“

Emma kicherte und stupste ihren Bruder an, der nur missmutig knurrte. Franz war müde und für solche Scherze nicht aufgelegt.

Kate legte die Hand ganz zart auf Emmas Ärmchen.

„Aber wir müssen ganz leise sein, sonst fliegt das Christkind weg.“

Die großen, dunklen Augen leuchteten zu ihr auf.

„Ja“, flüsterte sie und kuschelte sich tiefer in das Polster des Wagens.

„Danke“, murmelte Jasmin und Kate zwinkerte ihr zu. „Wozu gibt es denn eine Patentante?“

Inzwischen waren sie am Altmarkt angekommen, der noch etwas im Dunklen lag. Gleich würde die Pyramide und der Weihnachtsbaum beleuchtet werden und damit der Weihnachtsmarkt offiziell eröffnet.

Omar steuerte souverän den Zwillingswagen ganz nach vorn, gefolgt von Jasmin, Kate und Mike.

Es gab zwar ein paar leise Proteste, aber immer, wenn sich Omar mit seiner imposanten Erscheinung nach den Betroffenen umwandte, sagte niemand mehr etwas.

Der Oberbürgermeister, der neben dem Ministerpräsidenten auf der kleinen Bühne stand, sprach ein paar Worte und dann verkündete das Christkind, unter dem lauten Jauchzen von Emma, den Weihnachtsmarkt als eröffnet.

Sogar Franz ließ sich zu einem „Och“, hinreißen, als der Weihnachtsbaum funkelte und sich die Pyramide zu drehen begann.

„Guck mal Mutti, da ist ja der Weihnachtsmann“, rief ein Kind aus der zweiten Reihe und Kate folgte mit ihren Blicken dem ausgestreckten Finger des Jungen.

Auch Mike, der direkt neben Kate stand, sah jetzt von seinem Smartphone auf und folgte dem Blick seiner Frau, die neben ihm plötzlich ihre Körperhaltung veränderte.

„Mist“, sagte sie leise, aber hörbar und sprintete los.

Der große Stromverteilerkasten war direkt vor ihr und ein Securitymitarbeiter stand unmittelbar daneben. „Abschalten, sofort abschalten“, schrie sie den Mann an, der sie völlig verdutzt anstarrte.

„Hauptkommissar Köhler, Kripo Plauen. Schalten sie die Pyramide ab.“

Mike war neben ihr aufgetaucht und hielt dem Mann seinen Dienstausweis unter die Nase.

Dieser stieß die Luft aus, stammelte etwas und fuhr zusammen, als Kate ihn anbrüllte „Ausschalten, verdammt noch mal.“

„Ist ja gut“, brummte er und kam endlich der Aufforderung nach.

Zu spät. Eine Frau schrie völlig hysterisch auf und ein Mann rief, indem er auf den Weihnachtsmann zeigte, der zusammengesunken an einer Holzfigur lehnte: „Du Sau, der is‘ tot.“

„Manchmal frage ich mich, warum das immer uns treffen muss“, murmelte Jasmin, der Omar schweigend den Kinderwagen in die Hand gedrückt hatte und auf die Pyramide zu rannte.

Kapitel 3

Omar schwang sich auf den Sockel der Pyramide, der bedenklich knarrte unter dem Gewicht des Rechtsmediziners. Er nahm langsam die Weihnachtsmannmaske ab und sah in offene Augen, deren Hornhaut getrübt und trocken war. Dann stieg er mit Mikes Hilfe langsam wieder herunter.

„Ruf die Spurensicherung. Er wird wohl kaum da hochgeklettert sein, um dann eines natürlichen Todes zu sterben.“

Mike sah ihn an. „Mord?“

Der Pathologe zuckte die massigen Schultern. „Mord, Totschlag, was weiß ich, aber mein Instinkt sagt mir, es war ein Gewaltverbrechen. Wenn ich ihn auf meinem Tisch habe, sage ich dir Näheres.“

Eine Frau mittleren Alters kam zu ihnen heran. Sie trug einen dicken Wintermantel und eine Mütze, deren bunte Bommel irgendwie deplatziert an diesem Ort wirkte. Mike, der inzwischen den anwesenden Securitydienst kurzerhand mit der Absperrung des Tatortes beauftragt hatte, sah, wie sie eben jene durchbrechen wollte und hektisch auf ihn zeigte.

„Was ist denn?“, fragte er unwillig und ging zu der provisorischen Absperrung. Erleichtert sah er die Spiegelung von Blaulichtern von der Marktstraße herankommend. „Sind sie hier der leitende Ermittler?“, fragte ihn die Frau.

Das er noch Urlaub hatte, war jetzt uninteressant. „Ja, Hauptkommissar Köhler.“

Sie streckte ihm eine behandschuhte Hand entgegen, zog sie dann aber wieder zurück. „Karina Mädler, ich bin die Pressesprecherin. Wie wollen wir jetzt weiter verfahren? Der Herr Ministerpräsident und auch der Herr Oberbürgermeister möchten informiert werden, immerhin steht der obligatorische Gang über den eben eröffneten Weihnachtsmarkt noch aus. Der Herr Ministerpräsident möchte mit einigen Standbesitzern sprechen. Könnte das hier nicht im Sinne…“

Sie wich unwillkürlich zurück, als Omar neben Mike trat und sie grimmig ansah.

„Da oben ist ein toter Mensch. Er verdient unseren Respekt, indem wir schnell aufklären, was mit ihm geschehen ist. Die Befindlichkeit des Herrn Ministerpräsidenten oder des Herrn Oberbürgermeisters, ist mir, gelinde gesagt, scheißegal. Das können sie ihnen gern ausrichten.“

Mike musste sich unwillkürlich ein Lächeln verkneifen und sah aus dem Augenwinkel, wie die Spurensicherung unter der Leitung von Karsten Windisch ihr gesamtes Equipment im Schatten des alten Rathauses auslud. Dann wandte er sich wieder der sichtlich empört nach Luft schnappenden Pressesprecherin zu.

„Das ist eine Unverschämtheit. Wer sind sie überhaupt?“

„Das ist Professor Doktor Omar Amri, unser Rechtsmediziner und ich habe seinen Worten nichts hinzuzufügen“, griff hier Mike ein, der eine Eskalation der Auseinandersetzung fürchtete, wenn er Omars Miene sah.

„Der Herr Professor hat recht, dieser tote Mensch verdient unseren Respekt“, sagte eine Stimme hinter der Frau und sowohl sie als auch Mike und Omar fuhren herum und sahen den Ministerpräsidenten, der, umringt von seinen Sicherheitsbeamten, hinter ihnen stand.

Er streckte Omar die Hand entgegen, die dieser, ohne zu zögern, ergriff. Dann verfuhr er ebenso mit Mike. „Herr Hauptkommissar, was kann ich, was können wir tun, um ihre Arbeit zu unterstützen?“, fragte er schlicht und sah seinem Gegenüber in die Augen.

Mike ließ seinen Blick kurz schweifen.

„Es wäre gut, wenn sie ein paar Worte sagen könnten und begründen, warum der Weihnachtsmarkt unter diesen Bedingungen heute nicht eröffnet werden kann. Wer etwas gesehen hat, sollte sich schnell mit uns in Verbindung setzten. Ich habe bemerkt, dass viele fotografiert und gefilmt haben, vielleicht sogar schon bevor der Umzug hier eingetroffen ist.“

Der Ministerpräsident nickte und deutete seinen Begleitern, dass sie zu der kleinen Bühne zurückkehren sollten. Er kletterte behände hinauf, sagte ein paar Worte zu dem Oberbürgermeister, der im Gespräch mit mehreren Mitarbeitern war und trat schließlich an das Mikrophon.

„Liebe Bürgerinnen und Bürger von Plauen. Sie, wir, haben uns heute hier eingefunden, um einen schönen und stimmungsvollen Abend zu begehen, die gemeinsame Eröffnung des traditionellen Plauener Weihnachtsmarktes. Nun ist ein Mensch hier zu Tode gekommen, die Umstände dazu sind noch unklar, aber die Kriminalpolizei hat bereits die Ermittlungen aufgenommen, wie sie alle unschwer sehen können.

Sie werden verstehen, dass unter diesen traurigen Umständen es nicht möglich ist, einfach so fortzufahren, als wäre nichts geschehen. Daher werden wir, dies erfolgt natürlich auch in Abstimmung mit ihrem Oberbürgermeister, die heutige Eröffnung des Weihnachtsmarktes ausfallen lassen.“

Ein Raunen ging durch die Menschenmenge. Der Ministerpräsident hob eine Hand.

„Die Kriminalpolizei wird, gemeinsam mit der Stadtverwaltung, zeitnah entscheiden, wann der Weihnachtsmarkt seinen Betrieb aufnehmen wird. Bis dahin bitte ich um ihr Verständnis und ihre Kooperation. Bitte, gehen sie jetzt nach Hause und lassen sie die Polizei ihre Arbeit tun, ohne diese zu behindern. Wenn jemand von ihnen Hinweise hat, Foto- und Filmmaterial des heutigen Abends, bitte, stellen sie diese der Polizei zur Verfügung. Ich danke ihnen.“

Er trat vom Mikrophon zurück und reichte dem Oberbürgermeister die Hand. Dann verließ er die Bühne.

„Naja, ich bin ja nicht mit allem einverstanden, was er so macht, aber das heute, Chapeau“, sagte Omar leise zu Mike und sah Karsten Windisch, der gerade die Pyramide enterte.

„Ich habe Jasmin und die Kinder mit einem Polizeiauto heimbringen lassen“, sagte Mike zu Omar, dessen suchenden Blick er bemerkt hatte.

Der lächelte breit. „Oh, das wird Franz besonders beeindruckt haben“, meinte er und Mike schüttelte den Kopf. „Nö, er hat wie immer ein Nickerchen gemacht, während deine Tochter lauthals den Einsatz TÜTATA forderte. Der Kollege hat ihr den Gefallen getan.“

Omar nickte. „Ja, ja, soviel zum klassischen Rollenmuster.“ Dann deutete er auf die Spurensicherung.

„Wenn sie fertig sind, kann er gleich rüber zu mir ins Institut. Habt ihr schon einen Namen?“

Mike nickte. „Ja, Friedrich Mollenhauer, 71 Jahre, Rentner, wohnt faktisch um die Ecke, in der Nobelstraße.“

Dann sah er, wie Kate einen der Securityleute in seine Richtung wies und ging ihm einen Schritt entgegen. Inzwischen hatten sich die Besucher verstreut, viele, besonders die mit Kindern, hatten den Altmarkt und damit den Weihnachtsmarkt verlassen, aber es gab noch genügend Menschen, die hinter der Absperrung standen und versuchten, nicht nur Blicke auf den Tatort zu erhaschen, sondern auch ihre Smartphones hochhielten.

Auf dem Weg zu dem Securitymitarbeiter hielt Mike einen der uniformierten Polizisten an.

„Seht zu das die Leute verschwinden und sperrt komplett den Weihnachtsmarkt ab, bis hoch zur Marktstraße und von mir aus die halbe Straßbergerstraße dazu. Ich will keine Fotos oder Filmchen in den Netzwerken sehen, wenn wir den Toten bergen.“

Der Uniformierte nickte, während sich Mike dem jungen Mann zuwandte, den Kate zu ihm geschickt hatte.

„Frau Schulz sagte, ich soll ihnen gleich erzählen, was vorhin Komisches passiert ist.“

Mike nickte und winkte ihn in Richtung Bühne, die jetzt verwaist war, aber sie konnten sich an den Rand setzen.

„Es war kurz vor 17.00 Uhr, also, wo der Lichtel´umzug sich ja langsam in Bewegung hier her setzen sollte, da kam der Weihnachtsmann aus dem Bänkegässchen direkt auf uns zu und sagte, er habe sich verspätet und jetzt sei es höchste Eisenbahn für ihn.“

„Moment“, unterbrach ihn Mike. „Sie wollen mir sagen, dieser Mann.“ Er deutete auf die Pyramide, wo sich Karsten und seine Leute bemühten, den Toten langsam nach unten zu bewegen. „Das er kurz vor 17.00 Uhr mit ihnen gesprochen hat?“

Der junge Mann zuckte die Schultern. „Ich war mir sicher, dass er es war, die Größe stimmte. Es war ein Weihnachtsmann und da er sich auszukennen schien, ging ich davon aus, es ist Mollenhauer, die Vertretung von Karlheinz.“

Mike hob beide Hände. „Was? Jetzt bitte langsam. Vertretung?“

Der Securitymitarbeiter nickte. „Ja, ursprünglich war ja Karlheinz, Karlheinz Felber für die Rolle vorgesehen gewesen, aber der liegt mit einer heftigen

Magen-Darm-Grippe im Bett und da wurde dieser Mollenhauer engagiert. Kriegen sie mal kurzfristig einen Weihnachtsmann“, ergänzte er noch und deutete in Richtung Bänkegässchen. „Und weil der ja in der Nobelstraße wohnt, ähm, ich meine, wohnte, war es mir klar, dass er den Weg nehmen würde. Ich hatte also keinen Grund, misstrauisch zu sein.“

Mike versuchte erst einmal, das Gehörte für sich zu ordnen. „Warum waren sie sich trotz der Maskerade sicher, dass es Mollenhauer war?“

Der junge Mann grinste etwas. „Weil er eine Fahne hatte und das nicht zu knapp. Jeder weiß, dass der gern einen kippt.“ Er deutete eine trinkende Bewegung an. „Ich dachte mir noch, so ein Mist, der kann sich nicht mal zusammenreißen, wenn der Ministerpräsident da ist. Aber außer der Fahne machte er einen recht fitten Eindruck, körperlich zumindest.“

Als er Mikes fragenden Blick sah, atmete er tief ein.

„Naja, so richtig war er scheinbar noch nicht an Deck.

Er drehte sich paar Mal um die eigene Achse, als wisse er nicht so recht, wo lang, da habe ich ihn bis zur Alten Apotheke begleitet und noch gesagt, er solle nicht durch die Stadtgalerie gehen, da würde er nur aufgehalten werden. Meine Kollegen haben sich noch darüber amüsiert, wie ich für den Weihnachtsmann das Kindermädchen spiele.“

Mike nickte. „Gut, Herr…“ Der junge Mann lächelte.

„Entschuldigung, Flach, Robert Flach. Aber ihre Frau kennt mich ja.“

Erstaunt, wie gut Kate inzwischen vernetzt war, nickte Mike. „Kommen sie und ihre Kollegen, die hier vor Ort waren, bitte morgen früh ins Präsidium.

Ist das machbar?“

Der junge Mann nickte. Mike verabschiedete sich und ging zu Omar, der gerade dabei war, das Bestattungsunternehmen einzuweisen.

„Es kann sein, dass es hier den Falschen erwischt hat“, sagte er zu dem Pathologen, der ihn daraufhin erstaunt ansah.

Mike nickte. „Ursprünglich war ein andere Weihnachtsmann geplant, Friedrich Mollenhauer war nur der Ersatzmann.“

Kapitel 4

„Das war es dann mit ruhigem Urlaub“, murmelte Mike, während er an der Seite von Mary Struwe das Bänkegässchen in Richtung Nobelstraße hinaufeilte.

„Du hättest doch deinen Urlaub machen können“, erwiderte sie zögerlich, scheinbar selbst nicht an die

Worte glaubend, die sie sagte.