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Annette Krupka

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Beschreibung

Kate Schulz kehrt von ihrem Verwandtenbesuch aus Israel zurück. Inzwischen wurden in Plauen junge Frauen von einem geheimnisvollen Mann in den späten Abendstunden überfallen und fast bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Die Vorgehensweise erinnert an einen Täter aus DDR-Zeiten, der als Würger von Plauen in die Kriminalannalen einging. Aber dieser kann die Taten nicht begangen haben, darüber sind sich die Ermittler einig. Ist es ein Nachahmungstäter? Nachdem eine der jungen Frauen, eine Mitarbeiterin bei Schulz Security, infolge eines Angriffs stirbt, werden die Ermittlungen intensiviert. Und nun beginnen auch Jasmin Weidner-Amri und Kate Schulz auf eigene Faust zu ermitteln.

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Das Buch

Kate Schulz kehrt von ihrem Verwandtenbesuch aus Israel zurück.

Inzwischen wurden in Plauen junge Frauen von einem geheimnisvollen Mann in den späten Abendstunden überfallen und fast bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.

Die Vorgehensweise erinnert an einen Täter aus

DDR- Zeiten, der als Würger von Plauen in die Kriminalannalen einging. Aber dieser kann die Taten nicht begangen haben, darüber sind sich die Ermittler einig. Ist es ein Nachahmungstäter?

Nachdem eine der jungen Frauen, eine Mitarbeiterin bei Schulz Security, infolge eines Angriffs stirbt, werden die Ermittlungen intensiviert. Und nun beginnen auch Jasmin Weidner-Amri und Kate Schulz auf eigene Faust zu ermitteln.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 1

Sie schloss das Büro ab, nicht ohne vorher noch einmal kontrolliert zu haben, dass alle Lichter aus und die Alarmanlage auf scharf gestellt war.

Sie sah auf ihre Smartwatch und lächelte.

Schon nach 20.00 Uhr. Ihre Chefin würde morgen schimpfen, dass sie wieder so lange gearbeitet hatte.

Naja, schimpfen war wohl zu viel gesagt. Ihre Chefin machte sich wohl eher Sorgen um ihr Wohlergeben, Work-Life-Balance, wie sie es zu titeln pflegte.

Aber sie hatte noch einiges von ihrer Vorgängerin aufzuarbeiten und diese langen Winterabende waren dazu wie gemacht, etwas länger zu arbeiten.

An einem warmen Sommerabend wäre es ihr ungleich schwerer gefallen.

Jetzt beeilte sie sich, um die Straßenbahn zu bekommen und wie bestellt, fuhr diese auch gerade in die Haltestelle ein.

Es wäre dumm mit dem Auto zu fahren. Zwar hatte ihre Chefin in der Nähe Parkplätze angemietet, aber gerade in der morgendlichen Rush Hour war die Fahrt mit der Straßenbahn eindeutig entspannender.

Andererseits war es abends jetzt schon sehr zeitig dunkel und sie hatte noch einige Meter von der Straßenbahnendhaltestelle zu ihrer Wohnung zu laufen. Aber um diese Zeit waren meist noch Menschen unterwegs und sie war auch kein ängstlicher Typ.

An der Endhaltestelle Preiselpöhl stieg sie aus und ging quer durch den kleinen Park in Richtung Schumannstraße.

Kurz nachdem sie das alte Pissoir rechts hinter sich gelassen hatte, hörte sie ein Knacken hinter sich. Sie schaute sich nur kurz um.

Sicher eine Katze auf der Suche nach einem warmen Quartier. Von weitem hörte sie das Lachen einer jungen Frau.

Sie kuschelte sich instinktiv fester in ihren Wollschal.

Es war immer noch ganz schön kalt. Wer hatte denn da irgendetwas von wärmeren, ja, fast frühlingshaften Temperaturen erzählt?

Sie schüttelte den Kopf.

Naja, sei es wie es sei, jetzt wartete ihre gemütliche, kleine, aber vor allen Dingen warme Wohnung auf sie. Da sie es nicht mochte, in eine dunkle, verlassene Wohnung zu kommen, hatte sie sich nach der Trennung von ihrem Freund damals nicht nur eine Katze zugelegt, sondern auch ihre gesamte Wohnung auf Smart Home umgestellt. Auch wenn sie jetzt eine neue Beziehung hatte, die Gewohnheit war geblieben, zumal sie zu einem Zusammenleben einfach noch nicht bereit war.

Bereits von hier aus sah sie die kleine Lampe in ihrem Wohnzimmerfenster und wusste, dass die dunkle Silhouette daneben Mascha, ihre Katzendame, war, die nach ihr Ausschau hielt.

Lächelnd beschleunigte sie ihren Schritt als sie plötzlich von den Füßen gezerrt wurde.

Der Angriff kam so schnell und so unerwartet, dass sie sich in diesem Moment nicht wehrte.

Sie wurde ins nahe Gebüsch gezerrt und auf den Rücken geworfen. Schmerzhaft spürte sie den Aufprall auf Steine und Zweige, der auch nicht von ihrer wattierten Jacke gemildert wurden.

Zwei große Hände legten sich um ihren Hals und begannen sie zu würgen. Sie hob instinktiv die Hände und versuchte, die Klauen um ihren Hals abzuwehren, aber sie fasste nur an dickes Leder oder Kunststoff.

„Handschuhe“, dachte sie.

In diesem Moment begann sich schon ihr Blick zu trüben, die Luft wurde knapp, sie röchelte, wollte schreien, konnte aber nicht.

Sie fühlte nur, wie ihre Sinne schwanden und sie in einen Abgrund fiel.

Kapitel 2

Schwester Katrin hatte gerade eine neue Kanne Kaffee angesetzt, die dritte in dieser Nacht, nachdem es heute in der Notaufnahme wieder zuging wie „auf dem Leipziger Hauptbahnhof“, wie sie zu sagen pflegte.

An eine richtige Pause war nicht zu denken, aber alle wussten, wo der Kaffee stand und dafür blieb zumindest ein Augenblick, um den Muntermacher, wenn schon nicht zu genießen, aber in der Hoffnung auf seine Wirkung, in sich hineinzuschütten.

Dann ging sie nach vorn, wo gerade eine junge Frau hereingeführt wurde.

Diese keuchte und schien kurz vor einer Hyperventilation. Ihre Hose wies Spuren von Schlamm auf und die helle Jacke mit grauem Kunstpelzbesatz war an einigen Stellen zerrissen und mit Schlammspritzern übersät. Aber sonstige Verletzungen oder Blut waren, zumindest auf den ersten Blick, nicht erkennbar. Ein junger Pfleger dirigierte sie zu einem Stuhl. Katrin ging auf die beiden zu.

„Was?“, fragte sie den Pfleger, Nils Kern, kurz.

Dieser deutete ihr mit einem Nicken an, zur Seite zu gehen.

„Sie kam gerade vorn an. Sie sagt, jemand habe sie überfallen und gewürgt. Sie war fast bewusstlos, als er von ihr abließ und ihre Tasche mitnahm. Sie hat keine Papiere, also auch keine Chipkarte.“

Katrin nickte und ging zu der jungen Frau.

Deren dunkelblondes, langes Haar war zerzaust und hing ihr ins Gesicht.

„Guten Abend, ich bin Schwester Katrin“, stellte sie sich vor und die junge Frau hob langsam den Kopf.

Jetzt sah Katrin an deren Hals rote Flecke, die auf einen gewissen Druck schließen ließen.

„Wer war das?“, fragte sie und deutete darauf.

Die junge Frau schluchzte auf.

„Ich habe ihn nicht gesehen, er kam aus dem Gebüsch, hier unten am Alberthain. Er hat kein Wort gesagt, hat nur seine Hände um meinen Hals gelegt und gewürgt. Ich wollte mich wehren, habe seine Hände gegriffen, aber er trug Gummihandschuhe, ganz dicke, ich konnte sie auch nicht zerreißen. Aber dann habe ich auch schon das Bewusstsein verloren, also nicht ganz, aber ich bin in den Dreck gefallen oder er hat mich gestoßen, ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls war er weg. Nach einer Weile bin ich aufgestanden und hier hochgelaufen. Was sollte ich denn tun?“

Sie schluchzte wieder, als der diensthabende Internist um die Ecke bog.

Pfleger Nils wies ihn kurz in die Lage ein. Dann trat dieser zu der jungen Frau.

„Möchten sie, dass wir die Polizei informieren?“, fragte er, während er sie untersuchte.

„Ja, bitte“, sagte sie leise. Der Arzt nickte Katrin zu, die sich mit Nils entfernte.

Während sie das Telefon aus der Kitteltasche zog, sah sie den jungen Pfleger an.

„Vor einer Woche war auch eine junge Frau da, die hat aber auf eine Anzeige verzichtet. Sie sagte, es könne ihr Exfreund gewesen sein und sie wolle keinen Ärger, er würde sie laufend stalken.“

Nachdem sie die Polizei informiert und aufgelegt hatte, meinte sie: „Weißt du, an was mich das erinnert? Im August 1982 wurde Reni nach dem Spätdienst im Alberthain gewürgt. Wir haben zusammen gelernt, darum macht mich das heute noch so betroffen und ich weiß es so genau, als sei es gestern gewesen. Der Täter war der Würger von Plauen.“

Nils zog die Augenbrauen hoch.

„Der Würger von Plauen? Na, das klingt ja echt abgefahren.“

Katrin nickte. „Ja, das war es auch. Du bist zu jung als dass du dich daran erinnern kannst, aber er hat damals etliche junge Frauen bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und die Polizei an der Nase herumgeführt.“

„Und, haben sie ihn bekommen?“

Katrin nickte. „Ja und rechtskräftig verurteilt.“

Nils dachte nach.

„1982? Da müsste er doch längst wieder auf freiem Fuß sein, oder? Und du denkst jetzt, er ist wieder aktiv?“ Er zog dabei die Stirn in Falten. Es war ihm anzusehen, dass er dieser Theorie nichts abgewinnen konnte. „Wer weiß, was für ein Perverser das war“, sagte er und ging wieder an seine Arbeit.

Kathrin runzelte leicht die Stirn. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.

Als eine Stunde später zwei uniformierte Polizisten die Notaufnahme betraten, winkte der ältere der beiden ihr lächelnd zu. Polizeiobermeister Rudi Müller war ein alter Hase und stand nun kurz vor seiner Pensionierung. Unzählige Male waren er und Katrin sich hier begegnet und er wusste, dass sie immer eine Tasse Kaffee für ihn hatte, um die endlosen Nachtschichten zu kompensieren. Nachdem er sich, gemeinsam mit seinem jüngeren Kollegen, erst mit der jungen Frau und dann mit dem Arzt unterhalten hatten, kam er noch einmal zu Katrin.

„Na, anstrengende Nacht?“, fragte er teilnehmend und nahm mit einem breiten Grinsen den Kaffeepott entgegen, den sie ihm hinhielt.

Sie nickte. Dann sah sie in Richtung der jungen Frau, die noch immer mit Obermeister Müllers Kollegen sprach. „Wir nehmen dann ihre Anzeige auf.“

Katrin winkte ihn ein wenig zur Seite. In der kleinen Nische konnten sie ungestört reden.

„Ich weiß, dass ich ihnen das eigentlich nicht erzählen darf. Aber vor einer Woche war auch eine junge Frau hier. Sie wurde ebenfalls gewürgt, gleicher Tathergang.“

Der Polizist hatte gerade seinen Kaffeepott an die Lippen gesetzt und ließ ihn bei Katrins Worten wieder sinken.

„Sie hat keine Anzeige erstattet?“, fragte er und Katrin schüttelte den Kopf.

„Sie sagte, es könne ihr sie stalkender Exfreund gewesen sein und sie wolle keinen Ärger. Scheinbar ist er ein eher unangenehmer Zeitgenosse.“

Obermeister Müller sah Katrin eine Weile schweigend an, dann nickte er langsam.

„Ich denke fast, wir haben den gleichen Gedanken.“

Mit einem Seufzer nickte sie und sagte leise: „Der Würger von Plauen ist wieder aktiv.“

Kapitel 3

Mike stand im Ankunftsbereich des Frankfurter Flughafens und sah zur Anzeigentafel. Der Flug von Tel Aviv hatte sich bereits um eine Stunde verzögert und er merkte, dass die anderen Wartenden um ihn herum unruhig wurden. Gab es Schwierigkeiten, von denen die Bodencrew nicht sagte?

Er sah, wie immer wieder einige der Wartenden zu den Schaltern gingen, aber scheinbar keine sie befriedigende Antwort erhielten.

„Man hört ja immer wieder von Terroranschlägen, mein Gott, es wird doch nicht so etwas passiert sein?“

Mike sah zu der Frau mittleren Alters hinüber, die diese Worte, scheinbar in ihrem Empfinden leise, ihrem Begleiter zugeraunt hatte.

Dieser sah Mikes Blick und zuckte entschuldigend die Schultern.

„Lass doch mal diese Verschwörungstheorien. Der Flug hat einfach Verspätung, basta“, sagte er laut und lächelte Mike zu. Scheinbar war es ihm peinlich, dass dieser Zeuge der Aussage seiner Frau geworden war, die ihrerseits etwas beleidigt die Lippen nach oben zog und sich auf eine der Bänke setzte.

Mike sah zum gefühlt zehnten Mal in der letzten Viertelstunde auf seine Uhr und zur Anzeigentafel. Auch ihn beschlich plötzlich ein mulmiges Gefühl.

Verdammt, diese unmögliche Person hatte in seinen Kopf einen Gedanken eingepflanzt, der jetzt eine Art Eigendynamik entwickelte. Im nächsten Moment schalt er selbst sich einen Idioten. Kates Eltern waren am 11.September 2001 in einem der Flugzeuge gesessen, die in das World Trade Center gesteuert worden waren und damit einen Terroranschlag apokalyptischen Ausmaßes in Gang gesetzt hatten. Wie wahrscheinlich war es, dass ihre einzige Tochter ebenfalls bei einem Absturz ums Leben kam?

Er schüttelte den Kopf und sah hinüber zu der Frau, die ihm die Wurzel allen Übels für seine kruden Gedanken schien und die sich jetzt bereits wieder angeregt mit ihrem Mann unterhielt.

Warum hatte Kate auch unbedingt mit El Al, der israelischen Fluglinie, fliegen müssen?

Swiss Air oder KLM, ja, sogar die Lufthansa, wären doch auch eine Möglichkeit gewesen.

Nein, ihre Tante Sarah war mit ihr Anfang Januar mit El Al nach Tel Aviv geflogen und jetzt, über einen Monat später, kam Kate mit der gleichen Fluglinie wieder zurück.

Wenn überhaupt, dachte er und sah wieder auf die Anzeigetafel, als sein Herz einen Satz machte. Die Landung der Maschine wurde angezeigt.

Fast eine Stunde später öffneten sich die Schiebetüren und als eine der Ersten kam Kate mit zwei Koffern und einer prall gefüllten Tasche über der Schulter, heraus. Mike fiel auf, wie braungebrannt sie war und ihr sonst dunkelblondes Haar war um einige Nuancen heller.

Sie entdeckte ihn sofort und ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Zugegeben etwas rüde drängte sich Mike durch die Wartenden und schloss Kate fest in die Arme.

„Gott sei Dank bist du wieder da“, sagte er spontan, um sich im nächsten Moment fast etwas albern vorzukommen, schließlich waren sie ja keine Teenager mehr.

Aber Kate schien das nicht so zu sehen. Sie verstärkte den Druck ihrer Arme und küsste ihn fest auf den Mund.

„Schön, dass du mich vermisst hast“, sagte sie und reichte ihm ihre Tasche.

„Ich dich übrigens auch“, setzte sie nach und schob ihre zwei Koffer durch die Menschenmenge.

Mit einem zufriedenen Grinsen folgte ihr Mike.

Kate hatte sich tief in eine Decke gekuschelt und saß, die Füße angezogen, auf ihrer Couch.

Mike hatte Kaffee gekocht und sie trank genussvoll bereits die zweite Tasse.

„Also, der Kaffee in Israel war besser als erwartet, aber mit Daniels konnte er nicht mithalten“, sagte sie und schloss genießerisch die Augen.

Dann öffnete sie sie wieder und sah sich um.

„Danke das du alles aufgeräumt hast, ich hoffe, es ist nicht alles im Müll gelandet?“, sagte sie mit einem Lächeln, als Mike die Augenbrauen nach oben zog.

„Alles ordentlich verpackt auf dem Oberboden. Den Weihnachtsbaum habe ich zersägt und zu Kaminholz verarbeitet.“

Kate streckte einen Daumen nach oben.

„Ich wusste gar nicht, dass du so ein perfekter Hausmann bist“, sagte sie.

Mike zuckte die Schultern.

„Einer von uns beiden muss es ja wohl sein.“

Er grinste und wich dem Kissen aus, das Kate nach ihm warf. Dann legte er noch ein paar Holzscheite in den Kamin, als er sah, dass sich Kate noch tiefer in die Decke hineingrub.

„Es war wirklich keine gute Idee gewesen im Januar nach Israel zu fliegen, dort war es herrlich warm und jetzt hier, brr“, sagte sie und deutete auf die Terrassentür, vor der gerade ein heftiger Schneeregenschauer nieder ging.

„Ab nächste Woche soll es wärmer werden, laut Wetterbericht sogar fast schon frühlingshaft.“

Mike klopfte die Hände ab und setzte sich wieder.

„Was gibt es Neues?“, fragte Kate und er zuckte die Schultern.

„Zurzeit ist es verhältnismäßig ruhig. Eine junge Frau ist im Alberthain angegriffen und gewürgt worden. Glücklicherweise kam sie mit dem Schrecken und ein paar Würgemalen davon. Sie konnte sich selbst in der Notaufnahme vorstellen und hat auch Anzeige erstattet. Vom Täter fehlt noch jede Spur, zumal es keine genaue Beschreibung gibt. Männlich, groß, Handschuhe. Er hat ihre Handtasche geraubt, allerdings mit wenig Bargeld. Die EC-Karte hat sie umgehend sperren lassen und das Smartphone hatte sie in der Innentasche ihrer Jacke.“

Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und lehnte sich zurück.

„Obermeister Müller, der die Anzeige aufgenommen hat, sagte mir, dass die Schwester in der Notaufnahme ihm erzählt hätte, bereits eine Woche vorher sei auch eine junge Frau in der Notaufnahme gewesen mit gleichem Tathergang. Die vermutete allerdings ihren stalkenden Exfreund hinter der Attacke und wollte keine Anzeige erstatten. Diese Schwester hätte es Müller gar nicht erzählen dürfen, aber sie kennen sich schon ziemlich lange. Jedenfalls brachte sie ihn auf die Idee, es könne wieder der Würger von Plauen sein.“

Kate sah ihn verwundert an.

„Der Würger von Plauen? Da klingelt noch was bei mir.“

Mike nickte. „Ab 1982 wurden Frauen in Plauen überfallen und gewürgt, teilweise bis zur Bewusstlosigkeit. Eben auch im Alberthain.“

Kate nickte und setzte sich gerade hin.

„Jetzt weiß ich es wieder. War das nicht sogar einer von eurer Truppe?“

Mike nickte etwas widerstrebend.

„Naja, das war ja noch vor meiner Zeit, aber Marianne Jäger kann sich noch an ihn erinnern. Muss ein smarter Kerl gewesen sein, ausgesprochen nett und zuvorkommend. Die Kollegen wären wohl in aller Ewigkeit nicht auf ihn gekommen.“

Er machte eine Geste und fuhr dann fort. „Jedenfalls hat es fünf Jahre gedauert, um ihn endlich dingfest zu machen.“

Kate hatte ihre Füße wieder auf den Boden gestellt und starrte in das Kaminfeuer.

„Und dieser Obermeister Müller denkt, er ist wieder aktiv?“

Mike hob beide Hände.

„Kann gar nicht sein. Zwar hat er seine Strafe schon lange verbüßt und ist wieder auf freiem Fuß, aber, nehmen wir an, diese Theorie würde stimmen, der jetzige Täter wurde als junger Mann beschrieben und der ehemalige Würger ist heute schon weit über sechzig Jahre alt und lebt in Brandenburg.“

Kate sah ihn an. „Aber du hast es gecheckt?“

Etwas widerstrebend nickte er.

„Ich hatte Frieder Lein gebeten, es zu überprüfen.“

Kate legte die Decke zur Seite und stand auf.

„Also ist es entweder ein Trittbrettfahrer oder diese beiden Fälle sind wirklich Zufall hinsichtlich Zeitpunkt und Tathergang.“

Kate stellte sich vor den Kamin und hielt ihre Hände in die Nähe der Flammen.

Mike war neben sie getreten.

„Ich vermute Letzteres. Aber jetzt einmal was anderes, wie war es denn nun, so ganz in Familia?“

Kate holte tief Luft. Bisher hatte sie relativ wenig erzählt. Auf der langen Autofahrt nach Plauen lediglich vom Land Israel, dem Wetter, den Ausflügen ans Tote Meer, aber wenig bis gar nichts über ihre, nun ja, neue Familie.

Als Einzelkind war sie mehr oder weniger nur mit ihren Eltern und der Frau, die sie für ihre Großmutter gehalten hatte, aufgewachsen. Bis zum vergangenen Jahr hatte sie nicht gewusst, dass ihre Mutter eine Zwillingsschwester hatte, von der jene nichts wusste.

Rebecca war in Auschwitz von ihrer Mutter und ihrer Schwester getrennt worden, eine Tatsache, die ihnen, angesichts der Versuche, die Josef Mengele an eineiigen Zwillingen durchführte, höchstwahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Aus Rebecca Weizman war Maria Voigt geworden, die Tochter eines angesehenen Plauener Ärzteehepaares.

Es war Professor Omar Amri zu verdanken, Rechtsmediziner und Pathologe, der nicht nur Kate offenbart hatte, dass die Frau, die sie 45 Jahre ihres Lebens für ihre Großmutter gehalten hatte, nie ein Kind geboren hatte, sondern schließlich auch gemeinsam mit Kate und seinen guten Verbindungen die Hintergründe der doch recht spektakulären Adoption aufgeklärt.

Er war es auch gewesen, der ein erstes Zusammentreffen mit ihrer Tante Sarah, der Zwillingsschwester ihrer Mutter, herbeigeführt hatte.

Nun hatte Kate also plötzlich eine relativ große Familie, denn ihre Tante hatte drei Söhne, Schwiegertöchter, sowie acht Enkel, von denen bereits wieder drei verheiratet waren und sie bereits zur zweifachen Urgroßmutter gemacht hatten.

Kate war von der Herzlichkeit und vorbehaltlosen Integrierung ihrer Person in diese Familie so überwältigt gewesen, dass sie immer glaubte, ein Sandsturm der Gefühle ergieße sich tagtäglich über sie.

Mit so viel Nähe hatte sie anfangs Probleme gehabt und wenn sie ehrlich war, immer noch.

Auf der einen Seite war sie froh, wieder zu Hause zu sein, in ihrem vertrauten sozialen Umfeld, auf der anderen Seite fehlte ihr seltsamerweise ihre Familie schon jetzt.

Daher war sie dankbar, dass Mike sie abgeholt hatte und den ganzen Abend bei ihr blieb.

Sie ergriff seine Hand und drückte sie etwas.

„Ich bin froh, dass ich wieder da bin“, sagte sie und er legte seinen Arm um ihre Schulter.

„Sicher bist du müde. Gehen wir schlafen?“

Sie nickte. „Gern.“

Kapitel 4

Mike war gerade eingeschlafen, als sein Diensthandy klingelte. Wie immer in solchen Situationen war er schlagartig wach, ergriff es und lief aus dem Zimmer, um Kate nicht zu wecken.

Aber das war sinnlos, wie er inzwischen wissen müsste. Als ehemalige FBI Agentin hatte sie genau wie er einen leichten Schlaf und war sofort im Bereitschaftsmodus.

„Köhler“, meldete er sich vor der Tür und der Kollege des Dauerdienstes meldete sich ebenfalls mit Namen.