Lebensborn - Annette Krupka - E-Book

Lebensborn E-Book

Annette Krupka

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Beschreibung

Warum wurde ihre Großmutter ermordet? Katherina "Kate" Schulz, Special Agent beim FBI in Atlanta erhält einen Anruf aus Deutschland von der dortigen Polizei. Kurzentschlossen fliegt sie nach Deutschland, in ihre Heimatstadt Plauen, die sie als 15- jährige, gemeinsam mit ihren Eltern, verließ. Der Mordfall an ihrer Großmutter erweist sich als rätselhaft, zumal es kein Motiv zu geben scheint. Für Kate gibt es plötzlich noch ein anderes Rätsel, das Rätsel über ihre Familie.

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Das Buch:

Warum wurde ihre Großmutter ermordet? Katherina „Kate“ Schulz, Special Agent beim FBI in Atlanta erhält einen Anruf aus Deutschland von der dortigen Polizei. Kurzentschlossen fliegt sie nach Deutschland, in ihre Heimatstadt Plauen, die sie als 15- jährige, gemeinsam mit ihren Eltern, verließ. Der Mordfall an ihrer Großmutter erweist sich als rätselhaft, zumal es kein Motiv zu geben scheint. Für Kate gibt es plötzlich noch ein anderes Rätsel, das Rätsel über ihre Familie.

Widmung

Für meine Mutti, von ihr habe ich die Fähigkeit vermittelt bekommen Geschichten zu erzählen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 1

Sie lag mit gefesselten Händen auf dem Fußboden. Er war nicht kalt, nein, sie fühlte den hochflorigen Teppich weich an ihrer Wange, warm und wohlriechend. Erstaunlich, nach so einer langen Zeit roch er noch so gut.

Vielleicht lag es auch an der Haushaltshilfe, die sie beschäftigte. Sie hätte ihr ein Kompliment machen sollen, ja, aber dazu war es jetzt zu spät. Zu spät wie zu vielen anderen Dingen, die sie noch hätte regeln sollen.

Sie spürte den Medikamentencocktail in ihrem Blut anfluten. Sie würde sich nicht mehr aus der Fesselung befreien können, selbst wenn sie es wollte.

Nun blieb ihr nur, den Tod abzuwarten, mit Würde, das war es, was ihr in all den Jahren, vierundneunzig Jahre waren es konkret, geholfen hatte, so vieles zu überstehen. Ihre Würde zu bewahren. Contenance hatte ihre Mutter das immer genannt, Haltung in jeder Lebenslage. Und jetzt würde es ihr helfen, hoffentlich, auch das Letzte zu überstehen.

Das Atmen fiel ihr schwerer, da wurde plötzlich ihr Kopf zur Seite gedreht, geradezu behutsam und sie konnte ein wenig freier atmen.

Das tat gut, noch einmal kurz Luft holen. Alles um sie herum verschwamm, sie konnte nichts mehr sehen.

Das Gehör, es war das Letzte, das ein Mensch verlor, das hatte sie gelernt während ihres Studiums. Seltsam, dass sie sich gerade jetzt daran erinnerte. Sie spürte, wie die Luftnot zurückkam, wie ihr Herzschlag aussetzte, dann wiederkam und dann jagte ihr Puls.

„Herzkammerflimmern“, diagnostizierte sie kühl, als sei nicht sie die Betroffene, sondern einer ihrer Patienten.

Im letzten Augenblick, bevor sie ihr Bewusstsein verließ, wollte sie die Fesseln zerreißen, Kraft aufbringen, die nicht mehr vorhanden war.

Dann fiel der Vorhang über ihre Wahrnehmungen und ließ sie sanft in den Tod dämmern.

Kapitel 2

Kate stand neben der schäbigen, flachen Lagerhalle und spähte um die Ecke. Vor genau zwei Minuten war ihr Partner, Special Agent Ben Thomson hinter dem abgeschlagenen, ehemals wohl hellgrauen Metalltor verschwunden, das nur einen Spalt breit geöffnet war. Er hatte einen Tipp bekommen, dass hier der Drogendealer John Lowland einen seiner zahlreichen Unterschlupfmöglichkeiten hatte. Dass er mit Crystal Meth, Heroin und Kokain dealte, interessierte sie nur am Rande, das war Sache der Drogenfahndung, die ihn schon lange auf dem Schirm hatten.

Das FBI interessierte Lowland als Mörder des ehrenwerten Richters Cale W. Brown.

Dieser hatte Lowland in einem aufwendigen Indizienprozess vor genau zehn Jahren zu neun Jahren Freiheitsstrafe wegen Totschlages verurteilt, aber auch nur, weil ihm ein Mord nicht nachzuweisen war. Und jetzt war Richter Brown tot, erschossen vor seinem eigenen Haus, als er abends zurück aus der City in dieses Refugium eleganten Luxus zurückkehrte. Es war eine regelrechte Hinrichtung gewesen, ein Schuss direkt in die Stirn, dabei musste der Richter seinem Mörder Auge in Auge gegenübergestanden haben, als er die Treppe zu seinem Haus hinaufgehen wollte. Es bedurfte keiner großen Fantasie, um zu erkennen, dass diese Hinrichtung Lowlands Handschrift trug, und machte ihn zum meist gesuchtesten Mann im ganzen Bundesstaat Georgia.

Da er viele Helfershelfer und zahlreiche Unterschlupfmöglichkeiten hatte und es außerdem glänzend verstand, sein Äußeres zu verändern, war es auch nach zwei Monaten noch nicht gelungen ihn dingfest zu machen.

Über eines war man sich beim FBI, der diesen Fall bearbeitete, jedoch im Klaren. Er hatte den Bundesstaat nicht verlassen, zu groß war sein Netzwerk und zu lukrativ, um es durch Abwesenheit aufs Spiel zu setzen. Denn natürlich lauerten andere Dealer, um dieses Filetstück Atlanta zu übernehmen.

Und jetzt schien sich ein Durchbruch abzuzeichnen. Auf dem Weg zu einer Recherche hatte Ben einen Anruf von einem seiner zahllosen Informanten erhalten.

Lowland sollte sich in eben dieser unscheinbaren Unterkunft aufhalten, vor welcher Kate jetzt stand und ins Innere lauschte.

Natürlich hätten sie auf ein Spezialeinsatzkommando warten müssen, aber Ben wollte keine Minute versäumen, aus Angst, Lowland könne Wind von dem geplanten Zugriff bekommen und verschwinden.

Allen Vorhaltungen Kates zum Trotz hatten sie in sicherem Abstand zu der Lagerhalle geparkt und waren im Schutz der dichten Büsche bis zu diesem Tor gekommen.

Mit Handzeichen hatte Ben ihr gedeutet, an der Ecke stehenzubleiben, hatte seine Pistole gezogen und tastete sich nach innen vor. Sie hatten gesehen, dass die Halle zwar über einen Hinterausgang verfügte, dieser aber so verstellt war mit alten Autoteilen und Schrott das sich niemand, selbst wenn er so schlank war wie Lowland, hindurchzwängen konnte. Fenster hatte das Gebäude nicht, ebenso wenig wie eine Dachluke.

Also sollte Kate den einzigen Fluchtweg sichern.

Plötzlich erscholl der Schrei eines Habichts.

Kate zuckte zusammen, das war Ben. Er konnte schon immer Greifvögel hervorragend imitieren und der Habicht war ihr gemeinsames Gefahrensignal.

Kate riss ihre Smith& Wesson aus dem Halfter und entsicherte sie.

Mit Sicherheit würde Lowland gleich durch das Tor stürmen, aber nichts geschah. Vorsichtig tastete sie sich vor und schob sich schließlich durch den Spalt in das düstere Innere.

Die Halle war groß, aber übersichtlich. Viele Versteckmöglichkeiten gab es hier nicht, logischerweise auch nicht für sie selbst. Dann entdeckte Kate an der linken Seite eine Tür, die zu einem ehemaligen, kleinen Büro zu gehören schien. Dort hatte scheinbar ein kurzer Kampf stattgefunden, denn sie sah Gegenstände auf dem Boden liegen und einen schmalen Streifen hellen Blutes. Und schließlich sah sie Ben, der am Boden kniete. Sein Bein blutete oberhalb des Knies, vielleicht eine Stichwunde.

Neben ihm stand Lowland und hielt ihm eine Sig Sauer an die Schläfe.

„So, Thomson, jetzt kannst du deinem Richter Brown in der Hölle einen schönen Gruß von mir ausrichten.

Wie kann man nur so dumm sein und allein hier hereinspazieren oder ist deine nette Partnerin da draußen, die du warnen wolltest, mit dem Gekrächze eben? Hui, die schnappe ich mir dann, aber ich lege sie erst flach ehe ich sie hinter dir her …“

Da sich Kate fest an die Wand gepresst hatte, schien Lowland sie wirklich nicht gesehen zu haben. War er wirklich so selbstgefällig zu glauben, sie würde draußen auf Ben warten und nicht eingreifen? Das war diesem Südstaatenmacho durchaus zuzutrauen.

Sie wusste, dass sie nur eine Chance hatte. Wie sie es in unzähligen Schießübungen gelernt hatte, legte sie an und feuerte, dabei rannte sie in die Halle hinein.

Wie hatte ihr Sergeant während der Grundausbildung immer gesagt?

„Sie ziehen keine Waffe und entsichern sie, um dann damit ziellos herumzufuchteln. Sie ziehen und entsichern sie, weil sie den Gegner ausschalten wollen.

Also, loslaufen und schießen.“

Auf genau diesen Modus hatte Kate jetzt umgeschaltet.

Ben hatte sich nach dem ersten Schuss zur Seite fallen lassen, rollte sich zusammen und presste die Handflächen auf die Ohren. Kate schoss ihr Magazin leer und war beim letzten Schuss bei Lowland angekommen.

Er hielt die Sig Sauer noch in der Hand, aber bereits der erste Schuss hatte ihn direkt zwischen die Augen getroffen, makaberer Weise direkt dort, wo er bei Richter Brown die Waffe aufgesetzt hatte.

Obwohl er tot war, trat Kate ihm die Pistole aus der Hand und beugte sich dann zu Ben.

Dieser nahm langsam die Hände von den Ohren und streckte sich, wobei er das Gesicht schmerzhaft verzog, als er an sein rechtes Bein kam. „Verdammt, das war knapp. Der Kerl hat mir ein Messer in den Oberschenkel gerammt“, murmelte er und ließ sich von Kate aufhelfen.

„Du sagst es, es war verdammt knapp.“

Kate starrte auf Lowland, der in einer sich immer weiter ausbreitenden Blutlache lag.

Ben sah regungslos auf den Toten und drückte dann Kates Schulter. „Danke, ohne dich wäre ich jetzt…“ Sie unterbrach ihn. „Du hättest nicht allein reingehen sollen und meine Aufgabe wäre es gewesen, dich von diesem irrsinnigen Plan abzubringen. Stattdessen haben wir jetzt einen Toten und eine Untersuchung am Hals.“

Ben ließ ihre Schulter nicht los, obwohl er wusste, dass seine Partnerin längeren körperlichen Kontakt nicht besonders schätzte.

„Wir haben einen toten Dealer und Mörder und die Untersuchung geht 100 % zu unseren Gunsten aus.

Nochmals danke, Kate.“

Sie sah ihn an und lächelte etwas. „Bitte…Partner. Im Übrigen war dein Habichtruf sehr wirksam. “

Dann nahm sie ihr Handy und setzte einen Ruf ab.

In wenigen Minuten würde der ganz große Zirkus hier abgehen, wie sie es zu nennen pflegte.

Kapitel 3

„Wir wollten Ihnen nur noch diese Informationen persönlich überbringen, Ma´am.“

Die alte Dame ergriff mit glänzenden Augen seine Hände und drückte sie erstaunlich fest.

„Ich danke ihnen, Special Agent Thomson, das ist außerordentlich nett von ihnen. Ich habe gehört, wie mutig sie in dieser Sache waren.“

Special Agent Kate Schulz, die nur drei Schritte neben ihrem Kollegen stand, spannte unwillkürlich leicht die Hände an, die sie locker an beiden Seiten ihrer imaginären Hosennaht hielt.

Die Witwe des ehrenwerten Richters Brown hatte von Anfang an kein Hehl daraus gemacht, dass sie Kate nicht mochte.

Als alte Südstaatenlady hatte sie kein Verständnis dafür, das eine Frau in mittleren Jahren arbeitete, noch dazu in einem Beruf, den Gott mit Sicherheit nur für Männer vorgesehen hatte.

Stattdessen hätte sie sich um Mann und Kinder kümmern sollen, eine Meinung, mit der sich Kate seit Jahren konfrontiert sah.

Ihr Kollege Ben Thomson hatte inzwischen seine Hände elegant aus der Umklammerung befreit und sah die alte Dame so mild lächelnd an, dass es Kate schlecht wurde.

„Verdammter Heuchler“, dachte sie.

„Ohne meine Partnerin wäre die Sache nicht so glimpflich für mich ausgegangen, Missis Brown“, sagte er, was diese aber ignorierte, ja, sie sah Kate nicht einmal an.

„Wir schließen sie in unsere Gebete ein.“

Bens ungeahnt weiche, dunkle Stimme erfüllte den Raum und Missis Brown senkte einen Augenblick den Kopf.

„Ich danke ihnen, Special Agent Thomson“ Er tätschelte ihr vertraulich die schmale, in eine dunkle Kostümjacke von Chanel gehüllte Schulter und blinzelte Kate zu.

„Wir müssen uns leider verabschieden“, sagte er.

Kate streckte Missis Brown ihre Hand hin, die diese zögerlich und nur mit spitzen Fingern ergriff.

„Alles Gute für sie, Ma´am.“ Kate erhielt nur einen kühlen, reservierten Blick.

„Danke, Special Agent Schulz“, sagte Missis Brown mit so eisiger Stimme, das Ben Thomsens Augenbrauen in die Höhe schnellten.

Die alte Dame wandte sich an eine junge Frau mit Schürze und Häubchen.

„Bitte bringen sie die beiden Beamten zum Ausgang, Mary“, befahl sie knapp, schenkte Ben ein letztes, warmes Lächeln und verschwand mit leisen klappernden Absätzen im Flur.

Als sich hinter den beiden Special Agents die beeindruckende, viktorianische Eingangstür geschlossen hatte, stieß Kate unwillkürlich die Luft aus.

Ihr Kollege Ben grinste schief und öffnete das Auto.

„Du hättest dir wirklich keinen Zacken aus der Krone gebrochen“, murmelte er und ließ sich auf den Fahrersitz gleiten.

Kate schloss ihren Sicherheitsgurt und sah ihn an.

„Ach ja, nun für die Nummer mit den Gebeten bist doch du zuständig“, knurrte sie leise.

„Du weißt, es ist den Menschen hier wichtig und ich kann wirklich nichts dafür, wenn sich dieser nette alte Drachen nicht für deinen Part bei der Sache interessiert.“

Er sah sie vorwurfsvoll an, dann startete er die Zündung und rollte langsam aus dem imposanten Anwesen heraus auf die schmale Straße, die mit dem Highway verbunden war. Dort beschleunigte er und warf einen Blick auf seine Kollegin, die aus dem Fenster starrte.

„He“, sagte er leise und sie wandte den Kopf. „Schon gut, du kannst das halt besser als ich.“

Wieder grinste er schief. „Deine Aufklärungsquote liegt dafür deutlich über dem Durchschnitt, Kate, aber mit dem Trösten hast du es nicht so. Dafür bist du ein toller Lebensretter.“

Jetzt musste auch sie lachen.

Ihr Kollege Ben stammte aus einer der typisch streng evangelikalen Familien der Ostküste, während sie selbst einer sehr liberalen, katholischen, aber wenig praktizierenden Familie entstammte, die zwar regelmäßig den Sonntagsgottesdienst besuchte, aber nur, weil man es von ihnen erwartete.

Kates Familie war vor dreißig Jahren aus Deutschland nach Amerika eingewandert, sie selbst war damals knapp fünfzehn Jahre alt gewesen und war, zur Enttäuschung ihrer Familie, nicht Medizinerin geworden, sondern hatte sich nach einem Studium der Kriminalistik und Psychologie beim FBI beworben.

Danach hatte sie die Akademie besucht und als Jahrgangsbeste abgeschlossen.

Sie hatte Angebote aus Washington und New York ausgeschlagen und war beim FBI in Atlanta geblieben um in der Nähe ihrer Eltern oder, wenn sie ehrlich war, eher ihres Vaters zu sein, der als renommierter Chirurg am Atlanta Medical Center arbeitete. Von je her hatte sie sich eher zu ihrem offenen und stets gut gelaunten Vater hingezogen gefühlt als zu ihrer strengen, emotional kühlen Mutter.

„Es war wichtig, dass wir der Witwe persönlich gesagt haben, dass der Mörder ihres Mannes überführt wurde“, riss Ben Kate aus ihren Gedanken.

„Du meinst, von mir ins Jenseits befördert“, murmelte Kate und streckte sich etwas.

Er wandte ihr kurz den Kopf zu.

„Das macht dir doch kein Kopfzerbrechen, oder?

Diesem Kerl weint niemand eine Träne nach, nicht mal seine Mutter. Sie war nur traurig, dass jetzt keiner mehr ihren Pflegeplatz bezahlt. Du hast getan, was getan werden musste. Kate, du bist der Held.“

Kate lächelte.

„Das sieht aber Missis Brown sicher ganz anders.“

Sie sah sein verstohlenes Grinsen.

Ben Thomson war der typische Sonnyboy, groß, gut gebaut, braun gebrannt, mit dichtem, schwarzem Haar, das trotz seinem eben begangenen vierzigsten Geburtstages, keine weißen Strähnen zeigte.

Er war der typische Pfadfindertyp, der alten Damen über die Straße half und klaglos deren Einkauf in den sechsten Stock hieven würde und er war der Emotionalere von ihnen beiden, der, der bei Verhören immer den „guten Bullen“ gab, obwohl Kate wusste, dass Ben auch anders konnte.

Sie selbst war die Rationalere, Strengere von ihnen, was daran lag, dass sie es als Frau von Anfang an nicht leicht in der Truppe gehabt und sich nie eine Schwäche gestattet hatte.

Nur ein einziges Mal war diese Fassade zusammengebrochen, als ihre Eltern 9/11 in einem der Flugzeuge saßen, die in den World Trade-Tower gelenkt worden waren. Als die Fluglinie die Anwesenheit ihrer Eltern an Bord bestätigt hatten, war Kate mitten in der Behörde zusammengebrochen und in ihrer Trauer völlig erstarrt.

Ihr Chief, Superspecial Agent Wolter Fisher, der nie begeistert gewesen war von Kates Anwesenheit in „seiner“ Männerdomäne, hatte umgehend alle Informationen eingeholt, an die mit Sicherheit niemand anderes herangekommen wäre, um 100 % Gewissheit zu haben, ob wirklich Kates Eltern tot waren und danach alles für eine würdige Beerdigung organisiert.

Er hatte jedes Mitglied der Truppe kurz und klar aufgefordert, Kate beizustehen und sie war bis zur Beerdigung ihrer Eltern keine Sekunde allein gewesen.

Zur Beisetzung selbst waren sie alle erschienen, ihre engsten Kollegen hatten die Särge ihrer Eltern getragen, die, wie auch Kate wusste, leer waren, denn man hatte nichts mehr, was man hätte beerdigen können.

Auch danach waren alle für sie da gewesen, der Chief hatte sehr diskret eine Psychologin kommen lassen, die einschätzen sollte, wann Kate wieder dienstbereit sein würde.

Das Auto bremste und Kate schreckte hoch, als Ben in die Tiefgarage fuhr und an seinem angestammten Platz parkte. Schweigend stiegen sie aus und liefen zum Fahrstuhl.

„Ich glaube, der Chief will uns ein bisschen aus der Schusslinie haben und wird uns nach Florida schicken, diese beiden Touristenmorde scheinen ihm Bauchschmerzen zu bereiten“, sagte sie und sah Ben an, der den Fahrstuhl als erster betrat.

„Klingt gut, ich wollte schon lange Mal wieder ans Meer und surfen.“

„Das lasse ihn bloß nicht hören.“

Kate strich ihr halblanges, dunkelblondes Haar zurück und sie betraten die Büroetage, wo sich auch ihre Büros befanden.

Loreen Ross, die Sekretärin, steckte ihren rot gefärbten Wuschelkopf über den Tresen und sah Kate an.

„Ich habe ein Gespräch in der Leitung. Aus Deutschland.“ Sie sah auf ihre Notiz. „Plauen, es ist die dortige Polizei.“

Kate runzelte die Stirn und deutete auf ihr Büro.

„Eine Sekunde.“

In ihrem Büro legte sie ihren Blazer und ihre Waffe ab und nahm den Hörer.

„Spezial Agent Kate Schulz“, meldete sie sich.

„My Name ist Mike Köhler, I´ m…“

„Sie können Deutsch mit mir sprechen“, unterbrach Kate den Anrufer und hörte wie dieser leise, scheinbar erleichtert seufzte.

„Danke. Special Agent Schulz, mein Name ist Hauptkommissar Mike Köhler. Es geht um Frau Clara Voigt.“

Kate ließ sich langsam in ihren Schreibtischsessel gleiten und schluckte.

„Ja“, sagte sie leise.

„Ist Frau Voigt mit ihnen verwandt, Special Agent?“

Kate nickte, wurde sich aber bewusst, dass ihr Gegenüber sie nicht sehen konnte.

„Ja, Frau Voigt ist meine Großmutter mütterlicherseits. Ist etwas passiert?“

Natürlich. Im gleichen Moment war ihr klar, dass sonst die deutsche Kriminalpolizei wohl kaum bei ihr anrufen würde.

„Es tut mir leid, aber ihre Großmutter wurde gestern tot von einer Mitarbeiterin des Pflegedienstes in ihrem Haus aufgefunden.“

Dass ihre Großmutter seit einem knappen Jahr einen Pflegedienst hatte, wusste Kate aus den wenigen Anrufen, mit denen sie losen Kontakt hielten.

Die alte Dame war mit ihren 94 Jahren noch recht fit, benötigte nach einer Thrombose aber Hilfe beim Anziehen der Kompressionsstrümpfe und durch eine Verschlechterung ihrer Sehfähigkeit auch bei der Insulingabe. Daher hatte sie einen Pflegedienst engagiert.

„Warum beschäftigt sich die Kriminalpolizei damit?“, fragte Kate mit fester Stimme.

„Es deutet nach erster Spurenlage alles auf ein Gewaltverbrechen hin. Der Staatsanwalt hat eine Autopsie veranlasst.“

Kate atmete tief ein. Langsam ließ sie die Luft wieder entweichen. „Gut, ich komme, so schnell ich kann.“

„Wenn sie wollen, sonst könnten wir auch…“

„Nein, ich muss alles regeln. Ich bin ihre einzige Verwandte, ich melde mich bei ihnen, Hauptkommissar Köhler.“

Sie gab ihm noch ihre persönliche Mobilnummer und legte auf.