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Annette Krupka

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Beschreibung

Kate Schulz, ehemalige FBI Agentin, ist nach Deutschland zurückgekehrt und hat in ihrer Heimatstadt Plauen eine Detektei und Personenschutzfirma gegründet. Über mangelnde Aufträge kann sie sich nicht beklagen, was Neid bei Konkurrenten hervorruft. Nebenbei ist sie noch immer auf der Suche nach ihren Wurzeln, denn bei ihrem ersten Besuch in Deutschland musste sie erfahren, dass ihre Mutter adoptiert wurde. Und ein Vermisstenfall, der von der Polizei nicht als solcher gesehen wird, führte sie über den Jakobsweg nach Prag und in eine lebensgefährliche Situation.

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Das Buch:

Kate Schulz, ehemalige FBI Agentin, ist nach Deutschland zurückgekehrt und hat in ihrer Heimatstadt Plauen eine Detektei und Personenschutzfirma gegründet. Über mangelnde Aufträge kann sie sich nicht beklagen, was Neid bei Konkurrenten hervorruft.

Nebenbei ist sie noch immer auf der Suche nach ihren Wurzeln, denn bei ihrem ersten Besuch in Deutschland musste sie erfahren, dass ihre Mutter adoptiert wurde.

Und ein Vermisstenfall, der von der Polizei nicht als solcher gesehen wird, führte sie über den Jakobsweg nach Prag und in eine lebensgefährliche Situation.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 1

Hatte sie ein moralisches Leben geführt?

Nein, es ging nicht um Sex vor der Ehe oder eine kleine Lügengeschichte, es ging um die wirklich zentrale Frage. Waren alle ihre Entscheidungen von moralischer Integrität gewesen, die sie getroffen hatte?

Wer war sie, dass sie diese Frage glatt bejahen konnte?

Sie hatte sich bemüht, ja, das war wohl die richtige Antwort. Sie hatte versucht, ein Leben zu führen, das ihrem eigenen Ziel, das sie sich irgendwann mit 19 oder 20 Jahren- so genau wusste sie es nicht mehrgestellt hatte.

Moralisch zu handeln, auch in ihrem Beruf.

Ihr Leben war bisher weitgehend gleichmäßig und ruhig verlaufen, der einzige tiefe Schock war der Tod ihres Vaters gewesen, den sie nur langsam überwand, aber sonst, nein, das Leben hatte ihr nur ein freundliches Gesicht gezeigt.

Darum hatte sie es als ihre Aufgabe gesehen, etwas zurückzugeben, an jene Menschen, die nicht so viel Glück, so viel Geborgenheit wie sie erlebt hatten.

Das war der Grund, warum sie einer steilen Karriere ihren eigenen Moralanspruch vorzog und in Afrika und Indien Menschen behandelte, die sonst niemand heilen würde oder ihnen zumindest Linderung verschaffen konnte.

Sie war keine Mutter Teresa, das war nicht ihr Anspruch, völlige Entsagung, nein.

Aber schon diese Arbeit war bei vielen auf Erstaunen, sogar Ablehnung gestoßen.

Jemand wie sie, der solch eine Chance hatte als renommierte Spezialistin zu arbeiten, vergeudete seine Ressourcen nicht in den Slums dieser Welt. Und sie war schwach genug gewesen aufzugeben, sie war wieder in diesen Strudel hineingegangen, allerdings, um kurz darauf erneut auszubrechen.

Diese Pilgerreise sollte ihr die Augen öffnen für das, was ihr wirklich wichtig war.

Die Augen öffnen, wie prophetisch.

Und nun stand sie hier und sah das Skalpell, der Stahl blitzte im Licht der grellen Lampe und ihre Moral, auf die sie so stolz gewesen war, lag in Scherben vor ihren Füßen.

Jetzt ging es nicht mehr um Moral und Ethik, sondern nur noch darum, hunderte, vielleicht tausende Leben zu retten, aber alles, was sie an beruflichem Ethos hatte, zu ignorieren.

Oder aber zu sterben.

Und während sie ihren Blick nicht von dem blitzenden Gegenstand vor ihr wenden konnte, wie von einer lautlosen Verführung, öffnete sich fast lautlos eine Türe und ganz langsam fiel ein Schatten über sie. Der Schatten des Mannes, von dem nicht nur ihr Leben, sondern vielleicht sogar das Überleben der Menschheit abhing.

Kapitel 2

Kate genoss die ersten warmen Strahlen der Frühlingssonne auf der Terrasse. Die Vögel schienen sich heute besonders viel Mühe zu geben, um sie mit ihrem Gesang zu unterhalten.

Nachdem sie ihr Brötchen gegessen hatte, erhob sie sich und warf die Krümel über die Balustrade in die Rabatte und sofort stürzten sich zwei Rotkehlchen darauf und flatterten, jeder etwas im Schnabel, auf die Birke, die die ersten grünen Spitzen zeigte.

Kate stützte sich auf den Sims und ließ den Blick in den Garten gleiten. Sie hatte vorher nie einen Garten besessen und diesen hier hatte sie im vergangenen Jahr einer Firma überlassen, die zumindest die Rasenfläche gepflegt und die Hecken geschnitten hatten.

Irgendwann musste sie sich einmal gründlicher mit dem Thema Gartenplanung beschäftigen.

Seit zwei Monaten lebte sie jetzt in diesem Haus, das vorher der Frau gehört hatte, die sie 45 Jahre ihres Lebens für ihre Großmutter gehalten hatte.

Vor fast einem Jahr hatte man Clara Voigt tot in ihrem Haus aufgefunden und Kate, Special Agent beim FBI in Atlanta, war als einzige noch lebende Verwandte darüber informiert worden. Sie war daraufhin nach Deutschland geflogen, in ihre alte Heimat nach Plauen gefahren, die sie mit ihren Eltern als 15-Jährige verlassen hatte.

Nach ihrer Rückkehr in die Staaten hatte sie dort, nein, eigentlich schon hier in Deutschland den Entschluss gefasst, aus dem FBI auszuscheiden und für immer nach Plauen zurückzukehren, eine Idee, die ihr FBI-Partner Ben „hirnrissig“- so seine Aussagefand.

Auch ihr direkter Vorgesetzter, der zwar anfangs Probleme mit einer Frau in seiner Truppe hatte, Kate dann aber sehr schätzte, hatte nichts unversucht gelassen, um sie von dem Entschluss abzubringen.

Er riet ihr schließlich zu einem Sabbatjahr, sie sollte testen, ob sie sich wirklich für ein Leben in Deutschland wieder eignete.

Ein, das musste Kate zugeben, sehr großzügiges Angebot und nach ungeheuer viel bürokratischem Aufwand war Special Agent Katherina Schulz beurlaubt.

Es war Oktober, als sie endlich ihre Übersiedlung nach Plauen vollzog.

Ihr Apartment in Atlanta hatte sie vermietet, einige Möbel aus dem Haus ihrer Eltern, dass sie nach deren Tod verkauft hatte, eingelagert und faktisch komplett dieses Haus, hier an der Plauener Peripherie von ihrer, tja, wie sollte sie sie nennen, Großmutter übernommen.

Die Möbel, die fast alle noch von deren Schwiegereltern, einem renommierten Plauener Ärzteehepaar, stammten, hatte sie unverändert so belassen, da sie für dieses Haus gemacht waren, die eingebauten Wandschränke, Alkoven und Bücherregale.

Lediglich in der Küche und den Bädern waren von ihr einige neue technische Veränderungen getroffen worden.

Kate holte tief Luft und sah auf ihre Uhr. Gleich 9.00

Uhr, es wurde Zeit aufzubrechen.

Sie hatte nach ihrer morgendlichen Joggingrunde gleich geduscht und sich frisch angezogen, sodass sie nur das Haus verlassen musste.

Gegen 10.00 Uhr würde ihre Haushalthilfe kommen und das Haus in einen tadellosen Zustand versetzen.

Während Kate ihr Geschirr zusammenstellte, sah sie im Nachbargarten eine Bewegung.

Frau König, die Nachbarin, trat in den Garten und warf einen kurzen Blick herüber. Da Kate zu ihr hin schaute, neigte sie kurz den Kopf und drehte ihr dann den Rücken zu.

Kate zuckte die Schultern. Sie konnte wirklich nichts dafür, dass Frau König eine so unrühmliche Rolle beim Tod von Frau Voigt, ihrer quasi Großmutter, gespielt hatte.

Kate nahm den Schlüssel und verließ das Haus.

Bis zu ihrem Büro war es eine knappe Viertelstunde Fußweg. Sie hatte, nachdem der Umzug bewerkstelligt war, entsprechende Räume gesucht und, zu ihrem Glück, wie sie immer noch fand, direkt im schönen alten Haus über ihrer Lieblingskaffeerösterei gefunden.

Dort hatte sie ihre eigene Detektei- und Personenschutzfirma gegründet, die überraschend gut angelaufen war. Während sie die ziemlich leeren Straßen entlang ging, atmete sie die frische Frühlingsluft ein und war sich sicher, dass es eine wunderbare Idee gewesen war, diesen Schritt zu gehen.

Sie bog von der Bahnhofstraße ab und betrat das Haus, in dessen Erdgeschoss sich die Kaffeerösterei befand.

Der Besitzer stellte gerade die Dinge, die er für den ersten Kundenansturm benötigte, bereit und winkte Kate durch die Scheibe zu.

Sie würde in zwei Stunden, wie jeden Tag, wenn sie hier im Büro war, zu ihm runtergehen und einen wunderbaren Cappuccino trinken.

Dann betrat sie das Haus, ging die geschwungene Treppe mit dem polierten Holzhandlauf hinauf und öffnete die große Eingangstüre.

Im Vorraum saß Annalena „Abby“ Heimat am PC und es war unschwer zu erkennen, dass die junge Frau Abby Sciuto aus Navy CIS zu ihrem Vorbild erkoren hatte.

Annalenas Mutter, Michaela Herbst, war Kates Schulfreundin und Geschäftsführerin des gleichnamigen Pflegedienstes. Ihre älteste Tochter arbeitete mit in der Firma, während Annalena nach dem Abitur noch keine rechten Ziele zwecks Studiums oder ähnlichem hatte und erst recht keine Lust, mit Mutter und Schwester im gleichen Unternehmen was auch immer zu tun.

Da sie Kate sehr mochte und keinen Hehl daraus machte, wie spannend sie deren Tätigkeit beim FBI fand, hatte Kate ihr vorgeschlagen, ein Jahr für sie im Büro zu arbeiten, quasi um Erfahrungen zu sammeln und dann vielleicht eine Studienrichtung zu finden, die ihr lag.

In den letzten zwei Monaten hatte Abby, wie sie genannt werden wollte, sich hervorragend eingearbeitet und war die beste Büromanagerin, die Kate sich wünschen konnte.

Jetzt hob sie den Kopf mit den schwarzen Zöpfen und lächelte Kate an.

„Guten Morgen, Chefin, ist das nicht ein toller Tag?

Die Vögel brüllen ja förmlich von den Bäumen.“

Kate schätze Abbys unbekümmert-fröhliche Art und stoppte an deren Schreibtisch.

„Japp, ich habe heute draußen gefrühstückt. Gibt’s was?“

Abby schüttelte den Kopf.

„Ich habe dir alles in E-Mail-Fach gelegt. Marco wird noch eine Woche von dem Unternehmer gebucht, er steht also nicht für diesen…“ Sie tippte schnell etwas ein. „Schauspieler Anders nächste Woche zur Verfügung, aber Holger hätte da eine freie Valenz, soll ich ihn kontaktieren?“

Kate nickte.

„Mach das, danke.“

Sie betrat ihr eigenes Büro, fuhr ihren PC hoch, legte ihre Jacke ab und seufzte, wie jeden Tag beim Anblick der gläsernen Skulptur, die Abby angeschleppt hatte. Sie war von einem „irre angesagten Kunstdesigner“, den angeblich alle Welt kannte.

Kate fand die Skulptur, hinter deren künstlerische Bedeutung sie bisher nicht gekommen war, einfach nur hässlich. Sie brachte es aber weder übers Herz es Abby zu sagen noch diese zu entfernen.

Also seufzte sie jeden Morgen wieder darüber und versuchte, sie möglichst für den Rest des Tages zu ignorieren.

Sie las ihre E-Mails, wobei sie wieder einmal Abby Organisationstalent bewunderte, die Personenschützer, die sie beschäftigte, optimal einzuteilen und alle möglichen und unmöglichen Kundenwünsche zu berücksichtigen.

Neben der Beschattung von untreuen Ehepartnern, Suche nach eventuellen Erbtanten und vermeintlich krankfeiernden Mitarbeitern mit Nebenjob, war der Personenschutz ein Geschäftszweig, der sich am rasantesten entwickelte und Kate sehr viele Kunden bescherte.

Da ihre Personenschützer sehr gut ausgebildete Leute waren, wurde sie weiterempfohlen und immer wieder gebucht.

Sie hatte bereits zwei Neueinstellungen vorgenommen, derzeit umfasste ihr Personalpool mit ihr selbst und Abby, sieben Angestellte.

Vier Mitarbeiter Personenschutz, aber auch Detektei, sie selbst, die auch Aufträge mit übernahm, Abby, die das Büro am Laufen hielt und Steven, ein Computernerd, den Abby ihr irgendwann empfohlen hatte.

Kate erkannte sein Potential schnell, auch wenn sie bei der Zusammenarbeit einige Abstriche hinnehmen musste.

Steven war kaum vor 12.00 Uhr mittags ansprechbar, aber arbeitete dafür auch, ohne zu murren, eine Nacht lang durch. Er bevorzugte es von zu Hause aus zu arbeiten und kam höchst ungern ins Büro und dann auch nur, nachdem Kate ihm zugesichert hatte, dass er den Raum mit niemand teilen musste. Aber er war, das gab sie gerne zu, ein Genie und so akzeptierte sie seine Marotten.

Nachdem sie ihre Mails gecheckt hatte, kam sie zu der Erkenntnis, dass sie den derzeitigen Personalpool dringend aufstocken musste.

Gerade als sie überlegte, ob sie nicht Hauptkommissar Mike Köhler bitten sollte, ihr eventuell in Frage kommende Personen zu empfehlen, hörte sie im Vorzimmer einen Tumult.

Als sie aufspringen und nachschauen wollte, wurde die Tür aufgerissen.

Zwei Männer kamen herein, wobei Letzterer Abby zur Seite stieß, die vehement versuchte, seinen Eintritt zu verhindern, was sichtlich kläglich gescheitert war.

Kate überblickte die Situation sehr schnell, die beiden Männer waren die typischen Türstehertypen, groß, bullig, dazu kahl rasiert und der Erste, der sich direkt vor Kate aufbaute, hatte ein auffälliges Tattoo, einen Kampfhund, auf den Hals tätowiert.

Sie warf Abby einen Blick zu und sagte betont ruhig:

„Danke, du kannst gehen.“

Unsicher sah diese ihre Chefin an, zog sich aber zurück.

Der ihr am nächsten stehenden Mann trat die Tür hinter ihr ins Schloss.

„Was kann ich für sie tun, meine Herren?“, fragte Kate so ruhig und professionell, dass die beiden sie dümmlich ansahen.

Mit einer Geste deutete Kate an, dass sie auf den modernen Designersesseln Platz nehmen könnten, was sie natürlich nicht taten.

„Ihre Namen hatte ich nicht verstanden?“

Mit einem leichten hochziehen der Augenbrauen sah sie beide an.

„Geht dich nichts an, Schlampe“, knurrte der Kampfhundtätowierte mit osteuropäischem Dialekt.

Kate zuckte kurz die Achseln.

„Gut, Mister Tom und Mister Jerry“, sagte sie leichthin. „Wenn sie mir weder ihre Namen noch ihr Anliegen vortragen wollen, können sie auch gehen.“

Der Kampfhundtätowierte, der jetzt in Kates Gedanken den Namen Tom trug, trat näher an sie heran.

„Hör zu, Schlampe, unser Chef will nicht, dass du ihm in seinen Geschäften herummachst. Personenschutz, das machen wir, klar? Du kannst Detektei machen, gut, aber kein Personenschutz, klar?“

Kate, die neben ihrem Schreibtisch stand, setzte sich leicht auf dessen Kante und ließ das rechte Bein hin und her schwingen. Sie schien über die Worte nachzudenken.

Als auf Toms Gesicht ein breites Grinsen erschien, sagte sie ruhig: „Dann sagen sie bitte ihrem Chef, wenn er etwas von mir wünscht, kann er das selbst mit mir besprechen. Meine Büromanagerin gibt ihm gerne einen Termin und zweitens denke ich nicht daran, aus dem Personenschutz auszusteigen, im Gegenteil, ich denke an Expansion.“

Sie stieß sich vom Schreibtisch ab und deutete auf die Tür.

„Und jetzt meine Herren, entschuldigen sie mich bitte.“

Tom kam näher an sie heran.

„Hör zu du Dreckstück, wir können dir viel Ärger machen, zum Beispiel so.“

Er wollte gerade mit der Faust ausholen, als ihn der Schlag einer Handkante genau an der Schläfe erwischte. Ohne einen Laut sackte er zusammen, knallte auf dem Boden auf, wo er regungslos liegen blieb.

Nach einer Schrecksekunde, die Jerry benötigte, um das Unglaubliche zu begreifen, stürmte dieser, brüllend wie ein Berserker, auf Kate zu, die sich mit einer schnellen Bewegung zur Seite drehte und ihn ins Nichts rennen ließ.

Dabei steckte sie blitzschnell den linken Fuß vor.

Jerry konnte sich nicht abbremsen und stürzte auf das Glaspodest, auf dem die Skulptur thronte.

Mit einem ohrenbetäubenden Kracher gingen Podest, Skulptur und Angreifer zu Boden, wobei erstere zerbarsten und ein wahres Feuerwerk an Glassplitter durch den Raum katapultierte.

Jerry hielt sich sein Gesicht, durch die Finger rann Blut und er brüllte wie ein Stier.

Das Gebrüll ließ auch seinen Partner wieder zu sich kommen, dieser schüttelte sich und wollte, nach einem schnellen Rundumblick, Jerry zu Hilfe kommen.

Dann griff er in die Innentasche seiner Lederjacke, als er eine freundliche weibliche Stimme vernahm.

„Das würde ich lieber bleiben lassen.“

Verdutzt starrte er Kate an, die sich über ihn beugte.

Selbst erstaunt über so viel Nachlässigkeit seiner Gegnerin, schoss seine rechte Hand nach oben, aber da er die andere nicht so schnell aus der Tasche ziehen konnte, wo sich ein Butterflymesser befand, kam er in eine schwierige Situation, die er, aufgrund seines Zustandes, zu spät einschätzte.

Seine Hand wurde gepackt und ihm so schnell auf den Rücken gedreht, dass er das Messer in der anderen nicht halten konnte. Ein ungeahnter Schmerz schoss durch seine Schulter, noch ein paar Millimeter und sie würde ausgekugelt werden.

Sein Brüllen mischte sich in das seines Partners, der vor lauter Blut und Splitter nichts sehen konnte und noch immer am Boden kniete.

Plötzlich war seine Hand frei. Er sprang auf, langsamer als er es wollte.

In der Tür stand ein großer, dunkelhaariger Mann, der einen, ihm nur zu gut bekannten Ausweis, in die Höhe hielt.

„Hauptkommissar Köhler. Was ist hier los?“

Tom blieb wie angewurzelt stehen, dann rieb er langsam mit seiner linken Hand die schmerzende Schulter.

Kate stand wieder am Schreibtisch und schüttelte bedauernd den Kopf. „Eine ganz unglückliche Situation.“

Sie deutete auf den immer noch am Boden Hockenden.

„Mister Tom ist so unglücklich über ein Kabel gestolpert, dass er in die Skulptur gefallen und sich verletzt hat. Mister Jerry, der ihm behilflich sein wollte, stürzte ebenfalls. Das ist mir so peinlich, meine Herren.“

Sie schüttelte noch immer, scheinbar betrübt, den Kopf.

„Ich hoffe, es sind keine ernstlichen Verletzungen?“

Jerry hatte Tom auf die Beine gezogen, wobei er Kate einen hasserfüllten Blick zu warf.

„Und sagen Sie bitte ihrem Chef unbedingt wie leid mir dieser Vorfall tut, hören Sie? Und sagen sie ihm noch, ich wäre an seinem Angebot nicht, hören sie, definitiv nicht interessiert.“

Mit einem Lächeln deutete sie zur Tür.

„Auf Wiedersehen die Herren.“

Hauptkommissar Köhler zögerte seine Weile, dann ließ er die beiden wortlos passieren.

„Mister Tom und Mister Jerry?“, fragte er, als die beiden an der entsetzt blickenden Abby nach draußen getorkelt waren, wobei sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließen.

Kate grinste.

„So haben sie sich jedenfalls angestellt, zwei Anabolikatypen, die auf Gorillas getrimmt sind.“

Abbys Schrei ließ sie zusammenfahren. Die junge Frau deutete auf die Scherben.

„Das war doch nicht etwa…?“, stammelte sie und sah Kate an, die sofort eine betroffene Miene aufsetzte.

„Oh ja, leider“, murmelte sie und sah Abby nach, die Schaufel und Besen holte.

„Woher kamst du denn so plötzlich?“, fragte sie den Hauptkommissar, der sich im Büro umsah.

„Ich wollte mir Kaffee holen, da sagte mir Daniel, eben seien zwei Typen zu dir hoch, die ihm nicht ganz koscher erschienen. Aber wie ich sehe, bist du auch so mit ihnen fertig geworden. Karate?“

Kate nickte.

„Hm, schwarzer Gürtel, aber das ist lange her.“

Sie deutete mit dem Daumen nach unten.

„Gehen wir einen Kaffee trinken? Dann kann Abby Ordnung machen.“

Auf dem Weg zur Tür flüsterte Mike Köhler. „Und du bist dieses hässliche Ding endlich los.“

Kate hatte immer noch ein breites Grinsen im Gesicht, als sie die Kaffeerösterei betraten.

Daniel kam besorgt auf sie zu.

„Was war denn da oben los? Erst das Geschrei und dann kamen diese beiden Gorillas blutend und humpelnd hier vorbei.“ Kate winkte ab.

„Nichts weiter, der eine ist unseligerweise in die Skulptur gefallen und der andere gestolpert.“

Jetzt grinste auch Daniel. „Ah…die Skulptur, schade!“

Er begab sich zu seiner Maschine, um Cappuccino für Kate zu brühen, die neben Mike auf dem alten Couch Platz nahm.

„Sag mal, bist du wirklich nur zufällig vorbeigekommen?“

Kate nahm ihre Tasse entgegen und sah den Hauptkommissar an. Dieser zuckte leicht die Schulter.

„Ich wollte meinen Kaffeevorrat auffüllen, aber ich würde trotzdem gerne etwas mit dir besprechen.“

Auch er nahm seinen Kaffee, schwarz wie immer, entgegen und setze sich so, dass er Kate ansehen konnte.

„Es geht um einen…naja, seltsamen Fall. Eine Dame kontaktiert mich ständig, weil angeblich ihrer Tochter vermisst wird. Die junge Frau ist knapp 30 Jahre, hat sich ein Sabbatjahr genommen und pilgert auf dem Jakobsweg. Sie schreibt in Abständen an ihre Mutter Postkarten, aber die ist trotzdem überzeugt, dass etwas nicht stimmt.“

Kate runzelte die Stirn.

„Postkarten? Warum schreibt sie keine WhatsApp oder so?“

„Das ist das Problem, die junge Frau lehnt diese Medien ab. Also, sie hat weder ein Smartphone noch irgendwelche Profile auf Facebook oder Instagram, scheinbar old school.“

Kate stieß die Luft aus.

„Das ist wirklich ungewöhnlich, andererseits, wenn es ihr mit dem Pilgern ernst ist, auch wieder nicht.

Aber warum macht ihre Mutter sich jetzt Sorgen?“

Mike nippte an seinem Kaffee, dann stellte er ihn betont langsam zurück.

„Sie sagt, es ist das Gefühl einer Mutter und das etwas mit dem Karten nicht stimmen würde, es wäre nicht der übliche Stil ihrer Tochter.“

Kate sah ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an.

„Und du beschäftigst dich ernsthaft damit?“, fragte sie mit einem Stirnrunzeln.

Sie konnte es sich nicht vorstellen, dass es Mike nicht gelang diese Frau, so penetrant sie auch war, irgendwie abzuwimmeln.

Sein Seufzen belehrte sie eines Besseren.

Es war gewiss die alte Geschichte, die auf der ganzen Welt zu funktionieren schien, die Dame hatte einen guten, einen sehr guten Bekannten, in den oberen Reihen der Polizeibehörde.

„Wer ist es?“, fragte sie gerade heraus.