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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Auf der Kinderstation des St. Augustinus Krankenhauses hatte die Nachtschicht begonnen. Katharina Hessler atmete erleichtert auf. Eben hatte sie die Station an den Kollegen übergeben, und für sie war nicht nur Feierabend, sondern auch das Ende ihres letzten Arbeitstages gekommen. Nun lagen drei Wochen Urlaub vor ihr, in denen sie endlich einmal abschalten und alles hinter sich lassen wollte. Die sechsundzwanzigjährige Kinderärztin hatte sich umgezogen und verabschiedete sich von den Kolleginnen und Kollegen. Eine Flasche Sekt hatte sie ausgegeben, und jetzt stieß man auf ihren Urlaub an –, wobei die Ärzte und Schwestern, die die Nachtschicht übernommen hatten, sich allerdings mit einem Glas Apfelsaft begnügen mußten. Indes tat es der Freude keinen Abbruch, und die junge Ärztin, die bei allen, Kollegen wie auch Patienten, gleichermaßen beliebt war, verließ das Krankenhaus mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sie arbeitete gerne hier und wußte, daß sie die Arbeit und Kollegen vermissen würde. Gleichzeitig war ihr auch klar, daß sie diesen Urlaub notwendig brauchte. Den letzten hatte sie vor eineinhalb Jahren gehabt. Da ihre Wohnung in der Nähe der Arbeitsstätte lag, hatte Kathie, wie ihre Freunde sie nannten, stets darauf verzichtet, den Wagen zu benutzen, und war immer mit dem Rad gefahren. Auch morgen würde das Auto in der Garage bleiben, denn sie hatte sich dazu entschlossen, mit dem Reisebus zu fahren. Auf der Suche nach einem geeigneten Urlaubsziel war sie in einem Reisebüro auf einen Ort aufmerksam gemacht worden, der ihr bis dahin unbekannt gewesen war, Sankt Johann in den Alpen. »Genau das richtige für Sie, gnädige Frau«, hatte der Reisekaufmann zu ihr gesagt. »Wenn S' Ruhe und Erholung suchen, dann werden S' beides dort finden. Außerdem gibt's ein phantastisches Angebot der Pension Stubler. Schau'n S' hier.« Er reichte ihr einen Prospekt über den Tisch.
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Seitenzahl: 125
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Auf der Kinderstation des St. Augustinus Krankenhauses hatte die Nachtschicht begonnen. Katharina Hessler atmete erleichtert auf. Eben hatte sie die Station an den Kollegen übergeben, und für sie war nicht nur Feierabend, sondern auch das Ende ihres letzten Arbeitstages gekommen. Nun lagen drei Wochen Urlaub vor ihr, in denen sie endlich einmal abschalten und alles hinter sich lassen wollte.
Die Arbeit, den Streß und vor allem die Erinnerung…
Die sechsundzwanzigjährige Kinderärztin hatte sich umgezogen und verabschiedete sich von den Kolleginnen und Kollegen. Eine Flasche Sekt hatte sie ausgegeben, und jetzt stieß man auf ihren Urlaub an –, wobei die Ärzte und Schwestern, die die Nachtschicht übernommen hatten, sich allerdings mit einem Glas Apfelsaft begnügen mußten. Indes tat es der Freude keinen Abbruch, und die junge Ärztin, die bei allen, Kollegen wie auch Patienten, gleichermaßen beliebt war, verließ das Krankenhaus mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sie arbeitete gerne hier und wußte, daß sie die Arbeit und Kollegen vermissen würde. Gleichzeitig war ihr auch klar, daß sie diesen Urlaub notwendig brauchte. Den letzten hatte sie vor eineinhalb Jahren gehabt.
Da ihre Wohnung in der Nähe der Arbeitsstätte lag, hatte Kathie, wie ihre Freunde sie nannten, stets darauf verzichtet, den Wagen zu benutzen, und war immer mit dem Rad gefahren. Auch morgen würde das Auto in der Garage bleiben, denn sie hatte sich dazu entschlossen, mit dem Reisebus zu fahren. Auf der Suche nach einem geeigneten Urlaubsziel war sie in einem Reisebüro auf einen Ort aufmerksam gemacht worden, der ihr bis dahin unbekannt gewesen war, Sankt Johann in den Alpen.
»Genau das richtige für Sie, gnädige Frau«, hatte der Reisekaufmann zu ihr gesagt. »Wenn S’ Ruhe und Erholung suchen, dann werden S’ beides dort finden. Außerdem gibt’s ein phantastisches Angebot der Pension Stubler. Schau’n S’ hier.«
Er reichte ihr einen Prospekt über den Tisch. Das Haus und die Zimmer, die darin abgebildet waren, machten einen ordentlichen Eindruck.
»Wenn S’ gleich für vierzehn Tage buchen und sich entschließen, mit unserem Partner, einem renommierten Busunternehmen, zu fahren, dann kann ich Ihnen alles zu diesem Preis anbieten.«
Der junge Mann mit dem modischen Haarschnitt und der legeren Kleidung malte ein paar Zahlen auf den Prospekt, und Kathie glaubte zunächst an ein Versehen.
»Nein, nein, das ist schon richtig«, nickte der Angestellte. »Das Busunternehmen kauft immer ein gewisses Kontingent an Zimmern auf. Das hat sich seit Jahren bewährt, und wir können diesen interessanten Preis an unsere Kunden weitergeben.«
Die hübsche Kinderärztin brauchte nicht lange zu überlegen. Kurz entschlossen griff sie zu und buchte die Reise.
Als sie jetzt, am späten Abend, in ihrer Wohnung saß und einen Tee trank, da war alles vorbereitet. Morgen früh würde sie mit dem Taxi zum Busbahnhof fahren und dann konnte sie endlich alles vergessen und sich auf den Urlaub freuen.
Ihr Blick fiel auf die Bilder, die auf dem Tisch vor ihr lagen. Mit Pinsel und Tusche gemalt von Kinderhänden, was unübersehbar war. Es kam oft vor, daß die kleinen Patienten sich bei ihr mit solchen Bildern bedankten, aber diese hier hatten für Katharina Hessler eine ganz besondere Bedeutung, stammten sie doch von Julian Mahler.
Der Siebenjährige war vor einigen Wochen mit einer schlimmen Bauchfellentzündung in St. Augustinus eingeliefert worden. Die Röntgenaufnahmen ergaben, daß höchste Eile geboten war, der Blinddarm war bereits geplatzt und es bestand Lebensgefahr. Wirklich im letzten Augenblick konnte der Bub gerettet werden, und während der Genesung entwickelte sich zwischen Katharina und ihm ein besonders herzliches Verhältnis.
Julian war ein aufgeweckter Junge. Er hatte rote Haare, sein Gesicht war voller Sommersprossen, und sein lausbubenhaftes Grinsen nahm alle, die mit ihm in Berührung kamen, für ihn ein.
Sein Vater, Frank Mahler, war fürsorglich um ihn bemüht. Kathie war erschüttert, als sie erfuhr, daß Julians Mutter bei seiner Geburt verstorben war und der Unternehmer seinen Sohn allein aufzog. Zwar wurde er von Verwandten und Nachbarn dabei unterstützt, doch wie sehr dem Kleinen die Mutter fehlte, erfuhr die Ärztin, in zahlreichen Gesprächen, die sie mit Julian führte. Vier Wochen mußte er im Krankenhaus bleiben, ehe die Ärzte ihn entlassen konnten, und in dieser Zeit kamen Kathie und Julian sich immer näher. Der Bub hatte sich regelrecht in sie ›verliebt‹, und sie nahm es mit einem Lächeln zur Kenntnis. Es war nicht ungewöhnlich, daß sich zwischen den Kindern und den behandelnden Ärzten ein besonderes Verhältnis entwickelte. Schließlich tat man alles, um den Kleinen, die oft wochenlang von den Eltern getrennt waren, den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, und oft fiel der Abschied dann später schwer und war meist von vielen Tränen begleitet.
Bei Julian kam allerdings hinzu, daß Kathie sich in seinen Vater verliebt hatte. Sie erinnerte sich nur zu gut an ihre erste Begegnung…
*
Wie immer herrschte Hochbetrieb im St. Augustinus. Als Julian Mahler eingeliefert wurde, war er zunächst ein Patient unter vielen. Seine Lehrerin hatte ihn hergebracht, weil der Bub im Unterricht wiederholt über starke Bauchschmerzen geklagt hatte. Frau Burger hatte gleich beim ersten Mal mit Frank Mahler deswegen gesprochen. Doch ein Besuch beim Kinderarzt brachte keinen konkreten Hinweis. Die typischen Symptome einer Blinddarmentzündung waren nicht zu diagnostizieren. Als man Julian dann röntgte und die Aufnahmen betrachtete, stand fest, daß schnellstens gehandelt werden mußte.
Als Frank Mahler, den man benachrichtigt hatte, ins Krankenhaus stürmte, da war sein Sohn bereits operiert und lag auf der Intensivstation.
»Lassen S’ sich von dem Wort net erschrecken«, sagte Katharina
Hessler nach der Begrüßung zu dem Unternehmer. »Intensivstation heißt nix anderes, als daß Ihr Sohn hier besonders überwacht und versorgt wird. Er hat den Eingriff recht gut überstanden, und ich denk, daß wir ihn schon bald auf die Pflegestation verlegen können. Allerdings wird er schon ein Weilchen hierbleiben müssen.«
Frank Mahler machte indes immer noch ein besorgtes Gesicht. Julian war sein ein und alles, und er machte sich bittere Vorwürfe, nicht besser auf die Zeichen geachtet zu haben.
»Das sollten S’ net«, erklärte die Kinderärztin. »Sie haben alles getan, was möglich war. Selbst den Kollegen, der Julian untersucht hat, trifft keine Schuld. Nicht immer lassen sich die Symptome eindeutig feststellen. Es hätt’ sich genauso gut um einen Magen-Darmvirus handeln können.«
Frank nickte. Er war groß und schlank. Das markant geschnittene Gesicht drückte dennoch Besorgnis aus.
»Kann ich ihn sehen?« fragte er.
Kathie nickte.
»Natürlich. Kommen S’. Ich bring Sie zu ihm.«
Vor der Intensivstation zogen sie grüne Kittel über und betraten anschließend die Schleuse. Dann gingen sie einen Flur entlang. Aus den Zimmern hörte Frank Mahler die Geräusche der Geräte, an denen die Patienten angeschlossen waren, und er atmete tief durch.
Die Ärztin blieb vor einer Tür stehen und öffnete sie. Mit klopfendem Herzen trat der Mann ein und mußte gegen die Tränen ankämpfen, die ihm in die Augen traten, als er seinen Sohn so bleich in seinem Bett liegen sah.
»Julian…«, kam es leise über die Lippen.
Der Bub hatte die Augen geschlossen. In seiner linken Hand steckte eine Kanüle, von der ein Schlauch zu einem Tropf führte. Auf der kleinen Brust, die nur halb von dem Nachthemd bedeckt wurde, klebten Gummipropfen, in denen Kabel steckten. Automatisch wurden Herzschlag und Blutdruck gemessen. Alles in allem war es ein grauenhafter Anblick für den besorgten Vater.
Kathie schob ihm einen Hocker an das Bett.
»Setzen S’ sich«, sagte sie, mit warmer Stimme. »Fünf Minuten dürfen S’ bleiben. Dann gehen S’ besser und lassen den Buben sich erholen. Hier ist er bestens aufgehoben. Morgen, wenn S’ wiederkommen, wird er Sie schon wieder mit einem strahlenden Lächeln begrüßen.«
Frank hatte stumm genickt und sich gesetzt. Liebevoll streichelten seine Finger die Hand des Jungen, der auf einmal so zart und zerbrechlich wirkte.
Katharina Hesser schaute einen Moment auf die beiden und ahnte, daß es zwischen Vater und Sohn ein besonderes Band geben mußte, denn für einen Augenblick huschte ein zufriedenes Lächeln über Julians erschöpftes Gesicht.
Die Genesung des Buben machte gute Fortschritte.
Schon am zweiten Tag durfte er aufstehen, und sein Vater staunte nicht schlecht, als er ihn am Nachmittag besuchte, und Julian ihm auf dem Flur an Katharinas Hand entgegen kam.
»Wir haben Ihren Sohn bereits heute auf die Pflegestation verlegt«, erklärte die Kinderärztin. »Den Eingriff hat er gut überstanden, alles weitere wird die Zeit heilen.«
Jeden Tag, vier Wochen lang, kam Frank Mahler in das Krankenhaus, und Kathie freute sich jedesmal mehr, ihn zu sehen. Zwischen Julian und ihr hatte ein herzliches Verhältnis seinen Anfang genommen. Wenn sie einmal nicht da war, weil sie ihren freien Tag hatte, dann vermißte der Kleine sie schrecklich, und Kathie erging es ebenso. Noch nie hatte sie sich so auf ihre Arbeit gefreut wie in dieser Zeit.
Und noch nie hatte sie so viele gemalte Bilder erhalten, wie Julian ihr schenkte. Eines davon gefiel Kathie ganz besonders. Bäume, Büsche und Blumen stellten den Park des Krankenhauses dar, und die drei Figuren, die der Bub gekonnt gemalt hatte, sollten er selbst, sein Papa und Kathie sein. Das Bild war nach einem Spaziergang entstanden, den die drei gemacht hatten.
Das Herz der jungen Ärztin klopfte jedesmal vor Aufregung, wenn sie wußte, daß es nicht mehr lange dauerte, bis Frank Mahler ins Krankenhaus kam. An diesem Nachmittag hatte sie Vater und Sohn begleitet. Julian sollte bald entlassen werden, und Kathie wollte Frank ein paar Verhaltensmaßregeln mit auf den Weg geben.
»Vor allem sollte er noch net wieder zur Schule gehen«, erklärte sie. »Lassen S’ den Julian noch für ein paar Wochen zu Haus’.«
Frank Mahler nickte.
»Ich werd’ jemanden engagieren, der sich um ihn kümmert, während ich auf der Arbeit bin.«
»Das kann doch Oma Kornfeld machen«, warf der Bub ein.
Margarete Kornfeld war die Nachbarin, die sich oft um ihn kümmerte, wenn der Papa beschäftigt war.
»Ja, wir werden sie fragen«, nickte der Unternehmer.
Er schaute Katharina Hessler an, während Julian ein Stück vorausging.
»Der Bub wird Sie vermissen«, sagte er leise.
Die Kinderärztin nickte. Sie ahnte, daß Frank eigentlich damit ausdrücken wollten, daß er es war, der sie vermissen würde. Während der Wochen, die Julian im Krankenhaus verbracht hatte, war auch das Verhältnis zwischen ihr und seinem Vater vertrauter geworden. Es schien mehr als nur Sympathie zu sein, was sie füreinander empfanden, und doch wagte niemand, den ersten Schritt zu machen.
Als Vater und Sohn sich schließlich verabschiedeten, und Frank sich besonders bei ihr für die Fürsorge bedankte, die Kathie seinem Sohn entgegengebracht hatte, da hoffte die attraktive Ärztin eigentlich darauf, daß Frank sie um ein Wiedersehen bat.
Diese Bitte blieb allerdings aus, und enttäuscht wartete Kathie vergebens darauf, daß er sich noch einmal bei ihr meldete.
Allerdings kamen regelmäßig Bilder im Krankenhaus an, die Julian gemalt hatte. Inzwischen besaß sie eine ganze Menge davon, die sie mit nach Hause genommen hatte. Immer wenn sie sie anschaute, spürte Kathie, wie sehr sie den Kleinen vermißte.
Und seinen Vater…
*
Warum Frank Mahler den Kontakt nicht wieder aufgenommen hatte, wußte die Kinderärztin nicht. Auch jetzt, als sie im Bus saß, der sie zu ihrem Urlaubsziel brachte, dachte sie darüber nach. Lange Zeit hatte sie geglaubt, Anzeichen dafür zu sehen, daß Julians Vater ihre Gefühle erwiderte. Ein Blick, ein Wort, eine Geste. In ihren Träumen hatte sie sich schon als Julians Mutter gesehen, und sie erinnerte sich wehmütig an den Nachmittag, an dem der Bub ihre Hand genommen und sie angeschaut hatte.
»So müßt’s wohl sein, wenn einen die Mama an die Hand nimmt…«, hatte der Siebenjährige gesagt.
Katharina verspürte jetzt noch den Stich in ihrem Herzen, den diese Worte ihr versetzten. Zärtlich hatte sie ihm über den roten Haarschopf gestrichen und ihn fest an sich gedrückt.
»So, meine Herrschaften, wir sind da«, unterbrach sie die Stimme des Busfahrers, die über die Lautsprecher kam. »Das ist Sankt Johann. Ich wünsch’ Ihnen einen schönen Urlaub. Erholen S’ sich gut, in vierzehn Tagen hol’ ich Sie wieder ab.«
Der Bus hielt auf dem Parkplatz eines Hotels. Ein paar Urlauber hatten hier gebucht, andere sich für Privatpensionen entschieden. Auf dem Parkplatz warteten schon die Leute, die die Reisenden zu ihren Quartieren bringen sollten.
Katharina Hessler hatte die gemütliche Atmosphäre einer Pension vorgezogen. Hotels hatte sie schon eine ganze Menge gesehen, wenn sie zu Kongressen verreiste. Meistens hatte es ihr in Privatquartieren besser gefallen.
Ihr Blick fiel auf einen Mann, der ein Schild mit der Aufschrift ›Pension Stubler‹ in den Händen hielt.
»Grüß Gott«, sagte er. »Die Frau Stubler hat mich gebeten, Sie abzuholen. Frau Hessler und die Familie Wagner sollen es sein.«
Die Ärztin nickte, und die zwei älteren Leute, die im Bus vor ihr gesessen hatten, stellten sich als das Ehepaar heraus. Der Mann, den die Zimmerwirtin geschickt hatte, lud das Gepäck auf einen Handkarren.
»Es ist net weit«, sagte er und ging voran. »Hier um die Ecke.«
Kathie sah sich um. Sankt Johann war ein hübscher, kleiner Ort mit Häusern im typisch ländlichen Stil. Besonders schön waren die Lüftlmalereien, die die meisten Giebel verzierten. Dabei wirkte das Dorf keineswegs verschlafen. Überall herrschte reges Treiben. Autos fuhren und Traktoren, die Geschäfte waren geöffnet und Touristen spazierten umher.
Hier werd’ ich mich bestimmt wohl fühlen, dachte die Ärztin, während sie den anderen folgte. Bis zur Pension war es wirklich nicht weit; schon nach wenigen Minuten standen sie vor dem Haus, das sie bereits aus dem Prospekt kannten.
»Herzlich willkommen«, begrüßte Ria Stubler ihre Gäste.
Sie war eine gutaussehende Frau Anfang der Sechzig und natürlich trug sie ein Trachtenkleid mit einer weißen Schürze darüber. Daß die Wirtin ein besonders großes Herz hatte, wenn es um das Wohl ihrer Gäste ging, ahnte Katharina Hessler noch nicht, als sie ihren Zimmerschlüssel in Emfang nahm. Ria brachte sie hinauf in den ersten Stock und hoffte, daß die junge Ärztin mit dem Zimmer zufrieden sein würde.
»Es ist herrlich«, nickte Kathie. »Ich werd’ meinen Aufenthalt bei Ihnen genießen.«
Ria hatte in ihrem Leben schon viele Gäste kommen und gehen sehen, und irgendwie hatte sie in all den Jahren ein Gespür dafür entwickelt, welche es verdienten, ihre besondere Wertschätzung zu bekommen. Es war wohl die Sympathie auf den ersten Blick ausschlaggebend, und Katharina Hessler gehörte sofort dazu.
»Frühstück gibt’s ab sechs«, erklärte die Pensionswirtin. »Falls Sie mal eine Bergtour unternehmen wollen und deshalb früher aufstehen, bereit ich Ihnen natürlich alles gern vor. Inklusive Vesperpaket.«
»Vielen Dank«, nickte Kathie. »Dann werd’ ich mich mal einrichten.«
Ria Stubler nickte ihr zu und schloß die Tür hinter sich. Die Ärztin schaute sich um. Das Zimmer war geräumig, besaß ein eigenes Bad, und vom Fenster schaute man bis zu den Bergen.