Der Schneemann sieht alles - Hans-Jürgen Raben - E-Book

Der Schneemann sieht alles E-Book

Raben Hans-Jürgen

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Beschreibung

Der hochbetagte Alwin Timmen, Patriarch der Familie, »lädt« wie alle Jahre seine Anverwandten zum Weihnachtsfest ein, besser gesagt: Er zitiert sie heran. Seinen Enkel Heiner, der Anwalt ist, beauftragt er bei dieser Gelegenheit, alles in die Wege zu leiten, um sein gesamtes Vermögen in eine Stiftung umzuwandeln. Damit würde er seine Nachkommen, bei denen er den Stand eines tyrannischen Ekelpakets hat, enterben. Er schikaniert und demütigt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit und erfreut sich sogar daran.
Plötzlich tritt das ein, was jeder insgeheim erhofft: Er verstirbt unverhofft. Schnell stellt sich heraus, dass er keines natürlichen Todes gestorben ist und alle anwesenden Familienmitglieder ein Tatmotiv haben …

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Ähnliche


 

 

 

 

Hans-Jürgen Raben

 

 

Der Schneemann sieht alles

 

 

 

 

Ein Kriminalroman

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Kathrin Peschel, 2022

Lektorat/Korrektorat: Kerstin Peschel

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

23. Kapitel 

24. Kapitel 

25. Kapitel 

26. Kapitel 

27. Kapitel 

Epilog 

Der Autor Hans-Jürgen Raben 

Weitere Werke des Autors 

 

Das Buch

 

 

Der hochbetagte Alwin Timmen, Patriarch der Familie, »lädt« wie alle Jahre seine Anverwandten zum Weihnachtsfest ein, besser gesagt: Er zitiert sie heran. Seinen Enkel Heiner, der Anwalt ist, beauftragt er bei dieser Gelegenheit, alles in die Wege zu leiten, um sein gesamtes Vermögen in eine Stiftung umzuwandeln. Damit würde er seine Nachkommen, bei denen er den Stand eines tyrannischen Ekelpakets hat, enterben. Er schikaniert und demütigt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit und erfreut sich sogar daran.

Plötzlich tritt das ein, was jeder insgeheim erhofft: Er verstirbt unverhofft. Schnell stellt sich heraus, dass er keines natürlichen Todes gestorben ist und alle anwesenden Familienmitglieder ein Tatmotiv haben … 

 

 

***

 

 

 

Die Personen der Handlung:

 

Die Familie:

Alwin Timmen: der Patriarch

Waltraut Timmen: seine Halbschwester

Christoph Timmen: sein Sohn

Heiner Timmen: sein Enkel und Sohn von Christoph

Lars Timmen: sein Enkel und ebenfalls Sohn von Christoph

Ingrid Claassen: seine Tochter, verheiratet mit Jochen Claassen

Astrid Lohse: Tochter von Ingrid und Jochen, verheiratet mit Michael Lohse

Paul und Alexander: Astrids Kinder

Verena Steger: Heiners Freundin

 

Das Personal:

Emma Wohlers: Köchin und Haushälterin

Günther Förster: Fahrer, Gärtner und »Mädchen« für alles

Maria Czerny: Haushaltshilfe

 

Die Ermittler:

Jens Terborch: Kriminalhauptkommissar

Volker Kramer: Kriminalkommissar

 

Ein Schneemann

 

 

***

 

 

1. Kapitel

 

 

Weihnachten – die schönste Zeit des Jahres!

Symbol für den Frieden und die Liebe unter den Menschen.

Zeit der Besinnung und der Freude.

Oder?

Heiner Timmen hatte da so seine Zweifel. Er warf einen letzten Blick auf seinen alten BMW, der ihm über viele Jahre ans Herz gewachsen war. Ein Auto war für ihn ein Fortbewegungsmittel und kein Statussymbol wie für viele seiner Anwaltskollegen. Er wollte nicht wegen seiner Besitztümer bewundert werden, sondern wegen seiner Leistungen und seiner Persönlichkeit.

Ein leichter Schneefall hatte eingesetzt und bereits eine dünne weiße Decke über die Windschutzscheibe gelegt. Er verschloss den Wagen mit einem Knopfdruck und wischte sich die winzigen kalten Flocken aus dem Gesicht.

Es würde sicher weiter schneien. Der Wetterbericht war in dieser Beziehung sehr präzise gewesen. »Eine ungewöhnliche Wetterlage«, hatte es geheißen. Nach vielen schneefreien Wintern endlich mal wieder eine Jahreszeit, die diesen Namen verdiente.

Nun, Heiner Timmen war völlig anderer Ansicht. Schnee war für ihn nichts weiter als eine weiße, nasse Unannehmlichkeit, die warme Kleidung erforderte und das Autofahren behinderte. Die kalte Luft tat seinen Bronchien und seiner Nase nicht gut, und dann noch die allgemeine Rutschgefahr …

Er zerrte seinen metallenen Rollkoffer aus dem Kofferraum und beschloss, ihn in Anbetracht der Bodenverhältnisse lieber in der Hand zu tragen. Das Ding war schwerer als gedacht!

Er stapfte über den zum Haus gehörenden Parkplatz, und der überfrorene Schnee knirschte unter seinen schwarzen Halbschuhen, die für diesen Zweck völlig ungeeignet schienen. Der Alte hätte den schmalen Platz wirklich räumen lassen können! Es schneite schließlich schon seit mehreren Tagen immer wieder. Und auf dem Gelände lag inzwischen eine dicke Schicht Schnee, weiß und unberührt.

Na schön, es war Weihnachten, und in seiner Kindheit hatte es zu dieser Jahreszeit häufiger Schnee gegeben.

Heiner Timmen umrundete die Baumreihe aus mittelgroßen Kiefern, die den Parkplatz vom eigentlichen Grundstück trennten. Er blieb stehen und genoss für einen Moment den Anblick des Hauses.

Hier hatte er die ersten Jahre seines Lebens verbracht, Jahre, an die er kaum noch eine Erinnerung besaß. Er wusste nur, dass seine Eltern glücklich waren, als sie dieses Haus verlassen und endlich eine eigene Wohnung beziehen konnten. Weg von dem Alten, der nichts loslassen wollte, vor allem nicht seine Familie, die er als eine Art persönliches Eigentum betrachtete.

Heiner dachte kurz an seinen Bruder Lars, der unter den Launen des Alten noch mehr gelitten hatte als er selbst. Auch wenn ihre Eltern versucht hatten, sie vor ihm abzuschirmen, so war ihnen natürlich nicht entgangen, dass ihr Großvater ein schwieriger Mensch war.

Er stopfte seine Hände in die tiefen Taschen seiner wattierten Jacke und ging weiter. Handschuhe wären nicht schlecht gewesen. Lagen sie noch im Auto? Die paar Schritte zum Haus würde er wohl noch schaffen, auch wenn die Kälte in seine Haut biss.

Die Sonne war hinter dicken Wolken verborgen. Man sah nur einen dünnen Lichtstreif am Horizont. Alles schien nur noch grau in grau zu sein. Der Springbrunnen vor dem Haus sah aus wie die moderne Plastik eines Zuckerbäckers.

Daneben hatte jemand einen Schneemann gebaut. Ziemlich groß. Die dritte und kleinste Kugel, die den Kopf darstellte, war zur Seite gerutscht. Sie balancierte jetzt schräg auf der mittleren Kugel, gehalten von einem Stück Holz, das wohl als Nase diente. Ein schwarzer Zylinder, der aussah wie der letzte Rest einer Faschingsfeier, die vor Jahren zu Ende gegangen war, lag daneben, fast ganz von Schnee bedeckt.

Die Front des Hauses war hell erleuchtet. An allen Ecken waren starke Lampen angebracht, die für das nötige Licht sorgten, das von den Überwachungskameras gebraucht wurde.

Wie winzig diese Dinger heutzutage waren …

Das Sicherheitsbedürfnis des Alten schien in den letzten Jahren stark gewachsen zu sein. Heiner konnte sich nicht daran erinnern, dass die Lampen und Kameras früher schon dagewesen wären. Das letzte Weihnachtsfest im Kreis der Familie hatte er verpasst, da er sich mit einer starken Grippe herausgeredet hatte. Er hatte nicht gewagt, den Trick in diesem Jahr zu wiederholen.

Zum Glück war das Weihnachtsfest die einzige Gelegenheit, die ganze Familie im Haus zu versammeln. Seine Geburtstage feierte Alwin Timmen schon lange nicht mehr, und die Geburtstage seiner jüngeren Schwester zu feiern, die ebenfalls im Haus wohnte, kam ihm nicht in den Sinn.

Doch das Weihnachtsfest war ihm heilig! Da hatte die Familie zu erscheinen.

Der Alte konnte ziemlich gemein werden, wenn man ihm einen Wunsch abschlug. Und jetzt noch diese Paranoia mit den Überwachungskameras! Sollten sie dafür sorgen, dass niemand vorzeitig das Haus verließ?

Heiner Timmen grinste bei diesem Gedanken. Dafür war offenbar genügend Geld vorhanden. Normalerweise rückte der alte Geizknochen keinen Cent freiwillig heraus.

Heiner Timmen hatte die Haustür erreicht, nachdem er drei Stufen emporgestiegen war, die zu einem überdachten Vorbau führten. Wenigstens war hier der Schnee beseitigt worden. Das breite Dach bot zusätzlichen Schutz. Er wischte den schmutzigen Schnee von seinen Schuhen.

Wieso hatte er seine Fellstiefel nicht angezogen? Ihm war doch bewusst gewesen, worauf er sich hier auf dem Lande im Norden Hamburgs einzustellen hatte.

Auf der Mitte der Tür in Augenhöhe war ein Löwenkopf aus Messing angebracht. Aus seinem aufgerissenen Maul hing ein beweglicher Ring aus dem gleichen Material. Er betätigte den altertümlichen Türklopfer und schlug ihn heftig gegen das Holz. Das musste man im ganzen Haus hören.

Er fragte sich, was der Alte wohl von ihm wollte. Warum hatte er ihn schon einen Tag vor Heiligabend zu sich gebeten? War er endgültig senil geworden? Er musste doch schon deutlich über neunzig sein. Heiner überlegte, wann sein Großvater geboren worden war. Ende der zwanziger Jahre? Er war sich nicht sicher.

Was mochte er bloß von ihm wollen? Heiner konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal unter vier Augen mit dem Alten gesprochen hatte.

Und überhaupt! Er lachte kurz auf. Gebeten! Es war eher ein Befehl gewesen. Er klopfte noch einmal, diesmal nicht so stark. Schritte erklangen hinter der Tür.

Emma Wohlers öffnete ihm. Die resolut wirkende Dame um die fünfzig strahlte trotz ihrer geringen Größe beträchtliche Energie aus. Was ihr an Größe fehlte, ersetzte sie durch ihren Umfang. Sie war seit vielen Jahren die Haushälterin des Alten, und jeder in der Familie wunderte sich, wie es jemand so lange in diesem Haus aushalten konnte. Jedenfalls schien sie gut damit zurechtzukommen. Sie war allerdings nur tagsüber hier. Abends fuhr sie in ihre eigene Wohnung im nahe gelegenen Ahrensburg, wo sie inzwischen allein lebte.

Allerdings hatte sie auch im Haus ein eigenes Zimmer. Gelegentlich übernachtete sie hier, wenn der Alte es für angebracht hielt. Das Weihnachtsfest würde eine solche Gelegenheit sein, dachte Heiner. 

Ein breites Lächeln zog über ihr Gesicht. »Der junge Herr Heiner! Einen guten Abend wünsche ich. Man hat mir gar nicht gesagt, dass Sie heute schon kommen. Aber das macht nichts. Die Zimmer sind alle schon fertig.«

Sie trat beiseite und ließ ihn herein. »Haben Sie schon gegessen? Ich habe nichts für das Abendessen vorbereitet, aber ich könnte Ihnen rasch Spiegeleier auf Toast machen. Der alte Herr nimmt abends ja nur seine Milch und ein belegtes Brot zu sich.«

Heiner hob die Hand und stoppte ihren Redefluss. »Ist schon gut, Emma. Ich bin nicht hungrig. Verraten Sie mir nur, wo Sie mich heute untergebracht haben.«

Er starrte auf seine Schuhe, von denen Wassertropfen abperlten. Er musste sie unbedingt putzen. Der Alte legte Wert darauf, dass in seinem Haus niemand mit schmutziger Kleidung oder verdreckten Schuhen herumlief. Hier wirkte noch die Erfahrung seiner Kindheit nach.

»Da Sie der Erste sind, können Sie wählen. Entweder das Eckzimmer mit der roten Tapete oder gegenüber das frühere Kinderzimmer Ihres Herrn Vaters.«

»Ich nehme das Eckzimmer.«

Heiner Timmer griff seinen Koffer auf und ging auf die breite Treppe zu, die von der Mitte der Eingangshalle in den ersten Stock führte. Mit einem leichten Lächeln registrierte er den Treppenlift mit dem hochgeklappten Sitz. An den konnte er sich nicht erinnern. Ein Zeichen, dass der Alte noch gebrechlicher geworden war? Andererseits schlief er doch schon seit geraumer Zeit in seinem Arbeitszimmer im Erdgeschoss, gerade weil er das Treppensteigen als beschwerlich empfand.

Am Ende der Treppe begann ein breiter Korridor, der als Balustrade um das offene Treppenhaus herumführte. Von dort aus waren alle Zimmer zu erreichen. Ein weiteres Stockwerk gab es nicht, nur niedrige Böden über den Zimmern, die sie als Kinder zum Verstecken spielen genutzt hatten. Eine Glaskuppel über der Mitte der Halle sorgte für das nötige Licht. Er sah, dass sie dringend eine Reinigung gebraucht hätten.

»Soll ich dem alten Herrn Bescheid sagen, dass Sie eingetroffen sind?«, rief Emma ihm hinterher.

»Das sage ich ihm nachher selbst.«

»Er sitzt jetzt vor dem Fernseher in der Bibliothek.«

»Wo denn sonst?«, murmelte Heiner Timmen, während er die Treppe emporstieg.

Der Alte würde auf ihn warten müssen. Erst mal raus aus den Winterklamotten – und die Schuhe nicht vergessen!

Dann würde er sich anhören, was der Grund für seinen verfrühten Besuch war. Immerhin gab es einen Lichtblick. Seine Lebensgefährtin würde morgen ebenfalls anreisen. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, sie zu überzeugen. Denn bereits aufgrund seiner Erzählungen über die vergangenen Weihnachtsfeste in diesem Haus wirkte der Alte sehr abstoßend auf sie.

Sie hatten einen Kompromiss gefunden. Verena würde erst am Heiligabend kommen, so wie die anderen auch. Außerdem hatte sie darauf gedrungen, sofort nach dem Mittagessen am ersten Feiertag wieder abzureisen. Ihm war es recht gewesen.

Zwei Übernachtungen in diesem Haus waren für ihn die Grenze des Erträglichen. Da konnte der Alte noch so zetern!

 

 

2. Kapitel

 

 

Emma Wohlers überprüfte die Vorräte in der Tiefkühltruhe und verglich sie mit ihrer langen Einkaufsliste. Es schien alles vorhanden zu sein.

Das Abendessen am Heiligen Abend würde ohnehin kein Problem sein. Traditionell gab es Würstchen mit Kartoffelsalat. Den Riesenberg Kartoffeln musste sie allerdings noch schälen und kochen.

Nur der alte Herr bekam wie immer seinen Karpfen. Sie durfte nicht vergessen, ihn heute Abend noch zum Auftauen aus der Kühltruhe zu nehmen.

Für das große Weihnachtsessen am ersten Feiertag hatte sie auch schon einige Vorbereitungen getroffen. Die Kartoffelklöße würde sie zum Glück nicht von Hand machen müssen. Dafür gab es gute Fertigprodukte. Die Familie war beim Essen nicht wählerisch. Sie waren in einem Haus aufgewachsen, in dem das Essen nicht zu den wichtigen Dingen gehörte.

Nur für den Nachtisch hatte sie sich noch nicht entschieden. Eis mit Sahne oder Obstsalat?

Eis. Das wäre geklärt.

Was noch?

Ein Geräusch ließ sie herumfahren.

Waltraut, die jüngere Schwester des alten Herrn. Nun, eigentlich war sie seine Halbschwester. Sie war die Tochter der zweiten Frau ihres gemeinsamen Vaters, der nach dem Tod seiner ersten Frau die Ehe mit einer deutlich jüngeren eingegangen war. Die Beziehung der beiden Geschwister war nicht immer einfach. Sie war oft der Blitzableiter für die Wutanfälle ihres älteren Bruders gewesen. Leider bekam er solche Anfälle häufig, und es war mit zunehmendem Alter nicht besser geworden.

Waltraut lehnte am Türrahmen und blickte sich suchend in der großen Küche um. Ihre formlose Kleidung, die blasse Gesichtsfarbe und das wirre Haar machten einen traurigen und leicht ungepflegten Eindruck, und jeder, der sie sah und ihre Geschichte kannte, verspürte ein gewisses Mitleid.

Dennoch hielt sie sich mit ihren knapp achtzig Jahren immer noch sehr aufrecht. Sie blieb gern für sich und war als Gesprächspartnerin nicht sehr beliebt. Sie versuchte, ihrem Bruder aus dem Weg zu gehen, was nicht einfach war. Auf Fremde wirkte sie unsicher und schüchtern.

Emma empfand den Eindruck beunruhigend, dass jemand fast sein ganzes Leben im Haus des Bruders verbrachte – ohne die Aussicht, je ein eigenes Leben führen zu können.

---ENDE DER LESEPROBE---