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Die Woche ist ein merkwürdiger Rhythmus. Weder geht sie im Monat glatt auf noch im Jahr. Rein wirtschaftlich betrachtet ist die Woche das Unpraktischste, was unsere Zeiteinteilung in Sekunde, Minute, Stunde, Tag, Woche, Monat und Jahr zu bieten hat. Und dennoch hält sich fast die ganze Menschheit an diesen Siebener-Rhtyhmus. Was ließ im Altertum die aus Chaldäa stammende Siebentagewoche über die damals vielfältigen anderen Monatsteilungen, wie die Fünftagewoche der Sumerer, die Achttagewoche der Römer, die Neuntagewoche der Babylonier oder die Zehntagewoche der Ägypter, triumphieren? Die Antwort, zeigt Wolfgang Held, liegt im Menschen. Aus einem vertieften Verständnis für den eigentümlichen Rhythmus der Woche kann der Mensch Kraft und Inspiration für die Gestaltung seines Lebens schöpfen.
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Seitenzahl: 33
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Wolfgang Held
Leben mit dem Rhythmus der Woche
Verlag Freies Geistesleben
Den Raum haben wir erobert. Jeder Landstrich ist vermessen worden, selbst der entlegenste Fleck ist aufgezeichnet und mit technischen Bewegungsmitteln erreichbar. Heutige Entdeckungsreisen spielen sich nicht mehr im Raum ab, sondern in derjenigen Dimension, die uns noch viele Rätsel aufgibt: die Zeit. Hier liegt im 21. Jahrhundert die terra incognita, das unbekannte Land. Sei es die Zeitstruktur der menschlichen Biographie oder das rhythmische Gefüge der Tagesund Jahreszeiten in der Seele und im Organismus: immer umfassender entdecken wir, dass Zeit nicht gleichförmig fließt, wie das Bild der Sanduhr es nahe legt, sondern ein Gewebe verschiedenster wechselnder Qualitäten ist. Sie zu bemerken, zu verstehen und zu nutzen gehört zu unseren Kulturaufgaben.
Die in den folgenden Kapiteln beschriebene Entdeckungsreise in das Gefüge der 7-Tage-Woche soll wie jeder gute Reiseführer vor allem eines leisten: anregen, eigene Entdeckungen zu machen, um sie gedanklich zu durchdringen und für die Lebensführung nutzbar werden zu lassen.
Besonders bedanken möchte ich mich bei Hartwig Schiller, dessen Hinweis zur Woche mich veranlasste, mich mit den Eigenschaften der Wochentage zu befassen, und bei meinem Vater, Berthold Held, dessen stilistische Hinweise mir eine große Hilfe waren.
Dornach, im Juli 2004
Wolfgang Held
Die menschliche Psyche wird gerne mit dem Meer verglichen. Nicht nur, dass das Meer ebenso weit und unergründlich wie die menschliche Seele scheint, beide haben noch etwas anderes Zentrales gemeinsam: die Bewegung. Zwar scheint es beim Wasser immer etwas Äußeres zu sein, wie beispielsweise Wind oder ein Gefälle, durch das es in Bewegung versetzt wird, aber ein genauerer Blick zeigt, dass die Bewegung ganz eng zum Charakter des Wassers selbst gehört. Ein einfacher Versuch kann dies illustrieren: man lässt über eine schräg gestellte Glasscheibe ein Wasserrinnsal laufen: Das Wasser folgt zwar der
Neigung der Platte, das heißt der Schwerkraft, aber es sucht dabei seinen eigenen geschwungenen Weg, der sich ständig geringfügig ändert. Im Wasser steckt eine Tendenz zum Schwingen, eine innere Regsamkeit, die über lange Zeiten hinweg zu den wunderbar geschwungenen Flussmäandern führt, die sich in die Landschaft eingraben, wenn das Wasser nicht durch Kanalisierung in ein gerades Bett gezwungen wird. Doch selbst wenn das Wasser nicht fließt, ist es meistens in Bewegung, beziehungsweise in Erwartung der Bewegung: ein leiser Windhauch reicht, ein Flossenschlag genügt und schon antwortet das Wasser durch rhythmische Wellenbewegungen, aber es braucht die Anregung von außen, um in sein Schwingen zu kommen.