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Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Dr. Daniel Norden saß wie auf Kohlen, denn Margit Novak wurde wieder einmal nicht damit fertig, ihre sämtlichen Leiden aufzuzählen. Sie war Mitte Vierzig, befand sich in der Midlife Crisis und hatte eine panische Angst, an Krebs zu erkranken, wenn sie nur irgendwo den geringsten Schmerz spürte. Es nützte auch nicht viel, wenn Dr. Norden ihr sagte, daß manch eine froh sein würde, so gesund zu sein wie sie. Dr. Norden wollte nach Hause. Seine Frau hatte Geburtstag, und er wollte wenigstens den Abend im Kreis der Familie verbringen, da die letzten Wochen ihm praktisch nur Zeit für ein hastiges Mittagessen gelassen hatte. Dorthe Harling kam als rettender Engel ins Sprechzimmer. Sie kannte jetzt Frau Novak schon, um es zu wissen, daß dem stets geduldigen Chef auch mal der Kragen platzen konnte. »Ein Notfall«, sagte Dorthe mit einem bedeutungsvollen Blick und Dr. Norden sprang sogleich mit einem Seufzer auf. »Sie haben es gehört, Frau Novak, Sie müssen mich entschuldigen«, erklärte er. »Aber ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, daß ich nachts mindestens dreimal aufwache«, sprudelte es über ihre sorgfältig geschminkten Lippen. Doch Dr. Norden warf Dorthe nur einen dankbaren Blick zu, griff nach seinem Arztkoffer und entschwand mit einem hastigen Gruß. »Er hat wirklich nie Zeit«, sagte Margit Novak unwillig, »immer diese Hetze.« »Sie sind aber schon eine Viertelstunde hier, Frau Novak.« Dorthe wurde mit einem vorwurfsvollen Blick bedacht. »Schließlich bin ich auch Privatpatientin«, erklärte sie, »und ich lese immer wieder in den Zeitungen, daß man beizeiten zu Vorsorgeuntersuchungen gehen solle.« »Sie haben ein ausgezeichnetes EKG, normalen Blutdruck,
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Seitenzahl: 139
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Dr. Daniel Norden saß wie auf Kohlen, denn Margit Novak wurde wieder einmal nicht damit fertig, ihre sämtlichen Leiden aufzuzählen. Sie war Mitte Vierzig, befand sich in der Midlife Crisis und hatte eine panische Angst, an Krebs zu erkranken, wenn sie nur irgendwo den geringsten Schmerz spürte. Es nützte auch nicht viel, wenn Dr. Norden ihr sagte, daß manch eine froh sein würde, so gesund zu sein wie sie.
Dr. Norden wollte nach Hause. Seine Frau hatte Geburtstag, und er wollte wenigstens den Abend im Kreis der Familie verbringen, da die letzten Wochen ihm praktisch nur Zeit für ein hastiges Mittagessen gelassen hatte.
Dorthe Harling kam als rettender Engel ins Sprechzimmer. Sie kannte jetzt Frau Novak schon, um es zu wissen, daß dem stets geduldigen Chef auch mal der Kragen platzen konnte.
»Ein Notfall«, sagte Dorthe mit einem bedeutungsvollen Blick und Dr. Norden sprang sogleich mit einem Seufzer auf.
»Sie haben es gehört, Frau Novak, Sie müssen mich entschuldigen«, erklärte er.
»Aber ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, daß ich nachts mindestens dreimal aufwache«, sprudelte es über ihre sorgfältig geschminkten Lippen. Doch Dr. Norden warf Dorthe nur einen dankbaren Blick zu, griff nach seinem Arztkoffer und entschwand mit einem hastigen Gruß.
»Er hat wirklich nie Zeit«, sagte Margit Novak unwillig, »immer diese Hetze.«
»Sie sind aber schon eine Viertelstunde hier, Frau Novak.«
Dorthe wurde mit einem vorwurfsvollen Blick bedacht. »Schließlich bin ich auch Privatpatientin«, erklärte sie, »und ich lese immer wieder in den Zeitungen, daß man beizeiten zu Vorsorgeuntersuchungen gehen solle.«
»Sie haben ein ausgezeichnetes EKG, normalen Blutdruck, die Laborwerte sind auch nicht zu beanstanden…«
»Aber Sie können es wohl nicht beurteilen, woher meine Beschwerden kommen«, sagte Margit Novak gereizt. »Loni hat sich nicht so aufgespielt, als wäre sie genausogut wie Dr. Norden.«
»Es liegt mir völlig fern, mich aufzuspielen«, sagte Dorthe ruhig. »Es sollte doch eine Beruhigung für Sie sein, daß Ihnen nichts Ernsthaftes fehlt, Frau Novak.«
»Nun, Sie können sich Ihre Kommentare sparen«, zischte Frau Novak, dann ging sie.
Franzi, die junge Helferin stöhnte erleichtert auf. »Wenn alle so wären, würde ich vielleicht doch lieber noch mal zur Schule gehen«, sagte Franzi.
»Aber zum Glück sind nur wenig so«, stellte Dorthe mit einem flüchtigen Lächeln fest. »Es ist nun mal so, Franzi, daß man auch mit solchen Leuten auskommen muß.«
»Sie hat Geld, hat ein Haus, einen tollen Wagen, was will sie denn noch mehr«, meinte Franzi.
»Ihr fehlt der Mann«, stellte Dorthe beiläufig fest.
»Liebe Güte, sie könnte doch sicher leicht wieder einen bekommen«, meinte Franzi.
»Sie stellt Ansprüche, Franzi. Und sie will doch ihre Witwenrente nicht verlieren. Männer, die Geld haben, nehmen lieber eine hübsche Jüngere, und die andern, da hat Frau Novak wohl schon ein paar trübe Erfahrungen gesammelt. Aber dennoch, manche Frauen fühlen sich allein nur als halber Mensch.«
»Bei Mutti war es nie so, Dorthe. Würdest du wieder heiraten wollen?«
Sie durfte du sagen, denn Dorthe Harling hatte sich mit Franzi und deren Mutter Lotte Spar bald angefreundet, und sie verstanden sich ausgezeichnet, da Dorthe wie auch Franzis Mutter schon bittere Erfahrungen im Leben hatten sammeln müssen.
»Nein, ich würde nie mehr heiraten«, sagte Dorthe ruhig.
»Was ist eigentlich mit Jocelyn, deiner Tochter, darf ich das fragen? Du hast schon lange nichts mehr gesagt.«
»Sie hat auch schon lange nicht mehr geschrieben«, erwiderte Dorthe leise. »Vielleicht hat sie einen Freund und will doch lieber in Südafrika bleiben.«
»Wo es da so gräuslich zugeht« meinte Franzi.
Dorthe wandte sich ab und fuhr sich verstohlen über die Augen.
»Gell, Dorthe, du hast Angst, daß ihr was passieren könnte«, sagte Franzi leise. »Sprich doch mal mit dem Chef. Der kennt doch auch einen Arzt, der nach Kapstadt gegangen ist. Der könnte sich doch mal nach Jocelyn erkundigen, da ihr Vater auch Arzt ist.«
Jocelyns Vater, Dorthes geschiedener Mann, für sie war dieses Kapitel ihres Lebens doch noch nicht abgeschlossen, da sie so sehr gehofft hatte, daß Jocelyn nun zu ihr kommen würde, wie sie es so oft geschrieben hatte. Aber nach Weihnachten war plötzlich kein Brief mehr gekommen.
Der Gong ertönte, und sie unterbrachen die Unterhaltung. »Kommt jemand?« fragte Franzi.
»Angemeldet ist niemand mehr, und der Chef wird heute auch nicht mehr gestört.«
Aber sie ging doch zur Tür, und vor dieser stand Dr. Frank Fehringer, der junge Rechtsanwalt, der seine Kanzlei eine Etage höher hatte.
»Hallo, Dr. Fehringer, ist was?« fragte Dorthe.
»Dr. Norden ist nicht mehr da?« fragte Frank zögernd.
»Nein, fehlt Ihnen etwas?« Dorthe sah, daß er sehr blaß war.
»Nicht direkt, aber wäre morgen ein Termin für mich frei?« fragte er. »Ich hätte nur mal ein paar Fragen.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Dorthe. »Für Sie bestimmt. Wann paßt es Ihnen denn am besten?«
»Gleich morgens, oder sonst mittags.«
»Sagen wir gleich acht Uhr, und wenn Sie ein paar Minuten früher kommen, wäre es noch besser.«
»Danke, dann morgen früh«, sagte er. »Einen guten Abend wünsche ich den Damen.«
»Ihnen auch«, erwiderten Dorthe und Franzi wie aus einem Munde.
»Er ist mächtig nett«, sagte Franzi. »So ein Mann könnte mir auch gefallen, wenn ich erst mal erwachsen bin. Ich habe ihn neulich mal mit Stefanie Wilken gesehen. Also, die sieht toll aus, Dorthe, und immer nach der letzten Mode gekleidet.«
»Das allein macht’s auch nicht aus«, erwiderte Dorthe gleichmütig.
»Ich meine ja nur so«, sagte Franzi verlegen. »Sie ist auch nett.«
Dem konnte Dorthe nicht widersprechen, wenngleich sie für sich meinte, daß Stefanie Wilken es wohl mit Dr. Fehringer nicht ernst meinte, denn sie hatte diese sehr reizvolle junge Dame auch schon mit einem an deren Mann gesehen, der etwas flotter wirkte als der junge Anwalt.
Stefanie Wilken war ein kapriziöses Mädchen, und sie war auch clever. Sie war die beste Werbung für ihren Vater, der eine Fabrikation für exclusive Damenmode besaß, die allerdings erst Berühmtheit erlangt hatte, seit Stefanies Bruder Lutz sich als Modeschöpfer einen Namen gemacht hatte.
Freilich war sie die Inspiration für Lutz gewesen, aber dadurch hatte sie mit Evasschläue ihren Vater auch für Lutz interessiert. Da hatte es nämlich gewaltige Spannungen gegeben, weil Lutz die Schule nur mit Ach und Krach geschafft hatte, und weil ein Studium für ihn von vornherein nicht in Frage kam.
Die Eltern waren geschieden, die Mutter hatte einen reichen Hotelier geheiratet, nachdem ihr Mann erst einmal mächtig zur Kasse gebeten worden war, was ihn dann auch sehr zurückgeworfen hatte. Lutz hatte sich allein über Wasser gehalten, Stefanie war ein Jahr bei der Mutter geblieben, aber mit dem Stiefvater war sie nicht zurechtgekommen, und so war sie zu ihrem Vater zurückgekehrt, inzwischen mündig und auch sehr selbstbewußt. Stefanie war so intelligent und clever, wie ihr Bruder Lutz creativ und nur künstlerisch interessiert. Und er war äußerst sensibel.
Seine ersten Entwürfe hatte Stefanie ihrem Vater als Produkte einer Bekannten untergejubelt, aber als Georg Wilken hellauf begeistert war und die Bekannte unter Vertrag nehmen wollte, war Stefanie mit der Wahrheit herausgerückt.
Da hatte ihr Vater jedoch gemeint, daß es dann wohl mal wieder so spinnöse Ideen seines verweichlichten Sohnes sei.
Stefanie hatte ihm den Marsch geblasen. Lutz sei nicht verweichlicht, und wenn er als Kind verhätschelt worden wäre, müßte man die Schuld doch wohl den Eltern geben, hatte sie gesagt. Sie hing mit so inniger Liebe an ihrem Bruder, daß er der einzige Mensch war, auf dessen Rat sie auch mal hörte.
Stefanie war an diesem Abend mit Frank Fehringer verabredet. Sie wollten ein Sinfoniekonzert besuchen. Wie meistens, war Stefanie auch diesmal wieder mit Verspätung bei der Residenz, aber sie entschuldigte sich atemlos damit, daß sie keinen Parkplatz gefunden und dann Schneeberge hätte überqueren müssen.
»Es ist aber ruhig hier«, meinte sie dann leicht irritiert.
»Das Konzert hat schon angefangen, aber es ist Umbesetzung wegen verschiedener Erkrankungen. Auch David Delorme mußte absagen. Also können wir irgendwo nett essen gehen.«
Sie hatte nichts dagegen, denn wenn David Delorme nicht spielte, hatte sie kein Interesse an dem Konzert. Sie schwärmte schon Jahre für den berühmten Pianisten und Dirigenten, und es gefiel ihr gar nicht, daß Delorme glücklich verheiratet war.
An eine feste Bindung dachte Stefanie nicht. Ja, David Delorme, für ihn hätte sie ihre Freiheit gern aufgegeben, aber für einen andern Mann? Nicht für Frank Fehringer, auch nicht für Rolf Ronneberg oder für einen andern, der sich um sie bemühte.
Stefanie hatte schon ganz bestimmte Vorstellungen über ihre weitere Zukunft. Natürlich wollte sie nur einen prominenten Mann heiraten und, sich ihres Wertes bewußt, auch eine Rolle in der Gesellschaft spielen.
Freilich wollte sie vorerst aber auch nicht auf männliche Begleitung verzichten, und sie konnte auch wählen, mit dem wie sich sehen lassen wollte.
Man mußte ihr zugute halten, daß sie, zumindest was Frank Fehringer betraf, einen recht sicheren Instinkt für Qualität bewies. Auch Rolf Ronneberg war ein erfolgreicher junger Mann, aber Stefanie spürte doch schon, daß man ihm nicht so vertrauen konnte wie Frank.
Aber für sie war es auch so ein Spielchen, daß sie keinem von beiden große Hoffnungen machte. Frank gingen ihre Andeutungen über Rolf unter die Haut, aber er ließ es sich nicht anmerken. Stefanie war jung, bezaubernd und sehr umschwärmt, und Frank beschäftigten seit ein paar Wochen Gedanken und Sorgen, die seine Unternehmungslust lähmten.
Stefanie mußte an diesem Abend feststellen, daß er recht schweigsam war. Es war ein sehr gutes Restaurant und das Essen war excellent, was Stefanie auch genoß, denn Appetit hatte sie immer, wenn ihr gute Sachen vorgesetzt wurden, und sie hatte dazu das Glück, nicht um ihre Figur fürchten zu müssen.
»Fehlt dir was, Frank?« fragte sie ganz beiläufig, weil es ihm an Appetit zu mangeln schien.
»Nein, ich habe heute schon mal mit einem Mandanten gegessen«, erwiderte er hastig. »Es war auch eine anstrengende Woche.«
»Dann schlaf dich am Wochenende mal ordentlich aus«, sagte sie.
»Ich fahre mit Rolf nach Davos. Du weißt doch, daß er meinen Stiefvater gut kennt. Und ich muß Mama auch mal wieder besuchen.«
In Frank lehnte sich etwas auf, aber er brächte es nicht fertig, das zu sagen, was er dachte. Nämlich, daß er eifersüchtig auf Rolf war. Andererseits stimmte es ihn versöhnlich, daß Stefanie so offen darüber sprach.
»Du magst Rolf wohl sehr?« fragte er wenig später ganz vorsichtig.
»Bestimmt nicht mehr als dich«, erwiderte sie mit einem schelmischen Lächeln, »und genau genommen betrachte ich dich als meinen besten Freund, Frank.«
»Das sollst du immer, Steffi«, sagte er leise. »Du siehst wirklich müde aus. Machen wir für heute Schluß. Das Wetter macht einen ja mürbe. Eigentlich könntest du doch auch mit nach Davos kommen. Ich bringe dich schon unter.«
»Das würde Rolf sicher nicht gefallen«, sagte er.
»Ach was, er braucht sich doch nicht einzubilden, daß er eine Sonderstellung bei mir einnimmt. Er ist nett und unterhaltend.«
»Was ich nicht bin«, meinte Frank.
»Heute nicht«, entgegnete sie nachdenklich, »aber du bist ein feiner Mensch, Frank, ich weiß das zu schätzen.«
»Danke«, sagte er, nahm ihre Hand und küßte ihre Fingerspitzen. »Danke auch dafür, daß du immer so ehrlich bist, Steffi.«
Sie tippte mit dem Zeigefinger auf seine Nasenspitze. »Du wirst doch hoffentlich niemals denken, daß ich so oberflächlich bin, euch gegeneinander auszuspielen, oder gar heimlich zu tun. Rolf weiß genau, daß ich dich als einen wahren Freund betrachte.«
In ihren Augen war kein Falsch, ihr Lächeln war warm und bezwingend.
»Ich bin sehr froh darüber, Steffi«, sagte er leise. »Vielleicht komme ich für einen Tag nach Davos, wenn ich es zeitlich einrichten kann. Ich habe viel am Hals zur Zeit.«
»Sorgen?« fragte sie sinnend.
Sie ist ganz und gar nicht oberflächlich, dachte Frank. Sie kann in den Augen lesen oder hat es im Gefühl.
»Nur ein paar schwierige Fälle«, erwiderte er ausweichend.
»Scheidungen?« fragte sie.
»Eine, das andere ist eine Strafsache.«
»Daß die Menschen erst heiraten und sich dann wieder scheiden lassen«, sagte sie unwillig. »Ich habe aus der Ehe meiner Eltern gelernt. Es ist doch besser, wenn man erst gar nicht heiratet.«
»Ich glaube nicht, daß man voraussagen kann, wie man sich selbst oder der andere entwickelt, Steffi, und es ist wohl besser, wenn man sich trennt, als sich gegenseitig aufzureiben.«
»Meine Eltern waren zwanzig Jahre verheiratet, als sie plötzlich herausfanden, daß sie sich nicht verstanden. Sie hatten zwei Kinder und keine finanziellen Sorgen. Aber lassen wir das, ich werde so etwas niemals verstehen.«
Frank hatte über seine Eltern nie gesprochen, und Stefanie stellte diesbezüglich keine Fragen. Sie war nicht neugierig,und sie hatte ein angeborenes Taktgefühl.
Als sich Frank aber an diesem Abend von ihr verabschiedete, hatte sie auch das Gefühl, ihm etwas besonders Nettes sagen zu müssen.
Aber da sagte er: »Dann viel Spaß am Wochenende, Steffi.«
»Du hast gesagt, daß du vielleicht auch kommst«, bemerkte sie trotzig, und sie wußte selbst nicht, warum sie plötzlich enttäuscht war, als er nur erwiderte: »Ja, vielleicht, ich kann es nicht sagen.«
Lutz war noch in seinem Atelier, als Stefanie heimkam. Sie wohnten beide im Elternhaus, das ja nun so nicht mehr genannt werden konnte, da sich der Vater in einer modernen Stadtwohnung etabliert hatte. Aber irgendwie nahmen sie beide das nicht mehr so tragisch. Lutz hatte sich gedanklich schon früher von den Eltern entfernt, da er die Spannungen deutlicher gespürt hatte als Stefanie, die ja vier Jahre jünger war als er. Lutz war heimgekehrt, nachdem er sich mit seinem Vater versöhnt hatte, sofern man da von Versöhnung reden konnte, denn Lutz hatte dem Älteren nie gegrollt. So sensibel er auch war, er hatte früh gewußt, was er beruflich tun wollte. Allerdings hatte er zuerst im Auge gehabt, Designer für Stoffe und Tapeten zu werden.
Als Lutz Stefanie kommen hörte, kam er herunter. »Hallo, wie war das Konzert?« fragte er.
»Ich bin zu spät gekommen, und David Delorme hat wegen Erkrankung abgesagt«, erwiderte sie.
»Aber Frank hat natürlich geduldig auf dich gewartet«, sagte Lutz anzüglich.
»Ja, er hat gewartet. Findest du das etwa nicht gut?« fragte sie.
»Ich fände es gut, wenn du nicht zwischen zwei Männern hin und her pendeln würdest, Steffi«, sagte Lutz nachdenklich.
»Ich pendele doch nicht, und Frank weiß auch, daß ich mit Rolf nach Davos fahre«, gab sie hastig zur Antwort.
»Und eben das finde ich nicht richtig«, meinte er.
»Soll ich etwa schwindeln?«
»Nein, du solltest dich entscheiden. Es könnte nämlich sein, daß du sonst beide eines Tages los bist, und dann schaust du dumm aus der Wäsche.«
Sie legte den Kopf zurück. »An Heirat denke ich nicht«, sagte sie spöttisch.
»Dann ist es okay.«
»Und Frank verliere ich als Freund nicht. Unsere Freundschaft wird ewig halten.«
»Wenn das eine Brücke sein soll, würde ich nicht darüber gehen«, sagte Lutz ruhig. »Er wird sicher mal heiraten, und manche Frauen sind nicht so großmütig wie du.«
»Du meinst, er würde eine andere heiraten?« fragte sie verwundert.
Lutz lachte auf. »Warum denn nicht, wenn du nein sagst. Und es gibt nette Frauen, die sehr treu sein können.«
»Liebe Güte, da kenne ich aber bisher nur eine, die auch bei anderen Männern riesige Chancen hätte und wirklich treu ist, nämlich Fee Norden.«
Er sah sie nachdenklich an. »Aber irgendwie scheint es bei dir doch einen Komplex verursacht zu haben, daß unsere Eltern sich getrennt haben.«
»Ich verstehe es auch heute noch nicht, das habe ich auch zu Frank gesagt«, erklärte Stefanie. »Da ist mir Papa doch noch lieber als dieser Capell.«
»Er war halt ihre erste Liebe. Der unvergessene Jugendfreund, den sie nach langer Zeit wiederfand, und von dem sie wohl insgeheim geträumt hatte«, sagte Lutz sarkastisch. »Vielleicht geht es dir auch mal so, wenn du dich mit deinem Ehemann langweilst und triffst dann Frank wieder.«
»Manchmal bist du einfach ekelhaft«, fauchte sie ihn an.
»Ich möchte dir nur raten, mal darüber nachzudenken, was Frank und Rolf sich so denken, denn die beiden sind doch weiß Gott keine Freunde, die gerne teilen.«
»Was heißt denn teilen«, begehrte Stefanie auf. »Ich räume keinen von beiden Rechte ein. Was denkst du eigentlich von mir?«
»Daß du in mancher Hinsicht sehr naiv bist, Schwesterlein. Paß nur schön auf, daß dein Rolf in Davos nicht zum Angriff übergeht in Übereinstimmung mit Mama und ihrem Roger.«
»Was du so denkst«, murmelte sie, aber als sie ihm gute Nacht gewünscht hatte, dachte sie über diese Bemerkung doch noch nach.
*
Im Hause Norden hatte man Fees Geburtstag im Familienkreis gefeiert, wenngleich David und Katja Delorme fehlten, denn David war tatsächlich erkrankt. Eine böse Grippe mit starken Gelenkschmerzen hatte ihn erwischt, und so konnte er tatsächlich nicht spielen.
Aber Anne und Johannes Cornelius waren für ein paar Tage von der Insel der Hoffnung gekommen, und die Kinder waren glücklich, daß Omi und Opi mal wieder bei ihnen waren.