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Wenn wir an Weihnachten denken, werden bei uns allen bestimmte Vorstellungen wach. Wir sehen brennende Lichter an geschmückten Bäumen, wir sehen strahlende Kinderaugen, die voll freudiger Erregung auf den Weihnachtsmann warten, und wir denken an verpackte Geschenke, die neugierig auf ihren Inhalt machen. Wir haben ein Gefühl von Frieden und fühlen uns glücklich im Kreis der Familie, mit der wir dieses Fest gemeinsam feiern.
Doch was wäre, wenn all diese Erwartungen plötzlich durch völlig überraschende, weniger schöne Ereignisse abgelöst würden, die dieses wunderbare Fest zu etwas ganz anderem werden lassen?
Diese Weihnachtskrimi-Sammlung enthält Geschichten, in denen es kein frohes Weihnachtsfest gibt und in denen die Hoffnung auf friedliche Tage arg enttäuscht wird …
In diesem Band sind folgende kurze Weihnachtskrimis enthalten:
Ein tödliches Geschenk
Der Mann am Tropf
Der Weihnachtsmann ist tot
Nützliche Geschenke
Das zweite Licht
Der Baum brennt nicht
Papas alte Freundin
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
Blut in der Krippe
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Hans-Jürgen Raben
Der Weihnachtsmann ist tot
Eine Krimi-Sammlung
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Kathrin Peschel, 2022
Lektorat/Korrektorat: Kerstin Peschel
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Ein tödliches Geschenk
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
Der Mann am Tropf
1. Kapitel
2. Kapitel
Der Weihnachtsmann ist tot
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
Nützliche Geschenke
Das zweite Licht
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
Der Baum brennt nicht
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
Papas alte Freundin
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
Blut in der Krippe
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
Der Autor Hans-Jürgen Raben
Weitere Werke des Autors
Wenn wir an Weihnachten denken, werden bei uns allen bestimmte Vorstellungen wach. Wir sehen brennende Lichter an geschmückten Bäumen, wir sehen strahlende Kinderaugen, die voll freudiger Erregung auf den Weihnachtsmann warten, und wir denken an verpackte Geschenke, die neugierig auf ihren Inhalt machen. Wir haben ein Gefühl von Frieden und fühlen uns glücklich im Kreis der Familie, mit der wir dieses Fest gemeinsam feiern.
Doch was wäre, wenn all diese Erwartungen plötzlich durch völlig überraschende, weniger schöne Ereignisse abgelöst würden, die dieses wunderbare Fest zu etwas ganz anderem werden lassen?
Diese Weihnachtskrimi-Sammlung enthält Geschichten, in denen es kein frohes Weihnachtsfest gibt und in denen die Hoffnung auf friedliche Tage arg enttäuscht wird …
***
Folgende Kurzkrimis sind in diesem Band enthalten
Ein tödliches Geschenk
Der Mann am Tropf
Der Weihnachtsmann ist tot
Nützliche Geschenke
Das zweite Licht
Der Baum brennt nicht
Papas alte Freundin
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
Blut in der Krippe
***
Die richtige Auswahl eines Weihnachtsgeschenkes scheint oft mühsam, und manchmal ist sogar eine finstere Absicht mit der Übergabe eines Geschenkes verbunden, um etwas zu erreichen, das überhaupt nicht im Sinne des Beschenkten ist. Doch was wäre, wenn die erwarteten Folgen ganz anders ausfielen als erhofft?
Es klirrte leise hinter ihrer Limousine, als der Chauffeur die Kette einhängte, die den Privatweg zum Chalet versperrte. Das Geräusch übertönte mit Leichtigkeit den flüsterleisen Motor des Bentleys. Ein großes Schild neben der Kette verkündete in deutscher und englischer Sprache, dass dies ein privater Besitz sei und die Durchfahrt nicht erlaubt wäre.
Als der Chauffeur seinen Platz hinter dem Steuer einnahm, tauchten ihre Blicke kurz ineinander. Anton stammte hier aus der Gegend, sah aber aus wie ein Italiener. Seine schwarze Lockenpracht wurde durch die Mütze nur mühsam gebändigt. Die strahlenden Augen unter den langen Wimpern wirkten verführerisch, und seine muskulöse und schlanke Gestalt machten ihn für viele Frauen zu einem Hingucker. Auch Tanja war davon nicht unberührt geblieben. Sie lächelte und wusste, dass Anton es im Rückspiegel sehen würde.
Nur wenn er den Mund aufmachte, zerstob die Illusion. Hier machte sich die unzureichende Schulbildung bemerkbar. Tanja lächelte stärker. In ihrer Vorstellung brauchte sie ihn nicht als Lehrer, zumindest nicht für irgendwelche theoretischen Wissensvermittlungen. In anderer Hinsicht war er jedoch bestimmt phänomenal. Sie malte sich ein paar Dinge aus, von denen ihr Mann keinesfalls erfahren durfte.
Eigentlich war Anton mehr als ein Chauffeur. Er kümmerte sich das Jahr über um das Grundstück, erledigte Gartenarbeiten und kleine Reparaturen und säuberte regelmäßig den Pool. Rolf betrieb mit seinem Chalet einen ziemlichen Aufwand, wenn man bedachte, dass sie nur wenige Tage des Jahres hier verbrachten. Tanja war heute erst zum dritten Mal hier. Anton hatte sie und ihren Mann früh am Morgen in München abgeholt. Er war ein guter und rücksichtsvoller Fahrer.
Schweigend fuhren sie die lange Gerade empor, die direkt zum Chalet führte. Sein Chalet, wie er immer wieder betonte. Mit dem großartigsten Blick, den Österreich zu bieten hatte. Auch das war eine der Behauptungen, mit denen er vor anderen so gern angab.
Rechts und links des schmalen Weges türmten sich hohe Schneemauern auf. Ein privat gemieteter Schneepflug hatte die Zufahrt freigeräumt, sodass Anton die schwere Limousine problemlos beschleunigen konnte. In der Tat war die Aussicht großartig. Unter ihnen breitete sich das südlich von Innsbruck gelegene Stubaital aus, und am Horizont wuchs die Kette der Stubaier Alpen empor.
Die Straße besaß einen ziemlich hohen Steigungswinkel, und ohne die Arbeit des Räumfahrzeuges hätte der Anstieg nur mit Schneeketten bewältigt werden können.
Tanja Hilbinger warf einen Blick zu dem Mann neben ihr. Sie saßen weit auseinander auf der Rückbank des großen Bentley. Seit Minuten war zwischen ihnen kein Wort gewechselt worden.
Rolf Esser. Ihr Mann. Seit über einem Jahr. Der Mann, den sie geliebt hatte. Eine Zeit lang.
Sie hatten nach der Trauung ihre jeweiligen Namen behalten. Tanja hatte nämlich lange vorher endlos geübt, bis sie statt der Kritzelei aus ihrer Kindheit eine wunderbare Unterschrift ihres Mädchennamens hinbekam. Diese Errungenschaft wollte sie nicht mit einem neuen Namen aufs Spiel setzen. Ihrem Mann war es egal gewesen. Wenn sie es recht bedachte, hatte er überhaupt nicht geplant, dass sie seinen Namen trug. Auf der Heiratsurkunde standen beide Namen, ohne dass irgendjemand sie vorher gefragt hätte.
Eigentlich war Rolf ziemlich viel egal, fand sie. Nach dem ersten stürmischen Rausch, der kaum drei Monate angehalten hatte, war die Beziehung deutlich erkaltet. Gut, sie bekam immer noch alles, was sie wollte, doch ihr fehlten die bewundernden Blicke, die Berührungen, die leidenschaftlichen Spiele im Bett. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass er sich kaum noch für sie interessierte. Manchmal beschlich sie sogar der Verdacht, dass er eine Freundin hatte. Ihr kam es vor, als hätte die Zahl der abendlichen und nächtlichen Termine deutlich zugenommen.
Über sein Geschäft sprach er nicht mit ihr. Ganz am Anfang hatte sie mitgekriegt, dass er sein Geld mit Immobilien verdiente, allerdings mit Immobilien der besonderen Art: Flüchtlingsunterkünfte und billige Baracken für Saisonarbeiter. Mittlerweile kaufte er sanierungsbedürftige Altbauten auf und verwandelte sie in teure Eigentumswohnungen. Bei den hohen Mietpreisen und dem knappen Wohnraum in München florierte sein Geschäft bestens. Er besaß gute Beziehungen in der Stadt und war ein gern gesehener Gast auf allen möglichen Veranstaltungen. Früher hatte er sie überallhin mitgenommen, doch das war seit einiger Zeit vorbei. Sie würde sich nur langweilen, war seine Erklärung.
Im Übrigen war er auch fetter geworden, stellte sie fest. Seit ihrer Hochzeit hatte er bestimmt zehn Kilo zugelegt. Seine Augen glichen inzwischen Sehschlitzen, seit die Fettpolster im Gesicht immer stärker geworden waren. Rolf war ein kleiner Mann, umso mehr fiel das Gewicht auf. Vor der Hochzeit war er ihr attraktiver vorgekommen.
Ach, ja, die Hochzeit. Tanja seufzte.
Das war alles sehr schnell gegangen. Sie hatten sich in einem Biergarten kennengelernt, in dem Tanja vorübergehend als Kellnerin gearbeitet hatte. Er war ihr aufgefallen, weil er sie unablässig angestarrt hatte. Als er die hohe Rechnung für die Gäste bezahlte, mit denen er gekommen war, hatte er sie nach ihrer Telefonnummer gefragt – und sie hatte sie ihm gegeben.
Er hatte tatsächlich angerufen. Die Zeit danach war wie im Rausch verflogen.
Einige Wochen später waren sie nach Las Vegas geflogen. Nur sie beide, und sie konnten die Hände nicht voneinander lassen. Sie erinnerte sich noch gut an die kleine weiße Kapelle am Strip, zwischen Casinos und Hotels gelegen, mitten im Zentrum der Vergnügungsindustrie. Es konnte gar nicht schrill und laut genug sein. Sie war wie in einem Glückstaumel gefangen. Irgendein Prediger, der salbungsvoll geredet hatte, und den sie nicht verstand, weil sie kaum englisch sprach. Nur an den Elvis-Imitator konnte sie sich gut erinnern, der am Schluss eine Schnulze zum Besten gab, während sie ihren neuen Ring bewunderte.
Die nächsten Tage waren wie im Flug vergangen. Sie wohnten in luxuriösen Hotels, verspielten einen Haufen Geld und genossen die abendlichen Shows mit berühmten Künstlern.
Das war das Leben, das sie sich gewünscht hatte.
Sie musterte Rolf unauffällig. Attraktiv fand sie ihn heute nicht mehr. Doch auf das Luxusleben wollte sie auch nicht verzichten, und daher war in ihr ein Plan gereift. Ein Plan, für den die Zeit gekommen war. Jetzt, am Heiligen Abend. Sie hatte alles gründlich bedacht und brauchte nur ein bisschen Glück, damit er das tat, was sie erwartete. In Gedanken ging sie alles noch einmal durch. Es musste einfach klappen!
Der Wagen stoppte, und sie kippte leicht nach vorn.
Anton sprang vom Sitz und riss die hintere Tür auf. Rolfs Tür, nicht ihre. Auch der Chauffeur wusste, wem er verpflichtet war.
»Ist alles in Ordnung mit dem Haus?«, fragte Rolf ihn.
»Selbstverständlich, Chef«, antwortete der Chauffeur eilfertig. »Ich soll ausrichten, dass die Angestellten alles vorbereitet haben. Der Baum ist geschmückt wie immer, Essen ist im Kühlschrank, außerdem Kaviar und Austern, wie Sie gewünscht haben, und Champagner ist ebenfalls kalt gestellt.«
Anschließend öffnete Anton den Kofferraum und brachte das Gepäck ins Haus. Als er zurückkam, hob Rolf die Hand. »Den Rest machen wir schon. Parken Sie den Wagen, dann können Sie ins Dorf fahren. Ihre Freundin wartet sicher schon sehnsüchtig auf Sie. Notfalls kann ich ja anrufen.«
Sein Lachen war zu laut und zu falsch, wie Tanja registrierte. Sie stand am Rand des Rondells, das die Zufahrt zum Haus bildete. Der Blick in die verschneite Alpenwelt war tatsächlich atemberaubend. Sie atmete die frische Luft tief ein. Kaum ein Laut war hier oben zu hören. Die Häuser unten im Dorf sahen aus wie Spielzeuge.
Tanja drehte sich um. Das sogenannte Chalet war ein moderner Bungalow mit großen Fensterfronten, mehreren Schlafzimmern und einem Weinkeller, auf den Rolf besonders stolz war, obwohl er selten Wein trank. Wie so vieles bei ihm, diente auch dieser Keller dazu, vor seinen Freunden und Geschäftspartnern anzugeben.
An der Seite befanden sich eine große Terrasse mit einem Außengrill sowie ein jetzt abgedeckter Pool.
»Ich fahre den Wagen in die Garage«, verkündete Anton und setzte sich wieder hinter das Steuer. Die Garage war für drei Autos vorgesehen. Der Ferrari war nur für den Sommer gedacht, der Range Rover für Ausfahrten in unwegsamen Gelände. Außerdem standen dort noch ein Snow-Scooter und Antons Moped, mit dem er vom Chalet wegfahren konnte.
»Gehen wir rein«, sagte Rolf. Das waren die ersten Worte, die er an Tanja richtete.
Sie nickte und ging in der Eingangshalle auf das gestapelte Gepäck zu. Für die drei Weihnachtstage erschien es ihr jetzt doch etwas übertrieben.
»Ich gehe mich frisch machen«, verkündete Tanja.
»Wir nehmen heute gemeinsam das große Zimmer«, erklärte Rolf und holte eine kubanische Zigarre aus seinem Anzug.
Tanja starrte ihn an. Seit einiger Zeit hatten sie getrennte Zimmer, weil er es so wollte. Was war denn plötzlich in ihn gefahren?
»Bist du sicher?«
Er grinste. »Es ist Weihnachten, und ich freue mich auf die Bescherung. Wir werden das Alleinsein genießen, und du wirst mein Geschenk sein. Wir haben die ganze Nacht für uns.«
Tanja überlegte fieberhaft. Würden Rolfs Absichten ihre Pläne stören? Nein, im Gegenteil. Es würde ihr helfen, Rolf dorthin zu bekommen, wo sie ihn haben wollte.
Sie lächelte, und Rolf dachte sicher, dass sie sich auf ihren Ehemann freute. Sie hätte fast gekichert, denn er irrte sich gewaltig!
»Ich habe auch ein Geschenk für dich«, verriet Tanja mit listigem Blick. »Wir treffen uns in einer halben Stunde unter dem Weihnachtsbaum.«
Er nuckelte an seiner Zigarre. »Ist in Ordnung.«
Tanja nahm einen der Rollkoffer sowie die Kosmetiktasche und verschwand in den hinteren Räumen, wo die Schlafzimmer lagen. Sie wusste, was er als Nächstes tun würde. Seine nervösen Bewegungen waren unübersehbar. Er würde sich ein, zwei Linien Kokain reinziehen – eine Angewohnheit, die er auch erst nach ihrer Hochzeit begonnen hatte. Sollte er doch! Es passte in ihre Pläne.
Sie ahnte, dass Rolf ihr nachsah. Dass er in Vorfreude darüber schwelgte, was er alles mit ihr anstellen würde.
Tanja lächelte. Heute würde alles anders laufen.
Sie schwebte förmlich in den Raum. Das silbern glänzende bodenlange Abendkleid mit dem seitlichen Schlitz fast bis zur Hüfte schmiegte sich wie eine zweite Haut um ihre Figur. Sie setzte ihre Schritte bewusst so, dass der Schlitz ihr linkes Bein in voller Länge preisgab. In den aufgestickten Pailletten spiegelte sich das Licht der zahlreichen Kerzen am Weihnachtsbaum.
Rolf Esser starrte auf den gewagten Ausschnitt des schulterfreien Kleides, das sie extra zu diesem Anlass gekauft hatte. In Anbetracht der Situation kam ihr dieser Kauf überflüssig vor, aber das hatte sie getan, bevor sie den endgültigen Plan für den heutigen Tag beschlossen hatte. Und im Übrigen: Manchmal waren auch Kleinigkeiten von Bedeutung.
Er hielt einen gehäuften Löffel Kaviar in der Hand und fluchte leise, als ein paar Krümel herunterfielen, ehe er die Delikatesse in den Mund schob und herunterschluckte. Rasch griff er nach einem Glas Champagner, um damit nachzuspülen.
Tanja musterte ihren Mann. – Oh, wie sie dieses Wort inzwischen hasste!
Er saß wie eine fette Qualle in der Sofaecke. Unter dem aufklaffenden Seidenmantel war seine behaarte Brust zu sehen. Sie schüttelte sich innerlich. Wie hatte sie diesen Mann jemals begehren können?
»Zeit für die Geschenke«, meinte er gönnerhaft.
Tanja setzte sich ihm gegenüber in einen der Ledersessel und schlug die Beine übereinander. Ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf. Auf diese Weise hatte er sie schon lange nicht mehr angesehen.
Er griff neben sich auf die Couch und schob eine Schachtel in weihnachtlicher Geschenkverpackung über den niedrigen Tisch zwischen ihnen.
»Hier, meine Liebe. Das wird dir gefallen!«
Tanja starrte auf die Schachtel, die aussah wie eine der üblichen Schmuckkästen, mit denen er sie früher überrascht hatte. Schließlich siegte die Neugier. Sie zupfte das rote Band auf und schlug das Papier zur Seite.
Ein Kästchen aus Edelholz, höher als die normalen Schmuckschatullen. Sie öffnete den Deckel mit beiden Händen – und blickte auf einen vergoldeten Vibrator, gebettet auf blauem Samt.
Rolf lachte wiehernd, bis ihm eine Träne über das Gesicht lief. »Das … das … wirst du zu schätzen wissen, wenn ich nicht da bin«, japste er. »Ich werde in Zukunft häufiger auf Geschäftsreisen sein. Das Ding wird dein Freund sein.«
Drohend fügte er hinzu: »Dein einziger Freund!«
Tanja bemühte sich um Fassung. Jetzt galt es, ihre Karten richtig auszuspielen. So eine Chance wie an diesem Heiligen Abend bekam sie nicht so schnell wieder.
»Ich habe auch etwas für dich«, sagte sie betont ruhig. Sie erhob sich und ging zum Durchgang in die hinteren Räume. Auf einem Tisch lag ein längliches Paket, ebenfalls in weihnachtliches Geschenkpapier gehüllt. Sie brachte es zurück und stellte es vor ihren Mann hin.
Hastig riss er die Verpackung auf und starrte auf den Karton, in dem sich eine Flasche Whisky befand. Nicht irgendein Whisky …
»Das ist ein fünfundzwanzig Jahre alter Macallan Single Malt. Du hast oft davon gesprochen.«
Er klappte den Karton auf und zog den Inhalt heraus. In der nach oben breiter werdenden Flasche schimmerte eine goldgelbe Flüssigkeit.
Wird er es bemerken, fragte sie sich in diesem Moment. Sie war sehr vorsichtig vorgegangen, als sie die Schutzfolie über der Öffnung mit einer sehr dünnen Nadel durchbohrte, um die aufgelöste Mischung aus Barbituraten und Kokain in die Flüssigkeit zu spritzen. Der Pegel in der Flasche wurde damit erhöht, doch das würde wohl kaum auffallen.
Sie hatte gehofft, dass er durch das Geschenk hinreichend abgelenkt sein würde, denn diese Flasche hatte weit über eintausend Euro gekostet, eine Tatsache, die ihm bekannt sein dürfte.
»Vielleicht solltest du ihn gleich probieren«, schlug sie vor.
»Das werde ich«, stieß er hervor. »Bring’ mir bitte ein Glas.«
Tanja ging zu der Vitrine an der Seitenwand und holte ein Kristallglas heraus.
»Nicht das!«, murrte er. »Nimm lieber eines von den Baccarat-Gläsern.«
Tanja grinste, als er es nicht sehen konnte. Diese teuren Gläser wurden nie benutzt. Sie stammten von seiner Mutter, die sie als Hochzeitsgeschenk bekommen hatte, wie er behauptete.
Sie bebte innerlich. Der erste Teil ihres Planes war gelungen. Nun musste jedoch der zweite Teil auch noch klappen.
Vorsichtig stellte sie das mundgeblasene und handgeschliffene Glas mit dem breiten Goldrand vor ihm auf den Tisch. Er goss sich eine ordentliche Portion ein und kippte sie auf einen Zug in die Kehle. Er hustete kurz, doch seine Augen leuchteten, und er goss sich ein zweites Glas ein.
Das läuft besser als erhofft, dachte Tanja.
»Ich freue mich auf die Nacht mit dir«, sagte sie wider besseren Wissens. »Vorher solltest du dir noch ein Bad gönnen. Du magst doch die große Wanne mit dem Whirlpool …«
Sie beugte sich nach vorn, sodass ihre Brüste fast bis zur Gänze sichtbar wurden, und schaffte es, einen verlangenden Ausdruck in ihren Augen zu fabrizieren.
»Vielleicht«, flötete sie. »Vielleicht leiste ich dir Gesellschaft. Wie in alten Zeiten, als wir noch häufiger zusammen gebadet haben.«
Falls er sich noch daran erinnert, dachte sie.
»Erst nehme ich noch einen.« Seine Stimme klang belegt.
»Ich gehe mich umziehen«, gurrte sie.
Als Tanja das riesige Badezimmer betrat, saß er schon in der Wanne. Das Wasser sprudelte, die Pumpen arbeiteten hörbar.
Sie hatte ihr Abendkleid gegen ein seidenes Hauskleid getauscht – tiefblau mit aufgestickten gelben Paradiesvögeln. Rolf sah bewundernd zu ihr auf, einen schläfrigen Ausdruck im Gesicht, die Augen nur halb geöffnet.
Sie nahm den Deckel von der silbernen Dose, die sie aus Rolfs Schlafzimmer geholt hatte, und belud einen kleinen Löffel mit dem weißen Pulver, das sie anschließend auf die glänzenden Kacheln am Kopfende der Wanne streute. Mit einem Rasiermesser zerteilte sie das Häufchen in vier parallele Linien und legte einen zusammengerollten 200-Euro-Schein daneben. Sie wusste, dass er es damit am liebsten in die Nase sog.
»Das wird eine tolle Nacht«, flüsterte sie.
Rolf nickte nur, sein Kopf war schon etwas tiefer in das sprudelnde Wasser gerutscht. Dann raffte er sich doch wieder auf und griff nach dem Schein, rollte ihn fester zusammen und zog sich rasch zwei der Linien durch die Nase.
Seine Hand sank kraftlos nach unten, und der Schein fiel ins Wasser. Tanja fischte ihn sofort wieder heraus und breitete ihn auf dem Beckenrand aus. Ihre Kindheit und Jugend waren zu ärmlich gewesen, um auf einen Geldschein zu verzichten. Auch wenn sie jetzt in anderen Verhältnissen lebte, gab es doch Dinge, die sich nicht so leicht verändern ließen.
Rolfs Augen waren fast geschlossen, er murmelte ein paar unverständliche Worte, dann sank sein Kopf zur Seite. Der Wasserspiegel erreichte seine Unterlippe, prustend kam er wieder hoch und schnappte nach Luft.
Nur Geduld, ermahnte sich Tanja innerlich. Es dauert seine Zeit, bis die Substanzen wirken. Außerdem war ihr Mann an Kokain gewöhnt. Sie hoffte, dass die Dosis ausreichte, die sie ihm verpasst hatte.
Rolf griff mit einer Hand nach ihr, traf aber nur den Beckenrand. »Komm rein zu mir«, nuschelte er. Er rutschte ein Stück tiefer.
»Gleich, mein Lieber.« Sie versuchte, ihrer Stimme einen verführerischen Unterton zu geben, war jedoch viel zu aufgeregt dafür.
War es schon so weit?
Seine Augen waren geschlossen. Er schien zu schlafen. Seine Nase war immer noch über den sprudelnden Blasen sichtbar. Der Kopf bewegte sich weiter nach unten, als fände sein Körper keinen Halt mehr in der Wanne. Gleich würde er versinken.
Vorsichtig streckte sie ihre rechte Hand aus und drückte mit allen fünf Fingern auf sein gewelltes Kopfhaar. Sie hatte gelesen, dass man Druckstellen nach dem Tod leicht entdecken konnte, doch in diesem Fall würde seine dichte Haarpracht sie leicht verdecken.
Sie drückte stärker. Der Kopf sank unter Wasser. Rolf bewegte sich, die Arme schlugen nach den Seiten. Sie drückte, so fest sie konnte. Minutenlang, so kam es ihr vor. Sie ließ erst los, als der Kopf den Wannenboden erreichte und Rolf sich nicht mehr rührte. Langsam zog sie ihre Hand aus dem Wasser.
Sie erschrak, als Rolf sich bewegte. Doch sein Körper pendelte nur durch den Druck der blubbernden Bläschen hin und her. Sie wartete, doch der Kopf kam nicht wieder hoch, nur vereinzelte Luftbläschen stiegen auf.