Der Wüstenplanet – Der Herzog von Caladan - Brian Herbert - E-Book
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Der Wüstenplanet – Der Herzog von Caladan E-Book

Herbert Brian

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Beschreibung

Herzog Leto Atreides, der Vater von Paul Muad’Dib, ist dem Imperator Shaddam loyal ergeben. Wo andere planen, handelt Leto lieber schnell und entschlossen. Doch die Familie Harkonnen glaubt, dass der Herzog von Caladan mächtiger wird, als es ihm ihrer Meinung nach zusteht. Während jede seiner Bewegungen von den Spionen seiner Feinde argwöhnisch betrachtet wird, muss Leto eine Entscheidung treffen: Sind Pflicht und Ehre wirklich wichtiger als sein Leben, seine Familie und Lady Jessica, seine große Liebe?

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Seitenzahl: 677

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DAS BUCH

Die ferne Zukunft: Herzog Leto Atreides herrscht über den Planeten Caladan, ein wahres Paradies mit ausgedehnten Wäldern und gewaltigen Ozeanen. Nur widerwillig verlässt er seine Heimat, um zu einem Empfang bei Imperator Shaddam IV. zu reisen. Doch bei den Feierlichkeiten kommt es zu einem Terroranschlag. Der Imperator und Herzog Leto können sich in Sicherheit bringen, doch Tausende Adelige verlieren ihr Leben. Leto muss seine Politik, sich nur auf seine Heimatwelt und sein Volk zu konzentrieren, gründlich überdenken, denn die Terroristen machen auch vor dem paradiesischen Caladan nicht halt …

DIE AUTOREN

Brian Herbert hat selbst Science-Fiction-Romane verfasst, darunter den in Zusammenarbeit mit seinem Vater Frank Herbert entstandenen Mann zweier Welten.

Kevin J. Anderson ist einer der meistgelesenen Science-Fiction-Autoren unserer Zeit. Zuletzt ist von ihm die gefeierte Saga der Sieben Sonnen erschienen.

Mit seinem Zyklus um Arrakis, den Wüstenplaneten, hat Frank Herbert eine Zukunftssaga geschaffen, die in ihrer epischen Wucht und ihrem außerordentlichen Detailreichtum nur mit J. R. R. Tolkiens Der Herr der Ringe zu vergleichen ist. Nach dem Tod des Autors 1986 schien diese Saga – zum Bedauern von Millionen von Leserinnen und Lesern rund um die Welt – zu einem Abschluss gekommen zu sein, bis Frank Herberts Sohn Brian, gestützt auf den umfangreichen Nachlass seines Vaters und gemeinsam mit dem bekannten Star-Wars-Autor Kevin J. Anderson, das atemberaubende Epos fortsetzte. Nach »Die Chroniken des Wüstenplaneten« und »Die Legenden des Wüstenplaneten« erzählen die beiden Autoren nun mit der »Caladan«-Trilogie die große Vorgeschichte von Frank Herberts Epos.

Mehr über die große Wüstenplanet-Saga erfahren Sie auf:

Brian HerbertKevin J. Anderson

DER WÜSTENPLANET:

DER HERZOG VON CALADAN

Roman

Aus dem Amerikanischen von Jakob Schmidt

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

Titel der Originalausgabe:

DUNE: THE DUKE OF CALADAN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Ausgabe 11 / 2021

Redaktion: Bernhard Kempen

Copyright © 2020 by Herbert Properties LLC.

Copyright © 2021 dieser Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com (Boyan Dimitrov, DomCritelli)

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-28148-9V001

www.diezukunft.de

Wie all unsere Werke bringt auch dieses Buch eine gewaltige Dankesschuld gegenüber unseren brillanten Frauen Jan Herbert und Rebecca Moesta mit sich.

Außerdem möchten wir diesen Roman zwei lieben Menschen widmen, die viel zu jung von uns gegangen sind: Bruce Herbert und Jonathan Cowan.

Wer am wenigsten erreicht hat, prahlt oft am lautesten.

MAFEA-Analyse der offiziellen Geschichte des Imperiums

Er war weit weg von zu Hause und wollte nicht hier sein, aber wenn der Padischah-Imperator alle Angehörigen des Landsraads einlud, musste auch Leto Atreides kommen. Er war das Oberhaupt eines Hohen Hauses, der Herzog des wunderschönen Caladan und Shaddams entfernter Cousin. Sein Fehlen wäre aufgefallen.

Glücklicherweise musste er dafür nicht zu der grellen, lärmenden Hauptwelt Kaitain reisen. Das Herz des Imperiums bot einfach nicht genug Platz für die außergewöhnliche neue Gedenkstätte, die dem Imperator vorschwebte, weshalb Shaddam sich stattdessen für einen Planeten entschieden hatte, von dem noch nie jemand gehört hatte. Er brauchte einen Ort, an dem seine Leistungen wahrhaft hervorstachen, und Otorio erfüllte diesen Zweck.

Als der Gildenheighliner über dem neuen Museumsplaneten eintraf, saß Leto ruhelos in der Atreides-Raumjacht im Rumpf des riesigen Gildenschiffs. Er wurde von einem Piloten und einem kleinen Gefolge begleitet, aber der Herzog blieb in seinen Privatgemächern. Er hatte langes, dunkles Haar, durchdringende graue Augen und eine Adlernase. Seine Haltung zeigte ein Selbstvertrauen, das sich nicht von dem Spektakel um die neue Museumsanlage beeindrucken ließ.

Während der Heighliner sich in der Umlaufbahn befand, reihten die kleineren Schiffe sich ein, um den gewaltigen Laderaum eines nach dem anderen geordnet zu verlassen. Otorio war eine bisher unbedeutende Welt, durch die Maschen geschlüpft und von Reisenden, Geschäftsleuten, Kolonisten und imperialen Steuerprüfern seit Jahrhunderten vergessen. Sie war ländlich, unbefleckt und ruhig, ein isolierter Gezeitentümpel im Ozean der imperialen Politik.

Doch nun war der Planet die Heimstatt einer gewaltigen neuen Anlage, mit der zehn Jahrtausende der Herrschaft des Hauses Corrino gefeiert wurden. Dass Otorio so wenig andere Sehenswürdigkeiten aufwies, bedeutete, dass Shaddams selbstgefälliges Museum das sein würde, was auf dieser Welt am deutlichsten herausragte. Leto wusste, wie der Imperator dachte.

Viele Adlige würden versuchen, die Aufmerksamkeit des Imperators zu erregen, ihren Reichtum zu vergrößern und ihren Einfluss auszubauen, um ihre Rivalen in die Knie zu zwingen. Leto hatte keine solchen Pläne. Er hatte seine eigenen, nicht unbedeutenden Güter, seine Herrschaft war stabil, und er hatte die Aufmerksamkeit Shaddams IV. bereits bei früheren Begegnungen im Guten wie im Schlechten auf sich gezogen. Herzog Leto hatte nichts zu beweisen, aber er würde seine Pflicht tun, indem er der Einladung Folge leistete.

So viele Adlige waren nach Otorio gepilgert, um die Gunst des Imperators zu erhaschen, dass es Stunden dauern würde, bis ein Schiff nach dem anderen den Heighliner verlassen hatte, und die Atreides-Jacht befand sich keineswegs vorne in der Schlange.

Seit dem Aufbruch von Caladan hatte der Herzog versucht, sich in seinen Gemächern mit Arbeit abzulenken, indem er die Zahlen zu den Mondfisch-Erträgen, Berichte über Schiffe, die kürzlich in einem Taifun verschollen waren, und eine Zusammenfassung von Pauls glänzenden körperlichen und geistigen Lernfortschritten gelesen hatte. Der Heighliner war von einem System zum nächsten gereist und hatte auf verschiedensten Planeten Passagiere aufgenommen, weil es keine direkte Raumgildenroute zu einer so unbedeutenden Welt wie Otorio gab. Shaddam hatte vor, das zu ändern.

Während er wartete, aktivierte Leto den Wandschirm, um den Planeten unter sich zu betrachten. Wolkenschleier ließen die Atmosphäre über den Meeren und grün-braunen Landmassen verwaschen erscheinen. Shaddams gewaltige neue Anlage hatte mit Sicherheit für grundlegende Veränderungen auf dieser ruhigen Welt gesorgt. Bautrupps waren ausgeschwärmt und hatten das einzige große Bevölkerungszentrum völlig umgestaltet. Zahllose Quadratkilometer waren zubetoniert worden. Monumente und Statuen waren emporgeschossen wie Algenblüten bei roter Flut: Regierungsgebäude, Behörden, interaktive Anzeigetafeln, Kolosseen und Hörsäle. Riesige neue Bühnen konnten hunderttausend Menschen auf einmal aufnehmen, auf einer Welt, die laut der letzten Volkszählung, die Leto gelesen hatte, weniger als eine Million Bewohner hatte.

Sein persönlicher Pilot meldete sich über die Sprechanlage der Jacht. »Unser Schiff ist jetzt an vierter Stelle, mein Herzog. Bald verlassen wir den Heighliner.« Die Stimme des Mannes hatte einen ländlichen caladanischen Akzent. Leto hatte ihn und einige andere Arbeiter aus der Gegend ausgewählt, für die die Mission ein Abenteuer war, und beim Gedanken daran wurde ihm warm ums Herz. Da sie kaum Gelegenheit bekamen, ihre Heimatwelt zu verlassen, war dies für sie die Reise ihres Lebens.

»Danke, Arko«, sagte Leto, darauf bedacht, den Namen des Mannes zu verwenden. Er schaltete die Sprechanlage ab und lehnte sich in den weichen Ledersessel zurück.

Während er durch das Aussichtsfenster schaute, dachte er sich, dass er Paul hätte mitbringen sollen. Obwohl Lady Jessica für Raumreisen ebenso wenig übrighatte wie für höfische Politik, war ihr vierzehnjähriger Sohn neugierig und intelligent und Letos ganzer Stolz. Aber der Herzog hatte beschlossen, seine Familie nicht zu einem langweiligen Ereignis mitzuschleppen, das letztendlich wieder nur ein Anlass zur Selbsterhöhung des Imperators sein würde.

Allerdings würde er Paul nicht mehr lange aus der imperialen Politik heraushalten können. Im Landsraad war Leto beliebt, und das Haus Atreides hatte beträchtlichen Einfluss, obwohl der Herzog nur über einen Planeten herrschte. Viele Landsraadsfamilien würden sich über die Aussicht auf eine Ehe mit dem Haus Atreides freuen, und mit vierzehn war Paul allmählich im richtigen Alter …

Leto beobachtete, wie sich die beiden Schiffe vor ihm durch die großen, offenen Rumpfklappen des Heighliners senkten. Manche Schiffe waren unauffällig, vielleicht sogar von Kleinen Häusern nur für diesen Anlass gemietet, während andere stolz die Farben und Wappen von Haus Mutelli, Haus Ecaz, Haus Bonner, Haus Ouard und anderen zur Schau trugen.

Nachdem ein weiteres Schiff ins Wolkengespinst eingetaucht war, löste sich auch die Atreides-Jacht von den Andockklammern. Die Suspensortriebwerke brummten. Leto hielt sich an seinem Sitz fest, als die Jacht durch die Orbitalbahnen in die obere Atmosphäre fiel.

Arko teilte ihm mit: »Es wird vielleicht holperig, Mylord. Es liegen mehrere Hindernisse in hohen Umlaufbahnen auf unserem Weg, zurückgebliebene Abwurfcontainer und Frachter von den Bauarbeiten. Die Flugkontrolle auf Otorio leitet uns um.«

Leto sah zum Fenster hinaus und stellte fest, dass klobige Wracks in blinden, endlosen Umlaufbahnen um Otorio dahintrieben. »Es überrascht mich, dass Shaddam das nicht hat aufräumen lassen.«

»Die Bauarbeiten haben länger gedauert als geplant, Sire. Das da draußen sind schweres Gerät und Versorgungsfrachter – vermutlich leer. Wahrscheinlich war es für den Imperator finanziell nicht machbar, sie alle rechtzeitig zu den Feierlichkeiten zu beseitigen.«

Zu sich selbst sagte Leto: »Und Shaddam hätte die Veranstaltung niemals verschoben.« In die Sprechanlage fügte er hinzu: »Ich verlasse mich auf Ihr Können als Pilot.«

»Danke, Mylord.« Die herzogliche Jacht wich den langsam dahinstürzenden Objekten aus, die die Umlaufbahn verstopften.

Weitere Schiffe senkten sich aus dem Rumpf des Heighliners hinab, jedes mit Würdenträgern an Bord, die dem Imperator für sein neues Projekt applaudieren würden. Auch Leto würde seine Aufwartung machen und die lange Geschichte der Leistungen des Corrino-Geschlechts würdigen. Er würde sein Gesicht zeigen und damit seine Pflicht als treuer Untertan erfüllen.

»Sorgen Sie einfach für eine weiche Landung, Arko«, sagte Leto in die Sprechanlage, »und dafür, dass die Jacht jederzeit abflugbereit ist. Ich möchte gern nach Hause, sobald ich mich halbwegs angemessen empfehlen kann.« Sein Herz war bei seinem Volk auf Caladan, genauso wie seine Prioritäten.

Der Pilot klang enttäuscht. »Werde ich genug Zeit haben, ein Geschenk für meine Liebste zu kaufen, Mylord? Und Andenken für meine Neffen?«

Leto lächelte wohlwollend. Er war sich sicher, dass sein restliches Gefolge das Gleiche dachte. »Natürlich. Ich bezweifle, dass irgendetwas bei dieser Veranstaltung schnell gehen wird.«

Während sich das Schiff der Oberfläche näherte, konnte er die geometrische Anlage von Shaddams neuem Museum betrachten, das viele Quadratkilometer hoch aufragender Gebäude, breiter Boulevards, großer Plätze und Monumente umfasste – als hätte man ein Stück von der Metropole auf Kaitain aus dem Boden gerissen und ans andere Ende der Galaxis verpflanzt.

Arko setzte die Jacht auf dem für besondere Gäste reservierten Landefeld neben dem Imperialen Monolithen auf. Der außergewöhnliche Turm hatte die Form eines schmalen Keils, der oben breiter war und genau ausbalanciert auf seinem Angelpunkt auf dem Hauptplatz ruhte. Manche behaupteten, dass er aus der Entfernung betrachtet wie ein riesiger Stachel aussah, den man Otorio ins Herz getrieben hatte.

Letos Pilot und die Besatzung wurden angesichts dieser Pracht von Ehrfurcht ergriffen. Zweifellos würden sie für den Rest ihres Lebens in den Tavernen von Cala City über dieses Erlebnis sprechen. Mit einem stillen Lächeln händigte Leto ihnen eine Bonuszahlung zur freien Verwendung aus, damit sie sich Andenken kaufen konnten, und entließ sie dann. Entzückt und dankbar zogen sie los, um sich umzuschauen, während er sich seinen offiziellen Pflichten zuwandte.

Als Leto die Jacht verließ, sah er sich mit einer Kakofonie von Sinneseindrücken konfrontiert. Die adligen Besucher, die sich in ihren bunten, prachtvollen Gewändern und mit glitzernden Edelsteinen behängt darum bemühten, wichtig zu erscheinen, setzten sich mit ihrem ausufernden Gefolge in Szene. Ehrgeizige Adlige stolzierten umher, bemühten sich aufzufallen, und kaum jemand würdigte ihn in seiner förmlichen, aber schlichten Garderobe eines zweiten Blickes. Leto, der mit der Bekanntheit des Hauses Atreides zufrieden war, kümmerte ihre herablassende Art nicht. Er musste weder seine Bedeutung noch seinen Reichtum beweisen.

Obwohl er der Herzog von Caladan war, verschmolz er mit der Menge. Das tat er zu Hause auch oft, um ein paar Stunden als einfacher Bürger zu genießen und unbemerkt unter seinem Volk einherzugehen. Jetzt spazierte er ganz für sich allein durch das gewaltige Netzwerk aus Springbrunnen, Statuen, Obelisken und Ausstellungsstücken.

Imperiale Sicherheitskräfte patrouillierten im Scharlachrot und Gold der Corrinos durch die Straßen, begleitet von den Furcht einflößenden Sardaukar, der privaten Schreckenstruppe des Imperators. Leto fand es interessant, dass sie hier waren. Sardaukar wurden ausschließlich für Elitemissionen eingesetzt; der Umstand, dass Shaddam sie hierher beordert hatte, betonte die Wichtigkeit dieses Galaempfangs. Während die Sicherheitsabläufe auf Kaitain seit unzähligen Jahrhunderten fest etabliert waren, war dieser Planet ein unbeschriebenes Blatt. Es überraschte nicht, dass Shaddam hier seine Macht demonstrierte.

Selbstsicher schritt Leto die breiten Boulevards entlang, auf denen terrassierte Springbrunnen Wasser und Dampffontänen ausstießen. Glasprismen brachen das Sonnenlicht zu Regenbögen. Hoch aufragende Statuen früherer Corrino-Imperatoren ließen jeden dieser Herrscher stattlich und kühn erscheinen. An jedem Sockel war eine auf Hochglanz polierte Plakette angebracht, die die Erfolge des jeweiligen Imperators zusammenfasste.

Seit dem Ende von Butlers Dschihad vor zehntausend Jahren herrschten die Corrinos – die sich nach der Schlacht von Corrin benannt hatten – als oberste Dynastie. Es hatte Interregnien, Staatsstreiche und Phasen der Verwaltung durch andere Adelshäuser gegeben, aber früher oder später war immer ein Zweig der Corrino-Familie an die Macht zurückgekehrt, indem er in die Herrscherfamilien eingeheiratet oder durch einen blutigen Krieg oder einen Verwaltungsakt die Kontrolle übernommen hatte. Mit dieser Feststadt stellte Shaddam IV. sicher, dass alle sich an ihn und seine Vorfahren erinnerten.

Leto blickte zu der drei Meter hohen Kolossalstatue von Shaddams Vater empor, dem »weisen und gütigen« Elrood IX. Er runzelte die Stirn, als er las, in welch strahlendem Licht die dazugehörige Plakette ihn darstellte, denn er wusste, dass Elrood ein launischer und rachsüchtiger Mann gewesen war und dass Shaddam selbst ihn verabscheut hatte. Letos Vater, Herzog Paulus Atreides, hatte beim Aufstand von Ecaz aufseiten Elroods gekämpft, aber die ehrlosen Umtriebe seines Herrschers hatten dem alten Herzog schwer zu schaffen gemacht.

Leto wanderte durch die endlose Anlage, seine Augen übersättigt, seine Ohren wie betäubt vom Lärm der Festlichkeiten. Die Menge bestand ausschließlich aus den Adligen und hochrangigen Funktionären, denen es gelungen war, eine der begehrten Einladungen zu diesem Galaempfang zu ergattern. Er konnte sich vorstellen, wie Paul sich an all diesen neuen Erfahrungen gelabt hätte.

Nach einer Stunde begann er, ermüdet von dem Spektakel, nach einer ruhigeren Zuflucht Ausschau zu halten, in der er die Zeit bis zum Treffen mit dem Imperator verbringen konnte. Er umrundete die größte der Statuen am Fuß des Imperialen Monolithen – die wunderschöne, marienhafte Gestalt Serena Butlers, die ihr Baby im Arm hielt, jenen Säugling, der zum Märtyrer geworden war und dadurch den schrecklichen Krieg gegen die Denkmaschinen ausgelöst hatte. Ihre Statue ragte über einem knorrigen, aber kräftigen Olivenbaum auf, der zwischen den Steinplatten spross. Eine Plakette wies darauf hin, dass es sich bei dem Baum um den letzten eines weitläufigen Olivenhains handelte, der dieses Land bis vor Kurzem bedeckt hatte. All das war nun zubetoniert.

Hinter der Serena-Statue fiel Leto ein Hintereingang zu einem der großen Museumsgebäude auf. Das gewaltige Monument verbarg etwas, bei dem es sich anscheinend um ein Gewirr von Gassen und Hintereingängen handelte. Überzeugt davon, dass niemand ihm Aufmerksamkeit schenken würde, schlüpfte er aus dem hellen Sonnenlicht in die Schatten der Vordächer. Die künstlichen Dünste und Düfte des Platzes wichen gewöhnlicheren Gerüchen, warmen Abgasen von Generatoren, einem Hauch von Müll, dem Schweiß von Arbeitern.

Leto trat in den Schutz eines Lieferanteneingangs, stellte jedoch fest, dass die Tür verschlossen war. Er war allein. Schatten und Stille um ihn herum fühlten sich wie ein Seufzer der Erleichterung an. Er lehnte sich an die Wand, griff in die Tasche und holte eine fest aufgewickelte Shigadrahtspule und ein tragbares Kristallabspielgerät hervor. Lächelnd schaltete er es ein.

Das Bild flimmerte für einen Moment und wurde dann scharf. Leto war froh, die wunderschöne Lady Jessica, seine Konkubine, seine Geliebte und die Mutter seines Sohnes, zu sehen. Sie trug ein blaues Kleid und eine Halskette aus Riffperlen von den Küsten Caladans. Ihr langes, bronzefarbenes Haar war mit Nadeln und Muschelkämmen hochgesteckt, wodurch ihre grünen Augen betont wurden.

Ihre Stimme war Musik in seinen Ohren, vor allem nach dem Lärm der Museumsanlage. »Leto, du hast gesagt, dass du dir das hier erst ansehen wirst, wenn du Otorio erreicht hast. Hast du dieses Versprechen eingehalten?« Ihre Stimme klang neckisch.

»Das habe ich, Liebste«, sagte er laut zu ihr.

Ein Lächeln trat auf ihre vollen Lippen, und sie berührte einen ihrer Schmuckkämme. Sie kannte ihn gut.

Ein Grund, warum sie ihn nicht zu den Feierlichkeiten begleitet hatte, bestand darin, dass sie nach wie vor nur seine Konkubine und nicht seine Frau war, und dabei musste es aus politischen Gründen auch bleiben. Obwohl er grundsätzlich für eine Heiratsallianz verfügbar war, war er sich darüber im Klaren, dass es niemals dazu kommen würde. Nicht, nachdem …

Beim Gedanken an die blutige Katastrophe seiner Beinahe-Hochzeit mit Ilesa Ecaz zuckte er zusammen. So viel Blut … so viel Hass. Als Adliger des Landsraads musste er sich seine Optionen im Prinzip offenhalten, aber er hatte beschlossen, keine Angebote für Heiratsallianzen mehr anzunehmen. Er musste für Jessicas Sicherheit garantieren. Auch wenn sie sich mit ihrer Bene-Gesserit-Ausbildung sehr gut selbst schützen konnte.

In der Holoprojektion redete Jessica weiter, aber ihre Stimme selbst war die Botschaft, und mehr musste er nicht hören. Seine tiefe Liebe zu ihr war eine Schwäche, die er niemandem zeigen durfte. »Komm sicher zu mir nach Hause«, sagte sie. »Caladan wartet auf dich und ich ebenso, mein Herzog.«

»Mylady.« Er lächelte, als das schimmernde Bild verblasste. Ihr Anblick hatte ihm Kraft gegeben, die er für die politischen Verpflichtungen und Manöver brauchen würde, die ihm nun bevorstanden.

Bevor Leto aus der Nische trat, huschte ein anderer Mann in die schmale Lieferantenzufahrt. Er trug einen anthrazitgrauen Arbeitsoverall mit Werkzeugen am Gürtel und ein loses Bündel über der Schulter. Leto, der wusste, dass er hier fehl am Platze war, legte sich Ausreden für den Fall zurecht, dass man ihn fragte, was er hier trieb, obwohl ein Arbeiter wohl kaum einen Adligen zur Rede stellen würde.

Doch der Fremde bemerkte ihn nicht, als er sich in eine geschützte Ecke drückte, sein Bündel von der Schulter nahm und sich dabei hektisch umschaute. Mit instinktiver Vorsicht hielt Leto sich im Schatten. Etwas kam ihm faul vor. Der Mann verhielt sich nicht wie ein erschöpfter Arbeiter, der seinen täglichen Aufgaben nachging; seine Bewegungen wirkten verstohlen.

Leto schaltete das Kristallgerät aus, damit Jessicas Nachricht nicht erneut abgespielt wurde.

Der Arbeiter durchwühlte sein Bündel und holte einen dünnen Kristallfilmschirm hervor, an den er ein Übertragungsgerät anschloss. Leto sah nicht genau, was der Mann machte, sondern nur, dass er Bilder auf dem Schirm aufrief, Orbitalkarten, Kurven und helle rote und grüne Lichtpunkte. Vorgebeugt sprach der Arbeiter in das Übertragungsgerät. Leto verstand nur »aktiviere … Systeme … warten.«

Der verstohlene Mann berührte eine Ecke des hauchdünnen Schirms, und aus der Entfernung sah Leto Bilder der Abwurfbehälter und Frachtcontainer in der Umlaufbahn. Mit einem Mal leuchteten Lichter an den großen, dunklen Rümpfen auf.

Der Fremde klappte den Schirm zu und stopfte ihn zurück in sein Bündel. Besorgt straffte Leto sich und kam aus seiner Nische hervor. »Heda! Halt!«

Der Arbeiter rannte los, und Leto setzte ihm nach. Der Mann bog scharf in einen Seitendurchgang ab, rutschte zwischen Kistenstapeln aus und duckte sich unter ein Vordach. Um eine Ecke und um die nächste, ein Irrgarten aus Zulieferwegen. Leto rannte hinter ihm her, wich Hindernissen aus und rief dem Mann hinterher, in dem Versuch, ihn in diesem Gewirr nicht zu verlieren, um sich dann plötzlich wieder in den vollen, lärmerfüllten Straßen der Stadt wiederzufinden.

Blecherne Musik drang aus Lautsprechern, und das Sonnenlicht Otorios blendete ihn. Letos Rufe gingen in der Menge unter. Er meinte, den verdächtigen Arbeiter nach links abbiegen zu sehen.

Leto sprintete dem Mann hinterher, laut rufend. Er wusste, dass es zahllose Sicherheitskräfte in der Anlage gab, ganz zu schweigen von den Sardaukar. Er musste nur ihre Aufmerksamkeit erregen. Er hob eine Hand, hielt nach den allgegenwärtigen Patrouillen Ausschau, sah aber nur bunt gekleidete Festgäste.

Als er das nächste Mal rief, bemerkte ihn ein Wachtrupp. Die in Rot und Gold gekleideten imperialen Soldaten eskortierten einen gewichtig dreinschauenden Beamten, der auf ihn zukam. »Herzog Leto Atreides von Caladan«, sagte er mit donnernder Stimme, die irgendwie die Kakofonie auf dem großen Platz durchdrang.

Leto wirbelte herum: »Ja. Ich muss Bericht über …«

Der Beamte schnitt ihm mit einem einstudierten Lächeln das Wort ab und hielt einen juwelenbesetzten Nachrichtenzylinder empor. »Wir suchen Sie schon, seit Ihre Jacht gelandet ist.« Mit ehrerbietiger Geste streckte er ihm den Zylinder entgegen. »Sie dürfen diese persönliche Einladung als Andenken behalten, um sie vielleicht sogar für zukünftige Generationen auf Caladan auszustellen.«

Der Mann räusperte sich und verkündete: »Seine Exzellenz, der Padischah-Imperator Shaddam IV., erwartet Sie zu einem Sonderempfang im Imperialen Monolithen. Begleiten Sie mich.« Die Beamte wirkte überrascht, dass Leto nicht vor Entzücken taumelte. »Jetzt sofort.«

Die Geschichte ist ein Werkzeug, das verwendet, eine Waffe, die geführt werden muss. Die Vergangenheit muss den Bedürfnissen des Imperiums entsprechen, ansonsten hat der Imperator in seiner Pflicht rundum versagt.

Imperator Fondil III., der Jäger, »Vertraulicher Rat bezüglich der Erweiterung des imperialen Archivs auf Kaitain«

Im obersten Geschoss des Monolithen verschränkte Shaddam IV. die Hände hinter dem Rücken und nahm die glorreiche Corrino-Anlage in sich auf, als handelte es sich um einen vorzüglichen Wein. Er wandte sich dem fuchsgesichtigen Mann an seiner Seite mit einem zufriedenen Lächeln zu. »Von hier oben sehen die Menschen so klein aus, Hasimir.«

Graf Hasimir Fenring hob seine ausdrucksstarken Brauen und betrachtete zusammen mit Shaddam die spektakulären Plätze und Monumente. »Du blickst also auf die Menschen herab, hmmm-mmm?« Er hatte eine näselnde Stimme und ging anderen oft damit auf die Nerven, dass er seine Sätze mit eigentümlichen Lauten beendete.

Das Plazfenster war so durchsichtig wie Luft. Die zahlreichen Raumschiffe der Adligen standen wie silbrig schimmernde Nadeln auf dem Landefeld nahe dem Hauptplatz. »Ich beobachte meine Untertanen gern aus objektiver Distanz. Dieser Blickwinkel verleiht mir eine einzigartige Perspektive.«

Andächtig betrachtete Shaddam die hoch aufragenden Statuen seiner Corrino-Vorfahren. Sie sahen aus wie über die Stadt verteilte Titanen. Wenn sich die Neuigkeiten erst einmal herumgesprochen hatten, würde Otorio zum Ziel zahlloser Reisender werden. Heerscharen von Touristen würden hierher strömen, um den Corrinos Respekt zu zollen und Geld in die Kassen des Planeten zu spülen – und damit letztendlich auch in den Staatsschatz der Corrinos. Schon bald würde die Raumgilde vielleicht direkte Heighliner-Routen von Kaitain aus anbieten.

»Wir haben die Zivilisation an diesen wenig bemerkenswerten Ort gebracht«, sagte der Imperator. Beschwingt vor Zufriedenheit summte er tief in der Kehle vor sich hin, hielt dann jedoch inne, als ihm auffiel, dass es sich um das gleiche nervtötende Geräusch handelte, das Fenring oft von sich gab. »Wir haben hier etwas Großes geleistet.«

Fenring, der trotz seiner kleinen Statur erstaunlich kräftig war und über großen Scharfsinn verfügte, war der Jugendfreund des Imperators und bis heute sein geachtetster Berater in komplexen und vertraulichen Angelegenheiten. Fenring hatte eine der einflussreichsten Positionen in Shaddams Regierungsapparat inne, er war der Imperiale Gewürzaufseher auf Arrakis. Der unattraktive Mann mit den karikaturesken Gesichtszügen trug gern teure Kleider: Einen übergroßen Spitzenstehkragen und Manschetten mit großen blauen Juwelen als Knöpfen. Seine Finger waren geschickt und unruhig und mit Gold- und Platinringen geschmückt.

»Ja, hmmm, ich bin froh, dass ich diesen Planeten wiederentdeckt habe, Sire, obwohl ich mich immer noch frage, warum er so lange im Verborgenen geblieben ist.« Fenrings Nasenflügel bebten, als er die Luft einsog. »Ich gehe der Sache noch nach. Ich vermute, dass Otorio nicht zufällig aus den Akten verschwunden ist. Die hiesigen Bewohner geben nur, ah, ungern Informationen heraus. Entweder wissen sie nichts über die früheren Herrscher Otorios, oder sie sind Komplizen bei der Verschleierung.«

Shaddam war das gleichgültig. »Das ist jetzt nicht mehr von Bedeutung. Otorio wird für immer als Standort des Großen Corrino-Museums bekannt sein.«

Durch einen glücklichen Zufall war ein exzentrischer Mentat – genau genommen der gescheiterte Mentat Grix Dardik – in alten Imperiumsakten auf eine falsch abgelegte Erwähnung des Planeten Otorio gestoßen. Die Bewohner dieses unbeachteten Planeten wurden nicht einmal durch den Herrscher eines Kleinen Hauses im Landsraad vertreten. Sie hatten keinen Kontakt mit der Imperiumspolitik, hatten an keinen Volkszählungen teilgenommen und auch seit Generationen keine Steuern an das Imperium abgeführt. Dardik hatte Graf Fenring von seinem Fund berichtet, der einzigen Person, die die nötige Geduld aufbrachte, um seine Anwesenheit zu erdulden, und Fenring wiederum hatte Shaddam davon erzählt. Mit einem Strich seiner verzierten Feder hatte der Imperator Otorio annektiert und als Standort für sein fantastisches Museum ausgewählt.

In einem Wirbel aus perlenbestickten Röcken, einem Damastkorsett und einer mit Blutfasern verzierten Bluse näherte sich die neue Imperatorin Aricatha den beiden Männern und schlüpfte zwischen ihnen hindurch ans breite Aussichtsfenster. »Shaddam, Mylord.« Sie bedachte ihn mit einem süßen, aufrichtigen Lächeln.

Aricatha war seine sechste und neueste Frau – sehr neu, nach dem Tod der enttäuschenden, langweiligen Firenza Thorvald, die als politische Heirat mittelmäßig und als Gemahlin ziemlich schlecht gewesen war. Die wunderhübsche Aricatha verfügte noch über einen frischen Glanz, und Shaddam holte sie weit häufiger in sein Ehebett, als er seine Konkubinen aufsuchte.

Ihre vollen Lippen waren in einem tiefen Braunrot geschminkt, und ihre Zähne waren perfekt und gleichmäßig wie feine Perlen. »Du bist ein schlechter Gastgeber, Schatz. Komm vom Fenster weg. Diese Leute sind auf deinen Befehl angereist, um dich zu sehen.«

»Sie sind gekommen, um von mir gesehen zu werden.« Er warf einen Blick hinab auf die Menge, die sich im Empfangssaal unterhalb der Terrasse drängte. »Ich kann sie ebenso gut von hier oben beobachten.«

Fenring stieß ein leises Lachen aus. »Shaddam hat nicht ganz unrecht, meine bezaubernde Imperatorin, aber das Gleiche gilt für Sie, mmm-ah? Sire, wir können jederzeit Pläne schmieden. Vielleicht sollten wir es den Menschen heute ermöglichen, dir ihren Respekt und ihre Ehrerbietung zu erweisen. Das kommt schließlich nicht allzu oft vor, hmmm?«

Shaddam legte die Stirn in Falten. »Du solltest mich nicht leichtfertig beleidigen, Hasimir.«

»Es ist gut für einen Mann, die Wahrheit zu hören, und sei es auch nur gelegentlich. Ich biete Offenheit, aber nur, wenn sonst niemand in Hörweite ist.«

»Aber ich konnte Sie hören, Graf Fenring«, sagte die Imperatorin mit einem melodischen Lachen. »Keine Sorge, ich erzähle niemandem davon. Wir sind vereint in unserem Wunsch, das zu tun, was das Beste für das Imperium ist.«

Aricathas kühne Worte überraschten sowohl Fenring als auch Shaddam. Sie war tatsächlich eine atemberaubende Frau, mit dem blauschwarzen Haar, das das Licht aufzusaugen schien, der weichen, karamellfarbenen Haut und den großen Augen in den Farben von Gagat und Obsidian. Sie leistete Shaddam auf bezaubernde Art Gesellschaft und war klug genug, ihm aus dem Weg zu gehen, wenn er seine Ruhe haben wollte. Fenring beobachtete sie wachsam, und er hatte Shaddam vorgewarnt, dass sie ihn in vielerlei Weise manipulieren konnte. Einmal bemerkte er: »Sie spielt auf dir nicht wie auf einem Musikinstrument, sie dirigiert dich wie ein ganzes Orchester.«

Shaddam gab nicht viel auf diese Bedenken. Seiner Meinung nach war er über jede Manipulation erhaben. Angesichts der angenehmen Gefühle, die Aricatha in ihm weckte, wenn ihre Finger über seine Haut spielten, gab es für ihn keinen Grund zur Beschwerde.

Für die Gala hakte sich die Imperatorin nun bei ihm unter, und Shaddam geleitete sie durch den weitläufigen Empfangsbereich, der den ganzen oberen Teil des Imperialen Monolithen einnahm. Sie führte ihn in die Mitte des Raumes, als wollte sie ihn wie ein Museumsstück ausstellen.

Die Metalltüren des Schnelllifts öffneten sich und spien einen Schwarm adliger Gäste in buntem Putz mit deutlich sichtbaren Landsraadswappen aus. Nur die zu diesem speziellen Empfang Geladenen durften den Aufzug betreten, der sie innerhalb von Sekunden in die Spitze des Monolithen trug.

Da Fenring sich nicht viel aus öffentlichen Auftritten machte, überraschte es Shaddam nicht, dass der Graf einfach im Getümmel untertauchte, während die Adligen um ihn herum fröhlich weiterplapperten.

Die Gäste betrachteten die eindrucksvollen Exponate und Vitrinen, während Bedienstete mit Getränketabletts und exotischen Delikatessen herumgingen. Als die Adligen den Imperator bemerkten, strahlten sie, nachdem sie ihre Ehrfurchts- und Respektsbekundungen stundenlang für diesen Moment einstudiert hatten. Hektisch kamen sie auf ihn zu, doch Aricatha fing die Gäste ab, um sie einen nach dem anderen vorzustellen, wobei es ihr irgendwie gelang, sich an alle Namen und Häuser zu erinnern. Shaddam warf seiner Frau einen dankbaren Blick zu, beeindruckt von ihren Fähigkeiten als Gesellschafterin. Die Adligen lächelten breit, erfreut, dass die wunderschöne neue Imperatorin sie wiedererkannte, wenn schon nicht der Padischah-Imperator selbst.

Ein Sardaukar in schneidiger Uniform trat an ihn heran und verströmte eine Aura der Stärke und Kompetenz. Shaddam schenkte dem Mann seine Aufmerksamkeit, dankbar für die Ablenkung. »Gibt es etwas zu berichten, Oberst-Baschar Kolona?«

Der Offizier sprach in einem ruhigen, sparsamen Flüsterton. »Wir haben jeden einzelnen Gast nach bestem Vermögen überprüft, Sire. Genießen Sie den Empfang. Sie sind in Sicherheit.«

Umgeben von so viel Sicherheitsvorkehrungen, mit so vielen Imperiumstruppen in der Stadt, wäre Shaddam überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass er nicht in Sicherheit sein könnte. Er entließ den Offizier und wandte sich der nächsten Person zu, die gekommen war, um ihm Respekt zu zollen.

Shaddam erkannte ihn sogar ohne die Vorstellung durch die Imperatorin. »Erzherzog Armand Ecaz.« Er streckte ihm die Hand hin und ließ sie dann unbeholfen wieder sinken, als er den leeren Ärmel des Erzherzogs sah, der an seiner Brust festgesteckt war, eine Erinnerung daran, dass der Mann seinen Arm bei dem blutigen Mordanschlag verloren hatte, der sich bei der unglückseligen Hochzeit seiner Tochter mit Herzog Leto Atreides ereignet hatte. »Hatten Sie ein friedliches und erfolgreiches Jahr? Ist es so lange her, dass …?« Der Imperator konnte den Blick nicht von dem leeren Ärmel abwenden.

»Ein Jahr, einen Monat und einige Tage, Sire«, sagte der Erzherzog, der aussah, als wäre er weit mehr als ein Jahr gealtert, seit Shaddam ihn das letzte Mal persönlich getroffen hatte.

Der Imperator räusperte sich und versuchte, ermutigend zu klingen. »Es war wirklich ein schreckliches Verbrechen, aber all der Ärger mit Grumman hat nun ein Ende. Nicht einmal die entferntesten Verwandten des Hauses Moritani wurden hierher eingeladen.«

»Es gibt kein Haus Moritani mehr, Sire. Dafür wurde Sorge getragen«, sagte der Erzherzog. »Ich danke Ihnen und dem Imperium dafür, dass Sie mir dessen Planeten als Ecazi-Lehen übertragen haben, auch wenn die Welt wenig zu bieten hat außer Mehraufwand.«

Shaddam schnalzte mit der Zunge. »Jeder Planet, den das Haus Ecaz hinzugewinnt, verbessert Ihre Position im Landsraad, nicht wahr?«

»Das stimmt, Sire«, räumte der Erzherzog ein, aber er klang nicht allzu zufrieden. »Sie haben meinen Dank.«

Shaddam sah ein paar Schritte weiter andere Adlige ungeduldig darauf warten, sich in seiner imperialen Gegenwart sonnen zu dürfen. Er musste weitermachen. »Wir werden einen weiteren wenig genutzten Planeten finden, den wir Ihrer Kontrolle unterstellen können. Mein Imperium umfasst eine Million Welten, und viele von ihnen sind unserer Aufmerksamkeit entgangen.« Er spreizte die Finger. »Wie zum Beispiel Otorio. Die Menschen hier hatten seit Jahrhunderten kein Adelshaus mehr, das über sie herrschte. Wenn es noch mehr Planeten dieser Art gibt, könnte ein Adliger wie Sie sie gut zum Wohle des Imperiums nutzen.«

Ecaz verbeugte sich, ohne zu lächeln. »Wie es im Kodex heißt, die Verantwortung eines Adligen gilt zuerst dem Landsraad und dem Imperium.« Er entfernte sich, und Shaddam verspürte Enttäuschung über dieses Gespräch. Die meisten Adligen wären überglücklich über das Angebot gewesen, mit einem zusätzlichen Planeten belehnt zu werden. Vielleicht sollte er sich jemanden suchen, der seine Großzügigkeit mehr zu schätzen wusste.

Ein Adliger nach dem anderen trat vor, und Shaddam hielt tapfer durch, während der Nachmittag verblasste und ins farbenfrohe Abendrot überging. Der Schnelllift spuckte eine Schar Gäste nach der anderen aus.

Graf Fenring kehrte zurück und schlüpfte wie ein gut geschmiertes Zahnrad zwischen die Adligen. Er blickte zu Shaddam und gab ihm eines der Handzeichen, die sie sich als Jugendfreunde ausgedacht hatten und mit dem er dem Imperator mitteilte, dass er ihm etwas Wichtiges zu sagen hatte.

»Entschuldigen Sie mich«, sagte er zu einem wartenden Adligen. »Ich bin sofort zurück. Mir wird gerade eine Regierungsangelegenheit zugetragen.« Er ging rasch zum Grafen hinüber, und gemeinsam suchten sie sich einen Ort, an dem sie sich in einer Blase der Vertraulichkeit ungestört unterhalten konnten.

»Ich habe mir die Liste der Ankommenden angesehen, und ich bin verwirrt über ein Muster fehlender Gäste«, sagte Fenring leise. »Der MAFEA-Präsident Frankos Aru hat Ihre Einladung öffentlich angenommen, aber soweit wir es feststellen können, befindet er sich nach wie vor in der Silbernadel auf Kaitain.« Seine blasse Stirn legte sich in Falten. »Seine Mutter, Ur-Direktorin Malina Aru, hat überhaupt nicht auf die Einladung reagiert. Bei einem Ereignis von solcher Tragweite hätten wir damit gerechnet, dass sie einen ihrer seltenen öffentlichen Auftritte absolviert – zumindest zum Wohle der MAFEA.«

Die Merkantile Allianz für Fortschritt und Entwicklung im All, auch MAFEA genannt, bildete ein gigantisches Monopolunternehmen für alle Arten des Handels im Imperium. Ihre weitreichenden Handelstätigkeiten wurden oft verschwiegen und im Verborgenen abgewickelt, und die meisten Bürger des Imperiums bemerkten überhaupt nicht, wie weit ihr Einfluss reichte.

Shaddam wischte Fenrings Beobachtung beiseite. »Ein historisches Spektakel wie dieses gehört nicht zum üblichen Repertoire der MAFEA. Alle hier wollen gesehen und wahrgenommen werden, und du weißt, dass die MAFEA sich lieber im Schatten hält.«

Fenring nickte widerwillig. Er tippte sich mit einem langen Finger ans Kinn. »Nachdem wir Otorio wiederentdeckt hatten, habe ich weiter nachgebohrt und Fäden offenbart, die mit weiteren Fäden verbunden sind und zusammen ein kompliziertes Netz ergeben. Ich habe den Verdacht, hmmm-ah, dass diese Welt hier mit Absicht aus den Akten entfernt wurde, um sie vor dir und zahlreichen früheren Imperatoren zu verbergen. Vielleicht durch Personen, die mit der MAFEA in Verbindung stehen.«

Shaddam spürte, wie er rot anlief. »Alles steht mit der MAFEA in Verbindung. Otorio gehört jetzt mir, und wenn jemand Einwände dagegen hat, soll er sie vorbringen. Ich spreche selbst mit der Urdir, wenn sie mutig genug ist, um mir persönlich unter die Augen zu treten.«

Der Imperator sah, dass einige ungeduldige Adlige zu lauschen versuchten.

Shaddam stieß den Grafen an und beobachtete, wie die Imperatorin sich tapfer darum bemühte, die Gäste abzulenken. »Lass mich erst einmal diesen Moment genießen, Hasimir. Wir befassen uns später mit Komplikationen und politischen Unannehmlichkeiten.« Er wandte sich der Menge zu, breitete die Arme weit aus und murmelte: »Ich muss diese Speichellecker empfangen und ihnen geben, was sie brauchen.«

Leise sagte Fenring: »Betrachte sie nicht alle als Speichellecker, Sire. Manche sind deiner Aufmerksamkeit würdig … als Feinde oder potenzielle Verbündete.«

Die verzierten Metalltüren des Schnelllifts öffneten sich. Der erste Adlige, der heraustrat, trug einen grün-schwarzen Umhang mit einem Falkenwappen auf der Brust. Der Blick seiner grauen Augen traf den des Imperators, und er nickte. Shaddam kannte diesen Mann gut.

Herzog Leto Atreides.

Die Fähigkeit zum Überleben ist die Fähigkeit, unerwartete Gefahren zu überwinden.

Axiom der Bene Gesserit

Baron Vladimir Harkonnen hatte sich nie als fett betrachtet, obwohl andere ihn so bezeichneten – und damit ein ziemliches Risiko eingingen, falls er davon erfuhr. Er war ein kräftiger Mann, ein sehr kräftiger Mann, und Größe an sich vermittelte Macht.

Wegen seiner Größe und seines Rufs fühlten sich die Leute unwillkürlich durch den Baron eingeschüchtert. Wenn er sich, von Suspensoren aufrecht gehalten, durch einen Raum oder Korridor bewegte, dann machten ihm alle Platz, selbst die hochrangigen Vertreter anderer Adelshäuser. Vielleicht würde eines Tages, unter den richtigen Umständen, sogar ein Harkonnen auf dem Goldenen Löwenthron sitzen. Eines Tages.

Diese Person würde allerdings nicht sein grobschlächtiger, ungeschliffener Neffe Glossu Rabban sein. Nein, das war unvorstellbar. Rabbans jüngerer Bruder allerdings … Feyd-Rautha, dieser wunderhübsche Junge. Ihn konnte man sich definitiv in den Gewändern eines Imperators vorstellen.

Diesen Gedanken behielt er zuvorderst im Kopf, als er sich darauf vorbereitete, von Arrakis zu Shaddams Galaempfang auf irgendeiner abgelegenen Welt aufzubrechen. Es war gut, sich in Gegenwart des Imperators sehen zu lassen.

Mit schwerfälliger Eleganz glitt der suspensorgetragene Baron durch einen staubigen Tunnel unter der Stadt Carthag – sein Geheimweg zum Raumhafen. Er hatte seine Abreise nicht bekannt gegeben und rechnete nicht damit, aufgehalten zu werden. Bevor er die hochtrabende Einladung bekommen hatte, hatte der Baron nie auch nur von einem Planeten namens Otorio gehört.

Wachen in kakifarbenen Uniformen liefen voraus, neben und hinter ihm persönliche Bedienstete. Angehörige seines Gefolges transportierten große Truhen mit den Kleidern des Barons für die Expedition. Er hatte das Anwesen der Harkonnen im befestigten Herzen seiner Hauptstadt verlassen und würde eine Fähre zum wartenden Gildenheighliner nehmen.

Der Baron trug einen langen, schwarzen Mantel mit einem blauen Greifen am Revers, dem Symbol des Hauses Harkonnen. Er spürte den sanften Luftstrom der kühlenden Ventilatoren in seinen wogenden Gewändern. Er wischte sich Schweiß und Schmutz aus dem fleischigen Gesicht und freute sich auf die Fähre, in der man es sich wieder bequem machen konnte.

Diese Welt wurde von den Eingeborenen als »Wüstenplanet« bezeichnet, ein einfallsloser Spitzname, obwohl sie ihn aussprachen, als hätte er eine spirituelle oder mystische Bedeutung. Er zog den imperialen Namen Arrakis vor, der knapper und richtiger klang, nach etwas, das sich erforschen und kontrollieren ließ. Arrakis war allerdings ein unerfreulicher Ort, schmutzig und staubig, ganz anders als seine Heimatwelt Giedi Primus mit ihren süßen, zivilisierten Düften. Aber als einzige Quelle der lebenswichtigen Melange war Arrakis ein extrem profitables Lehen, und dem Baron fiel es leicht, die hiesigen Unannehmlichkeiten zu ertragen, wenn er daran dachte, wie viele Solari das Gewürz in seine Schatzkammer spülte.

Ein beflissener Bediensteter versprühte einen Tröpfchennebel vor ihm, während er sich durch den erleuchteten Tunnel bewegte. Er atmete die feuchte Luft tief ein und bedeutete dem Mann, seine Anstrengungen zu verstärken. Erfrischt setzte der Baron seinen Weg fort, und Bedienstete mit Sprühflaschen wechselten sich ab, um ihm das Atmen zu erleichtern. Der geheime Tunnel schien einfach kein Ende zu nehmen, aber zumindest wurde er hier nicht gesehen.

Schließlich stieg der Tunnel leicht an und endete dann vor einer Flügeltür. Die Raumgilde hatte ihre eigenen strengen Flugpläne, und er wollte nicht, dass der Heighliner ohne ihn abflog.

Bevor er nach draußen trat, nahm der Baron einen willkommenen Schluck aus dem Feuchtigkeitsschlauch neben seinem Mund. Sein Gefolge geleitete ihn rasch über eine kurze Strecke festgebackenen Erdbodens und an Bord der wartenden Fähre. Sobald er in dem luxuriösen Privatabteil war, nahmen seine Diener ihm die äußeren Kleidungsschichten ab, und endlich konnte der Baron sich in der kühlen Luft entspannen.

Der massige, fleischige Rabban trat in die Tür, er füllte sie fast aus. »Wir sind bereit zum Abflug, Mylord Baron. Ich bin heute dein Pilot.« Sein Neffe war allzu stolz auf seine Fähigkeiten.

»Dann mach schon. Der Padischah-Imperator erwartet uns.«

Der kräftige Mann wirbelte herum, um die ihm ins Gesicht steigende Röte zu verbergen, und ging.

Rabban erreichte das Pilotendeck und hielt die Hand vor einen Sicherheitsabtaster an der Cockpittür. Die Anzeige blinkte orangefarben auf und verweigerte ihm den Zutritt. Die Tür blieb verschlossen.

Zu seinem Entsetzen spürte er, wie das Deck vibrierte, als die Triebwerke aktiviert wurden – ohne sein Zutun! Die Fähre machte sich zum Abheben bereit! Er hämmerte mit den fleischigen Händen an die Tür und warf sich dann mit seinem ganzen Gewicht gegen das Hindernis. Das Metall erbebte, aber die Tür gab nicht nach.

Als sie den Lärm hörten, eilten zwei Harkonnen-Wachen herbei, um zu helfen, während die Fähre vom Raumhafen von Carthag aufstieg. Die großen Männer, die alle mit Schwertern und Schildgürteln bewaffnet waren, warfen sich gemeinsam gegen die Tür, bis sie schließlich mit lautem Krachen nachgab und nach innen schwang.

Zu seinem Entsetzen befanden sich in dem Abteil Wüstenleute in staubigen, braunen Mänteln, die den Harkonnen zahlenmäßig überlegen waren. Eine drahtige Frau hatte die Kontrolle über die Fähre an sich gerissen und steuerte sie nun. Sie warf einen raschen Blick auf Rabban und rief dann ihren Gefährten in ihrem Kauderwelsch einen Befehl zu. Diese Leute hier erinnerten kein bisschen an die gebeugten Städter von Carthag. Sie hatten ein Feuer in den blau verfärbten Augen, eine Abgebrühtheit, die aus den Tiefen der Wüste stammte. Hiesige Gewürzarbeiter? Vielleicht sogar die mysteriösen Fremen?

Ein dunkelhäutiger Mann warf sich mit einem gekrümmten Messer auf Rabban. Er stach zu, verfehlte Rabban jedoch, der auswich und in der gleichen Bewegung seinen Schild aktivierte. Andere Wüstenkämpfer rannten auf ihn zu, jeder mit einer tödlichen Klinge in der einen Hand und einer primitiven Maula-Pistole in der anderen. Seine Harkonnen-Wachen zogen ihrerseits ihre Waffen, bereit für einen Kampf auf engem Raum.

Einer der Rebellen feuerte seine federgetriebene Pistole ab, doch das Geschoss prallte harmlos von dem Schild ab. Vier Wüstenmänner fielen, während sie um die Kontrolle der eroberten Fähre kämpften, aber Rabbans Harkonnen-Wachen brachen ebenfalls zusammen, beide mit Giftpfeilen im Hals, Schleichpfeilen, die das Feld durchdringen konnten. Das Pilotenabteil war voll mit Leichen. Rabban entging nur mit knapper Not dem gleichen Schicksal, indem er sich duckte, als ein Pfeil von der Wand abprallte und dicht an seinem Hals vorbeisauste.

Bevor die Angreifer erneut feuern konnten, stürzte er aus dem Cockpit und knallte die beschädigte Tür wieder zu. Die Fähre stieg ruckelnd weiter empor.

Rabban brüllte nach mehr Wachen, aber keine erschienen. Er warf einen Blick durch das Sichtfenster und stellte fest, dass die Fähre gewendet hatte und in Richtung der offenen Wüste beschleunigte, anstatt in die Umlaufbahn aufzusteigen.

Aus dem gepolsterten Passagierabteil hörte er seinen Onkel, der brüllend nach Antworten verlangte. Aber damit konnte Rabban sich jetzt nicht abgeben.

Mit einem Mal vollführte die Fähre eine scharfe Kehre und raste in die entgegengesetzte Richtung, nun direkt auf die Stadt zu. Seine Eingeweide verkrampften sich, als ihm klar wurde, was die Wüstenrebellen beabsichtigten. Sie wollten das Schiff irgendwo in Carthag zum Absturz bringen, vielleicht sogar über dem Harkonnen-Hauptquartier. Und die Bodensicherheit würde es nicht wagen, das Feuer auf die Fähre zu eröffnen, solange der Baron an Bord war.

Der Wandschirm flackerte, und das Bild seines Onkels erschien. Blut strömte ihm in die dunklen Augen. Der Baron hielt eines seiner Handgelenke umfasst. Die Hand hing in einem seltsamen Winkel herab und war offenbar gebrochen. »Was geht da vor? Ich brauche medizinische Hilfe!«

Fünf weitere Wachen stürmten den Korridor entlang, um Rabban zu helfen, und sahen die beschädigte Tür zum Kontrolldeck. Gemeinsam sprangen sie ins Pilotenabteil. Nun, da er Verstärkung hatte, schob Rabban sich hektisch zwischen ihnen hindurch. Er musste die Kontrolle über das Schiff zurückerlangen. Während sie alle mit gezogenen Klingen in das Abteil drängten, hackte Rabban erst auf den einen und dann auf den nächsten Rebellen ein. Sie sackten schwer zu Boden.

Drei der Rebellen lebten noch und duckten sich hinter Konsolen. Sie feuerten ihre unhandlichen Maula-Pistolen ab, wobei sie wild durch die Gegend schossen und einige der Kontrollen beschädigten, auch wenn die Geschosse die Schilde nicht durchdringen konnten. Rabbans Wachen griffen an, während die Pilotin die Fähre weiter direkt auf die hohen Gebäude der Stadt zusteuerte. Als die Maula- und Pfeilpistolen leer geschossen waren, kämpften die Rebellen mit Messern.

Rabban bewegte sich schnell, stieg über Leichen hinweg und wich aus, während er darauf achtete, immer die Harkonnen-Wachen vor sich zu behalten. Ein Dolch flog an seinem Kopf vorbei. Zwei weitere seiner Männer gingen zu Boden.

Die Rebellen schienen einen unerschöpflichen Vorrat an Messern zu haben, die sie aus ihren Wüstenkleidern hervorholten, aber Rabban und seine verbliebenen Wachen waren stärker und verfügten über Schilde, und schon bald lag das restliche Wüstengesindel zwischen beschädigten Konsolen am Boden verstreut.

Die Pilotin war über den Kontrollen zusammengebrochen, und dickflüssiges, dunkles Blut quoll ihr aus dem Mund. Sie lebte noch, und ein wilder Ausdruck stand in ihren blauen Augen, als sie nach der Steuerung griff, um die Fähre in den Sturzflug gehen zu lassen.

Rabban gab einen Schuss aus seiner Projektilwaffe ab, der ihr Blut auf das vordere Sichtfenster spritzen ließ. Das Geräusch der Triebwerke wurde tiefer, als das Schiff verlangsamte und den Gebäuden der Stadt entgegenstürzte.

Rabban stieg über Leichen hinweg und verschmierte das Blut unter seinen Stiefelsohlen, während er zur Steuerkonsole taumelte. Er kämpfte mit der Steuerung und versuchte, sie dazu zu bringen, seinen Befehlen wieder Folge zu leisten. Ein Schaltkreis sprühte Funken und zischte. Zahlreiche Systeme waren durch das Feuergefecht beschädigt worden. Obwohl er sich alle Mühe gab, widersetzte das Schiff sich ihm. Sie fielen schnell, und die Gebäude im Herzen Carthags wirkten mit einem Mal ziemlich groß.

Zeit … blieb ihm noch genug Zeit? Er schrie die Kontrollen an und wischte mit der Hand darüber, um eine Blutpfütze wegzuwischen. Er schaltete die Notsysteme ein, um Schub nach oben zu bekommen. Schließlich, mit einer starken Entladung der Steuerdüsen, korrigierte er den Kurs und entfernte sich in einem weiten Bogen vom Stadtzentrum. Erst ein paar Meter über dem Boden gelang es ihm, die Fähre aus dem Sturzflug hochzureißen. Dann flog er mit röhrenden Triebwerken zurück zum Raumhafen.

Er hatte die Fähre alles andere als vollständig unter Kontrolle, aber er schaffte es, sie zu einer Fläche aus festgebackenem Sand zwischen zwei Landeplätzen zu fliegen. Er musste den Baron in Sicherheit bringen.

Eine Windbö traf die Fähre und erschwerte es ihm, sie sicher aufzusetzen. Die Fähre geriet ins Rutschen und pflügte Staub und Sand auf. Schließlich kam sie schwankend zum Stehen. Rabban hörte nur das Tosen von Adrenalin und seinen eigenen pochenden Herzschlag.

Rasend vor Wut schwebte der Baron durch die beschädigte Luke ins Pilotenabteil. Ihm lief noch immer das Blut aus einer Stirnwunde über das Gesicht, und er hielt sich mit schmerzverzerrter Miene das geschwollene linke Handgelenk.

Wachen strömten mit gezogenen Waffen hinter ihm herein, aber inzwischen waren alle Rebellen tot.

»Ich habe die Lage unter Kontrolle, Onkel«, sagte Rabban.

Der Baron starrte finster auf die vielen Leichen hinab. Ein Mann zuckte noch, und der Baron, der durch seinen Suspensorgürtel fast schwerelos war, beugte sich vor und schlitzte dem Mann mit dem Dolch in der unverletzten Hand die Kehle auf.

Rabban fuhr die Systeme herunter und schaltete den immer noch blinkenden Triebwerksalarm ab. Dann drehte er sich mit einem Grinsen zum Baron um. »Das habe ich gut gemacht, Onkel. Nicht wahr?«

Der massige Mann machte nur ungern Komplimente. »Ich bin verletzt. Viele meiner Wachen sind tot, und meine Fähre ist hinüber. Wie soll ich es jetzt in die Umlaufbahn schaffen, bevor der Heighliner abfliegt?«

Enttäuscht, dass er nicht gelobt wurde, trat Rabban auf die tote Pilotin zu und versetzte der Leiche einen festen Tritt in den Bauch. Sie rollte gegen die Wand, was ein wenig zur Besserung seiner Laune beitrug.

Der Wachhauptmann steckte seine Waffe ins Halfter und rückte sein Messer in der Scheide zurecht. Er zitterte und schwitzte, sichtlich durch den Baron eingeschüchtert. Mit einer plötzlichen Ausfallbewegung stieß der Baron ihm den Dolch in den Hals. Der Hauptmann stürzte zu Boden wie eine Marionette mit durchgeschnittenen Fäden, und die verbliebenen Wachen standen steif da, zu verängstigt, um den Baron anzusehen.

»Du kannst froh sein, dass ich beschlossen habe, jemand anders hinzurichten, Neffe.« Sein widerwilliger Unterton war der einzige Hinweis darauf, dass Rabban sich in seinen Augen zumindest teilweise rehabilitiert hatte.

Der Baron berührte seine klebrige rote Stirn und brüllte die verbliebenen Wachen an: »Raus! Allesamt! Besorgt mir eine Transportmöglichkeit zurück ins Hauptquartier!«

Sie rannten los, um seine Befehle zu befolgen.

Der Baron verdrehte vor Schmerz die Augen, stürzte dank seines Suspensorgürtels allerdings nicht zu Boden. »Jetzt kann ich nicht an Shaddams Empfang auf Otorio teilnehmen.«

Rabban blieb in steifer Habtachtstellung. »Soll ich den Imperator benachrichtigen?«

»Das wirst du nicht tun! Ich lasse jemanden etwas schreiben, der eine geschliffenere Ausdrucksweise hat. Wir müssen ihm nicht auf die Nase binden, dass ich um ein Haar von einer Bande dreckiger Wüstenratten umgebracht worden wäre.« Rabban war sich darüber im Klaren, dass sein Onkel noch eine Weile lang seine Wut herauslassen musste. »Du hättest dich vergewissern müssen, dass die Fähre sicher ist, bevor ich an Bord gegangen bin. Dieses Versagen ist deine Schuld, Rabban.«

»Aber ich habe dich gerettet. Ich habe uns beide gerettet.«

Baron Harkonnen seufzte widerwillig. »Kämpfen und töten kannst du tatsächlich, und du verfügst über eine gewisse grobschlächtige Meisterschaft in der Anwendung roher Gewalt, aber die hat in dieser Situation nur deshalb Wirkung entfaltet, weil du mit dem Rücken zur Wand gestanden hast. Du musst lernen, mehrere Züge im Voraus zu planen und konsequent zu sein. Lerne, ein strategisches Spiel zu spielen, anstatt nur eine Keule zu schwingen.« Ein berechnender Ausdruck trat auf das blutverschmierte Gesicht des Barons. »Weißt du, wie man Pyramidenschach spielt?«

Rabban schüttelte den Kopf.

»Es ist ein Spiel, das viele komplexe Züge erlaubt, und mit dem Leben ist es genauso. Bei beidem muss man lernen, vorauszudenken, die Folgen des eigenen Handelns abzuschätzen und Fallstricken aus dem Weg zu gehen.«

»Ich werde es lernen, Onkel. Ich verspreche es.« Rabban begriff langsam, wie viel hier und in diesem Moment auf dem Spiel stand.

In einem seltsamen Stimmungswechsel legte der Baron seinem Neffen die unverletzte Hand auf den Arm. »Ich weiß nicht, ob man jemandem wie dir diese Art von Weisheit beibringen kann.«

Rabban versuchte, ernst zu wirken, und zwang sich, die Beleidigung hinzunehmen. »Ich werde klüger werden. Das gelobe ich.«

Als würde er durch eine Mauer aus Felsbrocken sprechen, grollte der Baron: »Vorerst will ich, dass du gegen dieses Wüstengesindel hart durchgreifst. Das entspricht deinen besonderen Fähigkeiten.« Er hielt inne. »Und besorg mir einen Arzt!«

Manche sagen, dass Zufriedenheit mit dem eigenen Platz im Leben einen Mangel an Ehrgeiz zur Folge hat. Ich hingegen habe beobachtet, dass Ehrgeiz zu einem Krebs werden kann, der einen Menschen von innen heraus auffrisst. Ein wahrer Anführer muss die richtige Balance finden.

Herzog Leto Atreides, private Mitteilung an seinen Sohn Paul

Als er den überfüllten Empfangssaal des Imperators betrat, fühlte Leto sich wie ein Kampftier, das man in der Arena losgelassen hatte, und das hier war nicht die Art von Gefecht, die er bevorzugte.

Seine Mutter Helena hatte ihm beigebracht, wie man bei Hofe erfolgreich war, denn sie hatte große Ambitionen gehabt. Nun hielt er inne, nahm den von den Gästen verursachten Wirbel von Farben, Geräuschen und Gerüchen in sich auf, den Anblick der erlesenen Speisen und der Ausstellungsstücke. Sein Vater hatte auf Caladan zu Festen geladen und insbesondere spektakuläre Stierkämpfe veranstaltet – und war letztendlich bei einem ums Leben gekommen. Die Tragödie hatte den Herzogstitel auf Leto übergehen lassen, als dieser noch nicht viel älter gewesen war als Paul jetzt …

Shaddam sah ihn, und Leto trat vor die anderen Adligen, die den Lift verließen und sich um den besten Platz balgten. Sie wollten die Ersten sein, aber sie ahnten, dass es mit jenem Herzog etwas Besonderes auf sich hatte.

Leto verbeugte sich förmlich vor Shaddam, und der Imperator nickte. »Herzog Leto Atreides, geschätzter Cousin. Es bedeutet mir sehr viel, Sie hier zu sehen. Es scheint schwer zu sein, Sie von Caladan loszueisen.«

»Ich widme meine Aufmerksamkeit meiner Welt und meinem Volk, Sire, alles im Namen des Imperiums. Ich bin stolz, das Haus Atreides zu vertreten.« Er kleidete die nächsten Worte in einen schmeichelnderen Tonfall. »Ihre neue Museumsanlage ist der beeindruckendste Anblick, den ich je zu Gesicht bekommen habe. Es ist unmöglich, all das bei einem einzigen Besuch in sich aufzunehmen.«

»Dann müssen Sie Otorio erneut besuchen und mehr Zeit hier verbringen«, sagte Shaddam. »Damit Sie das Vermächtnis des Hauses Corrino auch wirklich zu schätzen wissen.«

Leto stellte fest, dass er dieses Spiel gegen seinen Instinkt mitspielte. Gleichzeitig wollte er jedoch verdeutlichen, dass er mehr als ein bloßer Speichellecker war. »Danke für alles, was Sie für mich getan haben, Sire. Dank Ihrer Großzügigkeit ist das Haus Atreides erstarkt.«

Shaddam gab vor, seinen Dank mit einem Wink abzutun. »Die Sache mit dem Angriff auf ein Tleilaxu-Schiff in einem Heighliner und dem Verwirkungsverfahren ist Jahre her.«

»Ein Verfahren, bei dem ich gewonnen habe.«

»Sie wurden entlastet, das ist wahr. Ganz ehrlich, ich habe den Anschuldigungen nie auch nur den geringsten Glauben geschenkt. Derlei Hintertriebenheiten entsprechen nicht der Art des Hauses Atreides. Es erfreut mich, dass Sie seither auf vernünftige und undramatische Art und Weise herrschen.«

Graf Fenring trat hinzu und bedachte den Herzog mit einem kühlen, respektvollen Nicken. Auch er und Leto blickten auf eine gemeinsame Geschichte zurück. »Seit diesen Vorfällen haben Sie sich bedeckt gehalten, hmmm? Abgesehen von diesem unschönen Assassinenkrieg zwischen Ecaz und Grumman vor Kurzem. Derlei Schwierigkeiten haben Ihre Position im Landsraad möglicherweise geschwächt.« Er klang kritisch. »Sie haben allerdings so viel Potenzial, Herzog Leto. Ich, ah, habe ein Auge auf Sie.«

Obwohl andere Adlige warteten, hielt Leto es für wichtig, den verdächtigen Mann mit dem Sendegerät zu erwähnen, den er in der Gasse gesehen hatte. Er wandte sich wieder dem Imperator zu. »Sire, ich habe etwas Besorgniserregendes beobachtet. Vielleicht ist es von Bedeutung.«

Shaddam hatte den Blick bereits auf die sich drängelnden ungeduldigen Besucher gerichtet, und Fenring löste Leto elegant von der Seite des Imperators. »Wenn Sie eine Gefälligkeit vom Imperator erbitten wollen, ist jetzt nicht der Zeitpunkt dafür. Ich kann Sie in …«

Leto schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht um einen Gefallen bitten, sondern nur eine Sorge äußern. Sie und ich, wir hatten es beide schon mit Verrat und Mordversuchen zu tun, Graf Fenring. Man kann nie vorsichtig genug sein.« Er beschrieb, was er beobachtet hatte.

Fenring schnippte mit den Fingern, um einen Sardaukar-Offizier herzubeordern, der stocksteif in der Nähe stand. »Oberst-Baschar, hören Sie sich an, was Herzog Atreides zu berichten hat. Es erfordert vielleicht eine genauere Untersuchung.«

Während der Offizier zuhörte, sah er Leto so eindringlich an, als wollte er ihm mit seinem Blick Schicht für Schicht die Haut abziehen. Der Sardaukar zögerte und dachte nach. »Sie haben keinen Grund zu lügen oder einen falschen Alarm auszulösen, Herzog Leto Atreides. Ich werde der Sache nachgehen.« Mit einem knappen Nicken marschierte er davon.

In der Gewissheit, dass die Sardaukar sorgfältig vorgehen würden, entspannte sich Leto und ließ den Blick über die versammelte Menge schweifen. Der Empfangssaal unter dem Dach war eine Hindernisstrecke von Solido-Hologrammen, in denen Redner mit sanften Stimmen jedes historische Ausstellungsstück beschrieben: Ein Gewand, das Hassik II. getragen hatte, eine geflochtene Peitsche, die Ilnod während seiner zwei Wochen währenden Herrschaft verwendet hatte, eine juwelenbesetzte Tiara von Shaddams erster Frau Lady Anirul. Leto hatte Anirul nur zu gut gekannt, als die Frau, die Jessica in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft mit Paul nach Kaitain zitiert hatte.

Jessica hatte so viel von der Kunstfertigkeit der Schwesternschaft gelernt, dass Leto nicht einmal ahnen konnte, welche Fähigkeiten sie besaß. Er wusste nur, dass er sie liebte, und er glaubte, dass auch sie ihn liebte. Sie waren nun seit fast zwanzig Jahren zusammen, und sie verstand ihre Rolle als gebundene Konkubine, die nicht seine Ehefrau war. Nicht Leto hatte es so entschieden, sondern das Imperium.

»Sie war eine Bene Gesserit, und sie hat dem Orden gute Dienste geleistet«, sagte eine Frauenstimme neben ihm. »Ich spreche von Lady Anirul.«

Er drehte sich um und sah eine alte Frau in schmucklosen schwarzen Gewändern. Leto runzelte die Stirn. »Wie ich sehe, hat der Imperator seine Wahrsagerin mitgebracht.«

»Bei jedem derartigen Ereignis ist die Luft so sehr von Lügen geschwängert, dass man daran ersticken kann.« Die Ehrwürdige Mutter Mohiam bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, als verberge sich hinter ihren leuchtenden Augen eine ganze Bibliothek des geheimen Wissens über ihn.

Leto hatte nicht besonders viel für die alte Hexe übrig. Er erinnerte sich noch daran, wie sie ihm die junge Jessica vorgeführt und darauf beharrt hatte, dass der Herzog sie als Konkubine aufnehmen sollte. Das nahm er Mohiam übel, obwohl Jessica tatsächlich sein Herz erobert hatte. Er traute den Bene Gesserit und ihren Intrigen nicht.

»Und wie geht es Jessica?«, drang sie in ihn, als könne sie seine Gedanken lesen. Die alte Bene-Gesserit-Vettel konnte an den kleinsten Veränderungen seiner Miene ablesen, was in seinem Kopf vorging, eine Fähigkeit, die auch Jessica teilte.

»Ihr geht es gut, und sie weilt zufrieden auf Caladan.«

»Natürlich wollte sie nicht nach Otorio kommen. Eine Konkubine weiß, wo ihr Platz ist, und eine Schwester versteht das. Wir haben eine gute Wahl getroffen, als wir sie Ihnen zugewiesen haben.« Mohiam rümpfte die Nase, und ihre Gedanken schlugen unvermittelt eine neue Richtung ein. »Und Ihr Sohn?« Gift troff von ihrer Stimme, und Leto wurde wachsam.

»Mein Sohn …« Er hielt inne und sagte dann mit Nachdruck: »Mein Erbe übertrifft in jeder Hinsicht die in ihn gesetzten Erwartungen. Schon bald werde ich ihn bei wichtigen imperialen Anlässen vorstellen.«

»Wie diesem«, sagte Mohiam.

»Wie diesem. Der Imperator hat mich eingeladen, diesen Besuch zu wiederholen. Vielleicht bringe ich Paul mit, damit er sich die Stücke in diesem Museum ansehen kann.«

Ihr Blick durchbohrte ihn. »Er wird bald alt genug sein, um zu heiraten. Die Schwesternschaft könnte in dieser Beziehung zu Diensten sein.«

Er versteifte sich und wählte seine Worte mit Bedacht. »Ich sehe keine Veranlassung, die Bene Gesserit in meine Familienangelegenheiten einzubeziehen.«

Ihr dünnes Lächeln war so warm wie eine Polarkappe. »Doch bei einem Adelshaus sind alle Familienangelegenheiten von Bedeutung für das Imperium.«

Leto bedachte sie mit einem kalten Blick, während die Geräuschkulisse des Empfangs sie umwirbelte. »Mein Vater hat mir beigebracht, dass die erste Pflicht eines Herzogs der Sicherheit seines Volkes gilt. Zuallererst bin ich der Herzog von Caladan.«

Als er das vertraute Gesicht von Erzherzog Ecaz in der Menge sah, ergriff er die Gelegenheit, die steife Ehrwürdige Mutter stehen zu lassen. Er entschuldigte sich und ging auf den Erzherzog zu, immer noch verärgert, dass Mohiam sich in seine Angelegenheiten einmischte.

Armand Ecaz stand mit vier anderen Adligen tief in ein Gespräch versunken bei einer Vitrine, in der ein imperiales Messer mit goldenem Griff lag – angeblich die Klinge, die Faykan Butler bei der Schlacht von Corrin getragen hatte. Ihre tatsächliche Herkunft war höchst unklar, aber Shaddam hatte sie trotzdem zum Herzstück der Ausstellung gemacht.

Leto hielt inne, als er die gedämpften Stimmen der Gäste hörte, die die Köpfe zusammengesteckt hatten.

»… der Adelsbund.«

Ein Mann wie ein Bär, der einen dicken Schnurrbart im Gesicht trug, schnaufte. »Seit Jahrhunderten reden die Leute davon, das Imperium aufzuspalten. Es wird nie dazu kommen.«

»Warum, Atikk? Glaubst du nicht, dass dein Planet besser gedeihen würde, wenn du unabhängig darüber herrschen könntest? Oder gefällt es dir, wenn man dir Zehnte und Steuern für lächerliche Aufwendungen wie dieses große Museum hier abknöpft?« Die Gäste steckten die Köpfe noch dichter zusammen.

Armand Ecaz sagte: »Dieses Museum zeigt, was die Corrinos im Laufe von zehntausend Jahren erreicht haben.« Er ließ den Blick an den Vitrinen entlangschweifen. »Nicht viel.«

Der erste Mann, Lord Atikk, murmelte: »Niemand kann das Imperium aufspalten. Das ist doch alles nur Gesprächsstoff für gelangweilte Klatschbasen.«

Einer der verstohlenen Adligen bemerkte Leto, und die anderen stellten ihr Gespräch sofort ein. Armands Miene hellte sich auf. »Leto Atreides! Alter Freund!«

Der Erzherzog stellte Leto den anderen Anwesenden vor, denen anscheinend unbehaglich zumute war. Leto wahrte eine undurchschaubare Miene, während er das eben Gehörte verarbeitete. Die Gerüchte über die Bewegung für einen Adelsbund wirkten unwahrscheinlich, insbesondere hier, in einem gigantischen Museum, das zehntausend Jahre des Imperiums zur Schau stellte.

Ohne ein Lächeln sagte Leto: »Ich bin hier, um mich im Glanz des Padischah-Imperators zu sonnen.«

Atikk brummte und betrachtete ihn abschätzig. »Ach? Nicht, um den Schwarzmarkt für Ihre caladanische Droge auszuweiten?«

Einer der anderen Adligen schnappte überrascht nach Luft. Leto runzelte die Stirn. »Caladanische Droge?« Atikk lief rot an und wandte sich ab.

Armand Ecaz ging dazwischen und umarmte Leto mit seinem einen Arm. Er war ehrlich bewegt, seinen Freund zu sehen. »Du weckst schreckliche Erinnerungen in mir, aber wir teilen einen Schmerz, den andere nie verstehen werden. Ich hoffe, es geht dir gut.«

Leto krümmte sich innerlich zusammen, als er daran dachte, wie Ilesa Ecaz in ihrem Hochzeitskleid in Stücke gehackt worden war, wie sie auf ihrer eigenen Hochzeit tot dagelegen hatte. Er erwiderte die Umarmung, ohne auf die anderen Adligen zu achten. »Mir geht es gut.« Leto war darauf bedacht, Jessica nicht zu erwähnen, fügte allerdings hinzu: »Mein Sohn Paul ist jetzt vierzehn. Ich könnte nicht stolzer auf ihn sein. Er wird ein hervorragender Herrscher sein.«

»Vierzehn?«, sagte einer der anderen Adligen, Graf Dinovo. »Wenn Ihr Sohn vierzehn ist, sollten Sie anfangen, sich nach einer Hochzeitsallianz umzuschauen. Das ist nicht zu früh. Meine eigene Tochter ist im selben Alter …« Er lächelte Leto an und ließ seine Worte nachwirken.

Leto, der ohnehin schon verärgert war, dass Mohiam zuvor das gleiche Thema angeschnitten hatte, antwortete rasch: »Für einen Vater ist es immer zu früh.« Er ließ den Blick über die versammelten Adligen wandern, nicht nur in dieser kleinen Runde, sondern durch den ganzen Ausstellungsraum. Lauerte der gesamte Landsraad wie ein Rudel Raubtiere auf seinen Sohn, als wäre er ein frisches Stück Fleisch?