Der Zauber von St. Johann - Toni Waidacher - E-Book

Der Zauber von St. Johann E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Als die Streusachhütte in Sicht kam, hielt Pfarrer Trenker einen Augenblick lang inne und verschnaufte. Die größte Hitze war vorüber und der Bergpfarrer genoss die Ruhe des sonnigen Nachmittags, die bloß hin und wieder vom grellen Pfiff eines Murmeltiers oder von den heiseren Schreien der Dohlen durchbrochen wurde. Nach einer Weile des stummen Schauens rückte Sebastian Trenker die Riemen seines Rucksacks zurecht und ging weiter der Streusachhütte entgegen. Je näher er der Hütte kam, desto lebhafter wurden die Geräusche. Immer lauter drang das Johlen und Lärmen der Gäste an Sebastians Ohr. Verwundert schaute er hinüber zur sonnigen Hüttenterrasse, auf der anscheinend fast alle Tische voll besetzt waren. Zwar war die Streusachhütte immer gut besucht und der Schlafraum im oberen Stock im Sommer meist ausgebucht, doch so einen Andrang hatte Sebastian bisher noch nie erlebt. Als er die Treppen zur Terrasse hinaufstieg, fiel ihm auf, dass die Hüttengäste zumeist junge Leute im Alter zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahren waren. Etliche Augenpaare wandten sich ihm zu, während er nahe am Eingang an einem der wenigen Tische, die noch frei waren, Platz nahm. Leicht spöttische Blicke galten seinen Bergschuhen und seinem Rucksack, an dem ein Seil, Steigeisen und ein Pickel hingen. Der Bergpfarrer setzte seinen Filzhut ab und nahm nun seinerseits die jungen Leute etwas genauer unter die Lupe. Ein Teil von ihnen trug bequeme Trainingshosen und weite Sweatshirts, andere hatten hautenge, kunterbunte Leggings und dazu ebenso knappe und farbenfrohe T-Shirts an. Besonders ein junger Mann mit pechschwarzen, kurz geschnittenen Haaren erregte Sebastians Aufmerksamkeit. Er war groß und schlank, dabei sehr muskulös. Sein Sportdress war in den Farben Türkis und Schwarz gehalten, schwarze Turnschuhe und eine Sonnenbrille in der gleichen Farbe vervollständigten sein Outfit. Seinem großspurigen Auftreten nach zu schließen, schien er der Anführer der Gruppe zu sein. Besonders eine junge Frau hing mit großen bewundernden Blicken an seinen Lippen. Sie wich nicht von seiner Seite und schien seine lauten Monologe regelrecht aufzusaugen. Man hätte sie für seine Freundin halten können, wenn er liebevoller und weniger herablassend mit ihr umgegangen wäre. Allerdings schien sein lautes und überhebliches Auftreten weder ihr noch den anderen Mitgliedern der Gruppe unangenehm aufzufallen.

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Der Bergpfarrer – 280 –

Der Zauber von St. Johann

Junge Herzen auf dem Weg ins Glück?

Toni Waidacher

Als die Streusachhütte in Sicht kam, hielt Pfarrer Trenker einen Augenblick lang inne und verschnaufte. Die größte Hitze war vorüber und der Bergpfarrer genoss die Ruhe des sonnigen Nachmittags, die bloß hin und wieder vom grellen Pfiff eines Murmeltiers oder von den heiseren Schreien der Dohlen durchbrochen wurde.

Nach einer Weile des stummen Schauens rückte Sebastian Trenker die Riemen seines Rucksacks zurecht und ging weiter der Streusachhütte entgegen.

Je näher er der Hütte kam, desto lebhafter wurden die Geräusche. Immer lauter drang das Johlen und Lärmen der Gäste an Sebastians Ohr.

Verwundert schaute er hinüber zur sonnigen Hüttenterrasse, auf der anscheinend fast alle Tische voll besetzt waren.

Zwar war die Streusachhütte immer gut besucht und der Schlafraum im oberen Stock im Sommer meist ausgebucht, doch so einen Andrang hatte Sebastian bisher noch nie erlebt.

Als er die Treppen zur Terrasse hinaufstieg, fiel ihm auf, dass die Hüttengäste zumeist junge Leute im Alter zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahren waren.

Etliche Augenpaare wandten sich ihm zu, während er nahe am Eingang an einem der wenigen Tische, die noch frei waren, Platz nahm. Leicht spöttische Blicke galten seinen Bergschuhen und seinem Rucksack, an dem ein Seil, Steigeisen und ein Pickel hingen.

Der Bergpfarrer setzte seinen Filzhut ab und nahm nun seinerseits die jungen Leute etwas genauer unter die Lupe.

Ein Teil von ihnen trug bequeme Trainingshosen und weite Sweatshirts, andere hatten hautenge, kunterbunte Leggings und dazu ebenso knappe und farbenfrohe T-Shirts an.

Besonders ein junger Mann mit pechschwarzen, kurz geschnittenen Haaren erregte Sebastians Aufmerksamkeit. Er war groß und schlank, dabei sehr muskulös. Sein Sportdress war in den Farben Türkis und Schwarz gehalten, schwarze Turnschuhe und eine Sonnenbrille in der gleichen Farbe vervollständigten sein Outfit. Seinem großspurigen Auftreten nach zu schließen, schien er der Anführer der Gruppe zu sein.

Besonders eine junge Frau hing mit großen bewundernden Blicken an seinen Lippen. Sie wich nicht von seiner Seite und schien seine lauten Monologe regelrecht aufzusaugen. Man hätte sie für seine Freundin halten können, wenn er liebevoller und weniger herablassend mit ihr umgegangen wäre. Allerdings schien sein lautes und überhebliches Auftreten weder ihr noch den anderen Mitgliedern der Gruppe unangenehm aufzufallen.

Der Bergpfarrer fragte sich kurz, wer die jungen Leute waren und woher sie kamen.

»Grüß Gott, Hochwürden!« Maria Stadler, die in diesem Sommer aushilfsweise auf der Streusachhütte bediente, trat an seinen Tisch. »Wie schön, dass Sie auch wieder einmal Zeit für eine Bergtour gefunden haben. Was darf ich Ihnen bringen? Vielleicht erst einmal ein Glas Milch?«

»Ja, bitte, Frau Stadler. Das wäre wunderbar«, antwortete Sebastian. »Und dann vielleicht …«

Der Rest seiner Bestellung ging in dem lauten Gelächter unter, das vom Nachbartisch herüberschallte.

Maria Stadler stieß einen Stoßseufzer aus und warf Pfarrer Trenker einen vielsagenden Blick zu.

»Seit einer ganzen Woche sind die Verrückten schon da heroben«, sagte sie. »Und zwei oder drei Wochen wollen’s noch bleiben. Dabei bin ich jetzt schon völlig geschafft von dem Wirbel, den sie veranstalten.«

Der gute Hirte von St. Johann schmunzelte.

»Sind halt junge Leute«, meinte er nachsichtig. »In dem Alter werden wir auch net viel anders gewesen sein. Wir können uns bloß nimmer so genau erinnern.«

Maria Stadler machte ein süßsaures Gesicht.

»Na, ich weiß net«, konnte sie einen leisen Widerspruch nicht unterdrücken. »Also derart überdreht … Es sind übrigens Sportstudenten von der Münchner Uni. Sie nehmen an einem Ferienseminar teil. Unter der Leitung ihres Tutors Richy Brutschtaler. Das ist der Große da drüben mit der Prominentenbrille. Den ganzen lieben Tag über lässt er die Gruppe, auch die Madln, an der ›Kleinen Wand‹ herumkraxeln. Direkt neben der steilen glatten Stelle, an der letztes Jahr beinahe ein Unglück passiert wär. Grad als ob die jungen Leute ihr Schicksal herausfordern wollten. Sie haben zum Klettern nur Turnschuhe an. Und dann diese geschmacklos grell bunten Sportanzüge. Und sie krallen sich mit bloßen Händen am Felsen fest. Wie …, wie …, na, jedenfalls ohne Steigeisen, ohne alles.«

Sebastian Trenker machte eine besänftigende Handbewegung.

»Das sind Freikletterer. Und im Übrigen glaub ich, dass das Freiklettern auch net gefährlicher ist als das normale Bergsteigen«, beruhigte er Maria Stadler. »Schließlich verzichten die Freikletterer zwar auf Steighilfen, aber net auf Sicherungsmittel. Haken und Gurte werden bei dieser Sportart sehr wohl verwendet. Und natürlich auch ein Seil und Schutzhelme. Im Übrigen kann ich durchaus verstehen, dass das Freiklettern gerade für junge Leute einen ganz besonderen Reiz hat. Immerhin ist es eine sportliche Herausforderung, die viel Kraft, Konzentration und Geschicklichkeit erfordert.«

Maria Stadler zuckte nur mit den Schultern, aber der missbilligende Blick, den sie Richy Brutschtaler und seiner lärmenden Gruppe zuwarf, sprach Bände.

»Ich bring Ihnen jetzt Ihre Milch, Hochwürden«, sagte sie schließlich und wandte sich zum Gehen.

*

»Hab ich das richtig verstanden? ›Hochwürden‹ hat die Bedienung zu dem Mann da drüben gesagt?«, wandte sich Richard Brutschtaler an die junge Frau im lindgrün und rot gemusterten Freikletteranzug. »Das darf doch net wahr sein. Also wirklich. Wenn der ein Pfarrer ist, bin ich der Mann im Mond. Und du die Kaiserin von China, Christel.«

Richy lachte laut über seinen eigenen Witz und klatschte sich dabei herzhaft auf die muskulösen Schenkel.

Christel Beyers Wangen überzogen sich trotz der vom Klettern herrührenden tiefen Bräune mit einem rosigen Hauch.

»Schrei doch net so laut herum, Richy«, ermahnte sie den jungen Mann. Gleichzeitig legte sie ihm mit einer beschwichtigenden Geste sanft die Hand auf den Unterarm. »Wieso soll der neue Gast denn kein Pfarrer sein, Richy? Auch ein Pfarrer macht Bergtouren, geht zum Baden oder Reiten. Er ist doch genauso ein Mensch aus Fleisch und Blut wie wir und wie alle anderen auch.«

Richy zog seinen Unterarm unter Christels Hand weg und lachte noch lauter.

»Bist du dir da so sicher, Christel?«, wieherte er, packte Christel um den Hals und gab ihr einen langen Kuss auf den Mund. Nicht ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass Pfarrer Trenkers Blicke in diesem Moment auch wirklich auf ihn und Christel gerichtet waren.

Christel küsste spontan zurück, sah sich dann aber fast scheu nach Sebastian um. Unsicher strich sie sich eine Strähne ihres langen lockigen Blondhaars zurück, stellte jedoch zu ihrer Erleichterung fest, dass der Geistliche ihr freundlich zulächelte. Sie lächelte zurück, warmherzig und fröhlich.

Sie musste sich eingestehen, dass sie den sympathischen Geistlichen interessant fand. Vor allem, weil er wirklich nicht wie ein Pfarrer aussah, eher schon wie ein Schauspieler. Sie konnte ihn sich auch recht gut als Bergführer vorstellen. Bestimmt kannte er jeden Steg und jeden Pfad hier im Wachnertal aufs Genaueste.

Am liebsten hätte Christel Beyer sich ein Viertelstündchen an den Tisch des Geistlichen gesetzt und sich mit ihm unterhalten. Ein Gespräch mit ihm stellte sie sich interessant vor, aber …

»He, Christel! Hast wohl ein Auge auf den Herrn Pfarrer geworfen, oder was?«, feixte in diesem Moment Alex Sabler, ein weiterer Teilnehmer des Freikletter-Kurses. »Pass nur auf, dass dir der Richy net eine Eifersuchtsszene macht!«

Alle prusteten einmütig los.

Christel senkte verlegen den Blick, während auf Richys Lippen ein ebenso überlegenes wie spöttisches Grinsen trat.

Er dachte kurz nach, dann trat er, die Hände in die Hüften gestemmt, mit großen entschlossenen Schritten auf den Bergpfarrer zu.

»Grüß Gott«, sagte er forsch. Er setzte sich halb auf eine Ecke von Pfarrer Trenkers Tisch, sodass eines seiner Beine lässig in der Luft baumelte. »Bestimmt haben Sie sich schon gefragt, wer wir sind, deshalb möchte ich mich gerne vorstellen. Ich bin Richard Brutschtaler aus München, Sportdozent, Sportkletterer und Coach dieser Freiklettergruppe.« Er wies mit einer großzügigen Armbewegung auf die anderen jungen Leute, die zögernd näher kamen und sich um ihren Anführer scharten. »Wir trainieren an der ›Kleinen Wand‹. Und zwar Schwierigkeitsklettern und Speedklettern. Wenn Sie wissen, was ich meine.«

Richy Brutschtaler warf Pfarrer Trenker unter hochgezogenen Augenbrauen einen herablassenden Blick zu, doch der gute Hirte von St. Johann ließ sich nicht provozieren.

Er lächelte Richy Brutschtaler freundlich zu.

»Ich denke schon, dass ich weiß, was Sie meinen«, erwiderte er. »Beim Schwierigkeitsklettern geht es, wie schon der Name sagt, darum, wer die meisten Schwierigkeiten überwindet. Sprich, wer in einem festgesetzten Zeitrahmen am höchsten an der Kletterwand emporklimmt. Beim Speedklettern verhält es sich genau umgekehrt: Die Strecke ist vorgegeben, und der Schnellste ist der Sieger.«

Richards Grinsen wich einer mürrischen Miene.

Christel Beyer dagegen klatschte spontan Beifall, und einige aus der Klettergruppe taten es ihr nach.

»Bravo, Herr Pfarrer«, lobte sie. »Für einen Geistlichen wissen Sie über unseren Sport ganz schön gut Bescheid.« Sie hatte Sebastian ein dickes Kompliment machen wollen, biss sich auf seinen verblüfften Blick hin allerdings schuldbewusst auf die Unterlippe. »Wir …, wir haben gehört, wie die Bedienung Sie Hochwürden genannt hat«, setzte sie erklärend hinzu. »Deshalb waren wir uns sicher, dass Sie Geistlicher sind. Das stimmt doch, oder? Angesehen hätten wir es Ihnen freilich net. Ganz im Gegenteil. Und anhören tun Sie sich auch net wie ein Pfarrer. Ich hoffe, dass Sie jetzt net beleidigt sind, aber …«

Sebastians Augen blitzten belustigt auf.

Wenn die junge Frau ihr Herz auch auf der Zunge trug, so hatte sie es doch offensichtlich am rechten Fleck!

»Ich bin keineswegs beleidigt. Dass ich net der landläufigen Vorstellung von einem Geistlichen entspreche, hör ich heute schließlich net zum ersten Mal. Ich bin übrigens Pfarrer Trenker, der Gemeindepfarrer von St. Johann«, stellte der Bergpfarrer sich, an die Gruppe der jungen Sportler gewandt, vor. »Und wenn Sie einmal ein bissel freie Zeit haben und vielleicht hinunterkommen und sich den Ort anschauen, würde ich mich freuen, wenn Sie auch mir einen Besuch abstatten. Unsere Kirche ist einen ­Besuch wert, ich zeige auch gerne die sehenswerten Kirchenschätze, wenn Interesse besteht. Anschließend dürfen Sie auch gerne, auf Kaffee und Kuchen, mit zu mir kommen. Meine Haushälterin ist eine leidenschaftliche Köchin und Bäckerin. Frau Tappert freut sich immer riesig, wenn ich Gäste mitbringe, die sie mit ihren kulinarischen Köstlichkeiten verwöhnen darf.«

»Auf mich können S’ zählen, Herr Pfarrer«, kam es wie aus der Pistole geschossen von Alex Sabler. »Die Freude, mich bekochen zu dürfen, mach ich Ihrer Haushälterin gerne. Für gutes Essen und Trinken bin ich immer zu haben.«

»Recht so. Wenn’s ums Essen und Trinken geht, sag ich ebenfalls net nein«, meldete sich ein anderer junger Mann zu Wort.

»Ich bin auch dabei. Ich auch, ich auch«, rief mindestens die Hälfte der Gruppe, worauf sich wieder Beifallklatschen erhob.

Richy Brutschtaler ärgerte sich, dass seine Schützlinge ihre Zusage gaben, ohne ihn zu fragen. Seine Backenzähne mahlten aufeinander, dass die Kaumuskeln deutlich hervortraten.

Christel sah es und suchte nach einer Möglichkeit, Richy zu besänftigen. Man konnte ihr regelrecht ansehen, wie fieberhaft es hinter ihrer Stirn arbeitete.

»Also, ich hätt eigentlich nix gegen ein bissel Abwechslung zum Essen hier auf der Hütte«, sagte sie vermittelnd. »Du doch sicher auch net, Richy, oder? Bestimmt ist das Essen dieser ›Köchin aus Leidenschaft‹ sehr lecker. Und nachdem wir uns nächste Woche sowieso einen kletterfreien Tag gönnen wollten, würde es doch prima passen, wenn wir …«

Der Rest von Christels Worten ging in vielstimmigem Bravogeschrei unter.

Richy warf Christel einen vernichtenden Blick zu, was sie jedoch hinter seiner schwarzen Sonnenbrille nur ahnen konnte. In ihm kochte und brodelte es, aber dann hob er plötzlich die Hände, um das Gejohle seiner Gruppe zu dämpfen.

Dabei schielte er listig in Sebastian Trenkers Richtung.

»Was mich betrifft, bin ich einem Ausflug nach St. Johann keineswegs abgeneigt«, erklärte er, worauf sich sofort neue Bravorufe erhoben. »Allerdings bestehe ich auf einer Gegeneinladung. Weil ich nun einmal ein höflicher Mensch mit guten Manieren bin, der sich net gern etwas schenken lässt.« Er wandte sich Sebastian Trenker zu. »Da Sie anscheinend großes Interesse am Freiklettern haben, Herr Pfarrer, lade ich Sie ein, uns beim Training zuzuschauen. Zwar ist uns Publikum eigentlich gar net so willkommen, solange wir noch so sehr in den Anfangsgründen stecken, aber für Sie machen wir selbstverständlich gern eine Ausnahme.«

Der Bergpfarrer zeigte sich ehrlich erfreut.

»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Brutschtaler«, erwiderte er. »Ich nehme Ihr Angebot gerne an. Ich muss nämlich zugeben, dass mein Wissen über das Freiklettern eher theoretischer Natur ist. Jedenfalls hatte ich bis jetzt noch keine Gelegenheit, Freikletterer aus der Nähe zu beobachten.«

Richy Brutschtaler schien nichts anderes erwartet zu haben.

»Mit dem Bergwandern und dem normalen Bergsteigen hat das Freiklettern net viel gemeinsam. Sowohl die geistigen als auch die körperlichen Anforderungen sind beim Freiklettern viel höher«, brüstete er sich. »Aber das werden Sie ja schon bald mit eigenen Augen sehen.« Er rutschte vom Tisch und stand nun direkt vor Sebastian Trenker. »Sie müssen sich im Übrigen net aufs Zuschauen beschränken. Sie können das Freiklettern auch gerne selber probieren. Ich stehe Ihnen für eine Probetrainingsstunde jederzeit zur Verfügung.«

Einen Moment lang herrschte halb betretenes, halb gespanntes Schweigen unter den Mitgliedern der Klettergruppe.

Christel Beyer runzelte unwillig die Stirn und zupfte Richy am Ärmel seines Sportanzugs, um ihn zu bremsen.

»Ich kann mir vorstellen, dass es Herr Pfarrer Trenker eher um eine Verbindung von Bergsteigen und Naturgenuss geht, statt um Hochleistungs...«, versuchte sie, dem Bergpfarrer zu Hilfe zu kommen, verstummte aber abrupt, als Richy ihr mit einer ärgerlichen Kopfbewegung bedeutete, sie solle sich aus der Sache heraushalten.

Christels Blicke wanderten zu Pfarrer Trenker, der ihr spontan zublinzelte.

Dass das Madel ihm beispringen wollte, rührte ihn.

Indes hatte Sebastian aber nicht vor, die goldene Brücke zu betreten, die Christel ihm hatte bauen wollen.

»Sie haben mich gar net schlecht eingeschätzt, junge Dame. Es ist tatsächlich so, dass Sport und Naturgenuss und sogar die Gaumenfreuden eines Picknicks oder einer Hütteneinkehr bei mir ziemlich eng beieinanderliegen«, bekannte er freimütig und wandte sich dann Richy Brutschtaler zu. »Was mich natürlich net daran hindert, auch einmal etwas ganz anderes auszuprobieren. Auf die Probetrainingsstunde bei Ihnen, Herr Brutschtaler, bin ich deshalb schon sehr gespannt. Net umsonst sagt der Volksmund, dass Probieren übers Studieren geht. Was man net selber getan hat, das kennt man net wirklich. Auch wenn man darüber gehört oder gelesen oder sogar dabei zugeschaut hat.«

Richy Brutschtaler blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen, sodass er einen Moment lang ziemlich belämmert dreinschaute. Erst als ein paar anerkennende Kommentare aus der Runde seiner Schützlinge an seine Ohren drangen, fasste er sich wieder.

Nie und nimmer hatte er damit gerechnet, dass dieser Pfarrer auf seinen Vorschlag eingehen würde. Aber vielleicht hatte der wagemutige Geistliche sich ja selber eine Falle gestellt. Richy grinste. Sollte er sich doch noch ein paar Tage in der allgemeinen Bewunderung sonnen! Das dicke Ende würde kommen, wenn er, nur auf sich gestellt, an der fast senkrecht in die Höhe steigenden ›Kleinen Wand‹ hing, an der sich selbst seine Schützlinge erst zum Schluss des Kurses versuchen würden. Dann konnte der Pfarrer von St. Johann nämlich gar nicht anders, als sich zu blamieren. Dann würde er endlich damit aufhören, sich in den Mittelpunkt zu spielen und sogar Christel auf seine Seite zu ziehen.

Richy rieb sich in blanker Vorfreude die Hände.